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Redactionen, während die beiden älteren in eigenständiger Weise die verhängnissvolle Fahrt nach Futak und in's Belgrader Schloss, besonders aber die Vorfälle in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1456 und am Morgen des letzteren Tages berichten. Das Epitaphium Ulrichs II. von Cilli und dessen Personsbeschreibung in den jüngeren Fassungen stammen aus Bonfin und Schedel; die gleiche Anlehnung zeigt der Abschnitt," welcher von der königlichen Rache an Ladislaus Hunyady handelt. Anderseits bieten die älteren Redactionen Ausführliches über die Kämpfe um die Cilli'sche Erbschaft (1456-58), dem wir in den jüngeren nicht begegnen.

Schon diese kursorische Uebersicht der augenfälligen Inhaltsverschiedenheiten zwischen den älteren und jüngeren Redactionen der Cillier Chronik lässt unschwer erkennen, dass nur die ersteren den Werth einer eigenthümlichen Quelle besitzen, während die letzteren diesen selbstständigen Gehalt durch überwiegende Anlehnung an Quellen anderer Art preisgaben oder verwischten. Nur die älteren Redactionen erscheinen somit als massgebende Quellentexte.

Nun entsteht aber die weitere Frage, welche von beiden älteren Redactionen die ursprüngliche, welche die abgeleitete sei; und diese Frage ist auf paläographischem Wege nicht lösbar, da uns die Handschrift, welche Hahn benützte, nicht vorliegt, anderseits die Wiener HofbibliotheksHandschrift aus dem Nachlasse des Stadtschreibers Cupitsch jedenfalls eine jüngere Copie sein muss. Bestimmter lässt sich über die Abfassungszeit des Textes in der Handschrift des Georg Vinckh von 1542 entscheiden. Die offenkundige Benützung der ungarischen Chronik des Haug von Freyenstein darin erlaubt den zwanglosen Schluss, dass Abfassungszeit des Textes und Anfertigung der uns vorliegenden Handschrift nicht weit auseinander liegen konnten. Eine genauere Würdigung des Inhaltes nach den hiebei massgebenden Gesichtspunkten dürfte uns wohl die Priorität der einen oder andern Redaction mit ziemlicher Gewissheit erkennen lassen.

1 Ueber diese capitelweise Benützung w. u. Haugen's deutsche verkürzte Bearbeitung Thuróczy's erschien 1536, sechs Jahre vor der Abfassung der Vinkh'schen Handschrift.

Die Handschrift Vinckh's vom Jahre 1542 verräth durch den Einschub einer ganzen Capitelreihe, worin (nach Haugen's Auszuge der Chronik des Thuróczy) die Geschichte Ungarns vom Tode K. Ludwigs I. († 1382) bis zum Tode K. Albrechts († 1439) nachgeholt wird, anderseits durch den Anhang, der von den Kriegen zwischen K. Mathias Corvinus und K. Friedrich III (1477-1490) und den Rückeroberungen Maximilians I. handelt, -die Natur einer jüngeren, den Grundplan der Cillier Grafenchronik etwas zersetzenden und erweiternden Redaction. Die Handschrift dagegen, welche Hahn benützte, sowie die Wiener Handschrift des Cupitsch entbehren dieser unorganischen Einschübe und Zusätze; aus ihnen tritt die ursprüngliche Anlage der Chronik vor Augen, wir haben es daher bei ihnen mit der relativ ältesten Redaction zu thun. Dies leitet uns naturgemäss auf die Untersuchung hin, wann diese relativ älteste oder erste Redaction der Cillier Grafenchronik abgefasst wurde, wer ihr Verfasser sei, und welcher Werth als Specialquelle ihr zukommt.

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Keine dieser Fragen lässt sich umgehen. Während aber die Beantwortung der letzten Positives zu Tage fördert, müssen wir uns bei den zwei ersteren mit Wahrscheinlichkeiten oder hypothetischen Schlussfolgerungen begnügen.

Läge uns die Handschrift vor, welche Hahn für seinen Abdruck benützte, so liesse sich vielleicht ein äusserer Behelf für die Lösung der Frage gewinnen, wann wir uns die Abfassung der Cillier Chronik in ihrer ersten oder ursprünglichen Redaction zu denken haben. Dies ist aber nicht der Fall, und da wir aus Hahn's Prefatio eben nur erfahren, der Ritter Christian Wilhelm von Eyben habe sie ihm zur Benützung überlassen, so mangelt uns jeder paläographische Anhaltspunkt. Die Wiener Handschrift aus Cupitsch's Nachlasse gehört ihrer Entstehung nach eher dem Ausgange der zweiten als der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts an, jedenfalls nicht den Anfängen des letzteren Jahrhunderts; ja sie ist unstreitig jünger als

1 Hiemit soll jedoch durchaus nicht gesagt werden, als dürften sich bei der Abfassung beider einige Abänderungen der uns noch nicht bekannten, wahrscheinlich zu Grunde gegangenen oder noch verborgenen ursprünglichen oder Originalhandschrift der Cillier Chronik, nicht ergeben haben. Aber selbst wenn wir solche annehmen wollten, es sind keine den Zweck und die Grundanlage der Chronik alterirenden Einschübe gewesen.

Vinckh's Manuscript vom Jahre 1542. einem späteren Apograph zu thun.

Wir haben es mit

So bleibt von äusserlichen Kriterien für die Abfassungszeit nur noch die Sprache, oder richtiger gesagt, die Schreibweise übrig, in welcher wir die Cillier Grafenchronik bei Hahn, in der Wiener Handschrift des Cupitsch, beziehungsweise im Manuscript Vinckhs, aufgezeichnet finden. Die Sprache eines Schriftdenkmales ist aber in vielen Fällen ein noch unbestimmteres Kriterium für eine genaue Feststellung seines Alters, als der paläographische Eindruck es ist. Einmal nämlich lassen sich in der historischen Wandlung der Sprache chronologische Grenzen schwer abstecken. Fünfzig Jahre auf oder ab sind nicht sonderlich massgebende Epochen in dieser Beziehung. Anderseits weiss man, dass manche Völkerschaften, Landstriche und Oertlichkeiten, ja selbst einzelne Individuen den Zeitcharakter der Sprache länger und zäher festhalten, als dies bei andern der Fall ist. Endlich darf auch nicht übersehen werden, dass Willkürlichkeiten späterer Abschreiber den ursprünglichen Charakter der Sprache und Schreibweise eines Geschichtsdenkmals wesentlich verwischen können. 1

Sehen wir nun von diesen Willkürlichkeiten ab, die sich in der Wiener Handschrift des Cupitsch und noch mehr in dem Texte bei Hahn vorfinden, so lässt sich immerhin die Behauptung vertreten, dass die Sprache der Cillier Chronik, wie sie da und reiner noch in der Redaction vom Jahre 1542 erhalten ist, den Schlussdecennien des 15. Jahrhunderts zugewiesen werden darf, dass sie sich so ziemlich mit der Ausdrucksweise des zeitgenössischen Chronisten Unrest2 vergleichen und auf eine Linie stellen lässt.

Damit sind nun allerdings höchst unbestimmte Anhaltspunkte gewonnen, und wir müssen versuchen, aus dem Inhalt der Cillier Grafenchronik bestimmtere Aufschlüsse zu schöpfen. 1 Dies mag besonders dem Schreiber der von Hahn benützten Handschrift zugemuthet werden. In der Chronik von Vinckh's Hand finden sich Schreibungen, wie: Heidlwerg, Wibel (Bibel), Sibenwurgen (Siebenbürgen), gerueblich (geruhlich), geberdt (gewährt), Tallobecz (Thallowec), Wan (Ban), albeg (alweg), Verthelsdorf (Bertholdsdorf) u. s. w., die etwa auf krainerische oder tirolische Herkunft des Schreibers deuten.

2 Abgedr. bei Hahn im I. Bde. s. Coll. monum. 479-803 (Kärnthner- und österr. Chronik).

Es ist bedeutsam, dass der Verfasser der Cillier Grafenchronik in ihrer ursprünglichen Gestalt als Beweggrund seiner Geschichtschreibung im Eingange ausdrücklich hervorhebt, er habe zu Ehren und zum Gedächtniss des Grafen Hermann von Cilli, eines weisen und fürsichtigen Mannes -,einen Anfang seiner Chronik gemacht, und zunächst mit der Legende vom heiligen Maximilian, eines gebürtigen Cilliers, begonnen. Dass dieser Hermann niemand anderer sein könne als Altgraf Hermann II., Ulrichs II. des letzten Cilliers Grossvater, gestorben am Pressburger Hofe seines kaiserlichen Schwiegersohnes Sigmund 1435, den 13. October, geht nicht nur aus dem Lobe hervor, das der Chronist diesem Begründer der Machthöhe seines Hauses freigebig spendet, sondern vor allem aus dem warmen Nachrufe, den er seinem Scheiden zollt. Diese Thatsache erlaubt eine doppelte Schlussfolgerung. Wir können entweder annehmen, dass der Tod des Altgrafen Hermann II. unmittelbar den Impuls zur Abfassung der Chronik abgab, oder dass erst in viel späterer Zeit die Pietät für diesen Mann den chronistischen Versuch in's Leben rief. 3 Für die erstere Anschauung scheint der Umstand zu sprechen, dass eben die Einleitung nichts von dem tragischen Ausgange des Cillier Mannsstammes (1456, 9. Nov.) meldet, oder keinerlei Anspielung darauf macht, was doch sehr auffällig bleibt. Sobald man den Entschluss unseres Chronisten zu seiner Arbeit erst nach der blutigen Katastrophe hervortreten und an sein Geschichtswerk zum Ehrengedächtniss des Altgrafen Hermann II. Hand anlegen lässt, muss es doch befremden, dass der Chronist an dem passendsten Orte, in der Einleitung, dort wo er von der Vergänglichkeit des Irdi

Hahn a. a. O. S. 666.

2 Hahn S. 686: Nach dem was grosse Clag, dann Er was gar ein frommer Mann und ein rehter Sühner undt Friedmacher', wo Er mocht zwischen Armen und reichen. . . .

3 Später verstand man obige Stelle der Einleitung, S. 666 bei Hahn, dahin, als habe Graf Hermann noch bei Lebzeiten die Abfassung der Chronik aubefohlen. So findet sich in der Handschrift der Cillier Chronik jüngster Redaction (von 1594), im Wiener H., H. u. St.-Arch. a. a. O. S. 3 der Einleitung eine Marginalnote: ,Graf Hörmau von Cilli hat dise Cronic schreiben lassen. Diese Auffassung geht wohl zu weit.

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schen im Gedächtniss der Menschen handelt, nicht mit Einem Worte jenes Ereigniss andeutet, welches den stolzen Bau der Cillier Macht, von eben diesem Hermann II. begründet, in Trümmer schlug.

Wohl aber lässt sich mit Rücksicht auf den Bau der Chronik, auf das unverkennbare stückweise Anschliessen der einzelnen Theile zum Ganzen, die zwanglose Annahme aufstellen, der ursprüngliche Verfasser der Cillier Chronik habe zunächst eine Geschichte des Hauses Grafen Hermanns II., ihm zu Ehren, unter die Feder genommen, noch vor dem tragischen Ausgange der Cillier; und dann, als dieses Ereigniss eingetreten, die begonnene Arbeit zu einer förmlichen Chronik der Grafen von Cilli abgeschlossen, wobei natürlich auch der Streit um die grosse Erbschaft, der Besitzstand des Geschlechtes u. s. w. berücksichtigt wurden. Ja es scheint, als habe der Chronist die ursprüngliche Arbeit mit dem 6. Capitel: Von Diocletiano dem Witterich, wie Er S. Quirin martern lies und S. Florian und wie Er die Christenhait geachtet het' abgebrochen und nach längerer Pause wieder aufgenommen, zur Zeit, als sich das Geschick des Grafenhauses bereits vollzogen. 2 Denn das nächste Capitel führt die Ueberschrift: ,Hie geet an die Cronica der Graffen vonn Zilly und hebt an, an Herrn Friderichen freyen vonn Sanegk und darnach fur und fur von einem auf den andern und wie Sy Graffen seindt worden, auch wie Sy fur und für geherschet habenn'.

Das an erster Stelle angeführte Capitel schliesst mit dem fabelhaften Histörchen von Herzog Torodo's (Theodo's) Siege bei Oetting über die Römer 508 (!) und ohne jeglichen Uebergang, ohne irgend eine Angabe über die Schicksale Cilli's und seiner Nachbarschaft nach der Völkerwanderung, ohne jede Vorerinnerung an die Souneker oder Freien von Saneck, wie die Vorfahren der Cillier sich schrieben, beginnt das nächste Capitel die Chronik der Letzteren seit 1341.

1 Diese Stelle hat sehr viel Aehnlichkeit mit dem Passus in Unrest's österr. Chronik bei Hahn I, S. 781.

2 Die Stelle im Abdrucke bei Hahn S. 742 beweist, dass der Schlusstheil der Chronik frühestens nach 1462 gearbeitet wurde, denn es ist hier von der Ehe Mathias des Corvinen mit der Tochter Georgs von Podiebrad die Rede.

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