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So ging's vorwärts eine gute Stunde noch, bis man Heide erreichte. Aber noch war es finstere Nacht, vielleicht erst vier Uhr morgens, und man wollte zum Verbrennen doch erst den Morgen erwarten, der in diesen kurzen Wintertagen spät genug anbrach. Der arme Gefangene wurde daher in das Haus eines gewissen Raldenes, vielleicht des Wirtes, gebracht, wo man ihn mit eisernen Ketten an einen Stock binden wollte. Aber das wollte der Hausbesizer, der ein mitleidiges Herz hatte, bei sich nicht leiden. 16) Anders einer vom Clerus, Reimer Hoßeken; in dessen Hause hatten sie freie Hand und brachten ihn daselbst in den geräumigen Keller, wo eine große Zahl von Bauern ihn zu verwahren hatte. Diese trieben ihren rohen Mutwillen mit ihm soffen, sangen, spielten und verhöhnten ihn nach Herzenslust Zwei Geistliche, der Pfarrer Simon von Altenworden und der Pfarrer Christian von Neuenkirchen, fühlten sich dabei gemüßigt, ihn zu fragen, warum er sein heiliges Kleid abgelegt habe. Heinrichs Erklärung darüber, die wahrscheinlich aus der Schrift die Bedeutungslosigkeit des Mönchsstandes erwies, verstanden sie nicht und zogen sich wieder zurück. Dann kam der mehrgenannte Landschreiber Günther mit der Frage, ob er lieber an den Bischof von Bremen geschickt werden oder hier im Lande seinen Lohn erhalten wolle. Heinrich wußte, daß es ihm dort nicht besser ergehen werde, und antwortete daher resigniert: Habe ich etwas Unchristliches gelehrt oder gethan, so könnt ihr wohl mich drum strafen; der Wille Gottes geschehe! Die hierin liegende Aufforderung, zu prüfen, ob er wirklich unchristlich gelehrt oder gehandelt, wurde natürlich überhört; der Landschreiber rief aus: Hört, lieben Freunde, er will in Ditmarsen sterben! Der rohe Haufe freute sich, daß ihm sein Opfer nicht entgehen solle, und fuhr fort im Saufen, Spielen und Verhöhnen.

Endlich brach der Tag an, und man konnte zur That schreiten. Um acht Uhr morgens versammelte sich alles auf dem Marktplaze. Es hieß, man wolle Rat halten, was weiter zu thun sei. Aber die aufgeregten und trunkenen Bauern wollten kein langes Ratschlagen mehr, sondern schrieen durch einander: Zum Feuer! zum Feuer! so werden wir heute von Gott und Menschen Ehre gewinnen! Denn je länger wir ihn leben lassen,

desto mehr werden wir mit seiner Keßerei verkehrt! Was hilft viel Bedenken? Er muß doch sterben! So wollten's die Führer hören: Das Volk sollte Heinrichs Feuertod verlangen und damit ein Verhör unnötig machen.

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Es ward nun ausgerufen, alle die den Mönch geholt hätten, sollten mit ihren Waffen zum Feuer hinausziehen. In den Haufen hatten sich jezt auch verschiedene „graue Mönche“ aus Lunden gemischt, welche die Leidenschaften noch mehr anstachelten und ausriefen: Jezund gehet ihr der Sachen recht nach! Man band Heinrich um Leib, Hals, Hände und Füße und riß ihn zum Ort hinaus. Auch jezt fehlte es nicht ganz an Mitleid mit dem Aermsten. An der Thür eines Hauses, das man passierte, stand eine Frau und weinte über den jämmerlichen Anblick. Als Heinrich das sah, gedachte er wohl der weinenden Frauen, die dem Herrn in Jerusalem das Geleite gaben, und rief ihr zu: Liebe Frau, weinet nicht über mich, denn es ist Gottes Wille! Man kam dann an den Play. Es war, östlich von Heide gelegen, eine Erhöhung, noch lange hernach der „Möncheberg" geheißen. Hier hatten geschäftige Hände bereits einen hohen Haufen von brennbarem Material zusammengetragen, und jezt war man damit beschäftigt, ihn anzuzünden, was aber bei der Witterung schwer gelingen wollte. Heinrich sank beim Ankommen vor Mattigkeit und Erschöpfung zusammen, aber er erhob sich wieder. Es wurde ihm Kraft verliehen zu treuem, festem Zeugnis bis zum Tode.

Aber ein Richterspruch mußte doch anstandshalber noch vor der Execution gefällt werden. Hierzu war nun freilich der eigentliche Ortsvogt oder Richter auch für Geld nicht zu bewegen. Aber ein anderer, Schoeters Maes genannt, welcher früher hier einmal das Richteramt bekleidet hatte, erklärte sich für zehn Gulden zu dieser That bereit. So erhielt die Sache doch wenigstens einigen officiellen Anstrich. Das Urteil dieses Mannes lautete: Dieser Bösewicht hat geprediget wider die Mutter Gottes und wider den Christenglauben, aus welcher Ursach ich ihn, von wegen meines gnädigen Herrn, des Bischofs von Bremen, zum Feuer verurteile. Heinrich, der bisher alles ruhig über sich ergehen lassen, fühlte sich gedrungen, hiergegen zu protestieren

und rief aus: Ich habe Gott und Maria nie mein Leben lang gelästert, sondern allezeit gelobet und gepreiset. Dann hob er seine Augen zum Himmel auf und sprach im Andenken an den Gekreuzigten: Herr, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was fie thun! Dein Name ist allein heilig, himmlischer Vater. Aber neues Geschrei übertönte seine Stimme. Man verspottete solche Fürbitte, die er nicht für andre, sondern für sich selbst thun solle; dann spie man ihn an und brüllte: verbrennt ihn! verbrennt ihn!

Plöglich schien noch eine Rettung zu kommen. Frau Wiebe Jungen aus Meldorf, die oben genannte Schwester des Hauptanführers Peter Nannen, erschien auf ein Mal auf dem Plaze. Aber war sie's nur allein? Wo blieben die andern Meldorfer? Warum eilten sie am anbrechenden Tage nicht her, ihren Prediger zu befreien, dessen Reden sie so hoch erfreut und begeistert hatten? Man muß daran denken, daß der Pfarrherr Boje zerschlagen und zerstoßen auf seinem Bette lag, die übrigen Bewohner aber von Schrecken gelähmt waren und Niemand etwas zu thun wagte. Frau Jungen hatte vielleicht das Ihre gethan, die Männer zu entflammen, allein die Furcht vor dem großen Haufen, der Gedanke, es werde doch wohl schon zu spät sein, hielt die Zaghaften zurück. Da brach die Tapfere schließlich allein auf und eilte dem Zuge nach. Unterwegs hörte sie wohl, daß derselbe nach Heide gegangen, und sie kam hier gerade an, als man mit Heinrich vor dem Scheiterhausen stand. Eine gleiche Entschlossenheit ihrer Ortsgenossen hätte ihn vielleicht noch retten können. Jezt brach sie sich Bahn durch den Haufen und, vor dem Feuer stehend, rief sie mit lauter Stimme, man solle doch einhalten und lieber sie schlagen, als diesen Mann; tausend Gulden biete sie, wenn man ihn in Ruhe lasse nur bis zum nächsten Montag, damit er dem Rechte gemäß vom ganzen Lande verhört und dann verbrannt werde. Ihr Bemühen war edel, und eindruckslos mag es nicht geblieben sein. Aber Niemand stand ihr bei. Den Anführern lag alles daran, einen Aufschub zu verhindern, und die rohe, aufgeregte Menge wollte sich ihr Opfer nicht entgehen lassen. So fuhr man denn auf sie mit rohen Worten ein, schlug sie zu Boden, trat sie mit Füßen und stieß sie aus dem Kreise

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hinaus. Ihr hochherziges Bemühen war umsonst gewesen. Und doch ist's nicht genug anzuerkennen, daß eine Frau so gehandelt. Auch dem Märtyrer mag es ein Balsam gewesen sein, daß sie sich noch eingefunden und Mißhandlungen nicht gescheut hatte zu seiner Rettung.

Die Bösewichter aber waren jezt nur noch wütender geworden. „Wenn by böse münschen en förbehd nicht helpt, so deid se schaden" bemerkt Claus Harms mit Recht an dieser Stelle. Mit dem Scheiterhaufen zwar ging's noch immer nicht; bei dem nebligen Wintermorgen, dem Schnee und Regen, wollten die feuchten Holz- und Torfstücke nicht Feuer fangen, sondern erloschen wieder. Die Menge war ungeduldig, man sprach von höllischen Künsten des Kezers, und drang, um sich zu entschädigen, mit den Waffen auf ihn ein. Einer stach ihm mit dem Stoßdegen gegen den Kopf, Johann Holm hieb nach ihm mit dem Fausthammer, und Andre bearbeiteten mit ihren Hellebarden, Spießen und Schwertern Seite, Rücken und Arme des Unglücklichen, der einige Male wieder zu reden versuchte, aber es nicht vermochte. Günther schrie dabei: Frisch zu, lieben Freunde, hier wohnet Gott bei! Dann aber gebot er einen Augenblick Einhalt. Heinrich sollte vor seinem Tode noch beichten. Dazu wurde einer der mitgelaufenen grauen Mönche beordert. Heinrich hörte es und wandte sich an den Franziskaner mit der Frage: Bruder, hab' ich dir je was zu Leide gethan oder dich erzürnet? Der Angeredete war betroffen über die ungewohnte Frage und sagte: Nein, und als jener dann fortfuhr: Was soll ich dir denn beichten, das du mir vergeben solltest? da zog er sich verwirrt zurück. Luther nennt ihn einen „ungelehrten“ Mann, und jedenfalls zeigte derselbe seine Ungeschicklichkeit hinreichend darin, daß er nicht auf die Hauptsache, die Keßereien Heinrichs, kam, sondern sich durch dessen Fragen sofort aus dem Text bringen ließ.

Wie diese geistliche Waffe sich stumpf erwiesen, so schien auch sonst das Vorhaben nicht gelingen zu wollen. Noch immer hatte man seine Not mit dem Feuer, alle Anstrengungen, es in Gang zu bringen, schlugen fehl. Zweimal erlosch dasselbe gänzlich. Es war, als ob eine höhere Macht widerstehe, und wäre Bes

sonnenheit in der Menge gewesen, sie müßte diese Winke verstanden haben. Aber man wollte nicht nachgeben. Wohl zwei Stunden lang dauerte dieser schreckliche Zustand. Heinrich litt unsäglich. Im bloßen Hemde und aus wenigstens zwanzig Wunden blutend stand er da unter dem rohen Haufen, die Hände gefaltet, den Blick nach oben gerichtet, ohne menschlichen Trost und flehend um Erlösung. Es war eine furchtbare Prüfung!

Endlich brannte es wenigstens so weit an, daß man ihn auf den Scheiterhaufen legen und der Sache ein Ende machen konnte. Zu diesem Zweck wurde eine Leiter genommen und der Märtyrer an einem Ende derselben festgebunden. Bei dieser Procedur begann Heinrich noch einmal seine Stimme zu erheben und laut seinen Glauben zu bekennen. Das aber wollte man nicht hören. Einer schlug ihm auf den Mund und rief, erst solle er brennen, dann möge er beten, was er wolle. Dabei seßte ihm ein andrer*) den Fuß auf die Brust und band seinen Hals so stark an die Leitersprossen, daß ihm das Blut aus Nase und Mund hervorsprißte. Nun konnte der Gequälte freilich nicht mehr reden. Die Leiter wurde dann aufgerichtet und einer stüßte sie mit seiner Hellebarde. Aber diese glitt ab und fuhr unabsichtlich dem Märtyrer durch den Leib. Diese Ungeschicklichkeit, so Schreckliches sie wirkte, verkürzte doch seine Leiden. Man warf ihn nun mit der Leiter auf den Holzstoß. Aber wiederum kam's verkehrt. Der angebundene Körper fiel zur Seite und wieder auf die Erde herunter. Da lief Johann Holm hinzu und schlug ihn mit seinem Fausthammer so lange auf die Brust, bis er kein Lebenszeichen mehr gab. Das war nicht Mitleid mit dem Unglücklichen gewesen, man wollte ihn nur endlich tot haben. Nun ward er in den Rauch des langsam anglimmenden Feuers geworfen. Die Menge war befriedigt und verzog sich. Der Märtyrer hatte ausgelitten.

Am folgenden Morgen, dem dritten Adventssonntage, kamen Verschiedene wieder an die Stelle hinaus, um nach dem Ver

*) Hellmann (a. a. D. S. 54) nennt denselben als Bostel Johann von Tiebensee, welcher wie der gleich zu nennende Johann Holm unter den Verschworenen vorkam.

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