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doch Gustaf III. beförderte zu seiner Zeit das Aufblühen der Schwedischen Literatur. An dies ser Beförderung krankt Schweden aber noch jeķt; die Französirende Richtung, die Academie und das ganze Unwesen, was wir alle kennen, wenn wir es mit dem Namen des modernen Klassischen bezeichnen, schreibt sich von daher, wie denn Unterrichtete selbst eine völlige Um: wandlung des Nationalcharakters, und nicht zu seinem Vortheil, von der Regierung dieses kråf; tigen und talentvollen Königs datiren. Unrecht haben die Klagenden aber auch jeßt, denn die Dichteracademie besteht noch immer und in vol: ler Königlicher Ehre. Wo verleiht man heut den Dichtern, weil sie dem Lande Ehre bringen, Orden, ein Verfahren, das ich übrigens deshalb noch nicht als das empfehlenswertheste, um der Poesie aufzuhelfen, anführen will. Seraphinens ritter bilden die Schwedische Academie; wer sich hervorthut, daß ihn die Nation auszeichnet, kann auch auf Auszeichnung vom Throne rechnen. In Stockholm braucht man nach decorirten Dichtern nicht zu suchen, die Orden begegnen uns auf der Straße. Bahnt doch häufig der Ruf als Dich: ter dem Ausgezeichneten den Weg zu höhern

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Stufen in seinem anderweitigen Stande, wenn er auch unmittelbar wenig mit der Dichtkunst zusammenhångt wie z. B. der Geistliche. Ward doch ein junger Professor, weil er ein tas lentvoller Dichter war, zum Bischof ernannt, und, wiewohl er ein ganz guter Professor gewes sen und vielleicht ein noch besserer Dichter, ist man doch nicht überall der Meinung, daß er des: halb auch ein vortrefflicher Bischof sei. Die. Scheu Deutscher Collegien vor den sogenannten „Genies" findet hier nirgends statt. Man hålt das „Erweckt sein“ für etwas Gutes. Man freut sich des Talentes, und wo es sich selbst gelten macht, wird es berücksichtigt. Auch in dem ver: wandten, obgleich so ganz verschiedenen Dånemark hat die Kunst sich einer ähnlichen Auszeichnnng zu rühmen, und der uralte Danebrog prangt an der Brust so mancher Ehrenmånner, von de nen man anderwärts nicht begriffe, in welcher Verbindung der Staar mit ihnen steht, da sie nie für ihn das Schwert gezogen oder die Feder geführt in seinen Akten.

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Gegründeter scheint eine andere Klage: die Theilnahme des Publicums wåre so gering, daß eine Literatur gar nicht bestehen könne. Man

liest in Handbüchern von Schweden, die wenig sten Artikel des Buchhandels trügen so viel ein, um die Druckkosten zu decken. Das mag håu: fig, wie anderwärts, auch hier der Fall sein, da aber Papier und Arbeitslöhn wohlfeil sind, kann schon ein kleiner Absah reinen Gewinn bringen. Auf diese Weise hålt sich in Scandinavien eine unverhältnißmåßig große Anzahl von politischen Journalen. Daß der Druck gut wåre, kann man dafür nicht behaupten, und wer schon in Deutsch: land über die geringe typographische Schönheit klagt, darf, wenn er Schwedische Bücher ansieht, wieder zufrieden werden. Ein unangenehmer Geruch von Hammelfett, wahrscheinlich vom Paz pier, macht sie meist auf die erste Berührung kennbar.

Aber aufmunternder als die Gunst der Ho hen und die Theilnahme der Menge ist für die Literatur jener Characterzug, den man Eitelkeit oder Vaterlandsstolz nennen mag, der - ent: springe er aus der trüberen Quelle der Selbst: sucht oder aus einem heiligern Gefühle - für das Ganze nur wohlthätig wirkt. Man will · zeigen, daß man eine Literatur hat, man will zeigen, daß man daran Theil nimmt. Hier

find die Characteré des Deutschen und Schweden. polarisch getrennt. - Sind wir denn eigent: lich stolz auf die unsere? Wir geben uns Mühe, es zu sein, Niemand bemerkt aber eher, wenn diese Anstrengungen lächerlich werden, als wir selbst; und wenn etwas besser ist bei unsern Nachbarn, wir sind die ersten, die dies aufges funden haben. Wir nehmen auch Theil an un serer Literatur, denn dem Deutschen ist der wahre Sinn für das Schöne, die echte poetische Empfänglichkeit nicht abzusprechen - aber wir lassen es nicht laut werden, aus Furcht, parthei: isch zu erscheinen. Oft müssen uns erst Fremde auf das Ausgezeichnete bei uns aufmerksam machen, uns die Ueberzeugung in die Hand geben. Endlich, der Deutsche liest seine Schriftsteller, aber er hålt es für unnöthig, ihre Werke eigen zu besißen.

In Schweden durchaus ́umgekehrt. Der Dichter dichtet für die Nation und deren Ehre, nicht für den Genuß des Einzelnen. Jeder gez bildete Schwede weiß die Namen seiner Dichter, die bekannt geworden sind, auswendig, wenn er auch kein Wort von ihnen gelesen hat. Er wird sie dem Fremden, der Antheil verråth, vorzählen

und lauschen, ob er nicht etwas zum Lobe hdren könne. Dabei kommen wohl fabelhafte Berichte zum Vorschein, wenn es gilt, dem Ausländer Achtung vor dem Vaterländischen einzuflößen, So kann man gewiß sein, daß ein großer Theil der Nation die Reisebeschreibungen der Ausläns der durch Schweden lies't, aber wohl nur dieje: nigen wird man allgemein gerühmt hören, welche mit Lobe des Gesehenen und Erfahrenen erfüllt find. Die Zahl der Producenten ist nicht groß, aber um den Parnaß zu füllen, ist man nicht streng in der Kritik. Mit Vergleichungen zu den Meistern des Auslandes ist man bereit. Endlich kauft man und hat glänzende Büchers schränke. Das Ausgezeichnetste, d. h. was Auf: sehen gemacht hat, befindet sich auf den Tischen jedes Gebildeten, und wenn er es auch nicht liest, so ist es doch Nationalsache, es zu besißen *).

* Sene schamlose Bücherleih wuth, in Deutsch. land so gång und gåbe, habe ich daher nirgend gefunden. Jedermann würde, wie in England und Frankreich, errdthen, sollte er den Autor angehen, daß er ihm sein Buch leite, weil schon der Patriotismus fordert, daß der Gebildete durch eine so geringe Ausgabe wie Selbstankanf

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