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Klostergebäude und nahmen täglich an der gemeinsamen Mahlzeit des Konvents teil. Aber von einem näheren Verhältnisse zwischen ihnen findet sich noch keine Spur. Im Gegenteil, Luther erinnert sich hernach (1516) nur mit Hülfe Anderer dieses seines niederländischen Studiengenossen, für den er in späteren Jahren ein so warmes Herz haben sollte.)

Und doch muß Heinrichs Aufenthalt zu Wittenberg mehrere Jahre gedauert haben. Das bezeugt uns eine Notiz des Predigers Johannes Lang zu Erfurt, des bekannten, vertrauten Freundes von Luther. Derselbe war im Sommer 1511 als Studierender nach Wittenberg gekommen; und er erzählt uns (1525), daß er mehrere Jahre mit Heinrich daselbst zusammengelebt. „Mit welchem ich (jagt er) Tag und Nacht, so wir zu Wittenberg beide im Studio gewesen sein, gar naher drei oder vier Jahre gelebt habe."10) Lang rühmte ihn bei der Gelegenheit auch als einen „redlichen, gelehrten und christlichen Mann", und gewiß denkt er dabei an diese gemeinsam zu Wittenberg verlebten Jahre. (Heinrich hat auch bei seinem späteren zweiten Aufenthalt an dieser Universität sich großen Ruhm durch seine Studien und sein musterhaftes Leben erworben, und zwar aus dem Munde feines Geringeren als Melanchthons.) Im Uebrigen ist uns nur noch die Thatsache bekannt geworden, daß Heinrich im Augustinerkloster die Würde eines Lektors oders Vorlesers erlangte.11)

Dann aber hören wir wieder von seinem Aufenthalte in Köln (etwa 1514).12) Auch hier befand sich ein Augustinerkloster sächsischer Congregation, in das er versekt sein wird. Die altberühmte Universität fonnte ihm weitere Gelegenheit zur Ause bildung in den theologischen und humanistischen Wissenschaften bieten. Doch scheint Heinrich sich mehr um die praktischen Arbeiten feines Drdens bekümmert zu haben. Wenigstens hören wir von teinen akademischen Graden, die er erlangt, wohl aber von der Würde eines Suppriors (stellvertretenden Priors), welche ihm hier im Kölner Kloster übertragen worden. Es muß das schon gleich im ersten Jahre seines Aufenthaltes geschehen sein. Ein folcher Posten seşte jedenfalls Vertrauen von Seiten der Drdensoberen und eine nicht unbedeutende Reife voraus, und an beiden fann es Heinrich nicht gefehlt haben. Interessant ist übrigens die Notiz, daß zu der gleichen Zeit wie Heinrich (1514) in Nöln ein Mann studierte, der später zu seinem Nachfolger als evangelischer Prediger im Ditmarsenlande ausersehen war, aber in Wirklichkeit sein Nachfolger auf dem Scheiterhaufen wurde. Es war Adolf Clarenbach.13) Schwerlich werden die Wege des Schulmanns und des in seinem Kloster beschäftigten Augustiners fich damals näher berührt haben.

Von Köln kam Heinrich wieder in seine Heimat zurück. Schon im folgenden Jahre (1515) finden wir ihn als Prior am Augustinerkloster zu Dordrecht. Luther meldet es in einem Briefe am 26. Oktober 1516: Prior ist daselbst (zu Dordrecht) der Lektor

„ Heinrich, ehemals (wie jene sagen) unser Studiengenosse, vorher Supprior in Köln."14) Somit steht der etwa 27 jährige nunmehr an der Spiße eines ganzen Klosterkonventes. Und hier ist er nicht unthätig gewesen. Wir hören 1516 von einer ,, Reformation" dieses Konvents. Das war jedenfalls noch keine Reformation in unserm Sinne des Wortes, sondern es kann sich dabei wohl nur um die Durchführung einiger strengeren Maßregeln gehandelt haben. Wir erfahren dieselben nicht, wohl aber, daß es darüber zu Streitereien im Kloster kam. Ein Teil der Brüder war uns zufrieden damit, die Sache kam an die weltliche Behörde, und diese, der Stadtrat sowohl als der Herzog, wandten sich an den Generalvikar Staupiß, welcher sich gerade in den Niederlanden befand, um die Sache beizulegen. Luther (dessen Briefe uns diese Notizen erhalten haben)15) billigt es nicht recht, vielleicht war ihm Heinrichs Eifer zu stark gewesen. Ob Staupitz dorthin gekommen und etwas ausgerichtet, ist nicht mehr ersichtlich, wohl aber traf bald hernach ein anderer Augustinerbruder, der Pater Spangenburg aus Köln zu Dordrecht ein und wurde von den Bürgern der Stadt mit großer Auszeichnung empfangen.16) Man dürfte annehmen, daß derselbe von Staupiß beauftragt worden, die streitige Angelegenheit zu erledigen. In der Stadt muß man fich lebhaft dafür interessiert haben. Auch Luther berichtet diesmal mit Befriedigung, ihm sei geschrieben, der Dordrechter Nonvent werde bald ein ganz vorzüglicher sein.

Nicht lange darnach ichien es hier zu einer andern, einer wirklichen Reformation kommen zu sollen. Das Feuerzeichen des 31. Oktober 1517 erschien am Himmel. Der Bruder Martinus im Wittenberger Augustinerkloster schlug seine Thesen wider den den päpstlichen Ablaß an und wies alle ihm darüber widerfahrenen Angriffe mit siegreicher Kraft zurück. Weite Kreise der Christenheit gerieten dadurch in Bewegung, man ahnte den Durchbruch einer neuen Zeit. Und immer fühner ward der Mönch. Von seinen Feinden gedrängt und von seinem eignen, durch Gott erleuchteten Gewissen getrieben, kam er von einer Position zur andern. 1518 verweigerte er vor dem Legaten des Papstes den Widerruf, 1519 erklärte er sich in der Leipziger Disputation für die von der Kirche verworfenen Säße von Fuß und Wiflif, und 1520 schrieb er seine schneidigsten großen Reformationsschriften wider Rom und verbrannte die gegen ihn geschleuderte Bannbulle. Es war natürlich, daß die Aufregung über diese Ereignisse und das Interesse für den fühn aufstrebenden Ordensbruder sich ganz besonders im Schoße der Augustinerkonvente deutscher Congregation verspüren ließ. Stand doch der Generalvifar Staupiß bei aller Zurückhaltung der Bewegung wohlwollend gegenüber und schien sie, in bewundernder Liebe zu Luther, anfangs nur begünstigen zu wollen. Was wunder, wenn die Augustiner darin vielfach ihre eigene Angelegenheit erblidten und ihr an so vielen Orten beifielen! Die innere Erneuerung, welche einst Proles unter ihnen begonnen, und Staupiß dann weitergeführt, hatte sie dafür gleichsam prädisponiert. Durch Luther schien das Alles zur höchsten Erfüllung kommen, und ihr Orden zugleich eine weltgeschichtliche Bedeutung gewinnen zu sollen.

Daß auch im Dordrechter Kloster hierüber lebhafte Erörterungen und Bewegungen entstanden, davon haben wit bestimmte, wenn auch nicht völlig deutliche Nachrichten.17) Es wird erzählt, im Frühling 1518 hätten hier einige Mönche aufrührerisch gelehrt, „nicht allein gegen die Wahrheit, sondern auch gegen die Wohlfahrt der Stadt." Vier solche Mönche werden dabei namhaft gemacht. Unter ihnen befindet sich der Name des Priors Heinrich nicht, aber es ist undenkbar, daß dergleichen in seinem Kloster und unter seinen Augen geschehen wäre, wenn er nicht mit jenen Mönchen einverstanden gewesen wäre. Um was es sich dabei gehandelt, wird nicht bestimmt gesagt. Aber die ganze Mitteilung läßt darauf schließen, daß es ein Eifern gegen den Ablaß gewesen, wozu sich etliche Brüder im Beichtstuhl und auf der Kanzel haben hinreißen lassen. Hierüber kam es zu einer Klage bei der städtischen Behörde, und diese mochte darin eine Gefährdung des öffentlichen Friedens erblicken. Wiederum wandte sie sich an den Ordensoberen, diesmal an den Provinzialvikar Wilhelm von Alkmaar in Köln, und zwar direkt mit der Bitte, die betreffenden Brüder vom Konvente auszuschließen. Er weigerte sich dessen. Als eine neue Aufforderung ebenfalls erfolglos blieb, nahm die Behörde die Sache selbst in die Hand. Der Bürgermeister Pieter Damascoon van der Mijle und vor allem der Pensionär Floris Dem van Wijngarden entwickelten dabei großen Eifer. So brach über den frisch aufblühenden Konvent im Herbst 1518 eine Verfolgung aus. Aber sie hatte zunächst feine schlimmen Ergebnisse. Die Dinge waren noch zu neu, die Edikte wider Luthers Anhänger noch nicht erlassen. Auch interessierte sich der Bürgerstand Dordrechts mächtig für die neuen Lehren der Augustiner. Es kam sogar bald zu einer Gegenbewegung. Floris Dem konnte sich in der Stadt nicht mehr halten, sondern mußte sie für eine Zeitlang meiden (Dezember 1518), und als der Dominikaner Vinzent Dircks sich in seinen Predigten offene Schmähreden wider die Augustiner erlaubte, wäre er von der erregten Menge beinah um's Leben gebracht. Troßdem gelang es den Gegnern, im folgenden Jahre wieder die Oberhand zu gewinnen. Floris Dem wurde zurückberufen, und die unruhigen Mönche aus dem Kloster vertrieben oder flohen aus der Stadt. Heinrich selber fühlte sich von Stund' an nicht mehr wohl auf seinem Posten, sondern trachtete ihn zu verlassen.

Aus einem Briefe Luthers erhalten wir darüber weitere Kunde. Derselbe schreibt am 3. Oktober 1519 an Staupiß, er habe Briefe von zwei Prioren aus den Niederlanden, welche bitter klagten, daß durch ihren Vifar nichts geschehe, und sich darum auf diesem Wege an ihn (Staupiß) wendeten; sie wollten auch Brüder schicken, ja wohl selber kommen, was bisher indessen nicht geschehen sei.18) Ohne Frage sind diese beiden Prioren feine andern, als unser Heinrich in Dordrecht und Jakob Brobst, der Prior des neugegründeten Augustinerklosters zu Antwerpen. Dieses Paar begegnet uns hier zum ersten Male; beide Augustiner werden wir noch oft in naher Verbindung, zuleßt in Bremen, antreffen. Dem Leßteren, Jakob Probst, giebt gerade in diesem Jahre (Mai 1519) der gelehrte Erasmus das Zeugnis, er sei zu Antwerpen der Einzige, welcher Christum predige. In der Folge zeigt derselbe innige Anhänglichkeit an die Reformation und steht im herzlichsten Freundschaftsbunde mit Luther. War er auch keine Feuerseele und fein Wegbereiter wie Heinrich, dieses „fette Flämchen" (wie Luther ihn einmal nennt),19) sondern zu Zeiten sehr ängstlich und zaghaft, so bewährte er sich doch als ein treuer und gesegneter Arbeiter im Weinberge des Herrn. Aus den ans geführten Worten Luthers ist ersichtlich, daß er schon damals dem gleichgesinnten Prior von Dordrecht näher stand. Beide erwarteten zuerst von ihrem Vifar geeignete Maßregeln im Sinne der Reformation. Sie durften das, denn dieser, Johann von Mecheln (auch Johanu von Osbach genannt) war, wie sie beide, in Wittenberg gewesen und wurde als Professor der Theologie von den Neuerern günstig beurteilt. Aber sie warteten vergebens. Der Genannte rührte sich nicht, wohl von der Lengstlichkeit gehalten, die bald genug auch den Ordensoberen Staupiß zurücktreten ließ. Die beiden eifrigen Klostervorsteher aber wollten nicht nachgeben, sie wandten sich an Luther selbst und durch ihn an den Generalvifar, entschlossen zugleich, eine Anzahl von Brüdern zur Ausbildung nach Wittenberg zu schicken und womöglich selber zu tommen.

Das legtere sollte zuerst bei Heinrich in Erfüllung gehen. Er sah, wie in Dordrecht je länger je weniger auf ein Durchdringen der neuen Gedanken zu hoffen war. So legte er im Jahre 1520 seine Stelle als Prior nieder, wurde wieder einfacher Mönch und kehrte der Stadt den Rücken.20) Sein Freund Probst schien zu Antwerpen einen günstigeren Boden gefunden zu haben. Er blieb an seinem Plaße, und wenn er auch später (1521) für eine Zeit nach Wittenberg fam, um sich mit den reformatorischen Gedanken näher bekannt zu machen und seine Studien zu vollenden, so behielt er doch seine Priorenstellung und fehrte dorthin wieder zurück, um weiter für die Reform zu wirken, bis ihn dann freilich hernach (Dez. 1521) die Gefangenschaft er

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