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Abdruck der Cillier Chronik wesentliche und sachdienliche Berichtigungen erfahren haben würde.

Zweiundzwanzig Jahre später gab der fleissige Nährvater der steiermärkischen Provincialgeschichte, Julius Aquilinus Cäsar, Chorherr des Vorauer Cistercienserstiftes, den III. Band seines stoffreichen Werkes: Annales ducatus Styriae (1330-1519) heraus. Den vorlaufenden Theil bildet der Abdruck eines ,Chronicon triplex Celejanum seu Chronica der gefürsteten Graven von Cilly'. 1

Den einleitenden Bemerkungen Cäsar's entnimmt man gleich, dass er leider den Gedanken einer ihm so nahe liegenden Vergleichung der von ihm gebotenen neuen Chronikentexte mit dem Hahn'schen nicht fasste, obschon er als fleissiger Benützer der,Genealogia' Fröhlich's durch dessen Bemerkungen hätte veranlasst werden sollen, sich um den Text bei Hahn und dessen Abweichungen zu kümmern. Cäsar begnügte sich mit dem Abdrucke seiner ohne bestimmtes Princip gesonderten Chronikentexte, die er mit gelegentlichen, meist Fröhlich entnommenen, Bemerkungen versah.

Nichtsdestoweniger sind wir ihm zum Danke verpflichtet, da er uns mit diesen Texten, wie wir weiterhin sehen werden, zwei verschiedene, von dem Abdrucke bei Hahn in Gehalt und Form abweichende Redactionen der Cillier Chronik darbot, und namentlich in dem Texte der einen Handschrift Mittel an die Hand gab, uns einerseits über das eigentliche Verhältniss der zeitlich und inhaltlich verschiedenen Texte ein bestimmtes Urtheil zu bilden, anderseits, damit die Verbesserung und Richtigstellung des ungemein verderbten, stellenweise ganz sinnlosen Chronikentextes im Hahn'schen Abdrucke durchzuführen.

Cäsar benützte für die Herausgabe des Chronicon triplex Celejanum vier Handschriften, wie dies aus seiner Vorrede erhellt. Zunächst sandte ihm J. E. Ritter von Cerroni, Sohn des geheimen Rathes und innerösterreichischen Kanzlers P. A. von Cerroni, ein Manuscript, das sich als dritter Theil der sog. steiermärkischen Chronik' herausstellte, und die Geschichte der Cillier enthielt. Ein solches Exemplar erhielt alsbald

Dieser Theil erschien 1777 zu Wien, Fol. 880 S. und 16 S. Index. Das
Triplex Chronicon Celejanum bildet die Einleitung S. 5 164.

J. A. Cäsar aus der steiermärkischen Karthause Seiz, dessen Text er, mit Weglassung eines Anhanges historischer Notizen für die Jahre 1448-1573, als gleich geartet mit dem der Cerronischen Handschrift, in Eins verschmolz, und Manuscriptum I. benannte. Zwei andere Handschriften sandte ihm Dr. A. M. Simbinelli, Pfarrer der Rottenmanner Canonie, deren erstere, gleichfalls im Hauptsächlichen übereinstimmend mit den beiden oben besprochenen Manuscripten, von dem Herausgeber als Manuscriptum II. in Eine Columne des Abdruckes unterbracht wurde, während die zweite, als wesentlich abweichend, die andere Columne eingeräumt erhielt. Cäsar bezeichnet sie als Manuscriptum III. Auf diese Weise erklärt sich die Ueberschrift seiner Chronikenausgabe: Triplex Chronicon Celejanum.

Dass J. A. Cäsar über das Wesen und die Genesis der von ihm benützten Handschriften ziemlich im Unklaren war, erhellt aus seinen einleitenden Bemerkungen, die wir hier in wörtlicher Verdeutschung folgen lassen: 1

Was die Verfasser dieser drei Chroniken betrifft, so herrscht darüber keine einträchtige Meinung. Der oben erwähnte h. Herr von Cerroni und dessen hochansehnlicher Vater frommen Andenkens, dereinst Grazer Hofkanzler, meinten, der Verfasser des Ms. I. sei derselbe, welcher die handschriftliche Chronik von Steiermark verfasste, nämlich entweder der Herr von Schrott oder der Herr von Hohenwarth, da diese Cillier Chronik der III. Theil der Chronik von Steiermark' gewesen zu sein scheine. Aber in der mir aus Seiz zugeschickten Cillier Chronik (von Cäsar mit Ms. I. in Eins verschmolzen) und in dem mir aus dem Rottenmanner Chorherrenstifte mitgetheilten Chronicon II. ist als Autor verzeichnet: Christophorus Solidus Misnensis anno 1593 und, wie die Seizer Handschrift besagt: Schulmeister zu Gonowiz, welchen Verfasser ich jedoch sehr bezweifle, und zwar desshalb, weil der Autor der Chronik bezeugt, öfters seine Bemerkungen auch aus Anton Bonifinius entnommen zu haben, während doch, wie dies Johann Burkhard Mencken in seinem 1718 zu Leipzig herausgegebenen Schriftstellerverzeichnisse anführt, Bonfin's ungarische Reichsgeschichte zum ersten Male 1606 in Hannover,

1 S. 4-5 des III. Bandes der ‚Ann. duc. Styrice'.

sodann 1690 in Köln gedruckt wurde, so dass somit der vorhin erwähnte Autor das Seinige im Jahre 1593 nicht herausschreiben konnte, wenn man nicht sagen will, diese Notizen seien entweder später hinzugefügt worden oder dem Verfasser habe Bonfin's Geschichtswerk früher in Handschrift vorgelegen; sicherlich besteht eine Verwandtschaft im Style mit dem der handschriftlichen,Chronik von Steiermark' und bestärkt mich in der Annahme von der Identität beider Verfasser, so dass ich der Meinung bin, nicht Christophorus Solidus Misnensis (von Meissen), sondern der Autor der Chronik von Steiermark sei auch der Verfasser der Cillier Chronik. Der Autor des Ms. III. der Cillier Chronik erscheint verzeichnet auf der letzten Seite oder eigentlich auf dem Einbande des Buches, und zwar mit denselben Schriftzügen, in denen die Chronik geschrieben. Die Worte lauten: ‚Im 1542 jar ist dise Chroniken der graven von Cilly durch den Jörgen Rinkhn (sic) geschriben worden. Darüber, ob er selbst der Verfasser oder nur der Abschreiber, habe ich nichts zu sagen.'

Es wurde oben bemerkt, der verdienstvolle Vorauer Chorherr, J. A. Cäsar, sei über den wahren Sachverhalt in der verschiedenen Textirung der Cillier Grafenchronik von unrichtigen Anschauungen geleitet. Hier mögen nur vorläufig jene wesentlichen Berichtigungen platzgreifen, die sich zwangslos aus feststehenden Thatsachen ergeben. Eine weitere Untersuchung der Handschriften und Texte wird dann diese Berichtigungen endgiltig ergänzen und klären.

Cäsar machte selbst unschwer die Entdeckung, dass die Texte der drei von ihm benützten Handschriften, nämlich der Cerroni'schen und der Seizer (Ms. I.), sowie der einen Rottenmanner (Ms. II.) im Wesentlichen identisch seien. Statt nun dem chronologischen Anhaltspunkte nachzugehen, den ihm die Seizer Handschrift bot, Christoph Solidus von Weisen' 1 (wohl

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So las auch der Verfasser des kurzen Aufsatzes über ein Exemplar der Cilier Chronik im Hormayr'schen Archiv, J. 1818, Nr. 117. S. 461 ff. und 1819 S. 554-558. Das gleichartige Exemplar der Cillier Chronik im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Pap. XVII, 268 S. 4o) hat Christophorum Solidum von Meyssen iezo Schulmaistern zu Jonowiz (Gonowiz), (vgl. über diese Handschrift das weiter unten Gesagte). Jedenfalls gibt Meissen einen besseren Sinn; denn nach einer Land- oder Ortschaft Weisen suchte man vergebens. Auch die Latinisirung des

Meissen Misnensis, wie Cäsar latinisirt angibt), Schulmeister Yon Gonobitz (s. w. u.), habe im Jahre 1593 diese Cillier Chronik bearbeitet und daraus zu folgern, diese Bearbeitung sei von den Schreibern des Cerroni'schen und des einen Rottenmanner Manuscriptes adoptirt worden, dreht Cäsar den Sachverhalt um und schiebt die Autorschaft dem zweifelhaften Verfasser der steiermärkischen Chronik zu, einer ziemlich werthlosen Compilation, die erst in den letzten Decennien des 17. Jahrhunderts zu Stande kam. Und was bestimmt ihn zu diesem falschen Schlusse? Einfach der Irrthum, jener Christoph Solidus habe um 1593 ein gedrucktes Exemplar des Bonfinschen Geschichtswerkes nicht benützen können, da der älteste Druck dieser vielbenützten Quelle aus dem Jahre 1606 stamme und die Annahme einer handschriftlichen Benützung Bonfin's nicht recht statthaft sei. An dem Irrthume bezüglich des ältesten Druckes Bonfin's war allerdings in letzter Linie Cäsars Gewährsmann, B. Mencken, Schuld, der eben nicht wusste, dass die erste Ausgabe Bonfin's bereits im Jahre 1543 zu Basel an's Licht trat; doch war Cäsar zu vorschnell, dass er die Möglichkeit einer handschriftlichen Benützung bei Seite schob.

1

Am bedauerlichsten ist es jedoch, dass Cäsar den massgebenden Werth der ältesten von ihm benützten Handschrift, nämlich der zweiten Rottenmanner (Ms. III von ihm bezeichnet), geschrieben 1542 von Jörgen Vinckhn (nicht Rinckhn, wie Cäsar liest) ganz unterschätzte und eine wenn auch nur oberflächliche Vergleichung ihres Textes mit dem des Hahn'schen Abdruckes unterliess. Er würde alsbald die Uebereinstimmung beider in den Grundbestandtheilen erkannt und die Ueberzeugung allmälig gewonnen haben, dieser Text, beiden gemeinsam, sei der ursprüngliche oder mindestens der relativ älteste. Schon die Bemerkung Fröhlich's über die Wiener Handschrift der Cillier Chronik hätte ihm Anlass zu einer förderlichen Vergleichung bieten sollen, und der Umstand, dass die von Cäsar häufig benützten, Annales Carinthiae' Christalnik

Namens dieses ehrsamen, jedenfalls protestantischen Schulmeisters passt zun seiner ausserösterreichichen Abkunft. Wahrscheinlich hiess er von Hause aus,Fest', was am besten der Latinisirung,Solidus' entspräche.

1 Vgl. über diese Ausgaben Bonfin's die erschöpfenden bibliographischen Angaben Potthast's in seinem Wegweiser durch die Geschichtswerke des Mittelalters'.

Megisers bereits 16121 von einer alten handschriftlichen Chronik der Grafen von Cilli sprechen, grosse Bruchstücke daraus einschalten und deren Text mit dem bei Hahn und in der Handschrift des Jahres 1542 zusammenstimmt, hätte ein massgebender Wink für eine richtigere Auffassung des Sachverhaltes werden können.

Wir werden an anderem Orte auf die Bedeutung der Citate aus der Cillier Grafenchronik in dem Geschichtswerke Megiser's zurückkommen.

Jetzt erheischt es der Gang unserer Untersuchung, die Handschriften zu beschreiben, welche den bisher veranstalteten Abdrücken zu Grunde liegen oder für die Feststellung der Redactionen der Cillier Grafenchronik, des ursprünglichen und richtigen Textes von massgebendem Belange sind.

Nur einige Bemerkungen seien diesem zweiten Abschnitte vorliegender Abhandlung vorausgeschickt. Wir können nicht behaupten, die ganze Masse der ziemlich zahlreichen handschriftlichen Exemplare der Cillier Chronik zu kennen und kritisch gewürdigt zu haben. Aber so weit uns die in Graz befindlichen Handschriften, die in der Wiener Hofbibliothek und im geh. Staatsarchive bewahrten Manuscripte, endlich die archivalischen Notizen über ein und anderes da und dort versprengtes Exemplar Material und Notizen an die Hand geben, ist der Ausspruch berechtigt, dass wir die Frage über die Redactionen der Cillier Chronik und die Richtigstellung des Textes, mit Hilfe der uns zur Verfügung stehenden Mittel, einer bestimmten Lösung entgegenführen können, und dass wohl alle eventuell auftauchenden Handschriften in eine der kritisch festzustellenden Kategorien fallen dürften.

II.

Beschreibung und Untersuchungen der gedruckten Texte und massgebenden Handschriften,

Wenn wir von den Bruchstücken in Christalnik-Megiser's Kärntner Chronik absehen, so bietet der II. Band der Hahn'schen

1 Annalium Carinthiae pars secunda, d. i. ‚Ander Theil der Chronicken des loeblichen Ertzhertzogthumbs Khärndten'. Die Belegstellen 981 f., 1007 f., 1044 f., 1089 f., 1175. . . .

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