Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

wüstes und ungeistliches Wesen entfremdete ihm je mehr und mehr die Herzen. Ließ er doch gerade in diesem Jahre, wegen Geldverlegenheit, aus verschiedenen Kirchen des Verdener Stiftes das Silbergerät rauben, vor allem aus der reichen Kirche zu Wittelohe, wobei seine Knechte verschiedene Rohheiten begingen, 3. B. in dem genannten Orte den Widerstand leistenden Priester verwundeten.51) Unter solchen Umständen war's nicht zu verwundern, wenn man in beiden Stiften mit Verlangen der Reformation entgegensah und wenig Lust hatte, einem solchen Oberhirten gegen die Bremer beizustehen.

Die letteren aber fühlten sich in ihrer Position gestärkt und hielten es für angemesssen, dem Erzbischof auf seinen Hirtenbrief eine Erwiderung einzuschicken.52) Darin bemerkten sie, es sei ihnen nicht bewußt, daß in ihrer Stadt wider die päpstlichen und kaiserlichen Mandate gepredigt werde; da er aber in seinem Schreiben wohl auf Bruder Heinrich hinziele, so hätten sie diesem die betr. Mandate zugestellt und von ihm eine schriftliche Erklärung darüber erhalten, welche sie beilegten.*) Was nun insonderheit das Wormser Mandat betreffe, so sei dasselbe doch nach dem seither erschienenen Nürnberger zu erklären; in diesem aber befinde sich ein Artikel, welcher die geistlichen Fürsten anhalte, die Predigt des Evangeliums nach heiliger Schrift zu betreiben, nicht aber die Wahrheit zu hindern und zu unterdrücken. Wolle der Erzbischof sich danach richten, so wäre mit ihnen bald eine Verständigung geschehen; wo aber nicht, so glaubten sie sich ihrerseits jedenfalls keiner Strafe zu versehen. Es scheint, als ob Christoph sich hierauf bereit erklärt habe, Bremen mit christlichen Predigern zu versorgen, falls sie nur Bruder Heinrich und die „anderen Prädikanten" gehen ließen. Natürlich ging man nicht in diese Falle.

Um diese Zeit erschien vielmehr ein Durchgreifen im reformatorischen Interesse nötig. Wie bereits bemerkt, bildeten die zwei städtischen Klöster die Hauptherde der Feindschaft. Vor allem im Kloster der schwarzen Mönche“, d. h. der Dominikaner, wurde

*) Dieselbe ist nicht mehr vorhanden.

Heftig gegen die Neuerungen geeifert und dabei in maßlosen und unbesonnenen Ausdrücken das Wort Gottes selber angegriffen. Man hörte hier aus dem Munde des Priors Hubert Gerhard, des Lehrmeisters Albert Ahrens und zweier anderer Brüder bitterböse Predigten. Vergebens wurde diesen Leuten durch die zehn Männer wie auch ratsseitig geboten, sich der aufreizenden und gottlosen Worte zu enthalten, vergebens ließ Heinrich sie wiederholt zu einer öffentlichen oder privaten Unterredung einladen. Als Alles nicht half, entschloß sich der Rat, die vier Renitenten aus der Stadt zu entfernen. Es war das eine That, die freilich den gewünschten Erfolg hatte, aber auch viel böses Blut sezte, obwohl man sie vorausgesehen.*) Auch im Franziskanerkloster kamen Unruhen vor. Hier waren es zwei fremde Brüder, der Guardian und ein anderer Minoritenmönch aus Celle, welche gegen die Reformation predigten und mit den Bürgern disputierten. Es wäre dabei fast zu Gewaltthätigkeiten gekommen. Nur die Rücksicht auf die Herzogin zu Celle (die Mutter des evangelischen Herzogs und Schwester der sächsischen Kurfürsten Friedrich und Johann) hielt die erregten Bürger davon ab, die Unruhestifter mit Malen auf die Backen gebrannt" wieder heimzuschicken.55) Als dieselben sich wieder verzogen, trat auch hier Ruhe ein. Die Stadt hatte in der Folge von Innen her keinen Widerstand mehr zu erfahren.

[ocr errors]

Um so ernstlicher aber schien von Außen wieder die Gefahr zu drohen. Es war dem Erzbischof gelungen, 8000 Landsknechte anzuwerben, die er zwar nicht gegen das wohlbeschirmte Bremen, sondern gegen die abtrünnigen Wurster (oder Wurstfriesen) an der Unterweser zu senden gedachte. Dies kraftvolle Völkchen war schon früher (1516 und 1518) von ihm bekriegt und unterjocht worden. Jezt hatte es wieder die Fahne der Freiheit erhoben und Christophs Gesandten ermordet. Der Zug gegen sie geschah im Sommer 1524. Die eingefallenen Truppen waren siegreich, 700 Wurster wurden erschlagen, grauenvoll war das Morden und

*) Die Mönche hatten, in Nachahmung der Benediktiner, schon vorher, wohl in Erwartung einer Aufhebung ihres ganzen Klosters, Geld, Kleinodien und Papiere weggeschafft.54)

Plündern (das man schon damals mit dem der „Türcken und Russen" verglich 56)), die Glocken führte man aus den Kirchen und verschenkte sie. Auch das benachbarte Land Hadeln mußte mit darunter leiden.*) Dieser militärische Erfolg gab dem Landesherrn neues Hochgefühl. Während die Landsknechte noch im Felde standen, wurde wieder mit den Bremern verhandelt, und diese fanden bei den übrigen Stiftsvertretern keinen Beistand, sondern erklärten sich schließlich bereit, ein Schiedsgericht aus den Städten Lübeck, Hamburg und Lüneburg berufen zu laffen, welches die streitigen Punkte zwischen Stadt und Bischof entscheiden solle. Der inzwischen aber errungene völlige Sieg ließ den Lehteren hiervon wieder absehen und noch gewichtiger auftreten. Statt des Schiedsgerichts wurde am 1. September ein neuer Landtag zu Basdahl versammelt, an welchem des Erzbischofs Bruder, Herzog Heinz, teilnahm, um den Eindruck zu verstärken.58) Hier kamen die viel verhandelten Punkte_in_erneuter Gestalt wieder zur Sprache, vor allem die Anstellung des Hinrich von Sudvelde" als Prediger, der Abbruch des Paulsklosters und außer anderen kleineren Punkten auch die Ausweisung der Mönche von St. Catharinen. Es ist interessant zu lesen, wie fest und würdig die Bremer, vertreten durch einige Ratsglieder, sich hierbei verteidigen. An ihrem Auftreten spürt man jezt den Geist und Sinn ihres Reformators, denn statt der sonstigen diplomatischen und politischen Winkelzüge stellen sie sich vor allem auf den Standpunkt des christlichen Gewissens. Es handle sich (so lassen sich kurz ihre Worte zusammenfassen) um ihrer Seelen Seligkeit, und da müßten Christen das Recht haben, Prediger zu verlangen, welche ihnen aus Gottes Wort den Weg zur Seligkeit zeigten, während sie vor falschen Hirten nach Christi Mahnung sich zu hüten hätten. Hiernach wäre ihrerseits gehandelt und dabei glaubten sie im Rechte zu sein. Die Gegner hüteten sich wohl, den Bremern auf dies Gebiet zu folgen. Man bemerkte,

[ocr errors]
[ocr errors]

*) Auf diesen Sieg über die Wurstfriesen beziehen wir das Wort Luthers im Brief an H. v. 3. vom 1. Sept 1524 (s. unten): „Und daß euer Bremer (nämlich der Erzbischof) in Friesland durchgedrungen ist, hörten wir." Uebri gens hat sich 1525 das kriegerische Völklein schon wieder gegen den Erzbischof erhoben.

die Sache solle gut sein, falls die Stadt Heinrich aus ihrem Schuh lasse und für die Zerstörung des Klosters 100,000 Gulden zahle (welche Summe vielleicht noch gemäßigt werden könne), wofür man von den übrigen Punkten absehen wolle. Aber so drohend die Dinge für den Augenblick lagen, die Bremer Abgeordneten wichen keinen Finger breit, sondern verlangten zunächst Heinrichs wirkliche Widerlegung. Die Verhandlungen führten nicht weiter, als daß die Bremer versprachen, bis zum 5. September dem Erzbischof ihre Schlußantwort nach Vörde einzuschicken. Selbstverständlich war diese wieder ablehnend, aber man kam jezt gegenseitig auf den Gedanken eines Schiedsgerichts zurück, welchem auch der Herzog Heinz angehören sollte. Dasselbe ist denn auch nach Jahresfrist (im Herbst 1525) zustande gekommen, ohne indessen noch etwas ausrichten zu können. Einstweilen hatte die Stadt sich kühn und fest behauptet.

Wie ernst aber die Sachen für sie lagen, zeigte sich bald. Die erzbischöflichen Landsknechte schienen nicht abgeneigt, den Bremern etwas anzuthun. Bei ihrer Rückkehr vom Kriegsschauplaze durchzogen sie mit mancherlei Unfug das Bremer Gebiet, und als es nach ihrem Uebergange über die Weser am Arster Wachtturme zwischen ihnen und den wachthabenden Bauern zu einem Handgemenge kam, wobei der Turm in Flammen aufging und die Bauern erstochen wurden, ertönte in der Stadt die Sturmglocke. Ein Teil der bewaffneten Mannschaft rückte aus mit Geschüß und Reitern. Aber beim Zusammentreffen erlitten die Bremer von der überlegenen Zahl alter Kriegsknechte eine Schlappe. Zehn Bürger, unter ihnen der Ratsherr Albert Vagt, blieben tot auf der Wahlstatt und vier Geschüße fielen dem Feinde in die Hände, während die Uebrigen sich schleunigst hinter die schirmenden Mauern flüchten mußten. Die Feinde konnten nun freilich nicht daran denken, ihren Sieg zu verfolgen, während die Bremer in großer Erregung auf's neue ihre Befestigungen revidierten. Aber der Erzbischof jubelte laut und konnte es nicht lassen, hiemit gegen Papst Clemens VII. als mit einem großen Siege „über die Lutheraner selbst" zu renommieren. Er empfing denn von diesem auch dazu einen Glückwunsch und apostolischen Segen. Ebenso erging infolge hiervon eine päpstliche Aufforderung

an die Herzöge von Schleswig und Holstein, demselben in diesen Kämpfen beizustehen.59) Indessen mehr war doch nicht erreicht, die Stadt Bremen war und blieb vor dem Feinde bewahrt.

Von ganz anderer Seite aber sollte die Stadt schwer geschädigt werden. Ihr Reformator selber gedachte sie zu verlassen.

Heinrich hatte unter den mancherlei Ereignissen der lezten Wochen ruhig weitergewirkt. Niemals in die Politik eingreifend und all den erwähnten Verhandlungen fernstehend, war er doch gleichsam die Seele des neuen Bremens, dessen Bewohner er, jezt in Gemeinschaft mit zwei Gehilfen, immer weiter in die evangelische Wahrheit einführte und mit reformatorischem Geiste erfüllte. Daneben blieb er in lebendiger Beziehung zu Wittenberg. Ein Brief Luthers an ihn aus dieser Zeit (vom 1. Sept. 1524) giebt davon Kunde.6o) Derselbe enthält in der Hauptsache nur Mitteilungen über die Fortschritte und Gefahren der Reformation in anderen Gegenden und Städten. Doch sind auch einige Notizen. darin für uns bemerkenswert. So schreibt Luther, daß man in Hamburg um Bugenhagen gebeten habe, und daß, falls dieser nicht könne, Jakob (Probst) die Sendung dorthin übernehmen müsse, dem er auch davon geschrieben; sodann lesen wir die Aufforderung, für ihn zu beten mit seiner ganzen Kirche, auch ihm zu schreiben über alle seine Angelegenheiten und alle Brüder zu grüßen; endlich die Bemerkungen: „Zum Michaelisfest wird eine kleine deutsche Psalmausgabe erscheinen, darauf derjenige Teil der Bibel, welcher unter der Presse ist. Bald werden also eure Kaufleute mit neuen Büchern gestärkt. Christus wolle sie stärken im Glauben und Wirken." Wir ersehen aus Lezterem wieder (wie bereits früher einmal) das starke Verlangen der Bremer nach Schriften aus Wittenberg, jedenfalls das beste Zeugnis für die tiefe Wirkung des ihnen gepredigten Wortes.

Nun aber trat für Bruder Heinrich eine neue Wendung seines Lebens ein. Luther bemerkt in seiner „Historie" darüber: Da nun Gott der Allmächtige wollte, daß der gute Heinrich

"

« ZurückWeiter »