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gebunden. Man verbot es ihm darauf, er aber erklärte, wie einst die Apostel im Synedrium zu Jerusalem, fest und bestimmt, er habe Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, sei jedoch bereit, auf Befehl der städtischen Obrigkeit davon abzustehen; hatte er von letterer doch Erlaubnis erhalten. Nun wandten sich die Geistlichen von St. Ansgar, wie es scheint verstärkt durch solche von anderen Kirchen*), an diese Obrigkeit, und zwar mit einer schriftlichen Eingabe, in welcher sie über den frechen Eindringling klagten und seine Austreibung nachsuchten. Der Rat verhandelte darauf mit den „Bauherren“ jener Kirche. Es waren der erwähnte Heinrich Esich und Arend Wittelohe, beide (wie es nicht gewöhnlich war) Ratsmitglieder. Dieselben rechtfertigten das Geschehene ebenfalls schriftlich, und ihre Antwort ward den Klagenden zugestellt, zugleich mit dem Bemerken, der Rat habe Heinrich nicht kommen heißen und sehe keine Veranlassung, ihm hinderlich zu sein.

Es erhellt hieraus, daß die Stellung des Rats bei aller Vorsicht im Handeln von Anfang an eine entschiedene war. Wie er dem hereingekommenen Mönche sogleich zum Predigen die Erlaubnis erteilt und auch seine darauf folgende Anstellung bestätigt, so nimmt er auch sofort gegen den Klerus für ihn Partei. Zwar mag es an Meinungsverschiedenheiten unter den klugen Herren nicht gefehlt haben, allein diese bezogen sich, soweit wir sehen, nur auf die einzuschlagenden Schritte, nicht auf die Sache. Nach einer Erzählung aus späteren Quellen ist es einmal in einer Ratsversammlung stürmisch hergegangen; es schien doch Vielen allzu bedenklich, um eines „verlaufenen Mönches" willen sich Unfrieden und Krieg auf den Hals zu laden. Da erhob sich der hochangesehene Bürgermeister Meimar von Borcken und erklärte: „Er habe keine Unlust zum Unfrieden, aber er wisse gewiß, was der Mönch lehre, das sei die reine, lautere Wahrheit und dem Worte Gottes gemäß; daß er denn dazu raten oder helfen solle, daß ein solcher Mann unverhörter Sachen verstoßen würde, da solle ihn Gott vor behüten". Das Wort fand

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*),,Domherrn, Mönche und Pfaffen" heißt es bei Luther und in den

Chroniken.

allseitigen Beifall, denn es wehte in ihm etwas von der hohen reformatorischen Begeisterung, vor deren religiöser Kraft alle Kleinlichen Bedenken in den Hintergrund traten. Mochten auch politische Erwägungen dabei helfen, vor allem der Wunsch nach größerer Freiheit von der geistlichen Regierung, der entscheidende Punkt lag für den Rat doch in der Sache selber, welcher seine besten Glieder von Herzen zugethan waren.12) So nimmt er denn zu Heinrich von jezt an keine zurückhaltende, abwartende Stellung mehr ein, sondern betrachtet ihn gradezu als unter seinem Schuße stehend und läßt ihm die bürgerliche Freiheit zu teil werden.19)

Und das war auch nötig. Ließ es sich doch erwarten, daß die Geistlichen mit der erhaltenen Abweisung nicht beruhigt sein würden. Man wandte sich jezt an den Erzbischof. Christoph befand sich damals in der Stadt Verden. Denn neben seinem bremischen Sprengel hatte er sich auch das verdener Bistum anzueignen gewußt, obgleich dasselbe zum mainzer Erzbistum gehörte und das Kirchenrecht die gleichzeitige Verwaltung von zwei verschiedenen Kirchensprengeln verbot. Nach Bremen kam er überhaupt selten, und seit den nun beginnenden Ereignissen nie mehr. Acht Tage etwa nach jener Abweisung 20) erschien eine stattliche Gesandschaft von ihm vor dem Rate, bestehend aus dem Weihbischof (welcher, wie berichtet wird, dem reformfeindlichen Dominikanerorden angehörte), den verdener Domherren Michel und Diedrich von Mandelslohe, dem Herrn Alverich Clüver, dem Drosten Diedrich von Staphorst in Langwedel und dem Kanzler Johann Rapen 21). Dieselben erinnerten den Rat an seine „Hulde und Pflicht" gegen den Landesfürsten und verlangten auf Grund derselben die Auslieferung des hereingekommenen Mönches. Auf die Frage des Rates, weshalb man dies von ihm begehre, heißt es, derselbe predige wider die heilige Kirche, und als man darüber einen näheren Nachweis verlangt, bleiben die Abgesandten die Antwort schuldig. Einstweilen scheinen damit die Verhandlungen vertagt zu sein. Die Erzbischöflichen wandten sich nun an die Bürger, vor allem an die Vorstände der Aemter, um sie gegen das Vorgehen des Rats und der Kaufleute aufzubringen und ein Gesuch zur Vertreibung Heinrichs

zu veranlassen. 22) Aber ohne Erfolg. Man antwortet ihnen, außer dem Evangelium habe man nichts aus seinem Munde vernommen und eine Auslieferung könne man nicht eher dulden, bis man ihn eines Irrtums überwiesen sehe. Dann sucht der Weihbischof in der Stille den Mönch zu fangen und aufzuheben. Auch umsonst. Schließlich werden die Verhandlungen mit dem Rate fortgesezt. Man zieht jezt mildere Saiten auf und giebt zu, daß mancherlei im Kirchenwesen anders sein könne, nur die Forderung bleibt, der Mönch müsse ausgeliefert werden. Aber bestimmt lautet die Weigerung: solange demselben kein Unrecht nachgewiesen, könne davon nicht die Rede sein. Es wird daran die Bitte geknüpft, der Erzbischof möge gelehrte Leute schicken, die mit Heinrich disputieren könnten; würde er da auf Grund der heiligen Schrift einer Irrlehre schuldig befunden, so wolle ihn der Rat „mit ziemlicher Strafe" wegschaffen, wo nicht, so wüßte man nicht von ihm zu lassen. Der Weihbischof konnte sich hiemit nicht beruhigen. So bat er denn um des lieben Friedens willen im ganzen Lande, den Schuldigen herauszugeben; es handle sich hier wahrlich um nichts Geringeres als um ihrer Seelen Seligkeit. Aber auch dieser Appell blieb ohne Eindruck; die Gesandten mußten unverrichteter Sache wieder abziehen, und es ist begreiflich, daß die freundliche Zuvorkommenheit sich dabei in [grimmigen Zorn verwandelte. Der Weihbischof, heißt es, wollte „nachmals“ die Kinder der Stadt nicht firmeln. Gewiß werden sich auch darüber die Bremer getröstet haben.

So war auch dieser Sturm glücklich abgeschlagen, und Heinrich's Stellung damit ungemein befestigt. Auf die ganze Bevölkerung aber machte dies Alles einen erhebenden Eindruck. Man interessierte [sich allgemein für den Augustinermönch und begeisterte sich für Annahme der Reformation. Zur Förderung derselben thaten verschiedene Bürger sich zusammen und schickten einen Bücherhändler nach Wittenberg, um dort reformatorische Schriften einzukaufen 23). Heinrich selbst befand sich in gehobener Stimmung; das bezeugt uns sein Brief vom 29. November 1522 an Probst und Reyner, welcher beginnt: „Christus lebt, Christus siegt, Christus herrscht!" Er erzählt dann seine bisherigen Erlebnisse;

und zum Schlusse heißt es: „Auf den Herrn vertraue ich und will mich nicht fürchten; was sollte mir ein Mensch thun? Bittet unaufhörlich um Ausbreitung des Wortes. Ich werde Bremen nicht verlassen, es sei denn, daß man mich mit Gewalt vertreibt. Geschehen mag der Wille des Herrn, dessen Hand ich immer als eine gnädige bei mir empfinde". Heinrich erkannte, daß er hierher zum Reformator berufen worden sei und mit der Hilfe seines Herrn viel ausrichten könne.24)

Der Erzbischof aber wollte selbstverständlich die Sache noch nicht fahren lassen. Es war doch unerhört, in seiner Hauptstadt einen Keßerprediger aus Wittenberg zu wissen, der die ganze Stadt von ihm abwendig machte. Hatte die Sendung an diese nichts gefruchtet, so wollte er sich an eine Versammlung des ganzen Stifts wenden und durch ein Votum desselben die Städter zwingen. So hören wir nun von einem „Stiftstage", welcher am 11. Dezember wegen dieser Sache in dem Orte Basdahl abgehalten wurde. Es kamen dahin die Abgeordneten des Domkapitels, der Prälaten, der Ritterschaft und der oben erwähnten drei Städte. Bremen hatte die beiden Bürgermeister Meimar von Borcken und Daniel von Büren (den Aelteren) geschickt. Christoph, der selber zugegen war, ließ sich folgendermaßen über die Bremer aus: Jedermann wisse, daß Einer mit Namen Martin Luther vom Papste in den Bann, sowie von Kaiser und Reich in Acht und Aberacht gethan sei. Troßdem habe der Bremer Rat einem Augustinermönche von desselben Mannes Sekte und Kezerei in der Stadt, ihm zuwider, Schuß verliehen und sei damit ebenfalls in den päpstlichen Bann und die kaiserliche Acht verfallen. Er (der Erzbischof) habe eine stattliche Gesandtschaft darüber an den Rat geschickt, aber keinen Erfolg erreicht. Andre Sachen, die er noch gegen Bremen habe, wolle er um des Friedens willen ruhen lassen, hierin aber bitte er die Stiftsgenossen, ihm behülflich zu sein. Hierauf erwiderten die Bremer folgendes: Sie hätten die Schreiben von Papst und Kaiser, welche Martin Luther verurteilten, noch garnicht gelesen, wüßten auch nicht, ob der Mönch dieser Sekte angehöre. Denselben habe der Rat auf die Bitte der Bürger in seinen Schuß genommen, noch ehe jene Gesandtschaft angelangt sei und also nicht Seiner

den

Fürstlichen Gnaden zuwider. Würde derselbe nun als kezerisch befunden, indem seine Lehre dem heiligen Evangelium zuwider wäre, so gedächten die Bürger ihn nicht zu beschüßen, sondern würden ihn verfolgen helfen. Und da nun viele gelehrte Geistliche in Stadt und Stift seien, so dünke es Bürgern leicht, ihn darüber zu verhören. Auch der Rat erkenne darin den besten Weg und bitte Se. Fürstl. Gnade, das ungesäumt zu thun. Der Erzbischof war von dieser Antwort wenig erbaut; er verlangte kurzer Hand die Auslieferung des Mönchs nebst Zahlung einer Buße. Die Bremer erklärten aber bestimmt, der Mönch sei unter ihrem Schuße, und der Rat habe das Recht wie jeder Richter Jemanden vor ungerechtem Ueberfall zu schüßen; zu einer Buße sähen sie sich vor geschehener Entscheidung nicht verpflichtet. Jezt treten die Stiftsgenossen auf und erbieten sich zur Vermittelung. Die Bremer bemerken zwar vorsichtig, hierzu keinen Auftrag zu haben, sind aber bereit ihrerseits darauf einzugehen. So wird nun den ganzen Tag verhandelt, aber die Verhandlung kann zu keinem Ziele führen, da man nur darauf ausgeht, die Bremer zum Nachgeben zu veranlassen. Hierzu aber sind dieselben um keinen Preis zu bewegen, auch nicht, als ihnen endlich im Namen aller der Abt von Harsefeld erklärt, sie gedächten in dieser Angelegenheit beim Erzbischof gegen die Stadt zu bleiben.

Wiederum hatte der Erzbischof nichts erreicht und ritt am Abend sehr zornigen Mutes von dannen. Aber eine Hoffnung blieb noch den Vermittlern. Die Bremer hatten sehen können, wie mißlich die Sache für sie stand, und wie wenig für sie auf Unterstügung im Stifte zu rechnen war. Würden das ihre Abgesandten daheim berichten, so konnte man sich doch noch eines Anderen besinnen. Darum wird den beiden Bürgermeistern jezt noch namens des Erzbischofs eine 14tägige Frist als Bedenkzeit gegeben, unter der Beifügung, daß wenn der Mönch etwa innerhalb dieser Zeit fortliefe, Se. Fürstl. Gnaden vielleicht auf die Forderung der Buße verzichten würde. Der Wink war deutlich. Man hatte ihnen eine goldne Brücke gebaut, und wahrlich, hätte es sich nicht um eine so ernste Glaubens- und Gewissenssache gehandelt, der Rat wäre thöricht gewesen, dieselbe nicht zu betreten und

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