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Nacht umgeben, in schlummerähnliche Betäubung, in dumpfe Trauer versenkt.

Str. 8. Die Sieggötter sehen die Sorge Nannas

Um die niedre Wohnung: sie geben ihr ein Wolfsfell.
Damit bekleidet verkehrt sie den Sinn,

Freut sich der Auskunft, erneut die Farbe.

Das Wolfsfell, das der Idun von den Göttern gegeben wird, deutet Simrock (Edda 3. A. 415) auf den Reif und Schnee des Winters, von dem bedeckt, Stauden und Bäume von neuem zu blühen scheinen. Sie gefällt sich im trügerischen (laevîss) Kleid und in der neuen Farbe und freut sich in ihrem nothwendig veränderten, traurigen Zustand des erhaltenen Ersatzes.

Str. 9 sendet Odhin (Widrir) den Wächter der Brücke, den Giallarertöner, nämlich Heimdall mit Loptr (Loki) und Bragi zu der herabgesunkenen Idun, um sie zu fragen, ob ihr Fall der Welt und den Göttern Unheil bedeute *).

Str. 10. Weiblieder sangen, auf Wölfen ritten

Die Herrscher und Hüter der Himmelswelt.
Odhin spähte von Hlidskialfs Sitz

Und wandte weit hinweg die Zeugen.

Auf Wölfen wurden die Zauberer noch im 15. Jhd. reitend gedacht**).
So scheint es auch bei den Asen in Übereinstimmung mit dem Singen
der Weih- oder Zauberlieder angenommen worden zu sein, um der
Botschaft glücklichen Erfolg zu bewirken.

Str. 11. Der Weise (Bragi) fragte die Wächterin des Tranks,
Ob von den Asen und ihren Geschicken

Str. 12.

Unten im Hause der Hel sie wüssten,

Anfang und Dauer und endlichen Tod.

Sie mochte nicht reden, nicht melden konnte sie's:
Wie begierig sie fragten, sie gab keinen Laut.
Zähren schossen aus den Spiegeln des Haupts,
Mühsam verhehlt, und netzten die Hände.

In den folgenden Strophen 13, 14, 15, 16 und 17, welche, wie die vorstehenden vier, keiner weiteren Erläuterung bedürfen, erscheint die harmvolle Idun den Göttern wie schlafbetäubt; all ihr Fragen und Forschen ist vergebens. Heimdall, der Vormann der Botschaft, fährt

* Über die Wahl der Boten siehe Uhland der Mythus von Thôr 126.

**) Theatrum de veneficis. Ulr. Molitor Von Hexen vnd Vnholden S. 79, Frankfurt 1586.

dann mit Loki, dem Sohn der Nal, zu Odhin heim. Beide von Forniots Freunden (Wind: Uhl. Th. 32. Luft und Meer: Simr. Edda 416) getragen, und lassen Bragi (Odhins Skalde) bei der Schönen als Wächter zurück.

Unter Begrüßen und Glückwünschen setzen sich die Boten zum Mahl der Götter und speisen von Sährimnir (dem immer sich erneuernden Eber), wo die Walküre Skogul den Meth aus Mimirs Horn in die Schalen Hnikars (Odhins) schenkt.

Str. 18. Mancherlei fragten über dem Mahle

Den Heimdall die Götter, die Göttinnen Loki,
Ob Spruch und Spähung gespendet die Jungfrau
Bis Dunkel am Abend den Himmel deckte.

Str. 19. Übel, sagten sie, sei es ergangen,

Erfolglos die Werbung, und wenig erforscht.
Nur mit List gewinnen ließe der Rath sich,
Daß ihnen die Göttliche Auskunft gäbe.

„Nur mit List gewinnen ließe der Rath sich" u. s. w., wie dann auch
Odhin in der Vegtamsk widha, unter falschem Namen, zum Hause der
Hel reiten mußte, um durch Zauber die Wala zu der gewünschten
Auskunft zu zwingen.

Str. 20. Antwort gab Omi (Odhin), sie Alle hörten es:

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Die Nacht ist zu nützen zu neuem Entschluß.

Bis Morgen bedenke, wer es vermag

Glücklichen Rath den Göttern zu finden."

Str. 21. Über die Berge von Walis Mutter

Niedersank die Nahrung Fenrirs.

Vom Gastmahl schieden die Götter entlassend

Hroptr (Odhin) und Frigg, als Hrimfaxi (das Mondross) auffubr. Walis Mutter, über welche die Nahrung Fenrirs, nämlich, nach Vafthrudhnismâl 46, die Sonne niedersank, ist Rinda die winterliche Erde. Dies und der Inhalt der ersten Hälfte der Strophe 22, ferner die dritte Zeile der Strophe 23 bestätigen weiter die Behauptung, daß in Strophe 3, 4, 5, 6, 7 und 8 nur der alljährig wiederkehrende Herbst und Winter gemeint sein können; denn bei dem Gefühl des bevorstehenden Weltuntergangs wären Kälte und Frost, welche die Asen zu erdulden hätten, so nachträglich keiner Erwähnung werth.

Str. 22. Da hebt sich von Osten aus den Eliwagar
Text Str. 13. Des reifkalten Riesen dornige Ruthe,
Mit der er in Schlaf die Völker schlägt,

Die Midgard bewohnen, vor Mitternacht.

Von Osten aus den Eliwagar (Eisfluthen) hebt sich die dornige Ruthe des reifkalten Riesen. Die Ruthe ist ein Bild der Strahlen *), von welchen der Mond, wie die Sonne, umgeben angenommen und dargestellt wurde. Sie heißt dornig, weil das Mondlicht im Winter, oder der Winterfrost beim Mondschein, durch seine beißende Kälte, wie dornige Ruthe wirkend, gedacht werden konnte. Das Bild der Ruthe scheint aus den Fiölsvinnsmâl entlehnt zu sein, und ist etwas gezwungen. Was die Strahlen als Ruthe betrifft, so liegt deren Auffassung als solche, namentlich bei der Sonne, nicht ferne; denn nach Ad. Kuhn, die Herabkunft des Feuers u. s. w. S. 180, 201 u. s. w., 213, 236 wurde der Zweig oder die Ruthe des Palâçabaums, der Mimosa catechu, der Eberesche und nach diesen die Dorn- und Hasel-Zauber- und Wünschelruthen von den Indern und Germanen als Verkörperung des himmlischen Feuers oder des Blitzes betrachtet. Man könnte bei der dornigen Ruthe, mit welcher der reifkalte Riese die Völker in Schlaf schlägt, auch an den Schlafdorn denken, mit welchem Odhin die Sigrdrifa (Brynhild) nach der Edda (Sigrdrifumal 4) sticht, oder die eben erwähnten, in der Sage oft vorkommenden Zauber- und Wünschelruthen von Kreuzdorn u. s. w. in Betracht ziehen; aber die angeführte Strophe spricht nicht im Allgemeinen von schlafbewirkenden Ruthen, sondern von der dornigen Ruthe des reifkalten Riesen, die sich von Osten aus den Eliwagar erhebt. Sie ist also, ohne Zweifel, als winterliche Naturerscheinung aufzufassen. Der reifkalte Riese ist Nörwi, der Vater der Nacht, der damit - da die Ruthe zur Zeit des Schlafengehens erscheint die Völker, welche Midgard hewohnen, nämlich die Menschen, in Schlaf schlägt, und zwar vor Mitternacht, weil zu dieser Stunde feindlichen Wesen Gewalt gegeben ist, die Menschen in gewissen Verhältnissen zu schädigen, wie wir dies noch in unzählichen Sagen nachklingen hören.

Str. 23. Die Kräfte ermatten, ermüden die Arme, Text Str. 14. Schwindelnd wankt der weiße Schwertgott. Ohnmacht befällt sie in der eisigen Nachtluft, Die Sinne schwanken der ganzen Versammlung. Str. 24. Da trieb aus dem Thore wieder der Tag Sein schön mit Gestein geschmücktes Ross; Weit über Mannheim (Midgard) glänzte die Mähne: Des Zwergs Überlisterin (die Sonne: Alvism. 36) zog es im Wagen.

*) s. Germania X, 442.

Str. 25. Am nördlichen Rand der nährenden Erde

Str. 26.

Unter des Urbaums äußerster Wurzel (Grinnism. 31)
Giengen zur Ruhe Gygien und Thursen,

Gespenster, Zwerge und Schwarzalfen.

Auf standen die Herrscher und die Alfen Bestrahlerin

(die Sonne);

Die Nacht sank nördlich gen Nifelheim,
Ulfrunas Sohn stieg Argiöl hinan,

Der Hornbläser zu den Himmelsbergen.

Der Schwertgott (sverdâss . Str.), der wachsame Heimdall, der weniger Schlaf bedarf als ein Vogel (Sn. Edda 17), wird von Schlummerlust befallen. Ulfrun ist eine von den neun Müttern Heimdalls. Argiöl, die Frühtönende, muß ein Beiname der Himmelsbrücke sein (Simrock Edda 3. A. 417), der wahrscheinlich von der Sonne auf die Brücke (den Regenbogen) übergegangen ist *). Die Str. 18 und 20 angedeutete Nacht wird Str. 21, 22 und 23 als eintretend beschrieben. Str. 24, 25 und 26 erscheint der Morgen, an welchem nach Str. 20 die Götter sich wieder versammeln sollen, um zu hören, wie es dort heißt: Wer glücklichen Rath den Göttern zu finden vermag.

In der auf Hrafnagaldr oder Forspiallsliodh folgenden Vegtamskwidha eilen die Asen zur Versammlung, und das unbestimmte Angstgefühl derselben gestaltet sich, durch Baldurs Träume, in Angst und Sorge für diesen „blühenden" Gott.

REUTLINGEN, Sept. 1865.

THEOPHIL RUPP.

ALTES ZEUGNISS

ÜBER DIE MUNDARTEN UND DIE SCHRIFTSPRACHE DER DEUTSCHEN.

Aus Casparis Scioppii comitis a Clara Valle (geb. 1576 zu Neumark in der Pfalz, † 1649 zu Padua, s. über ihn Jöcher 4, 421 ff.) „Consultatio de prudentiae et eloquentiae parandae de modis in adolescentis cujusdam Germani usum“ vom J. 1626, abgedruckt in ,H. Grotii et aliorum dissertatt. de studiis instituendis." Amsterodami 1645. S. 442 ff. ist die den meißnischen Dialekt betreffende Stelle schon öfter angezogen und besprochen worden (z. B. in Adelungs Magazin 2, 13. und Wackernagels Litt.-Geschichte S. 369. 375), allein mir ist

*) s. Germania, X, 442.

nicht bekannt, daß die ganze Stelle über die verschiedenen deutschen Mundarten und die gemeine deutsche Schriftsprache neuerlich in einem zugänglichen Buche mitgetheilt wäre. Sie ist aber bemerkenswerth genug, um einen vollständigen Wiederabdruck zu verdienen.

F. PFEIFFER.

De Germanica linguâ recte discendâ te hominem Germanum moneri, minus mirabitur qui sciat, quanta sit Dialectorum ejus linguae varietas, quamque parum recte Austriae provinciae homines, quâ pronunciare, quâ scribere soleant. Dialectos alias vocare Principes placet, sive generales, alias principibus subjectas sive speciales, quae quamvis in multis a principe aliquâ Dialecto recedant, in multo pluribus tamen ad eam referuntur.

Inter principes familiam ducit et primas obtinet dialectus Misnica, quae Germanis idem est quod Graecis Attica, Italis Florentina, Gallis Aurelianensis, Hispanis Toletana. Misnensis enim optimis et probatissimis vocabulis ac phrasibus utuntur, quamvis in pronunciandis diphthongis et consonantium nonnullis, risum caeteris Germanis merito moveant. Verbi gratia cum dicunt Heebt pro Haubt Zeeberer, pro Zauberer, Jott pro Gott, Gar pro Jar. Jott jeb euch ein jutes naues Gar. Misnicae subjecta sunt Turingica, Francica, Hassica.

Secundum locum tribus Rhenensi dialecto, qua Rheni accolae ad fines usque Belgii magnam partem utuntur. Moguntiae cives eam reliquis emandatius pronunciare judicantur.

Tertia est Suevica quae et ipsa suas in diversis Sueviae partibus varietates habet.

Quarta Helvetica, quâ quondam omnes fere Alemanni, hodie Helvetii tantum utuntur, quam haud scio an omnium superioris Germaniae copiosissimam minimeque depravatam recte dixerim. Homines enim suo contenti et aularum contemtores (ex quibus fere Helvetiorum respublicae constant) exteris minus misceri, neque de linguâ poliendâ et adscitis peregrinis vocibus loquendique generibus exornanda soliciti esse solent.

Quinta Dialectus est Saxonica, qua cum Saxones, tum Westphali, Holsati, Mechelburgenses, Pomerani et Brandeburgenses utuntur.

Sexta est Bavarica, cujus in Bavaria, Tiroli, Stiria, Carinthia, Austria et trans Danubium in Aistadiensi Episcopatu et apud Nariscos qui et Armalausi quondam dicti, sive in superiore Palatinatu usus est. Exteri cum eam audiunt, ex ipso sonu longoque vocalium tractu homines ea loquentes dissolutos, ignavos et animo ommissiores esse suspicantur. Alacritas enim linguae et pronunciationis celeritas ingenii acris

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