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und dies könne nur geschehen, wenn man die Religionskonzession, die Quelle aller in den letzten Jahrzehnten begangenen Exzesse, einfach kassiere. Von der vom Kaiser vorgeschlagenen,Erläuterung derselben durch überall im Lande zu verkündende Patente erwarte man sich keinen besonderen Erfolg. Sie würde als eine Bestätigung der alten Konzession oder als eine neue Assekuration angesehen werden und so bei den Katholiken böses Blut machen. Sobald einmal die Stände erklärt hätten, nur ihr Gewissen als maßgebend ansehen zu können, dann hälfen alle neuen Interpretationen nichts; sie würden nur neuerdings disputiert, skrupuliert und syndiziert werden und zu neuem Schriftenwechsel Anlaß geben.

Das Gutachten beschäftigt sich eingehend mit der Frage der Berechtigung zu dem beantragten Schritte. Die Religionskonzession, so wird hier ausgeführt, ist wider den wahren Glauben, in welchem nur ein Gott und eine Kirche anerkannt werden. Außerdem darf kein weltlicher Potentat eine Glaubensnorm aufstellen. Da die Konzession ohnehin schon unzählige Seelen ins ewige Verderben geführt hat, gäbe es kein anderes Mittel, die Verantwortung des Kaisers zu verringern. Auch das ist zu bedenken, daß bei unterschiedlichen Religionen eine rechte Politia' mit Gehorsam, Liebe und Vertrauen unmöglich sei. Die Juristen sind einhellig der Ansicht, daß der Landesfürst die seinen Untertanen, gar von einem Vorgänger, gewährten Privilegien ,ex certis causis' aufzuheben befugt sei. Dies um so mehr, als die Stände die Religionskonzession aus mehrfachen Gründen, aus eigener Schuld verwirkt haben.

Was nun die Folgen der Aufhebung der Konzession anbelangt, so wird zugegeben, daß sie anfangs ein schweres, hartes Ansehen' haben werde. Doch schon nach Ablauf eines einzigen Jahres wird Ruhe herrschen. Man hat dafür ein lebendiges Beispiel: Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich, der durch sein resolutes Vorgehen mit einem Schlag aller Importunität sich entledigte und die Stände dieser Länder derart ,zahm' machte, daß sie froh wären, wenn sie nur einmal im Jahre ihr Religionsexerzitium hätten. Umgekehrt besteht die Gefahr, daß die Unkatholischen Öster

reichs, wenn man hier nicht gründlich Wandel schafft, immer hitziger werden und ein neuer Aufstand ausbricht.

Das Gutachten bemüht sich sodann, nachzuweisen, daß gerade jetzt die beste Gelegenheit dazu da sei, den Schlag gegen die Protestanten auszuführen. Die Stände haben sich in der letzten Zeit starke Exzesse und Halsstarrigkeiten zuschulden kommen lassen, so die Gesandtschaft des Freiherrn von Hofkirchen an die auswärtigen Fürsten.143 Sie sind auch unter sich selbst zerspalten und einander aufsässig. Die eigentlichen Rädelsführer der ganzen Bewegung sind abgestorben und die unkatholischen Stände der beiden österreichischen Länder so schlecht aufeinander zu sprechen, daß sie sich gegenseitig mit Vorwürfen überhäufen. Der Einwand, daß jetzt während des Krieges mit den Türken der Zeitpunkt ungeeignet sei, ist nicht stichhältig. Gerade dies ist für sie ein günstiges Moment, denn in den Zeiten des Krieges rühret sich kein Mensch. Die Bestrafung der aufständischen Bauern ist der beste Beweis dafür, weil man die gegen den Erbfeind geworbenen Knechte bei der Hand' hatte. Zudem haben sie jetzt im Feldzuge solche Erfolge, wie noch keiner ihrer Vorgänger, und das wird den Protestanten sicherlich Vernunft geben. Eine Intervention der protestantischen Reichsfürsten aber ist nicht zu besorgen.

Auch das beliebte Argument, daß durch die Beseitigung der Konzession die Gewerbe zugrunde gingen, kann bei reiflicher Erwägung nicht Stand halten. Im Gegenteil: wo zwei oder mehrere Religionen nebeneinander bestehen, da sind Unfriede und Zerrüttung permanent. Und wenn die Protestanten mit dem Verlassen des Landes drohen, so ist dies-abgesehen davon, daß um sie nicht schade wäre keineswegs ernst zu nehmen. So ist aus Steiermark niemand nach Sachsen, obwohl dessen Kurfürst Einladungen hatte ergehen lassen, ausgewandert; sie sind leider nach Österreich gegangen, und schließlich, wenn auch die Menschen wegzichen, die Güter bleiben doch in ihrem esse'.

Die Durchführung der beantragten Maßregel hätte auf

143 Über die Gesandtschaft Hofkirchens im Sommer 1693 vgl. HammerPurgstall, a. a. O. 1, S. 212.

folgende Art zu geschehen. Der Kaiser möge aus jedem der beiden Erblande eine Anzahl von Landleuten, unter dem Vorwande, daß sie auf ihre Beschwerden einen endgültigen Bescheid erhalten sollten, nach Prag vorladen. Dort soll ihnen in Anwesenheit des Kaisers durch einen Herold seine Resolution vorgelesen werden. In derselben wäre ihnen zu sagen, daß sie sich bisher an keine mit der Konzession verbundenen Verpflichtungen halten, sondern ein völlig freies Exerzitium ihrem Gewissen gemäß,unrestringiert haben wollten. Weil nun der Kaiser eine derartige Erweiterung der Konzession nicht dulden könne, so sei er entschlossen, sie gänzlich aufzuheben. Daher ergehe an jedermann der Befehl, innerhalb Monatsfrist allen unkatholischen Gottesdienst und Unterricht gänzlich abzuschaffen. 144

Soweit das Gutachten der vom Erzherzog Matthias eingesetzten Kommission. Zwei Mitglieder derselben, der Freiherr von Meggau und Dr. Pichlmayr, überbrachten es persönlich nach Prag, wo es unerledigt liegen blieb. 145

Mittlerweile hatten sich folgenschwere Dinge ereignet, welche einen vollständigen Umschwung der Situation herbeiführten. Durch die auf Ungarn ausgedehnte Gegenreformation war dort unter der Führung des siebenbürgischen Adeligen Stephan Bocskay, eines Calviners, ein Aufstand ausgebrochen, der dadurch noch gefährlicher wurde, daß er wieder die Türken mit verstärkter Kraft auf den Plan rief.

144 Bericht und Gutachten des Erzherzogs Matthias,wegen des ganzen Religionswesens in Österreich unter und ob der Enns, und in specie die Aufhebung der Concession betreffend, de dato 2. Augusti ao 1604′. Das Original, vom Erzherzog eigenhändig unterschrieben, im Archiv des Ministeriums für Kultus und Unterricht. Khevenhüller (a. a. O. VI, S. 2782-2820) hat dieses Gutachten ohne Angabe des Datums, nach ihm auch Hammer-Purgstall (a. a. O., S. 384 f), der Khles als Verfasser bezeichnet, abgedruckt. Ein früheres Hauptgutachten der Kommission vom 20. Februar 1604 findet sich ebenfalls im Archiv des Ministeriums für Kultus und Unterricht (IV. A. 3). Ein noch früheres vom 20. Dezember 1603 erwähnt Hammer-Purgstall (a. a. O., S. 213). 145 Die Geheimräte erstatteten darüber dem Kaiser am 20. September 1604 ein Referat. Siehe Beilage II.

In dieser schweren Bedrängnis des Habsburgerreiches trat die Unfähigkeit des Kaisers zu raschen, durchgreifenden Entschlüssen elementar zutage und nötigte Matthias zu einem selbständigen Eingreifen. In dem Wiener Frieden vom 23. Juni 1606 machte er den Ungarn wichtige politische und religiöse Zugeständnisse, die naturgemäß auch auf die beiden österreichischen Länder zurückwirkten. An eine erfolgreiche Durchführung der von Matthias so eifrig betriebenen Religionsreformation in Oberösterreich war jetzt, da er in seinem Waffengange gegen Kaiser Rudolf II. die erbländischen Stände zu Hilfe rief, nicht mehr zu denken. Er mußte ihnen. vielmehr in der sogenannten Kapitulationsresolution vom 19. März 1609 eine Erläuterung der Religionskonzession gewähren, die tatsächlich einer Erweiterung gleichkam und alle die während Rudolfs Regierung von seiten der Protestanten geäußerten Beschwerden beseitigte.'

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Der evangelische Landhausgottesdienst und die adelige Landschaftsschule wurden wieder eröffnet und ein Schüler derselben, als Engel verkleidet, huldigte bereits dem neuen König, als dieser am 17. Mai 1609 in Linz feierlich empfangen wurde. Erst der Nachfolger des Kaisers Matthias, Ferdinand II., sollte das durch den Bruderzwist unterbrochene Werk der Religionsreformation zum Abschlusse bringen.

146 Bibl, Die katholischen und protestantischen Stände Niederösterreichs im XVII. Jahrhundert, im Jahrbuch des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich, 1903, S. 28 f.

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Beilage I.

Erzherzog Matthias an K. Rudolf II. 1600 Jänner 27. Wien.

Wien, Archiv des Ministeriums für Kullus und Unterricht. Original mit Siegel. Rückwärts Vermerk: F. Dt Erzherzog Mathias vom 27. januarii 1600. Gibt guetachten wegen des landtags und religionswesens ob der Ennß. E. 5. martii 1600.

Allerdurchleuchtigister grosmechtigister Römischer kayser, E. R. K. Mt sein meine gehorsame freindliche und bruederliche willige dienst alzeit zuvor berait. Genedigister frd. geliebter herr und brueder, auf E. K. Mt genedigist schreiben hab ich von dem landtshauptmann ob der Enns gueibeduncken abgefordert, auf was zeit der ob der Ensische landtag anzustöllen. Was er mir darauf schreibt, haben E. K. Mt hiebey gnedigist zu sechen. Nun ist die sach wegen der religion an ir selbst war, wie er schreibt, wan schon E. K. Mt vor dem landtag in der religion nichts fürnemen, das doch die landtleut (wie fernden auch gescheehen), es nit lassen, sonder selbst darmit herfür kumen und ir bewilligung darauf conditioniern und des auf E. K. Mt bey dero camergüettern ob der Eñs, also auch auf erzherzog Ferdinanten in Styr fürgenomen reformation und E. Mt den stenden under der Ens vergangen jahrs gegebne resolution und erleiderung desto mehr, weil sy darauss lautter vernemen, wie weit die concession zu versteen, und was E. K. Mt hinfüro nit gedulten, sonder abgestöldt haben wöllen.

Daher und aus des landtshaubtmans argumenden, insonderhait auch aus disen ursachen, das den stenden ob der Enns nichts mehres als denen under der Enns bewilligt worden, sovil weniger inen zur ungleicheit das exercitium und verdambung der catholischen religion, verhezung der underthonen wider die geistlich und weltlich obrikait zu Linz zu verstatten, das E. K. Mt hie zu Wien nit haben gedulden kinden, sy auch crafft der concession gemessnen innhalt in iren stötten und märkten zu leiden nicht schuldig sein. Und hat man inen noch das zu sagen, so sy nit widersprechen werden, das den landtleuten under der Ens die concession auf ein gemessne agende und vergleichung der ceremonien, ritum und kirchen ordnung beschechen, darauf die stendt ob der Enns auch gewisen worden. Sy die ob der Enser haben aber auf dato kain agenda und kirchenordnung, man sich auch mit inen kainer verglichen, vil

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