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das Bild abgeben eines Uranfanges, sondern des Ausgangs, ein Gemålde der Auflösung. Dasselbe Bild, wenn wir über den Polarkreis hinausdrin gen bis zu dem äußersten Kap, mit dem unser Europa dem Nordpol die Stirn bietet. Die Felsen am Nordkap auf Maggerd sind so mit braunem Moor bedeckt, wie die Höhen des Kids len, dort, wie hier, eine ununterbrochene Verwes fung, aus der nicht mehr die Natur aufathmen soll zu neuem Leben; kaum, daß es dem Men: schen gelingen wird, das einer todten Kultur hier zu begründen. Dasselbe Braun, nur mit gigantis schern Staffagen und einem majestätischern Hins tergrunde auf Island. So im Sommer. Im Winter schießt aus den ersten grauen Wolken eine weiße sanfte Decke auf die erstarrten Sümpfe und thürmt sich bald auf zu Bergen, welche die Frühlingssonne noch nicht zu schmelzen vermag. Der Himmel hat sich gereinigt und dann beginnt hier das Instige Nordlandsleben, wenn auch we nig oder gar nicht von der Sonne beschienen, Das Land wird jeht erst eben, die Wege fahr bar; heller funkeln die Gestirne und die glänzens den Nordlichter bringen einen magischen Schein in die trostlose Dürftigkeit des Daseins. Aber

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dem Winter, wie dem Sommer ist jener graue Charakter fremd, den wir nur im Zuge der Wolken oder jenem Alterthume zu suchen haben, das man vorzugsweise im Germanischen Norden das Graue zu nennen pflegt.

Die Gränzen der Lappmarken sind eigentlich so unbestimmt, als es ungewiß ist, wie weit die Lappen einst Skandinavien vor dem Eindrins gen der Gothen bewohnt haben. Nach der neuern statistischen Eintheilung geht die Provinz Jåm teland, von Kalstougan an, nördlich noch weit hinauf. Da erst beginnt die Asele-Lappmark. Und doch ist der größere nördliche Theil des gans zen Jåmteland ein fester Siß, wenn wir so bei Nomadenvölkern sprechen können, eigentlicher Berglappen. Fahr: und Fußwege hören schon bei Kalstougan auf; drüber hinaus nichts als Sümpfe, Seen und Hochfielder, zwischen denen nur hie und da eine Germanische Ansiedelung sich findet, und auch diese nur an schiffbaren Seen, welche die einzige Communikation gewähren. Des: halb heißt der große Strich vom 64sten bis zum 65sten Grade auch bei den Eingebornen: die Jåmteland Lappmark, wiewohl die Statistik diese Benennung nicht aufgenommen hat. Aber selbst

hier sind wir nicht einmal erst an der Gränze des Lappländischen Nomadenlebens, indem die Stämme dieses Urvolks noch viel südlicher, långs der Hochs fielder des Kidlen, bis tief hinunter in das wilde, unbesuchte Herjedalen lagern. Zweifelhafter wird die Grenze zwischen Ureinwohner und Schwe den, nach den Benennungen der Berge und Flüsse zu schließen. Zwar klingen Namen wie Anes: kúta, Areskúta und Kala eher wie Asiatischen Ursprungs, doch kann man sie auf Schwedische Wurzelwörter zurückführen, und Germanische Namen dringen so tief in die eigentliche Lappmark, als man kaum vermuthen darf, daß Gothische Stämme in die Sümpfe und Felsen des trauris gen Binnenlandes hinaufgedrungen sind. Eben so unwahrscheinlich, daß Lappländer wieder errun gen haben, was ihnen Gothen einmal entrissen hatten. Aber die Erörterung verliert sich in je: nes graue Dunkel, welches zu lichten dem Histos riker noch schwieriger fällt, als die Ungewißheit über die alten und ursprünglichen Wohnsiße der Germanischen und Slavischen Stämme im dft: lichen Deutschland. Auch bei uns geben die Orts: benennungen nur ein geringes Licht. Merkwürs dig aber bleibt es, daß durch das ganze südliche

Skandinavien auch kein einziger Name, der einen Lappländischen Ursprung verriethe, aus den offens bar Schwedischen Zusammenstellungen uns ins Ohr tönt.

Bei Sonnenaufgang standen wir gerüstet in die Wüste vorzudringen. Noch bedeckte ein Nebel die Gegend rings um, und wir gewannen heute erst Zeit, zu sehen, wie wir in Kalstou: gan mitten in einem Kessel schneebedeckter Pics geschlafen hatten. Gestern Abend hatte die Freude der Geselligkeit die Natur ganz vergessen lassen. Die Sonne beschien den Schnee. Die feinste Bergluft, wenig befreundet mit unserer leichten Kleidung, und die beiden Führer, bepackt mit uns seren nöthigsten Sachen, mahnten zum Aufbruch. Die Felleisen und das übrige Gepäck wurden durch Schwedischen Schuß, der hier beginnt, nach der Station, wo wir wieder die gebahnte Straße zu erreichen hofften, vorausbefördert. Von herz lichen Glückwünschen der Norwegischen Offiziere und Reisenden und der Einladung des Obristen Boye, bei unserer Heimkehr von den Wüsten, ihn auf seinem Landsiß zu besuchen, begleitet, ver: ließen wir den Gaard, wo uns der herzliche Sinn der Schwedischen Bauern in diesen nördlichen

Provinzen schon angenehm überrascht hatte. Uns schien das schlichte, offene Wesen des Jåmtelån: ders und seine Art, mit dem Fremden zu verkeh ren, weit einnehmender, als die des Norwegiz schen Bauern, bei welchem neben der Einfalt ein stolzer Sinn der Freimüthigkeit keinen so ange nehmen Eindruck zurückläßt.

Lappland wird eigentlich nur im Winter bes reist. Schlitten, mit Rennthieren bespannt, sind die einzige Art, wie der Fremde und der Einge borne die unermeßlichen Wüsten durchfegt. Nur Männer von so wissenschaftlichem Eifer, wie Wahlenberg und Buch, mögen auch im Sommer die offenen Moråste durchwaten, und die Schwärme von Insekten nicht scheuen, die den Körper übers decken und die Thiere wahnsinnig machen. Müh. seligkeiten und Anstrengungen sind zu überstehen, welchen der Mann nur in gewissen Jahren der Kraft trohen kann, für Damen ist es durchaus unmöglich, in diese Gegenden zu dringen. Selbst die Norwegischen Pferde, welche durch alle hoh: len Sumpfwege des Kidlen: Abhanges sich und uns hinaufgetragen, können hier nicht mehr Fuß fassen in den ununterbrochenen Moråsten. Es müssen nicht allein Norwegische, sondern Zauber:

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