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Vorwort.

Die Verwickelungen, welche von 1595 bis 1602 wegen

der durch den Tod des Erzherzogs Ferdinand, zweiten Sohnes des Kaisers Ferdinand I., erbfällig gewordenen Länder, Tirol sammt den österreichischen Besitzungen in den Vorlanden, unter den Mitgliedern des habsburgischen Hauses entstanden, haben noch nie eine eingehendere Bearbeitung gefunden. Friedrich Hurter widmete ihnen zwar in dem 3. Bande seiner Geschichte Kaiser Ferdinands II. das 27. Buch oder Capitel von S. 277-289; allein er behandelte den Gegenstand, wie es die Anlage seines Werkes mit sich brachte, vorherrschend aus dem Gesichtspunkte der steiermärkischen Linie; von Seite Tirols, obgleich sich der Streit um dieses Land drehte, wurde die Frage noch nie erörtert, und doch hatte sie gerade für Tirol die grösste Wichtigkeit; denn es handelte sich um den Fortbestand seiner eigenen Selbstständigkeit und um die Fortdauer jener Verbindung der ober- und vorderösterreichischen Lande zu einen Ländercomplexe, wie sie seit mehr als hundert Jahren seit der Zeit des Erzherzogs Sigmund und Kaisers Maximilian I. hergestellt war.

Das landschaftliche Archiv in Innsbruck enthält in dem IV. Bande der sogenannten Copeibücher auf 159 Folioblättern Abschriften mehrerer darauf bezüglicher Actenstücke, die zur Beleuchtung der entstandenen Verwickelungen, eben so weit sie Tirol betrafen, sehr geeignet sind.

Da es dem Unterzeichneten gegönnt war, auch im Archive des Ministeriums des Innern auf den vorliegenden Gegenstand bezügliche Urkunden benützen zu dürfen, und das landschaftliche Archiv in Innsbruck ebenfalls ergiebiges Materiale dazu bot, so war derselbe in die Lage gesetzt, eine gedrängte Geschichte der Erbstreitigkeitsfrage, wie sie bereits 1596 auf dem

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Tiroler Landtage zur Verhandlung kam, und bei dem versuchten Ausgleiche in Wien 1597 weiter erörtert wurde, den dem landschaftlichen Archive entnommenen 20 Actenstücken voranzuschicken. Das eine wie das andere, die einleitende Geschichte wie die Documente, dürften nach dem unmassgeblichen Ermessen des Unterzeichneten als kein unwillkommener Beitrag zur Beleuchtung der Geschichte des Hauses Oesterreich erscheinen.

Zwist und Verwickelungen wegen der im habsburgischen Hause zum Princip erhobenen Ländertheilungen, oder wie man es, weil Todttheilungen nicht stattfinden durften, lieber nannte, Länderanweisungen an die verschiedenen Linien der Dynastie waren seit den letzten Jahrzehnten des 14. und während des 15. Jahrhunderts unter den Habsburgern öfter entstanden; dieses Mal aber hatten die Gründe, welche die Verwickelung herbeiführten, nicht in Privatvortheilen, sondern in höheren politischen und finanziellen Bedürfnissen ihren Ursprung.

Die Vertheidigung Ungarns und der innerösterreichischen Länder gegen die verheerenden Einbrüche und Verwüstungszüge der Türken erheischte enorme Summen. Nun hatte damals keines der alten österreichischen Erblande solche Hilfsquellen aufzuweisen, wie Tirol mit seinen Kammergefällen. Die Bergwerke des Landes lieferten einen bewunderten und beneideten Segen. Das Bergwerk am Rörerbühel in der Nähe von Kitzbühel warf nach Burglehner's Aufzeichnungen in den Jahren von 1550 bis 1606 an Brandsilber 593.624 Mark, an Kupfer von 1563 bis 1607 nicht weniger als 3,103.375 Centner ab. Das Bergwerk zu Schwaz trug in den drei Jahren von 1523 bis 1525 183.707 Mark, und von dem Jahre 1526 bis zum Sterbejahre des Kaisers Ferdinand I., 1564, 2,028.501 Mark Silber. Das Kupfer berechnet Sperges in der tirolischen Bergwerksgeschichte für die bezeichneten Jahre von 1526 bis 1564, auf jede Mark Silber nur 40 Pfund angenommen, auf 81 Mill. 140.000 Pfund oder 811.400 Centner.

Wenn auch dieser reiche Bergsegen zu Schwaz nach Ferdinands Tod nicht unbedeutend abnahm, so trugen doch die Rattenbergischen Gruben von 1588 bis 1595 an Silber- und Kupfererz 498.733 Star, das Star zu 108 bis 110 Pfund gerechnet, und 177.784 Star von 1612 bis 1619, dem Todesjahre des Erzherzogs Maximilians des Deutschmeisters. Der Segen

am Rörerbühel dauerte ungeschmälert fort. Ueberdies hatten die Stände Tirols dem Erzherzoge Ferdinand während seiner 31jährigen Regierung von 1563 bis 1595 mehr als 6 Millionen an Steuern und Hilfen bewilligt.

Ein solches Land war in der That eine Fundgrube; daher kein Wunder, dass es so viele Freier fand, als Erbansprüche auf dasselbe erheben konnten; daher auch sehr begreiflich, dass Kaiser Rudolf II. und nicht weniger die steierische Linie, mit Rücksicht auf ihre Kriegs- und Landesvertheidigungs-Bedürfnisse, diese Hilfsquelle (die eine Partei mit Ausschluss der anderen) sich allein zuzueignen bemüht war, und dass daher die Ansprüche zu Verwickelungen führen mussten.

Innsbruck, im Mai 1873.

Der Verfasser.

Geschichtliche Einleitung.

In

Am 24. Jänner 1595 starb zu Innsbruck der wegen seiner Kunstliebe und als Gründer der allbekannten Ambraser-Sammlung gefeierte Erzherzog Ferdinand von Oesterreich. Folge der von seinem Vater, dem Kaiser Ferdinand I., testamentarisch durch das Codicill von 1554 angeordneten Vertheilung der österreichischen Erblande hatte er die gefürstete Grafschaft Tirol mit den vorderösterreichischen Landen zu seinem Antheile erhalten, während seinem älteren Bruder Maximilian II. neben der deutschen Kaiserkrone die Königreiche Böhmen und Ungarn und das Erzherzogthum Oesterreich ob und unter der Enns, und dem jüngeren Bruder Karl die innerösterreichischen Erbländer zu Theil geworden waren.

Erzherzog Ferdinand hatte von seiner ersten Gemalin, der Philippine Welser, zwei Söhne, Andreas und Karl, und von seiner zweiten Gemalin, Anna Katharina, einer herzoglich mantuanischen Prinzessin, nur zwei Töchter erhalten. Da seine Söhne wegen der Unebenbürtigkeit ihrer Mutter nicht successionsfähig waren, so entstand die Frage, was mit den durch Ferdinands Tod erledigten Erbländern, Tirol und den Vorlanden, geschehen, und wie für deren Regierung weiter gesorgt werden sollte. So leicht die Entscheidung des ersten Theiles dieser Frage war, indem die erledigten Länder nach

den Bestimmuugen der habsburgischen Hausordnungen und nach der testamentarischen Anordnung Kaiser Ferdinands I. einfach zu dem Gesammtcomplexe der übrigen Erblande zurückzukehren hatten, so schwierig wurde die Entscheidung des zweiten Theiles der Frage. Hierüber erhoben und bekämpften sich vier verschiedene Ansprüche. Den ersten erhob Kaiser Rudolf II., der als der Aelteste des Hauses Oesterreich das erledigte Erbe ausschliessend für sich in Anspruch nahm. Mit der entgegengesetzten Forderung trat die steiermärkische Linie auf, an ihrer Spitze der Erzherzog Ferdinand (nachher in der Reihe der deutschen Kaiser der zweite) und dessen Mutter, die energische Erzherzogin Maria, Witwe des am 10. Juli 1590 verstorbenen Erzherzogs Karl, Stifters der jüngeren steierischen Linie. Ferdinand und Maria verlangten die Auftheilung des heimgefallenen Erbes, und beriefen sich dabei auf das gleiche Recht aller Linien des gemeinsamen Hauses und auf Kaiser Ferdinands I. Testament, welches für den Fall wie der vorliegende, bestimmte, dass, wenn eine Linie im Mannsstamme ausstürbe, deren Theil den andern zufallen sollte. Ein dritter Anspruch verlangte, dass Tirol und die Vorlande, mit Ausschluss jeder Theilung, wieder einen eigenen Landesfürsten bekommen sollten; diese Forderung ging aber in zweifacher Richtung auseinander, indem ein Verlangen sich dahin aussprach, dass einer der Erzherzoge die erwähnten Länder, aber nur als Statthalter, im Namen aller Mitglieder des Hauses Oesterreich verwalten sollte. Für diesen Antrag stimmten die Brüder des Kaisers Rudolf, die Erzherzoge Ernst, Mathias, Maximilian und Albrecht, und wohl hauptsächlich aus dem Grunde, weil keiner von ihnen eine männliche Nachkommenschaft hatte, daher auch keiner auf die Gründung einer eigenen Linie, bei welcher Tirol und die Vorlande in Zukunft zu bleiben hätten, Rechnung machen konnte. Da der Erzherzog Ernst noch im Jahre 1595 starb, und Albrecht nach ihm Regent der spanischen Niederlande wurde, so vertraten diese Meinung eigentlich nur noch die Erzherzoge Maximilian der Deutschmeister und Mathias. Allein eine so unselbstständige Regierung, die, wenn auch von einem Erzherzoge, doch nur von einem abhängigen Statthalter geführt werden sollte, liessen sich die Stände Tirols und der Vorlande nicht gefallen; sie protestirten daher gegen alle obigen Anträge und Projecte, und

verlangten die Einsetzung eines Erzherzogs, aber als selbstständigen Landesfürsten, und so kam die Angelegenheit, trotz der Behauptung der steierischen Linie, dass bei der Entscheidung dieser Frage nicht die Länder Mass und Ordnung zu geben hätten, sondern dieselbe ausschliesslich von der Disposition der Erbfürsten abhänge, dennoch zur Verhandlung vor den Tiroler Landtag.

Den nächsten Anlass dazu gab die Nothwendigkeit, die Huldigung in Tirol aufzunehmen; denn wenn auch bei den sich kreuzenden Absichten und Ansprüchen an eine nahe Erledigung der Erbschafts-Angelegenheit nicht zu denken war, so konnten doch die erbfälligen Länder nicht gewissermassen herrenlos gelassen werden; bereits ein Jahr befanden sie sich in diesem Zustande; es musste endlich an die Aufnahme der Erbhuldigung gedacht werden. In dieser Beziehung unterlag es keiner Frage, dass der Aelteste des Hauses, also Kaiser Rudolf II., vor den andern Mitgliedern der Dynastie hierzu berechtigt und berufen war. Da aber das erledigte Erbe nicht ihm allein, sondern dem ganzen aus der Maximilianischen und Carolinischen Linie, oder mit andern Worten, aus sämmtlichen oben genannten Erzherzogen bestehenden Hause anheimgefallen war, so handelte es sich zunächst um die Feststellung des dieser Gemeinsamkeit entsprechenden Huldigungs-Eides, und darüber entstanden nicht nur zwischen den Erzherzogen, sondern auch zwischen diesen und der Tiroler Landschaft die ersten Schwierigkeiten.

Kaiser Rudolf, der sich nicht entschliessen konnte, seinen Lieblingsaufenthalt in Prag zu verlassen, und die Huldigung in Tirol selbst entgegenzunehmen, übertrug das Geschäft seinem jüngeren Bruder, dem Erzherzoge Mathias, der auch mit der Formulirung des Huldigungseides beauftragt wurde. Mathias liess sich bereit finden, benützte aber den Anlass, dem Auftrage in einer Weise zu entsprechen, die dem Kaiser nichts weniger als willkommen war. Da aus Allem, was Rudolf in der Tiroler Erbschaftssache bisher gethan und auch unterlassen hatte, die unverkennbare Absicht hervorleuchtete, die erbfälligen Länder sich allein zuzuwenden, so sollte bei dieser Gelegenheit der Kaiser genöthigt werden, diese Absicht fahren zu

1 Wien, 20. Jänner 1596. Archiv des Ministeriums des Innern.

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