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Liebhaber der Wahrheit also leid und gehen traurig einher; die Widersacher aber sind froh und gehen mit aufgerichtetem Halse. Doch tragen wir über Heinrichs Tod also leid, daß wir nicht minder vor dem Herrn uns freuen, da wir gewiß sind, an ihm einen neuen Märtyrer Christi zu haben. Sie aber freuen sich vor der Welt, und ihre Freude wird, daran zweifle ich nicht, nur wie ein Augenblick sein.“

Nachdem Probst hierin seiner tiefen Gemütsbewegung einen Ausdruck gegeben, erzählt er von Heinrichs Weggehen aus Bremen und seinem Ergehen in Ditmarsen in der Kürze („denn mein Geist", sagt er, „ist allzutraurig, denn daß ich viel schreiben könnte"). Hierbei preist er in rührender Weise Heinrichs Treue und Standhaftigkeit im Gegensatz zu seiner eignen Schwäche, die ihn früher in Brüssel zum Widerruf verleitet: „Also sterben die Diener Christi, also werden die Worte des Meisters erfüllt. Ich kann nicht mehr schreiben. Flehet die göttliche Majestät an, daß sie uns auch solche Standhaftigkeit verleihe. Ach daß ich doch nur ein Tröpflein solcher Treue und Standhaftigfeit gehabt hätte, so ruhete ich jezt sicher in Christo, während ich mich nun wälze in allerlei Elend, Trübsalen und Sünden. Lebt wohl! Der Geist Christi sei mit euch."

Sodann wendet sich Probst noch an Luther mit folgendem Schluß: „Ich hatte, liebster Vater in Christo Martinus, diesen Brief an die Antwerpener geschrieben, aber der Bote war fortgegangen und hatte den Brief hier gelassen. So schick' ich ihn nun deiner väterlichen Liebe und flehe deine Gütigkeit an und beschwöre dich durch Jesum, daß du uns mit einem einigen Sendbrief tröstest, der für die ganze Bremer Gemeinde bestimmt ist. Bitte schlage mir das nicht ab. Denn nicht ich allein, sondern Viele bitten darum. Preise den Märtyrer Christi und strafe die Arglist der Mönche. Verzeih, ich bitte dich, meine Ungeschicklichkeit. Meine Seele ist betrübt bis an den Tod. Denn es verdrießt mich länger zu leben, weil ich allenthalben so viel Leiden sehe. Dennoch ist mein alter Adam noch nicht gestorben. Betet für uns!"

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Wie sehr man auch in Wittenberg über den schrecklichen Heimgang dieses langjährigen Freundes und Genossen bekümmert gewesen, darüber liegen uns bedeutende Zeugnisse vor von Luther wie von Melanchthon. Bleiben wir zuerst bei Lezterem. Melanchthons Biograph Camerarius schreibt über denselben aus dieser Zeit: Es vermehrte diese Traurigkeit (Melanchthons) die schreckliche Kunde des in demselben Jahre getöteten ernsten und standhaften, in der Lehre wohl unterwiesenen, hochherzigen, ja auch weisen und sehr bescheidenen Mannes Heinrich von Zütphen." "Sehr hatte Philippus diesen geliebt, und er war seiner Zeit zu Wittenberg allen teuerwert; und Philippus ehrte ihn durch auszeichnende Erwähnungen, die er seinen Schriften einstreute." 10) Solch eine „auszeichnende Erwähnung“ finden wir nun zunächst in Melanchthons Commentar zu Daniel (Cap. 11), wo es heißt: „Aber viele, spricht er, werden fallen durch Schwert und Feuer. Auch in unserm Zeitalter fehlen Beispiele davon nicht. Ich gedenke des trefflichen, mit ausgezeichnetem Geist und Wissen begabten Mannes Heinrich von Zütphen, den die Diener des Bremischen Bischofes auf's Grausamste töten ließen, weil er in der Kirche Bremens das Evangelium rein gelehrt, da er doch auf's Bescheidenste seines Amtes gewartet hatte."11) Das schönste und ehrendste Denkmal aber sezte ihm Melanchthon seinerseits in einem Gedichte, einem sogenannten „Epigramm“, dessen Distichen wir in folgender Uebersetzung wiederzugeben versuchen ¡2):

„Auch die Gegenwart sah, troß ihres Elendes, Männer,

die für ihr Leben allein Christum zum Leitstern gewählt. Dort, wo der Rhein, der gespalt'ne, die Bataverinsel gebildet, liegt die Sigambrerstadt, Zütphen, am Ufer des Stroms. Sie gab Heinrich das Leben; wir sahen ihn selber, wie herrlich er in des Lernens Begier seine Talente erschloß. Alle die Kräfte der Seele, fie atmeten Liebe zu Christo, dem er von Herzensgrund gläubig sein Leben geweiht. Und so war auch sein Wandel von so untadliger Reinheit, daß uns füglich sein Bild Muster der Tugenden ist.

Was auch immer vom All' die Griechen geschrieben

er wußt' es

(denn an der Wissenschaft Quell hatte den Geist er geübt): Welcherlei Ziele die Sonne mit goldigem Strahle berühre, wenn sie in schrägeren Lauf kreisend vollendet das Jahr; Wenn sie, ferner der Erde, am höchsten Pole dahinrollt träge, warum dann Glut drücket das dürstende Land; Oder warum, wenn schneller sie zieht tief unten am Himmel und uns näher gerückt, Winter, der kalte, sich naht.*) Also betrachtend das All lehrt er den Schöpfer erkennen Und mit reinem Gemüt danken dem Herren der Welt. „Diese Gestirne, sie machen uns kund, die leuchtenden“, sprach er, „daß es ein ewiger Geist, welcher die Welten regiert." Doch noch dringender lag ihm stets am Herzen, zu halten was das göttliche Wort heilsamer Lehre bezeugt. Und so lehrt er's in Bremen, und hell aufleuchtet es wieder: „nur durch Christi Verdienst ist uns erworben das Heil!" Doch da den Bildern der Heil'gen er göttliche Ehren entwindet, planen die Mönche alsbald, ihn dem Verderben zu weihn. Und der Bischof selbst, der Tyrann, leiht Waffen den Mördern; so überwält'gen sie ihn, morden ihn nahe der Stadt. **)

Warum ward doch so schnell solch Licht der Kirche genommen, der so verwaisten, die doch seiner noch lange bedurft? Du, den ich liebte vor andern, o Heinrich, wie wünscht ich, du könntest

fürder in unseren Reihn teilen die Mühen des Amts! Doch wenn dies auch das Loos der frommen Zeugen des

Herrn ist,

daß man in graufiger Pein martert ihr Leben dahin: Wissen wir doch, daß sie bleiben nnd haben frohe Gemeinschaft dort mit Christo, der Schar seliger Väter vereint.“

So der feinsinnige und zur Traurigkeit geneigte Melanchthon. Anders mußte sich die Teilnahme bei dem thatkräftigen Haupte

*) Diese Verse bezeugen uns Heinrichs und Melanchthons vorkopernikanische Weltanschauung.

**) Wir lesen necant, nicht necat.

der Reformatoren gestalten. Luther war auch tief ergriffen. „In Ditmarsen“, schreibt er an Brismann (11. Januar 1525), „ist durch grausame Wut unser Heinrich, der Evangelist von Bremen, getötet und verbrannt worden!" 13) Aber es war nicht seine Art, sich einem derartigen Schmerze nur hinzugeben und ihn gelegentlich auszusprechen. Er mußte handeln, das heißt in diesem Falle tröstend, ermunternd und zur That entflammend den Tiefbetrübten nahetreten. So hatte er nach der Verbrennung der Augustiner Boes und Esch (1523) ein erhebendes Trostschreiben „an die Christen zu Holland, Brabant und Flandern" gerichtet und durch ein köstliches deutsches Volkslied die Glaubenstreue der Beiden vor der ganzen Nation gepriesen und als Vorbild aufgestellt, und so hat er hernach an die Christen zu Halle bei der Ermordung ihres Predigers Winkler ein Trostschreiben ergehen lassen (1527). In diesem Falle sollten die Bremer ein solches erhalten, da sie vor allen des Trostes bedürftig waren, und da ihr Prediger ihn, wie wir vernahmen, in Vieler Namen so dringend darum gebeten hatte. Das geschah denn auch, nachdem Luther über die Umstände von Heinrich's Tode noch genauere Nachrichten eingezogen hatte. Es wird gewiß schon in den ersten Monaten des Jahrer 1525 gewesen sein, als drei hierauf bezügliche deutsche Zuschriften aus Luthers Feder in Bremen anlangten und dort aller Herzen, so können wir's denken, mit hoher Freude erfüllten.*) Es war ein Sendschreiben „an die Christen zu Bremen“, und daneben „Eine kurze Auslegung des zehnten Psalmen von den Märtyrern Christi", sowie „Eine Historie von Bruder Heinrichs von Zütphen Märtyrertode."14) Wir müssen diese drei Zuschriften mit einigen Worten charakterisieren.

Zuerst der Brief an die Bremer. Luther schreibt, er habe die Geschichte und Marter des seligen Bruders Heinrich durch glaubwürdige fromme Leute erkunden lassen und könne sie

*) Ein näheres Datum als „An. 1525“ ist nicht angegeben. Nehmen wir an, daß Luther durch Jakob Probst und anderweitige Erkundigungen die genaueren Umstände erfragt und dann das Ganze zusammengestellt hat, so kann dessen Vollendung immer allerfrühestens in den zweiten Monat des Jahres 1525 fallen.

nun nicht mehr im Verborgenen lassen, sondern gedenke sie an den Tag zu bringen. In feiner Wendung hebt er dann hervor, welch eine Gnade Gottes uns „Verdammten, Verlorenen und Unwürdigen“ darin gegeben sei, daß nicht allein sein Wort in jeziger Zeit wieder leuchte wie die helle Sonne, sondern daß auch sein Geist in solchen Thaten sich lebendig erweise. Durch ihn würden nun wieder mutige Herzen gemacht, die bereit seien ihr Blut zu vergießen, und damit sei wieder gekommen „die Gestalt eines rechten christlichen Lebens." Er gedenkt dann auch andrer christlicher Märtyrer jener Tage, „unter welchen freilich dieser euer Henricus Südphen am allerhellsten leuchtet." Solchen Ruhm hätten die nicht, die mit Werken, Menschengerechtigkeit und freiem Willen umgingen; und wenn auch ihrer etliche stürben, so seien sie nicht Gottes Märtyrer, sondern ihrer selbst und des Teufels. Die rechte Marter (wie sie Heinrich erlitten), zeige sich auch darin, daß man für die Mörder noch im Sterben bitten könne. Weil nun Gott den Bremern so gnädig gewesen, daß sie solches an ihrem Heinrich erlebt, so habe er wollen dessen Geschichte schreiben, damit sie nicht traurig, sondern fröhlich seien, auch den Mördern nicht übel nachredeten, sondern ihnen hälfen. Dazu bitte er sie auch, den 10. Psalm zu singen, den er ihnen hierfür auslegen wolle.

"

Die Auslegung des 10. Psalmes (oder vielmehr des 9.: „Ich danke dem Herrn von ganzem Herzens1") ist, wie sich denken läßt, praktisch erbaulich gehalten und ganz auf die Tröstung und Erhebung der Leser gerichtet. Schon die Ueberschrift überseßt Luther Von der Jugend des Sohnes“*) und erklärt sie: „von den Märtyrern Christi, des Sohnes Gottes, welche sind seine jungen, starken Leute, durch den Glauben im Tode recht völlig worden." Im ersten Verse erklärt er die Worte: „ich will deine Wunder erzählen“, von den Wundern „womit Gott die Welt zwingt und bekehrt, nicht mit Gewalt, sondern durch's Blut und Sterben seiner Heiligen". In dieser freien, keineswegs immer genauen, aber durch kräftige und erhebende Gedanken stets ausgezeichneten

*) In seiner späteren Bibelübersehung hat Luther: von der schönen Jugend." Andre überseßen „vom Tod des Sohnes.“

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