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oder reines Agrarland fordern einander gegenseitig. Und zwar muß in einem solchen Agrarlande der Großgrund. besig vorherrschen, denn Bauernwirtschaften liefern nicht so viel Ueberschuß, daß sie Millionenstädte füttern könnten; wie Bauer und kleinstädtischer Handwerker, so gehören Großstadt oder Industriebezirk und Latifundien-Wirtschaft zusammen. Entstehen Großstädte oder Industriebezirke, so müßen dafür entweder Provinzen desselben Landes oder ganze Länder zu Gunsten der Latifundien-Wirtschaft entvölkert werden." (Jentsch.) Das also wäre die „mittlere Linie", die Latifundienbesig und Großindustrie schließlich doch noch mit einander verbände, wenn auch zu keines Menschen Heil.

Welches sind nun aber die Mittel, die nicht nur die Gesamtheit unserer Bodenbau treibenden Bevölkerung in ihrem Bestande zu sichern vermöchten, sondern auch zugleich neue Quellen der Volkswolfahrt eröffnen würden und dem in Zukunft schwer bedrohten deutschen Volke die Möglichkeit böten, die seiner wartenden Pflichten sich und der Welt gegenüber zu erfüllen?

Die Antwort lautet hier furz und bündig: Eine Wiederaufnahme jener einzigartigen Kolonisation, die vor einem Jahrtausend begann, der wir die größere Hälfte des heutigen Deutschlands und die mächtigsten Hülfsmittel verdanken, und die erst zum Stillstand und Rückgang ge bracht worden ist durch die Tat der Zerreißung Deutschlands im Jahre 1866!

In dem früher Gesagten haben wir bereits zur Ge nüge angedeutet, in welchen Ländern diese Kolonisation durchzuführen sei. Klar ist nun, daß die Einbeziehung jener Rolonialländer eine tief eingreifende Veränderung in den übervölferten Gebieten des Westens zur Folge haben würde. Das Erste wäre ein Sinken der Bodenpreise, wodurch die heute langsam vor sich gehende Vergantung unserer überschuldeten Groß- und Kleinbefizer bes schleunigt würde.

Diese Leute auf ihren Gütern zu halten, stellen wir uns also nicht zur Aufgabe, - das wäre überhaupt eine unlösbare Aufgabe, sofern man nicht daran denkt, einen fortwährend steigenden Schußzoll einzuführen, aber wir fennen Mittel und Wege, zu verhindern, daß die von Haus und Hof Vertriebenen zum Lohnsflaventum hinabfinken oder ins Ausland wandern, um Waffen gegen jenes undankbare Vaterland zu schmieden, das sie gefühllos von sich gestoßen hat, wir wollen allen diesen in Deutschland Gescheiterten, ebenso den Hunderttausenden, die Jahr für Jahr der landbauenden und gewerbetreibenden Bevölkerung zuwachsen nnd die, weil sie alle nährenden Pläße bereits besezt finden, dazu verurteilt find, in die Fabriken der für den Weltmarkt arbeitenden Unternehmer zu ziehen, wir wollen ihnen allen eine neue Heimat bereiten, indem wir ihnen Grund und Boden und somit die Gelegenheit zu lohnender, gesunder Beschäftigung bieten.

Eine solche einheitlich geleitete, zielbewußte Kolonis sation würde in kurzer Zeit in dem durch seine Uebervölkerung totkrank gewordenen Westen Gesundung schaffen, fie würde alle überschüßige Volkskraft nach Gegenden hinLeiten, die am entgegengeseßten Uebel, an der Untervölkerung, kranken und durch das Heranwachsen mächtiger deutscher Siedelungen würde dann zugleich jener gewaltigen von Often her drohenden Gefahr der Ueberflutung Deutschlands durch die Mongolen-Russen ein unüberschreitbarer Damm gesezt.

Steuern und Bölle.

enn man nur ernstlich das Gebiet der Socialreform be tritt, so wird es einem sofort klar, daß ohne ein ge nügendes selbständiges Wirtschaftsgebiet überhaupt nich vorwärts zu kommen ist. An allen Ecken und Enden stöß man an in unserm unter den heutigen Verhältnissen so unzulänglichen Statswesen, und die Neuordnung der Steuerverhältnisse ist nun gar undurchführbar ohne den von uns verlangten Zusammenschluß Mitteleuropas. Die fort schreitende Einkommensteuer als die Grundlage eines wirk lich gerechten Statswesens würde sofort einen großen Teil der Vermögen außer Land jagen; unser Statenbund hingegen tönnte ohne Sorge zur Einführung dieser Steuer schreiten, da die außerhalb des Bundes bleibenden Staten durch das Vorgehen des Bundes geradezu gezwungen würden, ihr Steuerwesen dem unsern anzupassen.

„Der Gedanke einer internationalen Finanzpolitik“, sagt Herkner, ist mindestens ebenso berechtigt, wie der einer internationalen Arbeiterschußgesetzgebung." Und wir möchten dem ergänzend hinzu fügen, daß eine gesunde Finanzpolitit heute nur gedacht werden kann im Zusammenhang mit der Politik überhaupt. - Unter Internationalität ist in unserm Falle die Verbindung aller jener Völker oder Völkergruppen zu verstehen, die sich zu einem wirtschaftlichen Sichselbst genügen zu ergänzen vermögen. Damit soll aber nicht ges sagt sein, daß für dieses ganze Wirtschaftsgebiet eine ein heitliche, über einen Leisten geschlagene Gesetzgebung zu schaffen wäre. Im Gegenteil, gerade das Steuerwesen

verlangt die innere Selbständigkeit. der einzelnen: Länder, und wir finden heute die vergleichsweise beste Besteuerung in den kleinen Cantonen der Eidgenoßenschaft und den deutschen Kleinstaten, die schlechteste und ungerechteste aber in den centralisierten Großstaten, z. B. Oesterreich, Frankreich. Preußen hat bekanntlich erst vor Kurzem den An

lauf zu einer Beßerung genommen.

Was wir zu verlangen haben und wozu wir die Mitwirkung der Gesamtheit unbedingt brauchen, das ist die Feststellung gerechter Grundgeseße, deren Anwendung dann im Einzelnen sehr verschieden ausfallen kann. So wird beispielsweise die Summe, für welche Steuerbefreiung einzutreten hat, im Osten viel niedriger anzunehmen sein als im Westen, weil hier alle Lebensbedürfnisse kostspieliger sind.

Wir beginnen mit der Erklärung, daß die Einzelstaten mit der Einführung einer neuen Besteuerung in erster Reihe den Zweck verfolgen müßen, die heute auf ihnen lastenden, vorwiegend von der arbeitenden Bevölkerung getragenen Statsschulden abzustoßen. Es würde dadurch der Anfang gemacht werden zu einer Gesundung aller Verhältnisse des öffentlichen Lebens; es würde der doppelte Zweck erreicht, daß erstens der unheilvollen, alle gesunde Weiterentwickelung unmöglich machenden Ansammlung des Vermögens in den Händen Einzelner in Etwas vorgebeugt wäre und andererseits im gleichen Maße eine Stärkung des Mittelstandes und der ärmeren Volksschichten eintreten müßte. Wer nun, wie manche Kathedergelehrten, in dieser woltätigen Ausgleichung eine socialistische Enteignung sehen will, dem set entgegnet, daß die großen Vermögen der Millionäre und Milliardäre aller Gerechtigkeit Hohn sprechen, daß dieselben, wenigstens soweit es sich um die großen Vermögen der Börsenmänner handelt, doch im Wesentlichen durch unred. lichen Erwerb, d. H. ohne Arbeit und durch eine tatsächliche Enteignung des Volkes errrungen worden sind.

"In unsern Tagen", schrieb anno 1866 der Demokrat Gustav Struve, wird mehr von Schulden als von Schuld

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sespirchen. Doch die Zerrüttung der Finanzen ist meistenteils nichts anderes als die Folge einer tiefer liegenden sittlichen oder politischen Zerrüttung." Und wir meinen, haben frühere Geschlechter es für gerecht befunden, durch Statsanleihen das arbeitende Volk von heute zu Gunsten des nichtarbeitenden zu belasten, so ist wol faum ein Unrecht darin zu sehen, wenn dieses arbeitende und erzeugende Volk einen Teil des überschüßigen Vermögens des nicht arbeitenden Volkes verlangt, um jene zu Unrecht bestehenden Lasten abzutragen; dieses Streben ein socialistisches zu nennen, steht jedem frei, der die Wahrheit nicht hören will auf Ansichten und Wortgeklingel geben wir nichts. Wir wißen, daß die wahre und erfolgreiche Bekämpfung des revolutionären Socialismus nur möglich ist, wenn wir die berechtigten Førderungen der Armen erfüllen, wenn wir uns zum Wortführer einer wirtschaftlichen Gerechtigteit machen, während man heute leider so ziemlich das Gegenteil tut: alle Forderungen, und seien sie die berech tigtsten, abweist, weil sie angeblich socialistisch sind, und welche Forderung, die das Wol der Allgemeinheit im Auge hat, kann man hier hinein nicht klemmen während man dann andererseits statt mit Mitteln, die schöpferischem Geist entsprungen sind, mit Polizeimaßregeln kämpft. Muß hieraus nicht selbstverständlich statt der erhofften Versöhnung immer größere Verbitterung und Zwietracht entstehen?

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Der Kern der socialen Frage liegt eben in der so un Heimlich wachsenden Vermögensungleichheit, und wie man dieser Schranken zu sehen vermag durch die Kranken- und Altersversicherungs- und ähnliche Sparzwangsgeseße, das soll man erst beweisen. Diese Schranken können nur ent stehen, wenn der Stat endlich aufhört, sich als die Polizei. anstalt der oberen Zehntausend anzusehen, und wenn er sich seiner Pflicht erinnert, die ausgleichende Gerechtigkeit zu sein! Hat er erst einmal diese seine hohe, wahrhaft sittliche Aufgabe erfaßt, so wird er unwillkürlich dazu geführt

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