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statt dessen in dieser gefährlichen Position zu verbleiben. Aber man hatte damals in Bremen die Kraft der reformatorischen Wahrheit erfaßt und war nicht gesonnen, dieselbe wieder fahren zu lassen.

Kurz nach dieser Stiftsversammlung, vom 13. Dezember, ist ein zweiter Brief von Heinrich datiert, der sich in unsern Händen befindet. Er ist (wie bereits erwähnt) an G. Hecker in Osnabrück gerichtet und enthält, gleich dem ersten, nur in viel eingehenderer Weise, einen Bericht über die ersten Erlebnisse in Bremen nebst verschiedenen Reflexionen. Da er für den Verfasser sehr charakteristisch ist, so teilen wir ihn in deutscher Ueberseßung mit.25)

,,Dem ehrwürdigen und christlichen Vater Magister Gerhard Hecker, Gelehrten in der evangelischen Lehre und standhaften Bekenner ohne Ansehen der Menschen.

"

‚Christus lebt, Christus wird siegen, Christus regiert!

„Ich habe, ehrwürdiger Vater, heute am Tage St. Luciä deinen Brief erhalten, in welchem du Glück wünschest zu dem Wachstum des Wortes und erzählst, welch eine Schein-Reformation durch ein zukünftiges Konzil von der römischen Kurie ausgehe, auch meine Meinung über ein solches Erzeugnis erbittest und nach meinem Befinden fragst. Ueber den römischen Papst und den gesamten Körper des päpstlichen d. H. antichristlichen Reiches kann ich nichts anderes als Untergang und Sturz zum äußersten Abgrund weissagen. Denn angefangen hat die Rache über das Blut der Heiligen, welches vergossen ist vor dem Angesicht des Herrn, und seine Hand wird nicht säumen, ein schnelles Seelenverderben über seine Feinde zu führen.

„So sehr bin ich gewiß, daß die sogenannte „geistliche“ Herrschaft des römischen Reiches die Macht der Finsternis, das Reich der bösen Geister unter dem Himmel, der äußerste und leßte Feind Christi ist und daß sie in zwiefachem und völligem Widerspruch steht zu allen christlichen Einrichtungen, als ich von meinem Leben gewiß bin. So mögen sie denn beraten und wieder beraten, sich ausdenken und hervorbringen wie viel an Plänen sie wollen, sie werden damit nichts ausrichten fürs Evangelium, welches sein Zeugnis nicht von Menschen nimmt,

denn es hat ein Zeugnis, das größer ist als des Johannes Zeugnis, sondern nur für ihre eigenen „heiligen“, das heißt von Allen zu verabscheuenden, Dekrete werden sie alles beraten und beschließen.

„Denn ich weiß, es ist die Zeit, da die auf dem Felde sind, nicht wieder heimkehren sollen etwas aus dem Hause zu holen. Vergehen mögen daher die Planmacher mit allen ihren Plänen; das Wort des Herrn, welches wir haben, bleibt ohne menschliche Planmacher und Verteidiger; es geschehe daher mit ihnen, was der 78. und der 82. Psalm weissagen.

„Von Doktor Martin erhielt ich kürzlich ein tröstliches und meine Berufung bestätigendes Schreiben. Sonst hörte ich nichts Neues. Das Neue Testament sah ich, konnte aber kein Exemplar bekommen, und es giebt auch zu Wittenberg keine mehr, daher schon die zweite Auflage unter der Presse ist.*) Ich sah auch einige Artikel, bekam und las sie aber noch nicht, welche die Kurfürsten für die Befreiung Deutschlands aus der gewaltthätigen Brandschaßung der Römer an den Kaiser und den römischen Bischof sandten, aber es handelt sich dabei um zeitliche Dinge, nicht um die Freiheit des Wortes, wie du vielleicht gesehen und mit schnellem Urteil erkannt hast.

„Da du dich aber nach meiner Lage erkundigst, so wisse, daß ich wider meine Erwartungen und Gedanken berufen worden, und bald nachdem ich nach Bremen gekommen, von den Brüdern aufgefordert bin, einmal und dann mehr ihnen das Wort zu verkünden. Als ich diesen, christlicher Liebe gemäß, zu Willen war, wurden bewegt und aufgeregt die Obersten der Priester und Pharisäer; man führt mich vor die Versammlung der Kanoniker und befiehlt mir nicht mehr zu predigen. Als ich dann geantwortet, ich müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen und wolle denen, die da bitten, das Wort nicht verweigern, da hebt die Verschwörung an und eine schwere Klage wird dem Erzbischof zugestellt. Unterdessen fahre ich, ihrer Forderung gemäß, täglich in der Verkündigung des Wortes fort, wobei mir vom Magistrate der Stadt öffentlicher Schuß gewährt wird. Bald, nachdem acht Tage vergangen, schickt der Erzbischof eine

*) Von der deutschen Ausgabe des Neuen Testamentes war also die Septemberausgabe" bereits vergriffen; die neue erschien im Dezember.

Gesandtschaft nach Bremen, und es werden die auf Grund des gelobten Eides zusammenberufenen Bremer beschworen, den Feind der heiligen römischen Kirche, der zugleich sein eigener Feind sei, in die Hände des Bischofs zu übergeben. Die Häupter der Stadt werden berufen, antworten aber mit einer Stimme, sie würden mich nicht eher entlassen, bis sie mich durch die kanonischen Schriften überführt sähen.

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Da machten die erzürnten Obersten der Priester den babylonischen Feuerofen in der Brust des Bischofes siebenmal heißer, als er zu sein pflegt, und nachdem darauf ihre Patrizier und Adeligen eingeladen worden, nämlich die benachbarten Bischöfe*), auch die Kanoniker von Lübeck und Hamburg, werden die Bremer mit der größten und kaum glaublichen Angeberei angeklagt und zur Verantwortung gezogen, und sollen den Augustiner dem Gerichte stellen. Die Unsern kommen zur Versammlung und hören. die schwere Anklage, vor allem daß sie auch jezt zum zweiten Male den Feind ihres Fürsten und Oberhirten nicht herbeigeführt hätten. Als sie dann antworteten, sie würden den mir zugesagten öffentlichen Schuß nicht eher verlegen, als bis sie mich überführt sähen, da begann jener wie ein Unsinniger sich selbst zu verfluchen, indem er schwor, er wolle eher Leib und Leben hingeben als diese Beleidigung ungerächt hingehen lassen; endlich aber milder gestimmt, bewilligte er einen Stillstand von zwölf Tagen Bedenkzeit, daß sie entweder indessen seinen Feind auslieferten, oder aber die Feindschaft ihres Bischofs zu kosten bekämen. Das ist es, was ich von der Sache weiß. Was weiter geschehen wird, weiß der Herr, nicht ich; dies aber weiß ich, daß Christus mir ein Helfer sein wird; wer den Höchsten seine Zuflucht sein läßt, dem wird kein Uebel nahen. Er wird uns nicht versucht werden lassen über unser Vermögen u. s. w. Deßhalb werde ich den Plaß nicht verlassen, vom Evangelium werde ich nicht schweigen, bis ich den Lauf dieses Lebens vollendet habe. Aber freilich bitte ich, ehrwürdiger Vater, um Deine und aller der Deinen Fürbitte, insbesondere daß der Herr meinen Glauben vermehre

*) Daß an die benachbarten Bischöfe und an die Lübecker und Hamburger Stiftsherren Einladungen ergangen seien, wird sonst nicht gemeldet. Heinrich denkt sich die Versammlung großartiger, als sie gewesen war.

und alles Vertrauen auf den fleischlichen Arm wegnehme; sehr hänge auch ich Ungläubiger vom Menschen ab, welches Uebel durch die täglichen Anfechtungen in mir schon ausgetrieben zu werden beginnt. So oft Du daher zu Christo betest, wollest Du anch dieses armen Sünders vor ihm gedenken; das begehre ich von Dir als unserm christlichsten Bruder und treuen Hirten der Gemeinde, für welchen ich auch von meiner Seite die schuldigen Bitten und Gebete darbringe. Lebe wohl und grüße den Vater Leftor auch von mir. Am Tage S. Luciä.

Bruder Heinrich von Z.“

Daß die den Bremern gewährte Bedenkzeit ungenutzt verstreichen werde, konnten auch unter den Stiftsgenossen die Einsichtigen sich sagen. Es mag daher nicht auffallen, wenn wir schon vor Ablauf derselben von einer neuen Verhandlung hören, die den Zweck hatte, eine Vermittlung zwischen Erzbischof und Stadt herbeizuführen. Dieselbe scheint vom Bremer Domkapitel ausgegangen zu sein, welches sich bei dem Ausbruch von Feindseligkeiten als inmitten der Stadt wohnhaft in übelster Lage befand. Sie fand am 20. Dezember auf der Gieler Mühle (beim Orte Kuhstedt, in der Nähe von Basdahl) statt.26) Es waren Abgeordnete der verschiedenen Stiftsstände zusammengetreten.*) Den Bremern wird erklärt, man sei hier, um Frieden und Eintracht zwischen dem Bischof und ihnen herzustellen und bitte sie daher um Nachgiebigkeit. Die Bremer erwidern, man suche sie mit guten Worten zu bestricken und zeige sich nicht als unparteiisch; auch eigneten sich die Stiftsgenossen wohl nicht zur Beurteilung, da diese Sache des Mönches nicht von Laien, sondern von Theologen entschieden werden müsse; sie hätten ein Recht, Jeden zu „leyden“ (d. h. zu beschüßen) vor ungerechtem Ueberfall;

*) Des Erzbischofs Vertreter waren der Drost Clemens von der Wisch und der Kanzler Johann Rapen; aus den Prälaten erschien der Abt von Hersefeld; von der Ritterschaft Werner von der Hude und Hermann von Wersabe; aus Stade Martin Schranewede und aus Buriehude Peter Radelevezen. Die Vertreter der Stadt Bremen werden nicht genannt, doch bes richtet Büren wieder als Mitwirkender darüber; die vom Domkapitel (Propst und Dekan) kamen erst abends, als die Verhandlungen vorbei waren.

es wäre auch nicht nötig, in dieser Angelegenheit so viele Landtage zu halten, während man bei wichtigen weltlichen Dingen (wobei sie Einiges namhaft machen) heimlich zu Werke gegangen und zum Schaden des Stifts Niemanden gefragt habe. Als ihnen hierauf bemerkt wird, der dem Mönche gewährte Schuß sei dem Bischof zuwider geschehen, und seine Lehre sei bösartig, daher die Forderung einer Geldbuße auch ganz in der Ordnung, antworten die Bremer: sie hätten dem Bischof zuwider Niemanden beschüßt und wären immer bereit ihm die schuldige Pflicht und Ehrerbietung zu beweisen. Die Stiftsgenossen sehen wieder, daß mit den Bremern nichts angefangen werden kann. Sie schlagen darum vor, die Sache eine Zeit lang ruhen zu lassen; mittlerweile könne man bremischerseits entweder den Mönch fahren lassen oder einen anderen Friedensweg einschlagen. Die Bremer erklären, darin keine bestimmte Zusage geben zu können, aber so weit es der Friede mit den Ihrigen gestatte, wollten sie versuchen, den Mönch mit Fug" zu entfernen; dafür müsse man sie von der vom Erzbischof geforderten Geldbuße befreien. Dies aber können ihnen die Stiftsgenossen nicht zusagen, und so zieht man ohne Ergebnis wieder von dannen.

Bruder Heinrichs Stellung in Bremen konnte für die nächste Zeit als gesichert gelten. Von den Bürgern geliebt und vom Rate beschüßt, durfte er kräftig weiter wirken und auf eine sichere Durchführung der Reformation hoffen. Freilich mußte ihm auch einleuchten, daß große Vorsicht not that. Bremen befand sich in sehr exponierter Lage. Der Landesfürst trat der Reformation als Feind entgegen und hatte an seinem herzoglichen Bruder einen mächtigen Helfer, das Stift war von dem Verlangen nach Reformation noch unberührt, in der Stadt bildeten Geistliche und Mönche die natürlichen Bundesgenossen des Feindes, und vor den Thoren erhob sich burgartig in bedenklicher Nähe das St. Pauli-Kloster; dazu drohten kaiserliche Acht und päpstlicher Bann. Ein revolutionäres Ueberstürzen konnte die übelsten Folgen haben. Es galt Schritt vor Schritt weiterzukommen nnd die Lage mit Klugheit auszunuzen.

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