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Kuppler, Kirchenräuber, denen Keuschheit, Gelübde, Heiliges eine Lapalie ist; endlich ihr Phrasenmäuler, Zungenhelden, und ihr alle, die ihr, längst zerrüttet, Christum und den Glauben leugnet, ihr Unreinen, deren lose Zunge verderbt die Genossen, welche durch ihre Verbrechen zu verworfenem Wahne geführt werden; auch du, Abschaum des Pöbels, dem zu hart dünken die Zügel der Obrigkeit, der in rasender Wut das Joch zerbricht; all ihr Brecher der Geseße, feiert nun die Hochzeit eures Meisters, dessen Schriften euch rauben lassen, was ihr nur begehrt! Du, Neuvermählte, wirf den Schleier fort, zerbrich den Gürtel der Keuschheit, dein Gelübde, den Glauben! So gewiß als ihr beide euch Christo gelobt habt, aber das Lager und den Geist und eure Leiber durch sakrilegische Unzucht besudelt, wird durch euch erzeugt werden jenes Verderben der Welt, der leibhaftige Antichrist'!

Viel weiß uns Janssen von den warmen' Bitten und Ermahnungen' des bekannten Thomas Murner zu erzählen. Hätte er uns doch auch etwa die kurze Vorrede zu dieses edlen Mannes Schrift: Ob der König aus England ein Lügner sei oder der Luther' mitgeteilt, in deren vier Säßen uns folgende Wendungen begegnen: Die blutwietende, mörderische Keßerei und aufgegangene unmenschliche, schellige und ungöttliche Lehre Luthers', so bübisch, riffigenisch und lästerlich, als nie ein Hipenbub', der wütende Bluthund Martinus Luther, verfluchten Gedächtnisses', der lästerliche, ausgelaufene Mönch und mörderische Bluthund, der seine Hände in priesterlichem Blute waschen will'.

Hören wir endlich noch einen Widersacher Luthers, von dem Janssen ganz zu schweigen vorgezogen hat, Franciscus Arnoldi! In einer gegen Luther gerichteten Schrift1) desselben lesen wir: In seinen [Luthers] Glossen sind soviel Lügen als Wörter enthalten'. Es hat der Feind alles Guten, der Vater der Lügen und Mörder des Menschengeschlechts, die alte Schlange, der Teufel ... durch sein alt und gewöhnlich Instrument oder Handgezäu, den Martin Luther, das Faß voll aller Schmähe,

1) Antwort auff das Buchlein so Martin Luther widder Kaiserlichen Abschiedt in kurzuorschinen tagen hat außgehen lassen; 1531. ErlangenFrankfurter Luther-Ausgabe, Band 25, 2. Auflage, S. 89 ff.

Injurien, Aufruhr und Zwiespalt, wiederum ein Schrift- und Schandbüchlein unter die Leute gebracht, sein Reich damit zu erhalten'. Es hat dieser dürftige und turstige Apostat oder ausgelaufene Mönch, aus unzweifeliger Anleitung des Teufels und sein selbstvermessener Untugend, sich unterstanden —'. Sein Leiter und Zuchtmeister, sein Ahnherr, der wütige Teufel, wills also haben, daß er sich also treulich übe in teuflischen Werken'. Das Faß aller Unwahrheit geußt von sich unsägliche Lügen, damit er vermeint, Andere in seinen Unflat zu verwickeln'. Unsinniglich rast, tobt und wütet er'; der elende Apostat tobt, als wollte er aus der Haut fahren, und was er mit Schrift nicht zu widerlegen vermag, das will er mit Fluchen und Schelten ausrichten, ob er die Seinen zu Aufruhr bewegen möchte oder vielleicht Kaiserlicher Majestät soviel Ursach geben, damit Aufruhr erweckt und arme Leute gemacht würden. Da hätten denn der Teufel und sein Knecht Luther sonderliche Lust an'. Bei ihm ist viel Geschrei und wenig Wahrheit; darum, wenn er einmal ausgebillt, so schweigt er wohl oder tobet meuchling, wie ein rasender Hund'. Darum wird ihn Gott strafen, wie ich hoffe, allhier zeitlich mit Feuer in seinem Eingeweide und, dieweil er also verstockt ist, mit Ernst endlich in der ewigen Pein'. Willst du einen Hoffärtigen haben, so findest du allda [in Luther] den Allerhoffärtigsten; willst du haben einen Geizigen, so findest du allda einen, vor dem auch die Bettler das ihre nicht behalten können; willst du einen Unfeuschen, so findest du, wie er selber sagt, einen Sodomiter und boshaftigen Nonnenfeger; willst du einen Aufrührer und Ungehorsamen, findest du allhier einen, der hunderttausend Mord und Totschläge schuldig ist und alle geistliche und weltliche Obrigfeit verachtet; einen Fälscher der heiligen Schrift, einen Lästerer der lieben heiligen Apostel, der ihnen zumißt, was sie nie gethan. Du findest hier den Born alles Argen, Uebels, Sünde und Schanden und einen brunnlautern Buben'.

Als dann Luther diesem Schriftsteller geantwortet, gab der= selbe eine neue Schrift heraus 1), in welcher unaufhörlich folgende

1) Auf das Schmaebuchlein, welchs Martin Luther widder den Meuchler zu Dreßden in kurzuorschiner zeit hat lassen außgehen; 1531. ErlangenFrankfurter Luther-Ausgabe, Band 25, 2. Aufl., S. 129 ff.

Anreden herniederhageln: Du unruhiger, treuloser, meineidiger Kuttenbube', du verfluchter Apostat', du treuloser Bube und teuflischer Mönch', mit deinem wütigen, aufgespreißten Wolfsrachen', du deklarierter Mammeluck und verdammter Zwiedarm', du bist der allerunverständigste Bachant und zeheneckichte Cornut und Bestia', der größte und gröbste Esel in der Haut drinnen, den der Erdboden bisher getragen hat'; mein Doktor Erzesel, ich will dir's prophezeit haben, der allmächtige Gott wird dir kürzlich die Schanz brechen und deiner boshaftigsten, gröbsten Eselsheit Feierabend geben'. Du Sauboße', du meineidiger, treuloser und ehrenbloßer Fleischbösewicht', Doktor Säutrog', Doktor Eselsohr', pfui dich nun, du meineidiger, sakrilegischer, der ausgelaufenen Mönche und Nonnen, der abfälligen Pfaffen und aller Abtrünnlinge Hurenwirt'! Doktor Schandluther', verzweifelter, meineidiger Bluthund', Doktor Filzhut', du bist der wütende Teufel auf deinen Mönchskopf'; ich will dich dem wütenigen Teufel und seiner Hurenmutter mit einem blutigen Kopf in Abgrund der Höllen (du willst es also haben!) schicken'!

Schon diese Mitteilungen werden es begreifen lassen, warum ein Janssen, welcher etwas von dem Tone der römischen Polemiker jener Zeit kennt und doch nicht sich versagen mag, Luthers Schreibweise als entseßlich darzustellen, wenigstens seinen Lesern einzureden sucht, daß jener böse Ton zuerst von dem Reformator angeschlagen, von seinen Widersachern nur nachgeahmt sei. Den Ton für die ganze damalige polemische Litteratur gab Luther an', versichert er1) uns. Es war begreiflich, daß der einmal angeschlagene Ton nicht bloß auf seiner Seite fortklang, sondern auch ihm nichts geschenkt wurde'.2) Wir gestehen, daß uns dieses keineswegs so begreiflich' ist. Vielmehr würden wir erwarten, daß je roher, pöbelhafter, cynischer' Luthers Schreibweise war, desto mehr seine Feinde sich davor gehütet hätten, ihn zu copieren. Doch, wir berufen uns lieber zur Widerlegung jener Janssen'schen Behauptung auf eine klare Thatsache.

1) II, 193.

2) Janssen II, 195 nach v. Höfler.

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Es bleibt unbestreitbar: Die ersten Schriften aus jener Kampfeszeit, welche sich Grobheiten erlauben, sind nicht von Luther verfaßt, sondern von römischen Streitern, dem hohen päpstlichen Beamten Sylvester Prierias 1) und dem berühmten Theologen Dr. Ed.2) Vergeblich ist die große Mühe, die Evers 3) auf den Nachweis verwendet, jene erste Schrift fließe fast durchweg in ruhiger Sprache hin'. Denn er muß sich schon erlauben, Luther einen obskuren Menschen' zu nennen, den Prierias aber den greisen Verfasser', womit er sich das Recht erworben zu haben meint, in den höhnischen Säßen, deren dieser sich bedient, nur eine verdiente Abfertigung des jungen Mannes und seines leichtfertigen Tones' zu finden. Und auch bei solcher Darstellungsart sieht er sich an einer Stelle jener Schrift doch noch zu dem Geständnis genötigt: Hier läuft dem alten Herrn die Galle allerdings stark über', bei der Stelle nämlich: Wenn Beißen die Art von Hunden ist, so fürchte ich, daß ein Hund dir Vater gewesen sein möchte, denn zum Beißen scheinst du geboren zu sein'. Und in einer Ergänzung'4) muß er gestehen, daß dies doch nicht die einzige kränkende Vergleichung' gewesen sei, mit welcher Prierias gegen Luther operiert habe. Wenn er aber troß alledem dabei bleibt: Im übrigen aber bewahrt der Dialog eine fast vornehme Ruhe', so dürfte man richtiger sagen: Er schlägt jede Tonart an, welche nur zu verlegen vermag; sowohl den ruhigen' vornehmen' Ton, da man den Gegner wie einen dummen Schulknaben von oben herab belehrt und verwarnt), als auch den bissigen, schimpfenden Ton, da man zur Abfertigung von Gemeinem selbst gemeiner Wendungen sich bedienen muß.6)

Ebenso findet Evers) in Eck's Obelisken fast nur sachliche Bemerkungen', muß diese aber doch auch nicht gerade schmeichel

') Dialog' betitelt, schon Ende 1517 erschienen; Walch 18, 81 ff. Erl. op. v. a. ad Ref. Hist. p. 344 sqq.

2) Obelisken' betitelt, schon Anfang 1518 handschriftlich verbreitet; Walch 18, 796 ff. Erl. op. v. a. ad Ref. Hist. p. 406 sqq.

3) M 2. I, 320 ff.

4) M. 2. I, 471, 1.

5) Wie etwa Janssen zu reden liebt.

6) Wie etwa Evers schreibt.

7) M. L. I, 329 und 323.

haft' nennen. Lesen wir doch auch in den wenigen kurzen Säßen. des Eck über Luthers Thesen: Ein liederlicher Sag, ein frecher Sah, ein verwegener Sah, ein mit Gift untermengter Schwanz, ist nichts als böhmisches Gift aussprißen, die meisten Säße ganz roh und abgeschmackt, höchst unverschämter Irrtum, ganz lächerlich'.

So darf denn Luther wohl sagen: 1) „Solcher Leute Meinung ist die: wenn auf jenem Teil Hunderttausend schrieben, ja wenn alles Laub und Gras wider uns auf das allergiftigste und bitterste, schändlichste und lügenhafteste schrieben und schrieen, und wir schwiegen und „ja“ dazu sagten, das wäre recht und fein. Aber wenn ich armer Mensch allein wider soviele ungeheure Wunder und Greuel einmal auch schreie, so hat niemand scharf geschrieben ohne allein der Luther".

Keineswegs aber leugnen wir, daß ein Unterschied bleibt zwischen dem Schimpfen Luthers und dem seiner Gegner. Er liegt aber nicht in der Sache, sondern nur in der Form; er besteht darin, daß Luther Meister im Gebrauch der Sprache war, also auch Meister im Schelten' 2), wenn er schelten wollte, während seine Gegner den besten Willen hatten, nur nicht konnten wie er. Jeder Blick in die Streitschriften jener Zeit wird diese Behauptung bestätigen. Wie häuft etwa Cochläus in den oben 3) angeführten Säßen die Schimpfworte! Mit vier derartigen beginnt er: Der unruhsame, zänkische, boshaftige, Ismael', — und doch, wie lächerlich matt klingt das ganze! Oder welche Mühe giebt sich Emser, wie sucht er nach Vergleichungen, um Luther zu verspotten, und wie mitleidenswert schwach ist seine Leistung, wenn er etwa1) schreibt: „Ich möchte ihn wohl nennen eine junge Gans, darum daß er die alte Gans, Hus, so gar verteidigen will; auch einen schwarzen Raben..., item ein Rebhuhn, das einem anderen seine Jungen stiehlt und ausheckt. Mehr möchte ich ihn vergleichen einer Eule, die mit ihrem gräulichen Geschrei die andern Vögel zu sich lockt; item eine Fledermans . . . Und sage kürz

1) Walch 16, 2122. D. W. 4, 240. Erlang. 54, 226.

2) Wie Kirche 234 sich ausdrückt.

3) S. 16.

1) Im Eingang seiner Schrift Auff des Stieres zu Wiettenberg wiettende Replica'.

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