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dem Glauben anhingen und nur auf eine befreiende That, auf einen unerschrockenen Führer warteten. Hier konnte, so Gott Gnade gab, etwas angefangen werden, das dem ganzen Vaterlande zum Segen wurde. So kam er nach Antwerpen und begab sich in das Augustinerkloster. In diesem mag tiefe Niedergeschlagenheit geherrscht haben. Der wittenberger Bruder konnte den Zurückgebliebenen als eine neue Gefahr erscheinen, aber mit Freuden werden sie doch den Freund ihres Priors und den Schüler Luthers begrüßt haben. Heinrich scheint hier zunächst in der Stille des Klosters gewirkt zu haben. Galt es doch vor allem, den Glaubensmut der Augustinerbrüder wieder zu beleben. Den Anstoß zum öffentlichen Auftreten gab dann ein Ablaßprediger, welcher in dieser Zeit für den Papst und für dessen Geschäftsführer, gewandte italienische Kaufleute, das reiche Antwerpen auszubeuten suchte.') Hiergegen regte sich der gesunde Sinn der Bevölkerung, und die Augustiner verhalfen ihm zum Ausdruck. In ihrem Kloster konnte man donnernde Predigten gegen den Ablaßhandel und die damit zusammenhängenden Irrlehren vernehmen. Bald hatten sie großen Zulauf. An ihrer Spize stand Bruder Heinrich, durch seine Kühnheit und geistige Bedeutung bald der erklärte Liebling der Bevölkerung. So kam die eben unterdrückte Sache des Evangeliums zu neuem Aufschwung, und kühne Geister mochten auf einen Sieg hoffen. Der städtische Magistrat, welchem die Ablaßkrämerei und die Spekulation der italienischen Händler zuwider gewesen sein mögen, schritt nicht dagegen ein, sondern begnügte sich damit, die Sache der Regentin anzuzeigen und zu überlassen.

Margarete aber ging sofort darauf ein. Sie kam selber mit großem Gefolge und Truppen nach Antwerpen und ließ sich alles vortragen. Darauf erklärte sie sich hereit, den Wünschen der Bevölkerung entgegenzukommen und von jeder Bestrafung abzusehen, falls man ihr eine bedeutende Geldsumme einzahle. Die Bürger aber fanden es unerhört, bei dieser Gelegenheit ihrer Habsucht dienen zu sollen, und schlugen es ab; sie mochten hoffen, auch ohne das zum Ziele zu kommen.2) Aber sie hatten sich getäuscht. Margarete versuchte, durch Drohungen und gute Worte auf die Bevölkerung einzuwirken und sie vor allem von den Augustinern

abzuziehen.*) Manche ließen sich auch einschüchtern. Ja es fanden sich Leute, welche geradezu die Mönche und namentlich den neugekommenen Bruder Heinrich verklagten; es hieß, man habe kezerische Worte aus seinem Munde vernommen, und böse Anschuldigungen wurden gegen ihn laut. Als die Haupttreiber zeigten sich dabei die Dominikaner. Als man dann glaubte, die Augustinerbrüder mehr und mehr isoliert zu haben, wurde ein Angriff auf ihr Kloster unternommen. Bewaffnete drangen hinein um Bruder Heinrich zu greifen.3) Man fand ihn und brachte ihn zuerst in das fürstliche Münzhaus, wo er gefesselt wurde, dann, um ihn mehr vor dem Volke zu verbergen, in die alte Michaelisabtei. Hier sollte er für den Tag bewahrt bleiben (es war, wie er selbst berichtet, am 29. September), um dann in der Nacht nach Brüssel geschleppt zu werden, wo ihn, wie vor Jahresfrist seinen Freund Probst, das Dilemma des Widerrufs oder des Feuertodes erwartete. Heinrich war in den Händen. seine Feinde, und sein Schicksal schien entschieden. Er mochte längst darauf gefaßt gewesen sein.

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Aber es fam anders. Die Kunde von des Bruders Gefangennahme ging wie ein Lauffeuer durch die Stadt und entflammte wieder die furchtsam gewordenen Gemüter. Man war empört über die That, und die Aussicht, daß auch dieser Mann wie die andern durch die rohe Gewalt beseitigt werden sollte, rief bei vielen energische Entschlüsse hervor. Namentlich eifrig zeigten sich dabei die Frauen; ihnen sollte Heinrich diesmal seine Rettung verdanken. Am Abend dieses Tages rotteten sich einige tausende vom weiblichen Geschlechte, unterstüßt von vielen Männern, zusammen, bewaffneten sich, zogen nach dem Michaeliskloster, erbrachen es mit Gewalt und befreiten den Gefangenen. Ihre große Zahl und die Ueberraschung ließen jeden Widerstand vergeblich sein. So kam Heinrich wieder zu seinen Augustinerbrüdern. Aber an ein neues Wirken von seiner Seite war doch nicht zu denken. Die Bevölkerung konnte sich wohl einmal für ihn erheben, aber sie vermochte ihn nicht auf die Dauer vor der bewaffneten

*) Heinrich erzählt sogar, sie habe die Bevölkerung aufzuregen und zu erbittern gesucht, um dann mit gewaffneter Hand einschreiten und so doch noch durch Bestrafung zu dem von ihr geforderten Gelde kommen zu können.

Macht der Statthalterin zu verteidigen. So blieb Heinrich für's erste nur als Versteckter in seinem Kloster, in der Hoffnung wohl, daß irgend eine Wendung zu seinen Gunsten eintrete. Aber dazu kam es nicht. Nachdem er sich drei Tage verborgen gehalten, und zwar, wie es scheint, zu größerer Sicherheit an verschiedenen Stellen1), mußte man ihm zur Flucht raten. Denn die Feinde spürten ihm nach, das Augustinerkloster wurde an allen Ecken durchsucht und die Brüder unter heftigen Drohungen aufgefordert, ihn herauszugeben. Sein Leben stand in neuer Gefahr, und so schwer es ihm ward, er mußte sich zum Fortgehen entschließen. Von einzelnen bekam er Briefe mit an verschiedene christliche Freunde im Lande, welche ihm gute Aufnahme bereiten und anderswo zu einem besseren Wirkungsplaß verhelfen sollten. Aber zu Leyterem war ihm die Freudigkeit vergangen. „Ich beschloß durch Holland und Westfalen die Brüder begrüßend nach Wittenberg zu gehen“, erzählt er selbst. Die Zeit für sein Heimatland schien noch nicht gekommen, er wollte wieder nach Wittenberg zurück.

Indessen wollte er sich Zeit lassen und, wie eben vernommen, nicht direkt nach Sachsen fliehen. So hören wir denn, daß er zuerst nach Enkhusen gekommen. In dieser sehr weit nördlich, am Zuider-See gelegenen Stadt befand sich ja ebenfalls ein Augustinerkloster sächsischer Congregation, wo unser Flüchtling für den Augenblick gute Aufnahme und Erholung fand. Bald aber mußte er erfahren, wie gefährlich es um ihn stand. Sein Aufenthalt war verraten. Kaum hatte er Enthusen verlassen, als schon Briefe der Regentin dort anlangten an den Stadtrat und den Klosterprior mit dem Befehl, ihn gebunden nach Amsterdam zu senden. Und eben damals befand er sich grade in Amsterdam, als ihn diese Kunde ereilte. Gelobt sei der Herr (ruft er aus in dem Briefe, der genau über diese Reise berichtet), der mich nicht in die Hände der Gottlosen fallen ließ!" Schnell zieht er weiter, die Reise muß beschleunigt werden. Es ist nicht möglich, noch die anderen befreundeten Klöster zu besuchen, da man ihm am meisten nachstellt. So geht es westwärts, der Landesgrenze zu. Noch einmal kommt er in Gefahr. In Zütphen, seiner Vaterstadt, wird er erkannt und angehalten. Die Franziskaner

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übernehmen seine Anklage beim Stadtrat als Verbreiter der

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neuen und schon verurteilten Lehre." Glücklicherweise aber ist noch kein Befehl der Regentin da. So wird Heinrich nur einem genauen Verhör unterworfen, wer er sei, woher er komme und wohin er gehe. Er antwortet der Wahrheit gemäß. Auf die weitere Frage, ob er hier zu predigen beabsichtige, kann er ebenso wahrheitsgemäß erklären, daß er dazu keinen Auftrag habe, aber gern bereit sei, es, falls sie es wünschten, zu thun. Hieran dachte der Stadtrat nun freilich nicht, da er sich olle Mühe geben mußte, nicht gegen die strengen Edikte zu verstoßen. Daher wird dem Augustinerbruder streng anbefohlen, zu Niemandem in der Stadt von seiner Lehre zu sagen. Das beabsichtigte er auch nicht. Er dachte hierin anders als später der Reformator Wilhelm Farel, welcher in die Orte drang und trog aller Verbote die neue Lehre verkündigte. Ihm schien es nötig, daß irgend ein „Beruf“ vorLiege, und zwar auch von Seiten der Menschen. Ohne einen solchen wollte er nicht auftreten; wo er aber kam, da scheute er keine damit verbundene Gefahr. „Ohne Ruf oder Bitte werde ich nicht predigen", mit dieser Erklärung verließ er seine Vaterstadt3) und bald danach auch sein Vaterland, um in Wittenberg nach irgend einem neuen Rufe auszuschauen.

Ehe. wir ihn aber weiter begleiten, kehren wir noch einmal nach Antwerpen zurück. Hier stand's jet traurig genug. Seit dem leßten Durchbruch freiheitlicher Regung zu Gunsten des gefangenen Augustiners war es ganz still geworden. Niemand wagte noch, gegen die Maßregeln der Regentin etwas zu thun. Und diese ging in der Bestrafung der Schuldigen rücksichtslos voran. Gleich nach jener Nacht fand eine strenge Untersuchung statt, die Führerinnen unter den Frauen, welchen Heinrich seine Befreiung verdankte, mußten in's Gefängnis, und eine Anzahl von Männern wurde anderweitig bestraft. Als dann der entkommene Mönch nicht zu finden war und die Gewißheit seiner Flucht vorlag, ging's über das Augustinerkloster her. Die Priester und andere Mönche vereinigten sich zu einer Vorstellung bei der Regentin, diesen Convent, aus welchem nun bereits mehrfach Keßerei und Aufruhr entstanden und mit welchem es in Zukunft nicht anders stehen werde, ganz aufzuheben. Bereitwillig ging

Margarete darauf ein. Der Untergang des Klosters war beschlossen, und am 17. Oktober ward er ausgeführt. Auf's Neue wurden die Brüder gefangen nach Vilvoorden geschickt. Hier reinigten sich einige von ihnen sofort vom Verdacht der Keßerei, indem sie dem Verlangen gemäß abschworen. Man entließ sie, und sie gingen nach Dordrecht in's dortige Kloster. Andre blieben standhaft und verlangten zu wissen, was sie verbrochen. Man hielt es für gut, nicht zu streng mit diesen zu verfahren; nur einige, die aus Antwerpen stammten, wurden dorthin zurückgebracht und im Hause der Begharden detiniert, die andern ließ man entwischen. Aus dem Klostergebäude wurde zuerst das Sakrament entfernt und in feierlichem Pompe nach der Liebfrauenkirche gebracht, wo die Statthalterin unter großer Begleitung dasselbe empfing. Dann wurden die kirchlichen Geräte verkauft, das Kloster verschlossen und hernach abgebrochen. Manches_mag_dabei für den Fiskus und die Regentin abgefallen sein.") So ging dies Augustinerkloster zu Grunde. Nur neun Jahre hatte es bestanden, aber in dieser kurzen Zeit war es von größerer Wichtigteit geworden als manche Mönchsabtei in Jahrhunderte langer Dauer. War auch von ihm nicht, wie Probst und Heinrich wohl gehofft, eine Reformation über die Stadt und das weitere Land ausgegangen, so hatte es doch kräftige Anregung gegeben zu späteren erfolgreicheren Dingen.

Uebrigens erlebte die Statthalterin nicht große Freude über ihren Erfolg. Ihre hierbei so deutlich bewiesene Habsucht und Härte erbitterte die an straffe spanische Zucht wenig gewohnten Unterthanen. Es ging beim Kaiser, ihrem Neffen, von Seiten der Stände von Holland und Brabant eine Klage wider sie ein, über welche sie sich verantworten mußte. Dadurch wurde ihr Zorn gegen Bruder Heinrich noch größer; sie sandte ihm auch nach Deutschland Steckbriefe nach, wie wir hernach vernehmen werden. Aber er war glücklich ihren Händen entronnen und sollte vor ihren Nachstellungen bewahrt bleiben.

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