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Tristan nicht sein Nachfolger werde, nach Irland ausgesandt wird, um für den König um Isolde zu werben. Bei Gottfried schlägt der 'hoverât' dem König vor, um Isolde zu werben, und der König ist. dazu bereit, ja schwört alsbald, daß er keine andere als Isolde heiraten. wolle. Er thut diesen Schwur, wie Gottfried erklärt, weil er es für unmöglich hält, Isolden zu bekommen, und er also in seinem Entschluß zu Gunsten Tristans nicht zu heiraten nicht weiter gestört zu werden denkt. Im englischen Tristrem wünscht Marke zunächst wenigstens Isolden zu sehen und er verspricht seinem Neffen das Reich nach seinem Tode, wenn er ihm die Jungfrau brächte, daß er sie sehen könne. Hierauf rathen ihm die Barone, sich durch Tristan Isolden zur Gemahlin holen zu lassen. Bei Gottfried sowohl als im englischen Gedicht ist Tristan zur Brautwerbung gern bereit, um dem Hof zu beweisen, daß nicht ér seinem Oheim rathe, ehelos zu bleiben *).

Auch in dem französischen Prosaroman, den ich freilich nur aus dem Auszug des Grafen Tressan in der Bibliothèque des Romans 1776, Avril, und aus dem kürzern im Morgenblatt 1821, Nr. 24 ff. kenne, rühmt Tristan, aus Irland zurückgekehrt, die Schönheit Isoldens, die er liebt. König Marke, der hier seinem Neffen nicht so wohl gesinnt ist wie in den andern Darstellungen, erbittet sich von ihm die Gewährung einer Bitte, und Tristan verschwört sich sie zu erfüllen, worauf Marke von ihm verlangt, daß er die schöne Isolde ihm hole **).

In den drei letztgenannten Bearbeitungen der Tristansage ist also das von der Schwalbe gebrachte Frauenhaar beseitigt und die Erzählung demgemäß umgestaltet. Gottfried von Straßburg, der natürlich Eilharts Dichtung, vielleicht auch ihre Quelle kannte, erwähnt bekanntlich der Schwalbe und des Frauenhaares, aber nur um über dies Motiv zu spotten ***). Es fehlte ohne Zweifel schon in Gottfrieds Quelle, dem

Wenn Maßmann S. IX seiner Ausgabe des Tristan sagt: 'Eine Erzählung von einer Schwalbe, die Gottfried rügt, steht nicht in französischen Texten, sondern in der englischen Bearbeitung', so hat ihn vielleicht zu diesem Irrthum die allerdings dunkle und wunderliche Stelle des Tristrem (II, 23) verführt, wo Tristrem zu Markes Baronen sagt, er habe eine Schwalbe singen hören, die Barone sagten, er rathe seinem Oheim ab zu heiraten. Vgl. v. d. Hagen MS. IV, 591.

**) Daß Tristan sich sofort beim ersten Anblick Isoldes in sie verliebt, wodurch der Liebestrank eigentlich ganz überflüssig wird, kömmt in den Handschriften des französischen Prosaromans noch nicht vor; s. P. Paris Les manuscrits françois de la bibliothèque du roi I, 198.

***) Es regt sich, wie Jacob Grimm a. a. O. Sp. 502 sagt, in diesen Versen Gottfrieds bereits, nur höchst unschuldig, das Gefühl unserer modernen Kritiker.

Thomas von Britanje, den er im Prolog seines Gedichtes andern Darstellungen der Tristanaventüren gegenüber so herausstreicht. Wer aber auch immer aus der Tristansage dies Motiv als unwahrscheinlich zuerst verworfen hat, von rein dichterischem Standpunkt betrachtet hat sie dadurch nur verloren. Jacob Grimm *) sagt mit Recht: 'Es muß einleuchten, daß wenn bei Gottfried und Thomas die Braut dem König als eine bekannte, mit Namen genannte Schönheit angerathen wird, und Tristan mit gutem Bewusstsein die gefahrvolle Reise unternimmt, daß dieses alles einen schwachen Ersatz für das auf Wunder und gutes Glück bauende Vertrauen Tristans gewährt, der bloß von dem Zeichen eines Goldhaars geleitet Land und Meer befährt.'

Aber dieser Zug, daß der Held die Unbekannte, von welcher ein von einem Vogel fallen gelassenes Haar herrührt, suchen muß, kömmt nicht nur in der Tristansage vor, sondern auch in ganz ähnlicher Weise in einigen Versionen eines europäischen Volksmärchens, welches wir das Märchen von der Jungfrau mit den goldenen Haaren und von den Wassern des Todes und des Lebens nennen können. Die wesentliche Grundlage dieses Märchens, die selbst in den entstelltesten Versionen noch durchblickt, ist, natürlich von den Motivierungen des Einzelnen abgesehen, deren ursprünglichste, älteste Form nicht sicher zu bestimmen ist, die folgende: Ein Jüngling wird von einem alten König ausgesandt, die Jungfrau mit den goldenen Haaren zu suchen und für ihn um sie zu werben. Der Jüngling findet sie, wirbt für den König, und nachdem er erst mehrere ihm gestellte schwere Aufgaben, darunter die: Wasser des Lebens und Wasser des Todes zu bringen, mit Hilfe dankbarer Thiere glücklich gelöst hat, folgt ihm die Jungfrau zu seinem Herrn. Dort angelangt wird der Jüngling getödtet, von der Schönen aber durch das Wasser des Lebens neu belebt. Der König will dies auch versuchen und lässt sich ebenfalls tödten, die Königin belebt ihn aber nicht wieder, sondern vermählt sich mit dem Jüngling.

Man sieht, das Märchen stände, auch wenn in keiner Version das von Vögeln gebrachte Frauenhaar vorkäme, doch der Anlage nach der Tristansage sehr nahe: die Jungfrau mit den goldenen Haaren ist die 'blonde Isold e' **), der Jüngling: Tristan, der alte König: Marke.

*) a. a. O.

**) Autressi fist Tristans quant il devisa la biauté la roine Yseult. Si chevol, fist il, resplandissent comme fil d'or. Brunetto Latini Li Livres dou Tresor, ed. Chabaille, pg. 489.

Der Verlauf ist freilich verschieden. Die Tristansage endet tragisch für die Liebenden: sie gehen an ihrer Liebe zu Grunde und der alte Marke überlebt sie. Das Märchen, als solches tragischem Ausgang abhold, endet heiter: der alte böse König wird beseitigt und die Liebenden heiraten sich.

Sehen wir uns nun die einzelnen Versionen des Märchens von der Jungfrau mit den goldenen Haaren etwas näher an.

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Eine der besten und zugleich mit Straparola's weiter unten zu besprechendem Märchen die älteste Aufzeichnung findet sich in einem jüdisch-deutschen Volksbuch, dem s. g. Maase- (Geschichten-) Buch (Cap. 143)*), dessen erste bisher bekannte Ausgabe zu Basel 1602 erschien, woraus Christoph Helwig (Helvicus) in seinen Jüdischen Historien (Theil I, Cap. XV) das Märchen wieder erzählt. Ich gebe den wesentlichen Inhalt desselben zum Theil wörtlich nach Helwig **).

Einem gottlosen König von Israel riethen die Ältesten, ein Weib zu nehmen, darum daß er sollte fromm werden. Der König bestellte sie, um ihnen Antwort zu ertheilen, über acht Tage wieder, und als sie da kamen, kam eben ein großer Vogel geflogen mit einem Haar im Schnabel, das wie eitel Gold aussah und so lang wie der König war, und warf es auf des Königs Achsel. Da hub der König das Haar auf und erklärte den Ältesten, er wolle kein ander Weib nehmen, als die, von welcher das Haar wäre gewesen, und wenn sie ihm die nicht brächten, werde er sie alle umbringen lassen. Nun lebte damals der Rabbi Chanina***), der 70 Sprachen und die Sprache der Thiere verstand und beim König in großen Gnaden war, weshalb ihm ein Theil der Ältesten feind war. Diese gaben dem König an, er solle dem Rabbi den Auftrag geben, der könne es zu Wege bringen. Der Rabbi erhält den Auftrag und macht sich mit 12 Gulden und drei Laib Brots auf. Unterwegs theilt er einem Raben und einem Hund

*) Vgl. über das Maase-Buch M. Steinschneider im Serapeum 1866, S. 1 ff. und meine Mittheilung im Jahrbuch für romanische und englische Litteratur VII, 33.

**) Helwig's seltenes Büchlein besteht zum größten Theil, wie in der Vorred und zu jedem einzelnen Capitel ausdrücklich bemerkt ist, aus Geschichten des MaaseBuchs, und hat nur zum Zweck, der verstockten Jüden Aberglauben und Fabelwerk daraus ersehen zu lassen. Es erschien zuerst 1611 und 1612 zu Gießen, in 2. Ausgabe ebendaselbst 1617, welche letztere mir in dem Exemplar der Gießener Universitätsbibliothek vorliegt.

***) In Tendlau's Buch 'Fellmeiers Abende' (Frankf. a. M. 1856), wo S. 5 ff. das Märchen frei, aber doch offenbar auch nach dem Maase-Buch erzählt ist, heißt der Rabbi Hunna.

von seinem Brot mit und lässt einen eben gefangenen großen Fisch, den er zwei Fischern für die 12 Gulden abkauft, wieder ins Wasser. Er kömmt endlich in die Stadt der Königin, welcher jener Vogel, als sie sich einmal im Garten gewaschen, ein Haar ausgerupft hatte, und trägt ihr des Königs Werbung vor. Sie erklärt sich bereit mit ihm zu ziehen, wenn er ihr vorher zweierlei zu Wege bringe. Zuerst soll er Wasser aus dem Paradies und Wasser aus der Hölle schaffen. Wie der Rabbi deshalb rathlos zu Gott betet, kömmt jener Rabe, den er vom Hungertod errettet, und redet ihn an und lässt sich zwei Krüglein an die Flügel hängen. Darauf fliegt er in die Hölle und füllt das eine und vor großer Hitze verbrannten seine Federn; rasch fliegt er zum Bach, der aus dem Paradies fließt, und füllet das andere Krüglein, da waren seine Federn wie zuvor. Er bringt dem Rabbi die Krüge und dieser bringt sie der Königin, die die Wirkung der Wasser an ihrer Hand erprobt. Hierauf stellt ihm die Königin als zweite Bedingung auf, einen ins Meer gefallenen Ring ihr wieder zu schaffen. Als der Rabbi traurig am Meer betet, kömmt der dankbare Fisch geschwommen und verspricht ihm Hilfe. Er schwimmt hierauf zum Leviathan und erzählt ihm alles, worauf der Leviathan befiehlt, daß der Fisch, welcher den Ring habe, ihn herausgebe. So bekömmt ihn der Fisch des Rabbi, schwimmt an das Ufer, wo der Rabbi wartet, und speit ihn ans Land. Da kömmt aber eben ein wild Schwein vorbei und verschlingt ihn. Wie deshalb der Rabbi jammert, kömmt jener Hund, den der Rabbi einst gespeist, läuft dem Schwein nach und zerreißt es. So bringt der Rabbi der Königin den Ring und sie zieht mit ihm nach Israel und gefällt dort dem König gar sehr. Wie nun die Ältesten sahen, daß der Rabbi deshalb in großen Gnaden stand, erschlugen sie ihn heimlich, aber die Königin bestrich ihn mit Paradieseswasser und machte ihn wieder lebendig. Das wollte der König auch versuchen und ließ sich von einem Knecht todt schlagen. Da goß die Königin das Höllenwasser auf ihn und er verbrannte zu Asche, worauf die Königin zu den Ältesten sprach: Nun sehet ihr, wäre der König nicht ein gottloser Mensch gewesen, so wäre er auch wieder lebendig geworden. Nun ward der Rabbi König und Gemahl der Königin.

So das jüdische Märchen. In ihm haben wir wie im Eilhartschen Tristan den von seinen Räthen zur Heirat gedrängten König, der sich eine Frist, binnen welcher er sich erklären will, bestimmt und dem endlich im letzten Moment das von dem Vogel fallen gelassene Frauenhaar den erwünschten Anlaß gibt, sich zur Verheiratung

bereit zu erklären, aber unter einer Bedingung, die aller Wahrscheinlichkeit nach unmöglich erscheint. Abweichend von der Tristansage ist, daß nicht zwei Schwalben sich um das Haar beißen, sondern ein großer Vogel es wie absichtlich auf des Königs Achsel wirft. Den übrigen Versionen des Märchens von der goldhaarigen Jungfrau gegenüber sind noch folgende Eigenthümlichkeiten des jüdischen hervorzuheben. Die Aufgabe, den ins Wasser gefallenen Ring wieder zu bringen, kömmt in den meisten vor und wird dann mit Hilfe des Fisches gelöst; aber dem jüdischen Märchen ist der Zug eigen, daß der vom Fisch gebrachte Ring von einem Schwein verschlungen wird und dieses Schwein nun erst von dem dankbaren Hund gejagt und zerrissen werden muß. Ferner sind hervorzuheben die Tödtung des Rabbi durch die neidischen Ältesten, die Bezeichnungen 'Wasser des Paradieses' und 'Wasser der Hölle', und endlich daß der getödtete König durch das auf ihn gegossene Höllenwasser verbrannt wird, dem jüdischen Märchen eigene Züge *).

alles

Eine zweite gute und in eigenthümlicher Weise reich entwickelte Gestaltung des Märchens von der Jungfrau mit den goldenen Haaren ist bei den Tschechen von K. J. Erben aufgezeichnet und von Waldau (Böhmisches Märchenbuch S. 13) und A. Chodzko (Contes des paysans et des pâtres slaves, Paris 1864, S. 77) übersetzt worden. Hier bekömmt ein alter König von einem alten Weibe eine Schlange, durch deren Genuß er die Thiersprache verstehen lernen soll, und befiehlt seinem Diener Georg, sie ihm zum Mittagsessen zu bereiten, aber bei Todesstrafe nicht davon zu kosten. Georg ißt trotzdem ein Stückchen und merkt alsbald, daß er die Sprache der Thiere versteht. Nach Tisch begleitet er seinen Herren auf einem Spazierritt und erweckt dessen Verdacht, da er über das Gespräch der beiden Pferde vor sich lachen muß. Ins Schloß zurückgekehrt, befiehlt ihm der König, Wein einzuschenken, aber bei Todesstrafe keinen Tropfen zu verschütten. Indem

*) Jacob Grimm a. a. O. Sp. 502 hat bereits das jüdische Märchen kurz erwähnt, indem er sagt: 'Nicht zu gedenken, daß der Ursprung dieser Sage [vom Haar und der Schwalbe], (die wir nur im rabbinischen Masehbuch, Cap. 134 [sic!], das mit dem Tristan in gar keiner fernen Berührung steht, auf eine in diesem Punkte ähnliche, sonst aber ganz andere Weise gefunden haben) uralt ist, indem sie schon in dem Schuh der Rhodope, der auch aus der Luft dem König Psammetich herunterfällt, vorkommt, und sich so an die zahlreichen Traditionen vom verlorenen Schuh der verschwindenden Jungfrau anschließt; so muß es einleuchten u. s. w.' (Folgen nun die bereits S. 392 citierten Worte.) Im 3. Band der Kinder- und Hausmärchen ist dann in der Anmerkung zu Nr. 62 der Inhalt des ganzen Märchens nach Helwig kurz mitgetheilt.

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