Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

bedient er sich dabei des mißdeutbaren Ausdrucks, „man lasse die Landesherren damit machen, was sie wollen". Wer also sich sehnt, ihn zu verunglimpfen, der hat hier eine Handhabe, ihm, der sonst stets gegen alles willkürliche Thun geeifert, nachzusagen, daß er den Fürsten derartige Gebäude zu völlig beliebiger Benuzung überlassen habe. Nur möge er dann auch zu erklären versuchen, warum derselbe Luther später, als es sich wirklich um Verwendung der Kirchen- und Klostergüter handelte, so energisch eine willkürliche Verwendung und eine beliebige Benutzung derselben von seiten der Fürsten zu verhindern gesucht hat.

Denn freilich hat er später seinen Kurfürsten aufgefordert, diese geistlichen Güter unter seine Obhut zu nehmen.1) Unsere Gegner stellen dies natürlich so dar, als habe er den Fürsten die fette Beute der Kirchengüter überlassen',2) ja, hingeworfen. Die Fürsten konnten nun ohne alle Gewissensbedenken gierig ihre Hand nach denselben ausstrecken, und indem sie in der ungemessensten Weise ihre Habsucht befriedigten, konnten sie noch mit zum Himmel emporgewandtem Blicke sich als die wahren Gotteshelden und Gotteskämpfer des reinen Evangeliums betrachten und wurden als solche von den Reformatoren gepriesen'.3) Janssen freilich wählt den vorsichtigen Ausdruck: Der Fürst verfügte über das Kirchengut'.4) Aber bisweilen seht er auch nach Belieben' hinzu.) und indem er nun immer wieder der Wendungen sich bedient: Nur die Obrigkeiten, welche über das Kirchengut nach Belieben verfügten, waren wie die Einführer, so auch allein die Stüßen der neuen Lehre', erzeugt er die Meinung, als hätten die Fürsten darum die Reformation begünstigt, weil diese ihnen alle Kirchengüter zur beliebigen Verfügung zugesprochen habe. Und da ja Luther selbst seinen Fürsten auf die Klostergüter hingewiesen hatte, so scheint es nach Janssen, als habe derselbe mit diesem Köder' seinen Kurfürsten für sich gewinnen wollen, und als habe er dann, wenn gar zu entseßlich mit diesen geistlichen

') D. W. 3, 136f. Walch 21, 156 ff. Erlang. 53, 387 f.

2) Wohlgemuth 96.

3) Kirche 242.

*) 3. B. III, 191.

5) 3. B. 1. Wort 122.

Gütern umgegangen wurde, höchstens im stillen sich etwas darüber geärgert. Wenigstens haben die von Janssen Abschreibenden ihn so und noch ärger verstanden.

Erklärt doch z. B. jener bekannte Kirchenhistoriker, welcher sich unter dem Namen Const. Germanus verbirgt': Die Art und Weise von Luthers Vorgehen bei Verbreitung seiner Neuerung kennzeichnet sich als eine unredliche ganz von selbst durch viele unbestrittene Thatsachen. Die offenen Aufreizungen der Fürsten und Städte zur Aneignung des kirchlichen Vermögens [von seiten Luthers] waren Schlingen der Verführung zu einem durch die Neigungen des Menschen ohnehin leicht gemachten Handeln gegen das Gewissen. Nach den neueren Arbeiten, besonders von Janssen, bedarf es hier keiner einzelnen Nachweise'.')

Wie anders redet Luther davon! Zu geistlichen Zwecker, schreibt er, seien „die Klostergüter vornemlich gestiftet“; es sei also nicht zu verantworten, wenn die Mächtigen im Lande, der Adel, dieselben an sich brächten, wie schon teilweise geschehen sei. ,Ebensowenig würden dieselben die kurfürstliche Kammer bessern [für die kurfürstliche Kasse verwandt, würden sie als unrecht Gut ihr nicht Gedeihen bringen]. Nur dann, wenn sie ihrer Stiftung gemäß zu gottesdienstlichen Zwecken verwandt würden, und wenn sie diesen ihren ursprünglichen Zweck vollständig erfüllt hätten, würde ein etwaiger unverwendbarer Ueberschuß zu Landesnotdurft oder an arme Leute verwandt werden können".2) Damit also die geistlichen Güter als herrenlos gewordenes Gut nicht von Unberechtigten an sich gerissen, sondern ihrem stiftungsgemäßen Zweck entsprechend verwandt würden, sollte die Obrigfeit ihrer Pflicht zufolge dieselben unter ihre Obhut nehmen.3)

So ernstlich meint er diese seine Motivierung, daß er alles,

1) Germanus S. 73.

2) Auch Janssen teilt diesen Brief Luthers mit, aber nicht ohne daran sofort einen Sah anzuschließen, durch den die Meinung erweckt wird, als hätte Luther die Kirchengüter den Fürsten doch dazu überlassen, damit sie ,,damit machen könnten, was sie wollten".

3) Ebenso hatte Melanchthon in seinem Schreiben vom 1. Januar 1525 von dem Rat zu Nürnberg verlangt, „die Obrigkeit solle verhüten, daß jeder zu sich reiße, was ihm gefällt“. Corp. reform. I, 719.

was nur in seinen Kräften stand, gethan hat, um eine mißbräuchliche Verwendung der Kirchengüter zu verhindern. Janssen weiß es, ja, er läßt es nicht ganz unerwähnt. Aber während er die oben besprochenen Worte Luthers aus seinem Briefe an Kurfürst Friedrich weitläufig mitteilt und so entseßlich verdreht, daß die Leser glauben müssen, die Klostergüter seien von Luther den Händen der Fürsten zu willkürlicher Benußung ausgeliefert, erwähnt er das, was Luther gegen die zweckwidrige Verwaltung dieser Güter unter dem Kurfürsten Johann gethan hat, nur in einer Anmerkung 1), nur lateinisch und von dem vielen, was anzumerken war, nur die wenigen Worte aus einem Briefe Luthers an Spalatin: „In großem Ernst rede ich von dem an den Klostergütern begangenen Raube, und glaube mir, die Sache quält mich sehr".2) Warum teilt er nicht weiter aus demselben Briefe mit, wie Luther, nicht zufrieden mit dem, was er in Schriften gegen jenen Unfug gethan, mit Gewalt in das fürstliche Zimmer gedrungen (bei Gelegenheit der Anwesenheit des Kurfürsten in Wittenberg), um hierüber allein mit ihm zu sprechen"; wie er „im Vorzimmer auch bei dem Prinzen hierüber sich beschwert; wie er mit der erhaltenen Antwort, es solle dafür gesorgt werden, daß alles recht zuginge, sich nicht zufrieden geben könne, da er sehe, daß der mit Arbeiten überhäufte Fürst gegen seine bösen Hofleute nicht durchdringen könne; wie er daher in einer öffentlichen Schrift den Fürsten ermahnen wolle, die Klostergüter anders zu verwalten, ob vielleicht dann jene Hofleute sich schämen würden"? „Wenn du, so schließt er seinen Brief, noch irgend einen Rat weißt, so teile ihn uns mit, mit größter Freude werde ich ihn befolgen. So sehr hasse ich überall, in allen Fällen, vollständig des Satans Wut, Hinterlist und Schändlichkeit, daß ich so gern auf alle Weise ihm entgegentreten und schaden möchte“. Also eine Wirkung des Teufels sah er in derjenigen Verwendung der Kirchengüter, welche seine Lästerer als von ihm selbst gewollt darstellen.

[ocr errors]

An späterer Stelle 3) berichtet Janssen einige Aussprüche 1) Janssen III, 189.

2) D. W. 3, 147 f. Walch 21, 1020 ff.

3) III, 487. 1. Wort 189 f.

Luthers über das Treiben der Fürsten, welche unter dem Deckmantel des Evangeliums nur auf Beraubung der Kirche bedacht seien. Er thut dies aber nur so und nur zu dem Zwecke, um zu zeigen: Die Theologen waren die Diener der Fürsten und mußten sich dem fürstlichen Willen fügen, die fürstlichen Gewaltschritte öffentlich verteidigen. Nur in vertraulichen Briefen konnten sie sich dafür entschädigen durch die bittersten Klagen über ihre Sklaverei und das Treiben der Fürsten'. Indem er dann eine solche Klage Luthers erwähnt, bricht er gerade an derjenigen Stelle des Briefes ab, wo Luther fortfährt: „Ich werde dem Dr. Pontanus [dem Kurfürstlichen Kanzler Brück] und auch dem Fürsten selbst die Ohren aufknöpfen [oder: reiben), sobald ich nur kann".1) Beweisen doch diese Worte, daß Luther eben nicht der fürstlichen Willkür sich gefügt oder gar sie verteidigt', sondern ihr mit voller Energie widerstanden hat!2) Genug, es dürfte wohl das Gegenteil von Wahrheit sein, wenn man uns berichtet: Aus Luthers Lehre folgte von selbst, daß die Fürsten sich der geistlichen Güter bemächtigen und durch Aufhebung der zahlreichen geistlichen Fürstentümer ihre eigene Macht vergrößern dürften .. Luther wurde nicht müde, zu allen Heiligtumsschändungen seinen Segen zu sprechen, zu allen Kirchenräubereien fromme Worte zu machen'.3)

Da aber Janssen jene Klagen Luthers über schlechte Verwaltung der Kirchengüter nur zu dem Nachweise berichtet, daß die Fürsten des neuen Kirchentums' den himmelschreiendsten Raub sich zu schulden kommen ließen, und daß jezt, da sie nicht mehr unter dem Papsttum standen, niemand - auch Luther nicht ihnen wehren konnte, so möchten wir ihn ersuchen, in den noch zu erwartenden Auflagen seines Geschichtswerkes eine gründliche

1) D. W, 5, 532. Walch 21, 1498.

2) Uebrigens sind auch die Citate Janssens (III, 488) von Klagen Luthers über die protestantischen Fürsten völlig unzuverlässig. So findet sich an den angegebenen Stellen der erste von Janssen angeführte Ausspruch Luthers garnicht; so handelt eine andere Stelle (D. W. 5, 462. Walch 17, 1815) mit keinem Worte von Fürsten, ebensowenig eine dritte (D. W. 5,485).

3) Wohlgemuth 90 u. 96.

und umfassende Darstellung davon zu geben, wie zu jener Zeit katholische Fürsten mit den Kirchen- und Klostergütern umgingen, wie auch der Papst den Raub solcher geistlichen Güter römischen Fürsten gestattete, um sie an sich zu fesseln; wie aber in dem Lande, auf dessen Verwaltung Luther noch am ehesten Einfluß hatte, in Kursachsen, „die Verwendung der Reinerträge der Klöster fürerst eine über alle Maßen uneigennützige war".) Ebenso verdiente gewiß die andere Frage eine nähere Erwägung, woher doch diese allgemeine Mißachtung der Klostergüter, von seiten der Römischen wie der Evangelischen, sowohl bei den Fürsten wie bei dem Volk, entstanden sein mag. Bei gewissenhafter Prüfung würde Janssen zu dem Resultate gelangen, daß die heillose Mißachtung, welche die Mönche selbst gegen die Güter ihrer Klöster thatsächlich bewiesen, indem sie nicht selten dieselben „unter sich teilten und nach ihren Launen und ihrem Belieben vergeudeten", gar keine andere Folge haben konnte, als daß nun jedermann mit denselben ebenso umgehen zu dürfen meinte. Aber freilich, von solchen Zuständen beim Ausgang des Mittelalters' weiß nur der, welcher seine Geschichtskenntnis anderswoher als aus Janssen geschöpft hat.

Doch nein, ein klein wenig davon erfährt man auch durch ihn. Jahrelang hatten wir darnach vergebens in seinem Werke gesucht. Wir hofften, aus Unwissenheit habe er davon geschwiegen. Wir sehen, wir haben uns geirrt. Denn nunmehr lesen wir bei ihm: Auch bei den katholischen Fürsten war, nicht etwa erst seit dem Aufkommen des Protestantismus, sondern schon lange vorher das Bestreben vorwaltend, wenigstens das ganze äußere Kirchenwesen der Landeshoheit zu unterwerfen und über die Kirchengüter frei zu verfügen'. Er führt von dem bekannten Gegner Luthers, dem Herzoge Georg von Sachsen, die Worte an: Wenn wir Laien Güter der Klöster und Gestifte unter uns [in unserm Lande] liegen haben, sind wir also entzündet zur Begier derselben Güter, daß man zum öftern Mal mehr trachtet nach den Gütern, so zu solchen Gestiften gehören, sie in unsere Gewalt zu bringen,

1) Wie Burkhardt a. a. D. S. 196 ff. mit detaillierten Zahlangaben nachweist.

« ZurückWeiter »