Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Die Kirchherren standen unter dem Dompropst und konnten sich darauf berufen, von diesem keine Anweisung dazu erhalten zu haben. Die Bürger gingen infolge dessen weiter und legten dem Dompropst drei Forderungen vor: 1) er möge ihnen doch treue Prediger geben, die das heilige Evangelium predigten, 2) er möge gestatten, die Kinder auf deutsch zu taufen*), 3) er möge denjenigen, die das hochwürdige Sakrament unter beiderlei Gestalt begehrten, dasselbe also reichen lassen. Franz Grambfe wies die Betenten ab; er erklärte ihnen, weil die zwei legten Punkte wider den Gebrauch der heiligen Airche feien, so könne er ohne Rücksprache mit dem Erzbischof nichts bewilligen. Daß aber solche Rücksprache zu nichts führen werde. wußten die Bremer ebenso gut, wie er selber. Noch zweimal erschienen in ges messenen Zeiträumen die Bürger auf der Propstei wiederum mit ihrem Begehren. Aber die Antwort war keine andere. So ents schlossen sie sich denn auf Heinrichs Betrieb zur Selbsthilfe.

Doch blicken wir zuvor wieder auf diesen, den Reformator Bremens, hin. Bei dem energischen Auftreten der Bürger und dem flugen Verfahren des Rates fonnte er in seinem Wirken ungehindert fortfahren. Immer klarer legte er den Bremern die evangelische Heilswahrheit dar, und immer tiefer faßte sie in deren Herzen Wurzel. Es war feine fanatische, wuterweckende Rede, die in der St. Ansgariifapelle von seinen Lippen erscholl, sondern ein besonnenes, kräftiges Zeugnis, aber dasselbe ließ in einen Abgrund von Menschentrug und Menschenwahn hineinbliden, welcher bisher die einfache Heilslehre bedeckt hatte. Darum waren es auch keine leidenschaftlichen und unbesonnenen Entschlüsse, die damit geweckt wurden, wohl aber tiefe Ueberzeugungen bei poch und Niedrig. Man fonnte mit Sicherheit voraussagen, daß die Bürger nach solcher Verkündigung des Evangeliums zu den verlassenen Sagungen (der römischen Kirche nicht wieder zurückehren würden. Auch fehlte es dem Zutphener nicht an besonderen Erfolgen, nämlich an Sinnesänderungen geschworener Feinde. Wir hörten bereits, daß die feindlichen Geistlichen täglich ihre Spione in Heinrichs Predigten schickten, um ihn auszuhorchen, und daraus Material zu seiner Anklage zu liefern. Es waren das sogenannte Vikarien und Rapläne, die etwa in Verkleidung fich unter die Menge gemischt haben mögen. An diesen (so erzählt der Bericht bei Luther und den Chroniken) bewies nun Gott seine Wunder, indem viele von ihnen Heinrichs Lehren vor ihren Absendern als recht bekannten; sie erklärten, solches ihr Lebenlang nicht gehört zu haben, und baten dringend, das Wort Gottes doch nicht zu verfolgen. Auch anderweitig hören wir von derartigen Wirkungen. Gerade die beiden Klöster, die sich so feindlich stellten, lieferten verschiedene Bekehrte. Es heißt, um diese Zeit hätten viele den Orden des Dominikus und des Franziskus verlassen und seien in den Orden Jesu Christi eingetreten; sie hätten dabei „ihr Habit" verändert, sich in die Zeit geschickt und das göttliche Wort gepredigt.45) Mochten das in Wirklichkeit auch nur einzelne gewesen sein, es war doch von großer Bes deutung, daß auch diese beiden Burgen des Papismus nicht mehr Sicherheit boten gegen die um sich greifende Reformation.

*) Eine Forderung, die Luther in seinem grade jeßt (1523) erschienenen Trufbüchlein geltend machte.

So ging das Jahr 1523 zu Ende. Es hatte, von außen betrachtet, wohl noch ziemlich geringe reformatorische Erfolge aufzuweisen. Um so größer waren die wirklichen Ergebnisse. Die ganze Bürgerschaft war interessiert, ja erfüllt vom Evangelium. Und hierbei konnte es nicht bleiben. Die Ruinen der zerstörten Benediktinerabtei waren wie eine Weisjagung, daß über furz oder lang das ganze römische Kirchentum in Bremen zusammenbrechen werde.

Auch das neue Jahr 1524 sollte es freilich hierzu noch nicht bringen. Aber man schritt rüstig weiter auf der betretenen Bahn, und in der That geschahen wichtige Ereignisse genug, welche die stetigen Fortschritte des Evangeliums in Bremen bekundeten.

Vor allem sollte es ießt zur Anstellung von neuen Predigern kommen. Es war ichon lange klar, daß die eine Verfündigung in der kleinen St. Ansgariifapelle nicht genügen konnte. Das Bedürfnis war in der ganzen Stadt erwacht, man

[ocr errors]

begehrte auch in andern Gemeinden davon zu hören. Die zehn Männer hatten in der Richtung Hilfe zu bringen versucht, aber, wie wir sehen, vergebens. Auch der Uebertritt einiger Rapläne und Mönche konnte hier nicht helfen; denn so bereit diese waren, von der neuen Lehre zu predigen, so hatten sie doch noch zu menig davon gelernt, als daß sie's vermocht hätten.*) Es galt darum, andere Männer nach Bremen zu berufen und sich dazu nach Wittenberg zu wenden. Heinrich hatte hierfür in erster Linie einen Mann im Auge, der ihm schon länger als Herzensfreund, Landsmann und Ordensbruder nahegestanden. Es war der bereits mehrfach erwähnte Jakob Probst aus Ypern. Dieser hatte ein ernstes Lebensschicksal hinter sich. Nach seiner Flucht aus den Niederlanden (oben S. 26) hatte er in Wittenberg wieder die freundlichste Aufnahme gefunden, besonders bei Luther, der große Stücke auf ihn hielt und ihm bis zum Lebensende bes freundet blieb. Er trat hier aus dem Orden, verheiratete sich (1523) und lebte sich tiefer in die evangelische Heilswahrheit ein, gewiß voll Verlangen, irgend ein ihm zusagendes Amt zu übernehmen. Schon damals, als Heinrich von Zütphen nach Bremen gekommen, hatte er an Probst geschrieben: „Ich hoffe, daß auch du, liebster Jakob, zum Dienst am Evangelium berufen wirst" (29. Nov. 1522). Damals konnte Heinrich noch nicht daran denken, ihn nach Bremen zu ziehen. Jeßt durfte dieser Herzengwünsch sich erfüllen. Die Bremer gingen sofort auf seinen Vorschlag ein, und die Unterhandlungen waren bald fertig. So kam Jakob Probst, es mochte im Mai 1524 sein, nach Bremen, und zwar, zum Entfeßen der Geistlichkeit, mit seiner Hausfrau. Man hatte ihm an der U. L. Frauenkirche, die als die eigentliche Ratskirche galt, eine Anstellung bereitet, nachdem, wie die Bremer sich fpäter beklagen, der dortige Kirchherr Heinrich Stange sich wiederholt geweigert hatte, das Evangelium zu predigen.46) Uebers haupt hätte der leştere, so lautet die Alage der Bremer weiter, sich im Dome und gar nicht bei seiner Kirche aufgehalten und wäre dann ,,ohne Drängen“ von derselben ganz geschieden. Von

*) Wir hören hernach nur von einem dieser übergetretenen Priester, daß er hier evangelischer Stadtgeistlicher geworden, nämlich Ludolf Stunnenberg an St. Martini (1525—1561).

[ocr errors]

den Unterpriestern oder „Mercenarien" konnte man nichts erwarten. So griff, auf Veranlassung der zehn Männer, die Kirchspielsgemeinde durch und wählte Jakob Probst zu ihrem Prediger, was der Rat dann bestätigte.*) Man ging dabei vorsichtig zu Werke, indem die Rechte und Einkünfte des Kirchherrn unangetastet gelassen und anderweitig für den neuen Prediger gesorgt wurde. Diesem stand nun eine weite Kirche, nicht wie Heinrich nur eine kleinere Kapelle, zu Gebote. Die Bremer werden auch bald erkannt haben, wie viel sie an ihm hatten. Probst besaß nicht den Feuereifer und die Schärfe seines Zütphener Freundes, er war eine ruhige und überlegsame Natur; aber er hatte dafür etwas Gediegenes und Würdevolles, das ihm Jedermanns Vertrauen erwarb und ihn als gebornen Führer erscheinen ließ. Hernach ist er bis 1560 erster Bremischer Superintendent gewesen.

Bald nach Probst kam noch ein zweiter Prediger des Evangeliums nach Bremen, Johann Timann von Amsterdam. Auch dieser Landsmann von Heinrich ist sicher durch seine Vermittlung herangezogen worden. Timanns Vorleben ist uns unbekannt; als ein Drdensbruder wird er nicht erwähnt, doch famn er zweifellos auch über Wittenberg hierher. Man hatte ihm einen Plaß an der St. Martinifirche ersehen. Hier lagen die Verhältnisse ähnlich wie zu U. L. Frauen. Der eigentliche Kirchherr wohnte zu Rom und verzehrte dort seine Einfünfte; sein Stellvertreter wich dem Drängen nach Verkündigung des Evangeliums aus und zog sich zurück. So ward auch hier, bei fortgesekter Weigerung des Dompropstes, etwas für das Seelenheil des Volkes zu thun, eine Wahl von Seiten der Gemeinde veranstaltet, welche Timann zum ersten evangelischen Prediger machte. Derselbe stand anfangs gegen Probst zurüd, bald aber erschien er vielen als der tüchtigere; vor allem besaß er größere Energie, die er jeßt gegen Rom (hernach aber nicht minder gegen den Melanchthonianer þardenberg) geltend machte, während es ihm etwas an der Besonnenheit seines Freundes gebrach. Als Hauptverfasser der ersten Bremischen Kirchenordnung hat er sich ein bleibendes Denkmal geseßt.48)

*) Luther berichtet das Ereignis hodierfreut an Spalatin (11. Mai 1524): „Die Bremer schreiten vorwärts im Worte, also daß sie schon unsern Salobus bon Ypern als Brediger an eine zweite Kirche berufen."47)

So wirkten jeßt drei Männer in Bremen für die Refors mation. Die von Heinrich ausgestreute Saat begann emporzuwachsen.

Mit peinlichen Gefühlen muß hiervon der Erzbischof vernommen haben. Ueber Heinrichs Keßerei hatte er jeßt das genaueste Material in den Händen, da ihm in eben diesem Jahre (1524) das Altenstück, dessen wir oben gedachten, durch seinen Official überreicht wurde, wodurch er eine genaue Aufzeichnung der von den Spionen überlieferten anstößigen Säße aus Heinrichs Predigten erhielt. Damit war der Beweis seiner Schuld viel besser zu führen, als mit den Lehrjäßen seiner nach Burtehude gesandten Thesen. Aber was half's jeßt noch? Die Bremer waren weder durch Verhandlungen, noch durch Waffen zu bezwingen. Es mußten günstigere Zeiten abgewartet werden. Aber wichtig erschien es doch, das Feuer zu lokalisieren und seiner Ausbreitung vorzubeugen. Wir hören deshalb, daß Christoph um diese Zeit (Montags nach Jubilate d. I.) mit der Geistlichfeit zu Verden und zu Minden ein Bündnis abschloß, wonach alle sich feierlich verpflichteten, die Lehre Luthers nicht anzunehmen.49) Gleich danach (Donnerstag nach Cantate *) erging von ihm ein Schreiben an alle seine geistlichen und weltlichen Unterthanen, „wes Wesens oder Standes sie seien." In demə felben wird ausgeführt, daß ihnen wohlbefannt sei, welche Bes fehle Papst und Kaiser gegen Luther und seine Anhänger er: lassen; hiernach habe er sich stets zu handeln bemüht, aber von anderer Seite sei das nicht geschehen, und das könne er nun nicht länger ansehen, sondern werde es gepürlich" strafen. „Danach sich ein jeder zu richten und vor Schaden zii bewahren. 50)

Wie ganz anders hätten solche Hirtenbriefe noch wirken können, wären sie statt in solchen drohenden Tone in freundlicher Ermahnung und christlichem Sinne gehalten gewesen. Und wäre Christoph nur selber beliebter gewesen! Aber sein rohes,

[ocr errors]

*) 28. April 1524.

« ZurückWeiter »