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ströms von Heyne aufgenommen wurden, z. B. Luc. 5, 11 afleipandans. Ein transitives Verbum afleipan, von etwas weggehen, etwas verlassen, wurde zwar von Uppström für möglich gehalten; da es aber von Stamm, gewiss mit vollem Rechte, verworfen wurde, so hätte es Heyne nicht aufnehmen sollen. Auch an der vielbesprochenen Stelle Marc. 6, 19 hätte Stamm schwerlich sich entschlossen, das von Uppström mehr vermuthete als gelesene, sonst ganz unerweisliche und unglaubliche naiv in den Text zu setzen.

Aber eine ganz außerordentliche Wichtigkeit gewinnt diese neue Auffage dadurch, daß wir in ihr zuerst die Ergebnisse von Uppströms neuer Vergleichung der Mailänder Blätter kennen lernen. Heyne erhielt die neuen Lesarten durch einen Brief Uppströms an Pfeiffer, und durch Leo Meyers oben IX, 137 und X, 225 gedruckte Aufsätze. Zu bemerken ist, daß von den von Meyer gegebenen Lesarten meistens zweifelhaft bleibt, ob sie wirklich dem Codex entnommen, oder durch Conjectur gewonnen sind, da Uppström bekanntlich nicht einen diplomatischen Abdruck der Handschrift gab, sondern erst in den noch unbekannten Noten sagen wollte, was er glaubte gelesen zu haben. Alles also was wir bis jetzt von diesen neuen Lesungen erfahren haben, beruht auf abgeleiteten Nachrichten. Nur jener Brief Uppströms an Pfeiffer kann als ein authentischer Bericht gelten; er darf uns daher nicht vorenthalten werden *).

Uppströms Verdienste um Herstellung des echten Textes sind sehr groß; aber ehe wir die genauen Angaben über das Ergebniss der neuen Vergleichung erhalten, müßen wir die vorläufigen Nachrichten mit einiger Vorsicht aufnehmen, und wenn Uppström sich nicht begnügt, das Neugelesene mitzutheilen, sondern durch Conjectur die Fehler verbessern will, so dürfen seine Neuerungen wie die jedes anderen Gelehrten geprüft und beurtheilt werden. Bis jetzt erhalten wir bei vielen bedenklichen und zweifelhaften Wörtern und Stellen gar keine Auskunft, und wissen nicht, ob wir Uppströms Stillschweigen als eine Bestätigung des Überlieferten ansehen sollen. Andererseits werden wir durch den Umfang der neuen Lesarten erschreckt; ganze Wörter, ganze Reihen von Wörtern sollen geändert werden: z. B. Röm. 7, 8 und 9 las man vas navis ip ik simle inu vitop libaida at... Dafür soll im Codex stehen: naus vas ip ik qius inu vitop simle ip. Röm. 9, 17 las man faraoni unte in pize jah raisida; dafür soll stehen: faraona unte du pamma silbin urraisida. 1 Tim. 1, 12 las man galaubjandan mik gahugida; es steht aber triggvana mik rahnida.

Manche richtigere Lesung Uppströms ist nicht neu, sondern schon von den Altenburgern in den Addenda gegeben; so andstandip Röm. 9, 19. skapula Col. 3, 25. unsveibands 1 Thess. 2, 13. Es findet sich sogar, daß die von den Altenburgern nachträglich gegebene Berichtigung sowohl von Maßmann, als von Stamm und Heyne nicht berücksichtigt wurde, offenbar nicht weil sie dieselbe nicht für begründet hielten, sondern einfach, weil sie sie nicht bemerkten. Col. 1, 29 lautet nach den Addenda: bi vaurstva sei inna nsvaurkeiþ; alle, auch Heyne, haben diese sehr wichtige Berichtigung übersehen nnd wiederholen nur was die Altenburger zu der Stelle unter dem Texte bemerken. Uppström scheint nichts zu der Stelle zu sagen. Wenn die Berichtigung begründet ist, so ist ein Feminin vaurstva ɛvέoyɛiα vom Neutrum vaurstv ɛoyov zu scheiden, und Col. 2, 12 ist man versucht, vaurstvis in vaursteos zu ändern.

Wenn schon die Berichte über Uppströms Entdeckungen noch mangelhaft

Er ist oben S. 93 ff. mitgetheilt. Pfeiffer.

sind, so sieht man doch, daß nach Abzug des vorerst noch nicht ganz sicheren, der wirkliche Gewinn ein sehr großer ist. Viele neue Lesarten sind nicht zu bezweifeln und gewähren reichlichen Stoff zur Berichtigung und Erweiterung des Wörterbuchs und der Grammatik.

Ich lasse noch einige Bemerkungen zu einzelnen Stellen folgen. Das Buch ist sehr sorgfältig corrigiert; dennoch sind einige Druckfehler stehen geblieben. Röm. 9, 25 Osaien, ohne Zweifel ein aus der Germania X, 231 herübergenommener Druckfehler für Osain. 2 Cor. 10, 1 ikai statt ikei. 2 Cor. 11, 10 lande statt landa. Ephes. 4, 31 izis statt izvis. Wahrscheinlich steht auch durch einen Druckfehler Röm. 11, 13 gipa piudom statt qipa paim piudom.

wer hat

Röm. 7, 8 liest Heyne vas naus; aber Meyer gibt naus vas; Recht? Sehr auffallend ist Röm. 11, 12 ip appan. Entweder ip oder appan, allenfalls auch ippon ist möglich; aber ip appan beruht wahrscheinlich auf einem Missverständniss der Germ. 10, 233. 2 Cor. 7, 7 izvora gaunopa: diese Lesart ist nicht von Stamm, sondern von Heyne; sie ist schwerlich richtig: der Codex soll haben izvarana gaunopa. Ein Feminin gaunapa ist bedenklich, da es sonst keine Feminina auf opa gibt: ich vermuthe, daß zu lesen ist gaunopu; Masculina auf opus oder odus sind bekannt.

2 Cor. 8, 12 gagreiftai; so zuerst bei den Alt., aber nach den Addenda steht im Codex gagreftai; so liest auch Stamm und Heyne selbst im Wörterbuch; warum wird nun im Texte wieder gagreiftai geschrieben? Ist es ein Druckfehler?

Wenn Gal. 6, 9 wirklich afmauidai zu lesen ist, so muß ohne Zweifel auch Mth. 9, 36 ebenso gelesen werden statt of dauidai, da beidemal éxλvóμevos übersetzt wird. Ein Verbum afdaujan darf keinen Falls angesetzt werden, es müßte ofdojan lauten; ebenso muß zu afmauidai der Infinitiv afmojan angesetzt werden. Denn zu daujan, maujan würde davida, mavida gehören, wie tavida zu toujan, während stauida zu stojan gehört. mójan ist gleich ahd. muojan.

Eph. 5, 5 allzuh. So haben Maßmann und Stamm statt alizuh gesetzt; aber nach den Addenda steht hvazu im Codex. Ist nun allzuh durch Uppström bestätigt? Wenn es der Fall ist, so sollte es ausdrücklich gesagt sein; sonst verdient hvazu(h) den Vorzug vor dem unbeglaubigten und in der Mitte des Satzes nicht wohl möglichen allzuh.

Es muß noch im Allgemeinen bemerkt werden, daß die Besserungen, welche die Ausgabe angeblich gegen den Codex und gegen die Altenburger aufnimmt, fast ohne Ausnahme nicht etwa von Stamm und Heyne herrühren, sondern von den Altenburgern entweder in der Note oder im Nachtrag oder noch in der Grammatik vorgeschlagen werden. Offenbar ist es nur die nöthige Kürze, welche die Darlegung des Sachverhalts verhindert hat. Einigemal aber und nicht selten wird sogar L. (das ist die Altenburger Ausgabe) als Autorität für die verworfene Lesart angeführt, wo vielmehr gerade L. die aufgenommene Lesart empfiehlt. So steht 1 Cor. 10, 21 fairaihan im Text, und dazu in der Note fairainan L. Aber gerade L. hat in den Addenda als wirklich im Codex stehend fairaihan nachgetragen. 2 Cor. 6, 3 bistuggqei, dazu in der Note bistiggg L. Aber L. gibt vielmehr in der Gramınatik S. 197 das richtige bistuggqei. 1 Thess. 4, 2 hvarjos: in der Note hvaizos L. Aber L. sagt Grammatik S. 84: hvaizos ist jedenfalls in hvarjos zu verbessern. Es ist zu wünschen, daß in einer künftigen Auflage sorgfältiger geschieden werde, was der Herausgeber vorgefunden hat, und was er Neues bringt, und gewiss wird sich Heyne der Einsicht nicht ver

schließen, daß so hochverdiente und gründliche Kenner des Gothischen, wie die Altenburger, nicht so schnöde abgefertigt werden dürfen, wie es hier S. IX geschieht.

Diese neue Auflage ist, so lange Uppströms neues Werk nicht erschienen ist, für Jeden, der sich ernstlich mit Gothisch beschäftigt, unentbehrlich; zugleich ist sie eine sehr sorgfältige, brauchbare Handausgabe, und muß als eine erfreuliche Erscheinung begrüßt und empfohlen werden.

HEIDELBERG, 7. Jan. 1866.

A. HOLTZMANN.

Heliand, mit ausführlichem Glossar herausgegeben von Moritz Heyne. Paderborn 1866. VIII und 380 SS. 2 Thlr.

Eine handliche Ausgabe des Heliand war längst ein dringendes Bedürfniss. Die nun hier vorliegende leistet gewiss alles, was nur gewünscht werden kann. Der Text ist sehr sorgfältig behandelt und es fehlt auch nicht an Textverbesserungen. Die Lesarten sind mit Ausnahme der bloß orthographischen vollständig verzeichnet. Das sehr ausführliche Wörterbuch ist eine selbständige Arbeit und wild daher auch neben Schmellers Glossar seinen Werth behaupten; besonders die Präpositionen und Conjunctionen, bei denen Schmeller sich meistens begnügt die Stellen zu verzeichnen, sind hier sehr lehrreich behandelt. Aufgefallen ist mir, daß unter thegan abweichend von Schmeller ein Nom. Plur. thegan zweimal angesetzt ist; Schmeller behält Recht, thegan ist nur Singular. Ein mittelhochdeutsches Fem. zoln ist wenigstens bei Müller nicht zu finden, woher ist es hier genommen? Bekanntlich ergänzen und berichtigen sich die beiden Handschriften des Heliand gegenseitig in erfreulicher Weise. Welcher man im Ganzen den Vorzug gibt, wird von der Ansicht abhängen, die man sich über die Heimat des Gedichtes gebildet hat. Heyne verspricht nachzuweisen, daß das Gedicht im Münsterlande entstanden sei, und er glaubt, daß der Monacensis in der Sprache des Münsterlandes geschrieben sei, der Cottonianus dagegen sei zwar älter und besser, aber in einen andern Dialect umgeschrieben. Wir sind auf diese Ausführungen begierig, und freuen uns, daß endlich die Forschung sich diesem wichtigen Denkmal zuzuwenden verspricht. Obgleich ich selbst mir schon längst (denn schon 1833 habe ich unter Schmellers Leitung einen bescheidenen Antheil gehabt an der Ausarbeitung des Glossars) eine ganz andere Ansicht gebildet habe und beide Handschriften für Übersetzungen halte aus einem verlorenen angelsächsischen Originale, C. eine altniederländische, M. eine niederdeutsche, so bin ich mir doch wohl bewusst, daß diese meine Ansicht, so lange sie nicht ausführlich dargelegt ist, der eigentlichen Begründung ermangelt; die erwarteten Untersuchungen Heynes werden mir erwünschte Veranlassung geben, meine eigene Ansicht zu prüfen und dann entweder sie gegen die besserbegründete aufzugeben, oder sie meinen Studiengenossen umständlich zu empfehlen. A. HOLTZMANN.

HEIDELBERG, 7. Jan. 1866.

Paris, Gaston, histoire poétique de Charlemagne. Paris 1865, A. Frank. gr. 8. (XX, 530 SS.) 3 Rthlr.

Eine sehr gediegene in streng wissenschaftlichem Sinne gehaltene Arbeit, mit jener philologischen Akribie, die die Werke der jetzigen französischen Gelehrten von der Art und Weise, die früher in Frankreich bei litterarischen und historischen Arbeiten üblich war, zu unterscheiden pflegt. Der Verfasser, Sohn des bekannten Paulin Paris, hat sich durch mehrere dem Gebiete der romani

schen Sprachen angehörende Schriften bereits vortheilhaft bekannt gemacht. Vorliegendes Buch, seine erste umfangreichere Arbeit, kann die günstige Meinung, die wir von ihm hatten, nur bestärken. Er unterwirft zum ersten Male sämmtliche Quellen der Karlssage in den verschiedenen Litteraturen des Mittelalters einer gründlichen und eingehenden Kritik.

Die Einleitung behandelt zuerst in gedrängter Darstellung das Wesen und die Entwickelung der epischen Poesie im Allgemeinen, und geht dann insonderheit auf das altfranzösische Epos über, wie es sich in den Chansons de gestes uns darstellt, gruppiert um Karl den Großen, als den eigentlichen nationalen Helden und Mittelpunkt, betrachtet die hauptsächlichsten Gestalten, welche neben Karl mit Vorliebe behandelt erscheinen, so wie die metrische Form der Chansons de gestes, den Einfluß der altfranzösischen Epopöe auf die übrigen mittelalterlichen u. s. w. Wenn nun auch naturgemäß das altfranzösische Epos den Mittelpunkt des Buches bildet, so ist doch die Untersuchung keineswegs auf dasselbe beschränkt geblieben, sondern der Verfasser geht allen Verzweigungen des Stoffes bei allen Nationen nach; selbst bei den in directer Abhängigkeit vom Französischen stehenden Dichtungen sind doch alle thatsächlichen Abweichungen hervorgehoben und berücksichtigt. Im ersten der drei Bücher, in welche der Verfasser seinen reichen Stoff zerlegt hat, handelt er über die Quellen (S. 33-218), in welchen die poetischen Berichte über Karl den Großen auf uns gekommen sind. In chronologischer Folge gehend, bieten sich hier zuerst die im wesentlichen rein historischen lateinischen Dichtungen des 9. Jahrhunderts, von Angilbert, Ermoldus Nigellus etc. Die ersten sagenhaften Erzählungen finden sich bei dem Monachus Sangallensis: sie reichen bis in die Lebenszeit des Kaisers selbst hinauf, dessen wunderbare Thaten die Herzen mit Begeisterung erfüllten und dem historischen Volksgesange reichlichen Stoff darboten. Wenn, wie kein Zweifel nach den vorhandenen Zeugnissen sein kann, Karl schon bei Lebzeiten Gegenstand volksthümlicher Tradition, volksthümlichen Gesanges war, so knüpft sich an diese Thatsache die Frage, ob diese ältesten Gesänge in deutscher oder romanischer Zunge gedichtet waren. Auch Paris geht auf sie ein (S. 45); er findet für die Annahme deutschen Gesanges die Gründe überwiegend; gleichwohl nimmt er (S. 45) schon bei Lebzeiten Karls auch romanische Lieder an, die den Kaiser feierten. Mit Sicherheit wird sich die Frage, was das Romanische betrifft, wohl kaum entscheiden lassen, während die Annahme deutscher Lieder sich gar nicht bestreiten lässt; doch wollen wir nicht leugnen, daß es dem Verfasser gelungen ist, manches für die Existenz romanischer gleichzeitiger oder wenig späterer Lieder über Karl den Großen beizubringen halten hat sich von ihnen ebensowenig etwas, wie von den deutschen: nur ist die deutsche Poesie insofern günstiger gestellt, als uns ein glücklicher Zufall im Ludwigsliede ein historisches deutsches Lied wenigstens noch des 9. Jahrhunderts erhalten hat. Aber wie für die deutsche Heldensage im 10. Jahrhundert die lateinischen Dichtungen Waltharius und Ruodlieb hohe Bedeutung haben, so für die karlingische Sage jenes lateinische Haager Fragment des 10. Jahrhunderts, das Pertz in den Monumenten (SS. 3, 708-710) veröffentlicht hat und welches einen Kriegszug Karls gegen die Sarazenen behandelt. Wegen seiner Wichtigkeit hat auch Paris es im Anhange (S. 465-468) wieder abdrucken lassen. Es ist offenbar Prosaauflösung einer lateinischen Dichtung, und die originale Form in dem größten Theile des Fragmentes noch wiederzuerkennen und 15

GERMANIA XI.

Er

herzustellen. Paris hat einen Versuch mit wenigen Versen (S. 50) gemacht; wir werden bei anderer Gelegenheit versuchen, das Ganze zu restituieren. Wie nun Waltharius und Ruodlieb mit Recht zum Zeugnisse dienen, daß im 10. Jahrhundert die deutsche Heldensage Gegenstand des Volksgesanges war, so darf man das Gleiche auf Grund des erwähnten Fragmentes für die französischen Chansons de gestes behaupten. Eine Übersetzung deutscher Lieder erblicken wir im Waltharius nicht, vielmehr ist es eine freie Dichtung auf Grund deutscher Gesänge und der volksmäßigen Überlieferung, und nicht anders betrachten wir, zwar nicht das Haager Bruchstück selbst, wohl aber das lateinische Gedicht, auf dem es beruht. Wenn deutscher Geist durch das lateinische Gewand des Waltharius schimmert, ja sogar hin und wieder Formeln der epischen deutschen Poesie hindurch klingen, so beweist das nur, daß auch das Latein des 10. Jahrhunderts von deutschem Geiste beseelt ist, und ebenso steht es mit dem Haager Fragment gegenüber den Chansons de gestes. Nicht aber darf man es mit dem Bruchstücke einer lateinischen Übersetzung von Wolframs Willehalm zusammenstellen, wie Paris S. 51 thut.

Im dritten Capitel folgen die kirchlichen Legenden von Karl dem Großen, die Berichte über seine Canonisation, namentlich auch über einen ihm zugeschriebenen Zug in das heilige Land, der später Gegenstand besonderer französischer Dichtungen wurde. Mit dem vierten Capitel beginnt die Betrachtung der Quellen in den Volkssprachen: billig stehen als die reichsten und ältesten die französischen voran (S. 67--118), und unter diesen das werthvollste und älteste Denkmal, die Chanson de Roland. An diese schließt der Verfasser die der ersten Epoche der Chansons de gestes angehörenden Dichtungen, welche noch ausschließlich auf der Tradition beruhen, wenn sie auch nur zum kleinsten Theile in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten sind. Es sind die Gedichte, welche Kriege Karls zum Gegenstande haben, seine Feldzüge in Italien, gegen die Sachsen u. s. w., auf welche sich schon die Chanson de Roland bezieht und dadurch bezeugt, daß auch diese wenigstens schon im 11. Jahrhundert in französischer Gestalt vorhanden waren. Eine zweite Categorie in dieser ersten Epoche bilden Berthe, Mainet, Sibille, die in ursprünglicher Gestalt sämmtlich verloren sind; eine dritte eine Anzahl von Chansons de gestes, die Kämpfe Karls gegen seine Vasallen behandeln. Die zweite Periode umfasst die Dichtungen, deren Verfasser, um den halberstorbenen Sagen neues Leben zu verleihen, mit eigener Erfindung nachhalfen und ältere Gedichte der poetischen Form ihrer Zeit näher brachten, indem sie die alten Assonanzen in genaue Reime verwandelten, dadurch aber am meisten zum Untergange der Gedichte in ihrer ursprünglichen Gestalt beitrugen: von der Mitte des 12. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts währt diese Periode. Die dritte endlich ist die cyklische, die hauptsächlich auf meist willkürliche Ausfüllung der Lücken in dem Zusammenhange der Sage aus ist und, wie schon die vorige, ältere Dichtungen verjüngt und umdichtet. Nun folgt die Betrachtung der épopée provençale, wie der Verfasser diejenigen Dichtungen nennt, die auf südfranzösischen Traditionen beruhen. Erhalten hat sich in provenzalischer Sprache von den hierher gehörigen Dichtungen bekanntlich nur der Girart von Rossillon; aber die Existenz anderer ist mit Sicherheit anzunehmen und ihr Verlust in mehr als einer Hinsicht zu bedauern. Der dritte Paragraph ist den Prosaromanen gewidmet, der vierte den cyclischen Darstellungen, die, wie Philipp Mousket, auf Grund von Traditionen und Gedichten ein vollständiges Leben Karls des Großen geben; der fünfte

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