Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

"

Weise werden alle Verse des Psalmes durchgenommen und auf den vorliegenden Fall bezogen. Am Schlusse heißt es dann: ‚Also sehet ihr hie, meine lieben Herren und Freunde, wie dieser Psalm uns tröstet und hoffen heißet, daß durch das teure Blut Henrici Gott viel Gutes und Nußes schaffen wird. Darum lasset euch trösten mit diesem Psalmen, daß sein Name geheiliget und sein Reich gemehrt werde. Amen.“ Es folgt dann noch die Bitte, sich die „Leutlein in Diedmar" anbefohlen sein zu lassen (welche Stelle wir bereits oben anführten) und schließlich noch eine Hinweisung auf ihre gegenwärtigen Gotteszeugen: „Lasset euch auch Jakobum Probst, euren Prediger, samt den anderen, befohlen sein, welchem Gott mit euch allen Stärke und Gnade gebe, daß ihr bei der Lehre, durch Henrici Blut versiegelt, bleibet und wo es Gott fordert, ihm fröhlich nachfolget."

Die „Historie" endlich erzählt zuerst ziemlich eingehend Heinrichs Wirken zu Bremen und dann noch genauer sein Auftreten und seinen Märtyrertod in Ditmarsen. Sie ist durchaus populär gehalten und plastisch, dabei in dem zweiten Teile von folcher Genauigkeit, daß sie nur an einigen Stellen durch gleichzeitige Nachrichten einer Correktur bedarf. Allen späteren Darstellungen, die wir in den Chroniken von Bremen und Ditmarsen, sowie in sonstigen Schriften finden, hat sie fast wörtlich als Grundlage gedient. Damals mußte sie den Bremern hoch willkommen sein, da sie die Gestalt des Märtyrers und seine Thaten in ungeschminkter und verständlichster Weise allen vor Augen führte. Schon bald erschien von ihr eine plattdeutsche Uebersehung, welche sie den Niederdeutschen zum wahren Volksbuch machte.*)

Es ist nun erfreulich weiter berichten zu können, daß die Wirkung dieser Zuschriften Luthers ganz so gewesen, wie er sie gewünscht. Der kräftige Appell verhallte nicht in den Lüften. In Bremen ließ man sich nicht schrecken durch die große Macht und viele List des Feindes, sondern stand fest und ging vorwärts. Es ist ein sonderlich Mirakel Gottes (schreibt hernach

"

*) Die plattdeutsche Uebersehung der „Historie" (welche in manchen Punkten vom Hochdeutschen Terte abweicht) ist kürzlich abgedruckt im Brem. Jahrbuch 1885 S. 203 ff.

Bugenhagen in der Vorrede zur bremischen Kirchenordnung), daß ihr beständig geblieben seid in so vielerlei Anfechtungen und Gefahren."

Zunächst gelang es, mit dem Erzbischof in leidlichem äußeren Frieden zu bleiben. Das angesezte Schiedsgericht sollte ja über die streitigen Punkte befinden, und bis dahin konnte der Landesfürst nichts anfangen. Ja die Stadt stand ihm in diesem Jahre sogar einmal bei in einem Kriege gegen die Wurster (Sept. 1525), indem sie ihm einige Schiffe mit Lebensmitteln und Geschüßen zu Hülfe schickte. Desto ungehinderter konnte das Reformwerk betrieben werden.

Dasselbe nahm denn auch einen energischen Fortgang. Die oben erwähnte Kommission von zehn Bürgern wurde zu einer aus Ratsherren, Bauherren und Bürgern bestehenden erneuert, welche die Sache weiter fortführte. An zwei Kirchen hatte man, wie wir wissen, bereits je einen evangelischen Prediger; jezt wurden auch die zwei anderen Stadtkirchen damit versehen, nämlich St. Ansgarii, wo Heinrich gestanden, und St. Stephani. Beide unterstanden nicht dem Dompropst, sondern, weil sie Stiftskirchen waren und ein geistliches Kollegium besaßen, unmittelbar dem Erzbischofe. Um die Form zu wahren, hatte man sich zu St. Ansgarii bereits bei Heinrich darauf berufen, es sei Sitte, daß die Kirchspielsleute von einem fremden Prediger Gottes Wort ein oder zwei Mal zu hören wünschen dürften; weil nun der Erzbischof das nicht zugegeben, habe man sich sein Recht genommen und, weil man Gottes Wort hören müsse, den fremden Prediger behalten. Jezt argumentierten die Führer der Gemeinde in gleicher Weise, um für Heinrich einen Nachfolger zu bekommen. Es gab darüber bittern Wortwechsel bei einer Versammlung in der Kirche, ja es kam zu Thätlichkeiten, indem ein Bürger Gröning den Barbier Segebade, der die Pfaffen verteidigte, mit der Hellebarde verwundete. Als die Kanoniker das Blut sahen, sprachen sie das Interdikt über die Kirche und hofften damit die ganze Sache beseitigt zu haben. Aber sie täuschten sich. Die Evangelischen kümmerten sich nicht mehr um solch ein Interdikt, sondern nahmen die Kirche in Besit, indem sie die Prediger Johann Belte (auch einen Niederländer aus Amsterdam) und

Lüder Hose an derselben anstellten. Auch in St. Stephani mußte ein solches Interdikt dem Evangelium die Thüren öffnen; die Geistlichen verkündeten es, als sie einem evangelisch gesinnten Mann aus ihrer Mitte das Begräbnis in der Kirche verweigerten, seine Anhänger aber es erzwangen. Man erwählte hier jett Martin Schütte und einen gewissen Rottger zu Predigern. Bald erhielt auch Jakob Probst zu U. L. Frauen einen Kollegen an Johann Selst, und nicht minder Timann an Ludolf Stunnenberg, während für die kleine St. Remberti-Kapelle vor dem Thore der Rat den aus dem Thüringer Kloster Walkenried entsprungenen Mönch Johann Bornemacher mit dem Predigtamte betraute. Ein weiterer Schritt geschah darin, daß man die katholischen Geistlichen an U. L. Frauen und St. Martini, welche noch geblieben waren, aufforderte, das Evangelium zu predigen, und als dieselben sich weigerten, ihnen einfach Kirche und Pfarrhaus verbot. Von nicht geringer Bedeutung war ferner die jetzt eintretende Veränderung des Kultus. Bisher hatten die neuen Prediger sich dem alten noch gefügt und daneben ihr evangelisches Zeugnis erklingen Jassen. Jezt wurden deutsche Taufe eingeführt, das Abendmahl in zwiefacher Gestalt ausgeteilt, die Messe gänzlich abgeschafft und dafür der Gottesdienst nach wittenberger Vorbild umgestaltet. Es fehlte dabei nicht an einzelnen Gewaltthätigkeiten gegen die Bilder, im Ganzen aber gingen diese Veränderungen ruhig vor sich.

Alles das vollzog sich in wenigen Monaten und scheint bis zum Herbste 1525 fertig gewesen zu sein. Nur im erzbischöflichen Dome, den beiden Klosterkirchen und einzelnen Kapellen bestand noch das römische Kirchenwesen, ohne große Anziehungskraft auszuüben. Die Stadt hatte die Reformation nicht bloß angenommen, sondern auch zur Durchführung gebracht, um sie forthin mit Zähigkeit festzuhalten. Zwar stand das Schiedsgericht noch wie ein Ungewitter am Himmel und trat auch am 30. September mit ganzer Feierlichkeit in Bremen zusammen. Aber was konnte es an den Thatsachen ändern? Eine ganze Woche lang, von Montag dem 2. Oktober bis zum Sonnabend verhandelte man hin und her, und die Verhandlungen, die uns im Protokoll vorliegen, sind für den Historiker ungemein lehrreich. 16) Aber

sie fruchteten nicht das Mindeste. Man kam schließlich wieder dahin, den Bremern einen „Anstand" bis Lätare zu vergönnen, damit diese sich eines Besseren besinnen könnten. Aber die Bremer zogen es vor, ihn unbenuht verstreichen zu lassen. Die Sache war einmal fertig und ließ sich nicht mehr zurückschrauben. Was Heinrich durch sein Wirken in Bremen begonnen, hatte er sozusagen durch seinen Tod zur Vollendung gebracht. Der Schmerz und Gram über seine schändliche Verbrennung ließen die von ihm ausgestreute Saat zu schnellster Reise kommen. Luthers Wunsch und Hoffnung war auch hier in Erfüllung gegangen, wie hernach im Lande der Ditmarsen.

7. Schluß. Erneuerung des Andenkens.

Die denkwürdige Geschichte von Heinrichs Wirken und Blutzeugnis konnte auch in der Folgezeit nicht so leicht dem Gedächtnis entschwinden, vor allem bei denen, welche seinem Auftreten die Segnungen der Reformation verdankten. Sie hat in den nachfolgenden Jahrhunderten mannigfache Bearbeitungen gefunden.*) Wandten sich diese in früheren Zeiten mehr nur an die gelehrten Kreise, so sollte in unserm Jahrhunderte der Name des Märtyrers wenigstens in den Ditmarsen und dem übrigen Holstein auch größeren Kreisen kräftig in Erinnerung gebracht werden. Den Anstoß dazu gab Claus Harms, welcher zum 300jährigen Andenken an die Reformation im Jahre 1817 die kleine Schrift: Den bloodtügen för unsern glooben Henrick van Zütphen syn saak, arbeid, lydn un dood in Ditmarschen“ herausgab. Es ist

"

*) Man scheint auch einzelne Reliquien von ihm bewahrt zu haben, wie der viel erwähnte Gelehrte Muhlius im vorigen Jahrhunderte noch den Fausthammer vorzeigte, mit welchem Joh. Holm dem Märtyrer den Garaus gemacht. Es war, so hören wir, ein Hammer mit langem Stil, der zugleich als Wanderstock benußt werden konnte (Hellmann a. a. D. S. 54).

ein kräftig und frisch geschriebenes Büchlein in plattdeutscher Sprache, welches die Geschichte Heinrichs, vor allem sein Schicksal im dortigen Lande, im Ganzen genau nach den Hauptquellen wiedergiebt und dabei manche originelle Bemerkung macht. In der Vorrede dazu beklagt es Harms, daß der reformatorische Glaube im Lande zur Zeit so tief gesunken sei, also daß Unzählige beim Herannahen des Reformationsfestes schwerlich den Unterschied zwischen lutherischer und katholischer Lehre würden angeben können; da wolle er ihnen erzählen von dem Blutzeugen jener großen Zeit, damit ihnen ihr Glaube wieder teuer werde. Am Schlusse wünscht er, sein Büchlein möge ein rechtes Volksbuch werden.

Dasselbe hat auch ohne Frage dazu gedient, die Zeitgenossen an den Märtyrer wieder zu erinnern. Zwar war die Zeit noch keineswegs zu Sekularfeierlichkeiten, wie die unsrige, gestimmt, und so ging dort auch das Todesjahr des Märtyrers in seiner 300 jährigen Wiederkehr (1824) ohne Sang und Klang vorüber. Aber gleich hernach sollte man sich ernstlicher mit ihm beschäftigen. Es war im Jahr 1825, als die Gemeinde des Ortes Heide grade das Feld, auf welchem glaubhafter Tradition zufolge Heinrich dereinst seinen blutigen Tod gefunden, zu einem Begräbnißplaze auserkor. Dabei regte sich unter den Bewohnern selber der Gedanke, hier dem Märtyrer ein Denkmal zu errichten. Den damals neueintretenden Prediger Schetelig ersuchte man, die Sache in die Hand zu nehmen, welcher denn auch darauf einging, sie mit Eifer betrieb und zum guten Ende führte.1) In unsern Tagen würde freilich wohl mehr daraus geworden sein; man hätte etwa einen großen Aufruf ergehen lassen, bedeutende Sammlungen veranstaltet und ein künstlerisch schönes und dem Andenken würdiges Denkmal an Ort und Stelle errichtet. Damals war man bescheidener. Schetelig erließ nur an die Gemeinde zu Heide einen Aufruf, und obgleich es an Aufforderungen nicht fehlte, er möge doch auch das übrige Ditmarserland zu Beiträgen heranziehen, begnügte er sich mit den wenigen hundert Mark, die sein Ort aufbrachte. Hiervon ließ er denn das einfache und anspruchslose Monument auferbauen, welches dort jezt noch zu sehen ist. Es ist ein 14 Fuß hoher Obelisk aus gehärtetem

« ZurückWeiter »