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vor, daß man daselbst vier bis sechs Stunden die Pferde vorausbestellen muß, indem sie aus meilenweiter Entfernung herbeigehohlt werden.

Auch der Deutsche Rest unserer nordischen Reisegesellschaft sollte sich noch mitten im Lande trennen. Dies geschah zu Werid, der Haupts stadt von Kronobergs:Lån. Ich mußte von dort allein voraus nach Ystad eilen, um das nächste Dampfschiff zu treffen, während meine Gefähr ten noch einen kleinen Seitenabstecher nach der Blekingenschen Seeküste unternahmen. Doch führte uns noch ein gemeinsamer Zweck abseits in das freundliche Werid. Der berühmte Dich: ter der Frithiofssaga, Tegnèr, residirt hier in seinem Bischofssike. Es ward uns weder schwer, diesen, noch den zeitigen Innhaber, zu finden. Uns empfing eine starke, große Gestalt. Der wahre Dichter war am geistreichen Blick nicht zu verkennen. Uebrigens litt Doctor Tegnér in dem Augenblick leider an einem Katarh, und es ist immer übel, wenn ein berühmter Mann den Katarh hat.

Vierzehntes Kapitel

Nacht und Mondenschein. Einsamkeit. Stille. Sicherheit. Kälte. Ein Wagensturz. Schonen. Eine andere Natur, ein anderes Geschlecht. Leibeigenschaft. Ystad. Das Dampfboot. Greifswalde.

Schwedische Nächte möchte ich ein eigenes Kas

pitel meiner Reise überschreiben; so viele Reize hatten die Nächte, welche ich auf dem Wagen durchwachte. Die Einsamkeit, schon am Tage der vorherrschende Character dieses Nordens, er: schien dann potenzirt. Aber wer vermag eine Negation zu schildern? Wer will eine Todtens stille durch Worte ausdrücken? Ich bekenne, daß wohl bei nächtlichen Reisen durch Deutsche Wålder eine gewisse Bangigkeit die von der spås ten Tageszeit aufgeregte Phantasie überschlich. Ich suchte die Geselligkeit. Bei einer nächtlich einsamen Fußwanderung durch den Westerwald,

wie erfreulich scholl da dem Verspåteten einst Lühows wilde Jagd entgegen, in deren Sångern

er Gymnasiasten aus Weßlar erkannte. Die ver: fallenen Burgen im Mondlicht, bald verborgen, bald enthüllt von den vorüberziehenden Regen: wolken, blickten so schaurig hinab auf die dde Landstraße, daß die Deutsche Heimath weit in eine unheimische Nebelferne entrückt war. Wie ganz anders war dies Gefühl in Schweden! Hunderte von Meilen entfernt von der Heimath, konnte auch nicht das geringste bange Gefühl den Verspäteten beschleichen. Ich verließ um Mitternacht Wagen und Reisegefährten und ging weit vorauf in die helle Nacht, unbekümmert, ob sich das Geräusch der Nachkommenden nicht verliere; selbst ein Abirren vom Wege, was auf lange Zeit und unangenehm getrennt håtte, konnte keine Besorgniß einflößen. Die Schatten der Büsche mochten sich über die Straße bewegen, der Beherzteste steht sonst wohl still oder rüstet sich gegen den Rest der Ammenfurcht, ehe er den Fuß hineinseßt, um schnell wieder drüber hin: aus zu kommen. Hier nichts davon. Die unz geheure Einsamkeit hatte etwas Erhebendes.

Ist schon die Natur am Tage hier größer

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als der Mensch, in der Nacht tritt sie in ihrer ganzen stillen Wunderkraft heraus. Es war et: was Zauberartiges, wenn wir durch die weiten Flächen dahin rollten, und wozu uns Anfangs der Mangel an Zeit nöthigte, wählten wir spås ter aus Lust. In Gebirgen entfaltet eine Mond: nacht überall wunderbare Reize durch den grellen Wechsel der lichten und dunklen Massen. Eine einzelne Kiefer auf dem Gipfel greift mit ihrem Schatten in weite Gründe; das Dunkel der Schluchten verbirgt, gegen die lichten Höhen gehalten, ganz andere Geheimnisse, als das duftige Grün einer Tagesbeleuchtung zeigt. Aber nicht das Gebirge, die monotone Ebene war es, umwölbt vom kla: ren, nordischen Horizont, die so zauberhaft zum Gemüthe sprach. Ein ununterbrochenes Schweiz gen ruhte auf den weit ausgedehnten Feldern, kein Nachtgevögel, nicht einmal die Fledermaus, flatterte auf. Der Mond badet sich in dem fals ten Wasser, und die ganze nordische Vegetation streckt ihm die Häupter entgegen. Ein Birken: wald in solcher Mondennacht gewährt eines der schönsten, ätherischen Schauspiele. Es sind nicht die blendend weißen Stämme, welche Geister: Erscheinungen vorstellen sollen. Diese beschränk

ten Gespensterphantasieen verschwinden in einer so großartigen Nacht, wo die ganze Natur Geist ist. Es ist der kühne, stolze Bau jedes einzelnen Baumes, wie er seinen Gipfel hinaufschießt ins lichte Blau. Das zarte Laub der äußersten Zweige spielt mit der glänzenden Luft. Es ist keine Trauer, es ist keine Freude in der weiten Natur, aber eine Klarheit, eine Sicherheit, eine Größe, die den Geist erhebt.

Wie hell flimmern die Gestirne, wie vers råth der hohe Stand des großen Båren am Ho: rizont die nördliche Höhe. Fast keine Nacht vergeht, wo nicht ein Meteor sichtbar wird; we: nigstens schießen lichte Sternschnuppen am blauen Gewölbe pfeilschnell nieder. Aber es ist Herbst geworden, und die Nebel dampfen auf dem Wasserspiegel. Der Mond, wenn er hinter ihnen aufsteigt, ist blutroth gefärbt. Auch aus den tie: fern Wiesengründen quellen sie empor, und die Karren rollen durch ein Meer von feuchtem Dampf, daß das Pferd vor uns zu ertrinken scheint und die hinter uns kaum mehr als un: fern Kopf entdecken. Wie hundertfältig bricht sich der Mondenstrahl in diesen Dampfwolken, wie saugen sie dort in der Ferne sein Licht ein,

daß

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