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teien in Witz und Spott zu überbieten streben. Die unzählichen kleinen Skandalgeschichten und Lächerlichkeiten des unmittelbaren Lebens der Gegenwart, alte Erinnerungen liefern eine nie versiegbare Quelle des Stoffs zu diesen gereimten Sticheleien. Die Natur der Improvisation, welche den Gedanken des Moments zu ergreifen und auszubeuten nöthigt, duldet es nicht, daß diese Verse, welche man im Möllthale Lisnerreime nennt, lange im Curs bleiben und auf diese Weise typisch und traditionell werden. Sie kommen und gehen wie Eintagsfliegen und werden stets von neu nachwachsenden verdrängt.

Hat dieser poetische Wettkampf eine Weile gewährt, so erhebt sich endlich die Bäuerin und begibt sich nach dem Gaden, der Speisekammer, um den Klöcklern in Eßwaaren eine geringe Belohnung zu bringen. Befriedigt von dem Erfolge, ziehen diese wieder weiter, ihr Glück bei einem andern Hause zu versuchen.

Anmerkung 1. Die Herrschaft dieses Brauches erstreckt sich über einen weiten ausgedehnten Bezirk. Vgl. Weinhold, Weihnachtsspiele 43. Schmeller, Wörterbuch II, 361. Meier, Sagen aus Schwaben 457-461. Woeste, Volk überlieferungen 24. Kuhn, Westphälische Sagen II, 119. A. Paumgartner, Das Jahr und seine Tage in Meinung und Brauch der Heimat, Kremsmünsterer Gymnasialprogramm 1860, S. 13.

Anmerkung 2. In der Gestalt, in welcher der Brauch in Kärnten auftritt, dürfte derselbe nun kaum mehr als eine Posse sein, bestimmt, den Burschen Gelegenheit für Zusammenkünfte und Neckereien mit den Dirnen zu bieten. Allein die unzählichen Variationen und Abarten, welche derselbe in den verschiedenen deutschen Gegenden aufweist, und in denen sich alte ursprüngliche Formen erhalten haben, lassen uns denselben als Abschwächung einer uralt heidnischen Feier erscheinen, die sich an eine bestimmte Erscheinung des Naturlebens anlehnend nach und nach von ihrer primitiven Tendenz entfernte und in eine Feier des Neujahrstages oder des Winterfestabschlusses übergieng. Vgl. Oskar Schade, Klopfan, Beitrag zur Geschichte der Neujahrsfeier in Weimarschen Jahrbüchern II, 75 ff. Simrok, Deutsche Mythologie, 2. Auflage 558. 561. 563.

GERNDE LEUTE IN SCHWEDEN.

In Afzelius' Swenska Folkets Sagohäfder Bd. IV S. 135 f. (2. Aufl. Stockholm 1851) findet sich eine Stelle, welche sich auf die Schauspiele, die bei Gelegenheit der im Jahre 1307 gefeierten Vermählung des schwedischen Königs Birger mit der dänischen Prinzessin Martha statt fanden, bezieht und folgendermaßen lautet:

Wie die Schauspiele jener Zeit beschaffen waren, lässt sich nicht leicht sagen; jedoch melden die Chroniken, daß Personen, die man gärande nannte, derartige Spiele aufführten. In Gothland wird allgemein

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FELIX LIEBRECHT, GERNDE LEUTE IN SCHWEDFN.

gära statt göra gesagt und die Redensart gära sek sjuk bedeutet „sich krank stellen". Gärande waren diejenigen jungen Leute oder selbst Ritter, welche verkleidet vor die Zuschauer traten, um die in den Sagen und alten Volksliedern erwähnten Begebenheiten zu spielen. So wurde Helge's und Swawa's, Sigurds und Brynhilds Liebesgeschichte gesangweise und mit lebendigen Geberden vorgestellt, wie auch noch heutzutage hie und da auf dem flachen Lande Gesellschaftspiele mit Gesang und Tanz aufgeführt werden. Aus jener Zeit stammt ferner die Sitte, daß man auf dem Lande den zweiten Tag der Hochzeit mit einer Art Schauspiel vermummter gärande beginnt, welche mit verstellten und bemalten Gesichtern und in umgedrehten Kleidern zur Belustigung der Zuschauer allerlei Possen treiben. Oft auch wird zu diesem Zweck ein großer Ochs herausgeputzt, im Sommer mit Blumenkränzen, im Winter mit bunten Bändern und Papier um die Hörner; auf demselben sitzt ein gärande in lächerlicher Tracht mit einem alten rostigen Säbel oder dergleichen in den Händen. So wird der Ochse mit seinem Reiter in dem Dorfe umhergeführt, begleitet von einem Haufen verkleideter Knaben und Mädchen, die sammt und sonders nach Kräften ihr loses Spiel treiben; vor ihnen ziehen einige noch burlesker vermummte Musikanten einher, und unter diesen sind mehrere, die mit Ofenklappen und Bratpfannen den Takt schlagen und so einen entsetzlichen Lärm machen. Auf diese Weise gelangt die ganze Gesellschaft in die Hochzeitstube, wo der reitende Held zuvörderst meldet, wen er vorstellt und dann sein Spiel weiter fortführt."

So weit Afzelius. Das von ihm Mitgetheilte ist nicht ohne Interesse, besonders deswegen, weil man daraus ersieht, daß es auch jetzt noch in Schweden gernde gibt, wenn auch etwas verschiedener Art. Daß die Bezeichnung gärande von dem mhd. Ausdrack herkommt, der dort also in dieser speciellen Bedeutung sehr früh eingedrungen ist und sich in Gebrauch erhalten hat, während er bei uns nicht mehr der lebenden Sprache angehört, ist gar nicht zu bezweifeln, und man muß sich nur wundern, daß Afzelius dies nicht erkannt hat, sondern das betreffende Wort (gärande), wie wir gesehen, von göra (machen, thun und provinciell göra sig, sich stellen) herleiten will, und doch ist es in der Bedeutung begern auch schwedisch, freilich jetzt nur noch in der abgeleiteten Form begära, gerade wie im Deutschen.

LÜTTICH.

FELIX LIEBRECHT.

BRUCHSTÜCKE.

I. Aus der Chronik des Eike von Repgow.

Ein Pergamentblatt, gr. Fol., in Spalten zu 32 Zeilen, mit zahlreichen größern und kleinern Bildern auf Goldgrund. Die Schrift ist eine feste Minuskel und gehört noch ins 13. Jahrhundert. Der Text stimmt mit der Bremer Handschrift, welche Maßmann seiner Ausgabe (Stuttgart 1857 = Bibliothek des lit. Vereins XLII) zum Grunde gelegt hat und der sie auch sonst, durch Alter und Ausstattung, nahe tritt, fast buchstäblich überein, so genau jedesfalls, daß, wenn nicht die eine unmittelbar aus der andern geflossen, doch beide Abschriften einer und derselben Handschrift sind. Und zwar gleichzeitige, in derselben Gegend gefertigte, denn unter den verschiedenen Federproben von Händen des 16. 17. Jhds., die auf den Rändern des als Umschlag verwendeten Blattes geschrieben sind, lese ich: „Bremen-Adwin Administrator zu Verder" und „Administrator des Stifftes Verden in Hertzo. zu Brauns wieg".

Das Blatt, einst zu D. K. F. W. Hasselbachs Bibliothek gehörig, wurde erst in diesen Tagen durch J. A. Stargardt in Berlin (s. Nr. LXXI. Bibliotheca theologica S. 42, Nr. 1290) zum Kauf ausgeboten und ist nun in meinem Besitz.

WIEN, December 1865.

(s. Maßmanns Ausgabe S. 53–58.)

FRANZ PFEIFFER.

a ioden to babilonie warede seuentich iar. Do de koning fedechiaf gevangen was. un ierl'm tovort was. man let de armen iode imme lande. dat fe den akker buweden. un deme koninge uan babilonie tins dar af gauen. Do fcop man to houetmanne godolyam. den floch en uorfte dot. des koningef van babilonie. dat urochten de armen ioden. allo fere. dat fe ulogen in egiptu. un togen mit in iheremia den propheten. unde baruch finen iungeren. weder er beider willen. Dar na uor de koning nabugodonofor in egiptu un beduanc dat lant. uñ veng de ioden alle. de eme vntulogen waren. un uorde fe to babilonie. duf belef dat lant to ierl'm gare wofte. Do he to huf quam. he makede en grote hogtit. to der let he de ioden halen. uñ den b koning fedechia alfo blint. un at mit en urolike) | un dranc. Binnen des let he bringen enen rore dranc dem koninge fedechiafe. de rordene alfo fere. dat he vor aldeme volke fic unreine makede.

1) Bild, das Gastmal darstellend.

des lachgede de koning. un alle de fine. Sedechiafe den koning let men in fine uangniffe. dar ftarf he van ruwe. Dit waf de silue nabugodonofor de de sule up rechte let. deme ane beden folde. un de dre kindere in den ouen ftoten let. dur dat fe de fule nicht anbeden newolden. Eme dromde ok wo en bôm woffe. ander hoge wante an den hemel. un fin breide al erdrike bedacte. dar under was allerhande ve. un uppe den telgen waren allerhande uogele. Do gebot en stemne van hemele dat men den bom up hêwe. un alle de der un de uogele danen uoren. fin wortele de folde auer beliue imme erdrike. uñ fin herte folde werden gewandelet an enes deref herte. un dat fal gewaren feuen iar. Den drom dudde daniel un fegede deme koninge. Herre du betekenift den bom den got het up howen. e wante uan 2) diner gewalt fal tu gan. unde din herte fal geuandelet werden an enes veis herte. vnde deme ve werdef tu gelich feuen iar. Dit gefcha alfo daniel gefeget hadde. wente ) dat de feuen iar worden gewandelet in feuen manede dur danielef bede. Defeme koninge dromde oc en ander drom uan dere fule. den eme daniel oc dudde. dar van fole we fekgen hir na. Defe koning leuede dre un vertich iar, un starf *). Nabugodonofor fin fone wart na eme koning. de waf ftarkere den de uader ie geworde. an der gewalt. un oc an def liuis cracht. De filue koning hadde oc angest dat fin uader uan deme dode up erftunde. un ene uau deme rike verftete. dur dat ene got in dat rike weder hadde gebracht. do he ene to deme ve d gemifchet hadde. Dur den angeft let he ene up grauen un let ene delen an dre hundert ftukke. dren hundert gyren. dur dat fe ene 3) to uorden. un nicht mer ne mochten to famene comen"). Do defe koning starf. Balthafar fin fone wart na eme koning. De filue koning fat an einer hochtit mitten finen un schen'te en mit den uaten de gerouet waren to iherl'm. Do he aller beft in finer vrowede fat. do quam dar en hant in den palaf) un fcref in der want. defe wort. Mene. tecel. phares. Defe wort nekonde finer wiffagen nen beduden. do fandeme na daniele. de qua. uñ laf de wort. un fprac to deme

2) Die linke Hälfte der Spalte von der ersten bis zehnten Zeile ein Bild mit dem Baum, in dessen Zweigen Vögel, zu dessen Füssen Thiere.

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3) Auf der rechten Seite der Spalte, den Raum von drei Zeilen einnehmend, ein

Eild, das Nabuchodonosor nackt auf allen Vieren kriechend darstellt.

) Bild Nabuchodonosors in einem Kreise, durch drei Zeilen.

5) Bild mit drei Geiern, drei Zeilen der ganzen Spalte einnehmend.

6) Bild des K. Balthasar, wie oben.

2) Verwischtes Bild im Quadrat.

koninge. Herre defe wort cundegit di. dat got dine dage curten wele. unde din rike to uoret fal werden. un din gewalt fal gegeuen werden den van media. uñ den van perfia. dit geschet.

II. Aus Jacobs von Maerlant Reimbibel.

Ein Pergamentblatt in Fol., in Spalten zu 42 Zeilen, aus dem 14. Jhd., aus derselben Bibliothek (s. Stargardts Catalog a. a. O. Nr. 1289) käuflich von mir erworben. Daß das Bruchstück wirklich Maerlants Reimbibel angehört, kann ich zwar, da diese noch ungedruckt und nur aus einzelnen Mittheilungen bekannt ist, nicht bestimmt behaupten, werde mich indes doch kaum irren, denn Sprache und Darstellung scheint mir ganz den aus dem Spiegel historiael bekannten Charakter zu tragen. Damit das Blatt nicht verloren geht, werde ich es dorthin schenken, wo es am besten aufgehoben ist: in die Bibliothek der Maatschappij der Nederlandsche Letterkunde zu Leiden.

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