Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

einem Konzile. Demgemäß gedenke auch der Rat den Mönch predigen zu lassen und gegen ungerechten Ueberfall zu schüßen; gern sei man bereit, seine Sache untersuchen zu lassen, doch möge das in Bremen selbst geschehen. Bürgermeister von Büren kann es dabei nicht unterlassen, dem Erzbischof noch eine bittere Pille zu geben, indem er bemerkt, daß der Mordbrenner Woldenhusen bei ihm in besserer Gunst zu stehen scheine als fromme Leute.*)

Während nun dieser, um sicherer zum Ziele zu kommen, auf ernste Maßregeln sann und verschiedene Verbindungen anknüpfte, wurden die Bremer noch einmal durch einen Vermittler gewarnt. Es war diesmal der Bürgermeister von Stade, Nikolaus von der Decken, der, nach Ablauf einiger Monate (am 10. August), mit Büren zu Basdahl zusammenkam.38) Er teilte dem legteren mit, der Erzbischof sei sehr erzürnt und werde dazu von seinem Bruder und seinen Vettern angereizt, er solle sich die Schmach, daß man ihm den Mönch vorenthalte, nicht gefallen lassen; ferner stehe derselbe mit dem alten sowie mit dem neuen Könige von Dänemark in Bündnis und sei wohl im Stande die Bremer zu zwingen. Auch wisse er von ihrer hiesigen Unterredung, und es sei daher wünschenswert, sich nachgiebig zu erweisen. Der Bremer Bürgermeister aber erwidert mit gewohnter Festigkeit, seine Mitbürger wollten sich ihr gutes Recht, Jemanden zu schüßen, nicht nehmen lassen und könnten darin nicht eine Beleidigung ihres Landesfürsten erblicken, da der Nachweis der Keßerei ihres Schüßlings noch ausstehe; der Mönch sei bereit, Jedermann, hoch oder niedrig, guten Bescheid von seiner Lehre zu geben, und werde ihm nur ein Wort nachgewiesen, welches er der heiligen Schrift zuwider gelehrt, so wolle er's tausendmal widerrufen; auch habe er noch gestern Abend sich vor dem sizenden Rate im Beisein des Priors und des Guardians**), sowie zweier anderer Mönche zu einer Disputation oder brüderlichen Unterredung erboten, wie auch schon früher den Doktor der Theologie am Dom sowie den Prior schriftlich

*) Es scheint, als ob dieser, uns sonst unbekannte, Unhold entweder von den erzbischöflichen Gerichten sehr mild behandelt, oder gar für Kriegszüge in Dienst genommen worden sei.

**) Der „Prior“ war Vorsteher des Dominikanerklosters, der „Guardian" des Franziskanerklosters.

und mündlich dazu aufgefordert (s. S. 53), aber immer ohne Erfolg. Büren sezt hinzu, es seien von Kurfürsten und Reichsständen jezt Briefe da, wie man mit den neuen Predigern verfahren sollte, und darnach sei der Rat erbötig sich zu verständigen. Es sind damit die Nürnberger Reichsbeschlüsse gemeint. Der Bremer Bürgermeister bemerkt schließlich mit Nachdruck, wenn doch die Kurfürsten und andere Reichsfürsten solche Prediger zuließen, so könnte es auch wohl der Erzbischof erlauben. Hiergegen ließ sich nichts wesentliches sagen. Die beiden Bürgermeister kamen überein, der Rat von Bremen solle an den von Stade und von Buxtehude schreiben und durch diese den Erzbischof ersuchen, die Entschuldigung der Bremer „gnädigen Willens“ anzunehmen.

So gut das gemeint war, und denn auch zur Ausführung kam39), so wußte man recht wohl, daß wenig damit ausgerichtet werde. Bei seiner bekannten Gesinnung war an eine Nachgiebigkeit des Erzbischofs nicht zu denken. Die Sache war schließlich eine Machtfrage. Wo die römische Kirche vermochte, griff sie rücksichtslos durch. Eben in diesem Sommer geschah jene Verbrennung der Augustiner in Brüssel, von welcher Luthers Lied die Kunde verbreitete, und andere Exekutionen sollten bald folgen. Der Erzbischof trat damals in engere Verbindung mit seinen braunschweigischen Verwandten und dem Dänenkönige. Beunruhigende Gerüchte kamen darüber nach der Stadt. Es hieß, derselbe habe eine große und mächtige Rüstung gethan und nach dem Stifte Reiter und Knechte versammelt, um demnächst einzudringen. Man wollte einzelne sogar schon im St. Pauli-Kloster gesehen haben. Nach anderer Nachricht sollte auch der Hochmeister von Preußen mit 1000 Mann heranziehen.40) Die Bremer waren in großer Erregung, und mochte auch manches sich nachher als übertrieben ausweisen, eine drohende Wetterwolke zog jedenfalls am Himmel auf. Es galt vor allem, die Stadt in der richtigen Befestigung zu erhalten. Man hatte dazu schon 1522 auf dem linken Weserufer, der Stadt gegenüber, ein mächtiges Kastell, hernach die ,,Braut" genannt, zu erbauen angefangen, und beschloß nun ein zweites am westlichen Stadtrande, den „Bräutigam“, dazu zu errichten. Stadtgraben und Stadtmauern wurden an verschiedenen Stellen verbessert, die Gärten und Bäume um die Stadt herum von

den Bürgern meistens zerstört. Aber alles das schien nicht zu genügen, so lange im Osten vor der Stadtmauer sich das oben genannte St. Pauli-Kloster erhob. Diese alte Benediktinerabtei lag auf einem (später abgetragenen) Hügel in hoher, festungsartiger Gestalt seit etwa 400 Jahren da; reich an Grundbesiß und anderen Schäßen, aber völlig arm an irgend einer geistigen Bedeutung, führten die Mönche in demselben ein behagliches Dasein. Mit der Stadt standen sie meistens in gutem Einvernehmen um des lieben Friedens willen. Allein die Lage des Klosters war darum den Städtern doch ein Dorn im Auge, vor allem bei der jeßigen Vervollkommnung der Kriegswaffen. Man hatte ihm gegenüber zwar vor kurzem den großen Zwinger am Osterthore gebaut (1514), ohne indessen die Gefahr damit aufheben zu können. Und jetzt wo eine ernstliche Belagerung der Stadt bevorzustehen schien, mußte da nicht das Kloster dem Feinde den besten Stüßpunkt gewähren? War nicht ein ernstlicher Handstreich wider dasselbe geboten?

Dem Rat kam bei diesen Erwägungen eine höchst willkommene Hilfe. Im Kloster selber hatte man schon Aehnliches erwogen und mochte vielleicht noch genauer von den feindlichen Plänen wissen. Und niemand hatte hier Lust zu solcher Einquartierung und voraussichtlicher Beschießung. Aus den späteren Verhandlungen geht klar hervor, daß kein anderer als der Klosterabt Heinrich Junge selbst dem Bremer Rate den Gedanken eingegeben, das Gebäude abzubrechen und ihm dafür zu einem anderen, in der Stadt zu errichtenden zu verhelfen. Der Abt_erlangte hierzu sogar die Erlaubnis vom Generalkomitee seines Ordens, während der Erzbischof hiervon zunächst nichts erfuhr. Es gehörte nun zwar eine starke Borniertheit dazu, bei dem mächtigen Wellenschlage der reformatorischen Bewegung und bei der Haltung der Bremer an ein neu zu erbauendes Kloster in der Stadt zu denken, allein gerade in einer behaglichen Benediktinerseele konnten solche naive Gedanken noch Wurzel fassen. Der Plan ging darauf hin, die Mönche sollten ganz in der Stille alle Kostbarkeiten und sämtliches Gerät in die Stadt schaffen, wo ihnen das Domkapitel vorläufig das Wilhadi-Schlafhans beim Dome einräumte, während den Bremern dann überlassen bleiben sollte,

mit den leergelassenen Mauern nach Gutdünken zu verfahren. So geschah es denn auch, wahrscheinlich seit Mitte August 1523.4") Doch wollte der Bremer Rat nicht gern das Odium einer Klosterzerstörung auf sich selber nehmen. Als daher die Räumung vor sich gegangen war, inscenierte man eine Art von Volksauflauf. Zwei der Bürgermeister erschienen eines Tages mit dem Abte auf dem Marktplaße und fragten einen Bürger, ob er nicht Rat wisse, das Kloster St. Pauli niederzubrechen, wie der Abt selber gewünscht. Dieser verstand alsbald die Meinung, bejahte es und rief alle auf dem Markte anwesenden Männer hierzu zusammen; man eilte nach Haus, bewaffnete sich mit allem möglichen Gerät und stürmte zum Hügel hinauf. Alles war hier ausgeräumt, sogar die Fensterläden. Es mußte nur das mächtige Mauerwerk zerstört werden, und daran wurde nun und in den folgenden Tagen und Wochen rüstig gearbeitet. Zwar war die Arbeit erst nach Jahresfrist und darüber wirklich vollendet, und dann ward auch der ganze Hügel abgetragen und dem Boden gleichgemacht, aber auch schon jetzt hatte man den Plan des Feindes vereitelt. An eine Belagerung und Eroberung Bremens zu denken, schien jezt Thorheit zu sein. Die Stadt hatte sich rechtzeitig sicher gestellt.

Freilich wollte es dem Rate nicht gelingen, die Wendung, welche er der Sache gegeben, als ob's aus einem Volksauflauf geschehen und nur zur militärischen Sicherheit der Stadt unternommen wäre, durchzuführen. Die Feinde durchschauten die Sache und fühlten die reformatorische Bedeutung derselben. Es hieß, Heinrich von Zütphen habe in seinen Predigten die Bürger dazu aufgereizt 12), und diese hätten vom Rate dazu Auftrag empfangen. Ersterer hatte nun freilich gar nichts dazu gethan, aber seine Reden hatten doch die ganze Situation geschaffen, und Einsichtige konnten erkennen, daß man dabei nicht stehen bleiben würde. Kamen doch auch in der Stadt verschiedene Bilderstürmereien vor, die sich freilich auf einzelne Thaten beschränkten.43) Hierüber ging denn auch jenem Benediktinerabte endlich ein Licht auf. In seiner Vertrauensseligkeit hatte er anfangs mit dem Rate (unter Zuziehung mehrerer auswärtiger Aebte) über einen neuen Klosterplay in der Stadt verhandelt und sich verschiedene Stellen, u. A. das Beginenhaus bei St. Ansgarii mit der Nikolaikirche anweisen lassen. Bald aber

erkannte er die Situation, brach die Verhandlungen ab und zog verstimmt und in bitterer Reue über den ganzen Vorfall von dannen. Die Bremer waren damit aus einer peinlichen Verlegenheit befreit. Denn wurde der Abt nun auch ihr unermüdlicher Ankläger und bitterster Feind, man hatte doch nicht mehr nötig, ein Kloster in der Stadt bauen zu lassen, und durfte die Veranlassung zu jener Klosterzerstörung mit Wahrheit als sein Werk bezeichnen.

Inzwischen wirkte diese That erhebend und ermutigend auf die Bürger ein und ließ sie eine weitere Durchführung des Reformationswertes wünschen. Es muß um diese Zeit gewesen sein, daß der Rat, wahrscheinlich ihrem Drängen nachgebend, einen weiteren Schritt that. Um nicht selber für alles verantwortlich zu sein, veranlaßte er die Bürger, eine Kommission von zehn Männern aus ihrer Mitte zu wählen, die er dann bestätigte.44) Sie sollten recht eigentlich die Sache in die Hand nehmen, die Mißbräuche konstatieren, mit den geistlichen Behörden unterhandeln und Vorschläge zur Abhilfe machen. Unter den Gewählten finden wir die Namen von Evert Speckhan und Johann Hilmers wieder, Männern, die Heinrich zu seinem ersten Auftreten veranlaßt hatten, sodann den Lohgerber Hinrich Volmers, einen der Hauptthäter bei der Zerstörung von St. Pauli u. s. w. — also lauter thatkräftige, reformeifrige Bürger. Diese gingen auch energisch ans Werk. Vor allem wandten sie sich an die beiden noch vorhandenen Klöster in der Stadt. In diesen wurde eine feindliche Stimmung genährt, insbesondere im Katharinenkloster bei den Dominikanern erschollen die heftigsten Predigten gegen die Neuerungen. Die Bürger verlangten nun eine ernstliche Abstellung solcher Feindschaft und werden nicht ermangelt haben, unter Hinweisung auf die Benediktinerabtei daran zu erinnern, daß man sich hier schußlos in den Händen der Bürger befinde. Ohne Eindruck ist das gewiß nicht geblieben, obwohl bald hernach noch energischere Schritte not thaten. Sodann wandten fich jene mehrfach an die Priester der beiden städtischen Kirchen U. L. Frauen und St. Martini, nnd forderten dieselben energisch auf, ihren Kirchspielleuten das Evangelium zu predigen. Natür lich war an einen Erfolg auch hier nicht so bald zu denken.

« ZurückWeiter »