Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

pferde der alten Paladine aus den Romanzen sein, um über die vielen Ravinen und tiefen, schroffen Felsspalten, welche unversehens in diefen Sümpfen klaffen, wegzusehen.

Was das Uebelste war, wir hatten uns wenig auf eine Fußreise und am wenigsten auf eine solche vorbereitet. Schon die Reitparthie den Kidlen hinauf hatte uns gelehrt, daß die besten Stiefeln nicht das Wasser abhielten. Im Abgleiten von den scharfen Steinen zerrissen sie bei jedem unsichern Schritt. Schuhe mit Ries men an den Füßen befestigt, schienen daher zu dieser Wasserpromenade am geeignetsten. Da es fehr unangenehm ist, das Naß beståndig an den Füßen zu fühlen, hatte ich, auf gut hochländisch, die Strümpfe ganz ausgezogen und die weiten Beinkleider bis über das Knie aufgekråmpelt, eine Vorkehrung, welche das Marschiren sehr ers leichterte und mir den Vortheil gewährte, bei jedem Ausruhen sogleich etwas Trocknes auf die Füße ziehen zu können. Kaum zweihundert Schritt vom Gehöfte rechtfertigte sich die Vor: ficht. Hinter einer Höhe starrte uns ein ausge dehnter tückischer Sumpf entgegen, über welchen kein anderer Pfad nach der gegenüberliegenden

[ocr errors]

führte, als mitten durch seinen Schlamm. Die errungene drüben bot keinen Trost. Eine uns absehbare Moraftfläche vor uns und über das Braun der Haide strichen graue Regenwolken.. Die Führer zeigten einen hohen Berg als die Mitte des Weges bis Eisingen. Er schien nicht entfernt, aber jeder Schritt im Morast zeigte uns, wie trügerisch diese Berechnung sei. Anfänglich tanzte ich im Vorder: Reigen; je müder aber die Glieder wurden, um so tiefer versank der Körper im Morast. Wenn auch schon ermattet, 'man scheuete keinen Umweg, um nur eine kleine Strecke auf trockenem Boden zu gehen, obwohl der Schmerz nachher desto empfindlicher wurde, wenn die Füße dann wieder aufs neue in den offenen Moor plumpen mußten. Was wollte eine Walter Scott'sche Haide oder gar eine Maria Stuarts Sehnsucht nach

,,des Hochlands bergigen Haiden"

gegen diese gråßliche braune Eindde an der Grenze der Cultur, und höher als alle Cultur, ja sogar höher als die Vegetation, bedeuten. Nebel die Hülle und die Fülle, aber selbst die Hirsche konns ten nicht vor den Ossianischen Geistern stußen, erstens weil es diesen leßteren hier zu feucht und

kalt gewesen wäre es lagen ja kaum einige bemooste Steine im Sumpf, wo der Mensch sich håtte hinsehen und ein trockenes Frühstück ein: nehmen können — zweitens, weil es hier keine Hirsche giebt. Also durchaus kein Boden für Helden: und Novellen Poesie, wo keine Menschen sich hin versteigen und nicht einmal die Geister und das liebe Vieh es aushalten.

Zwei deutsche Wanderer sollen einmal, wie die Führer erzählten, sich in diesen Höhen vers uneinigt und getrennt haben. Der eine, der den Führer bei sich behalten, kam nicht wieder zum Vorschein, man meint, daß dieser ihn in irgend einer Schlucht ums Leben gebracht. Den tückis schen Schluchten trauen wir alle mögliche finstre Mordthaten zu. Aber die Geschichte klingt, ob gleich wir Novellen schreiben, unwahrscheinlich, weil die guten Leute hier durchaus nicht auf das Mörderhandwerk eingerichtet sind. Die Ravinen öffnen sich dagegen so unerwartet zu den Füßen der Wanderer, daß jeder Schritt im dichten Nes bel der Schritt ins Grab sein kann. Man ar: beitet sich mit Hånden und Füßen durch die Felsspalten und sucht sich an schroffen Wånden gemsenartig die Vorsprünge, um im Zickzack hin:

unter zu kommen. Jeder Fehltritt ist der Tod. Doch giebt es allerdings auch Mörder und Mord: thaten in den Nebelhöhen. Wölfe versteigen sich zwar selten so hoch sie fånden hier zu wenig Beschäftigung - aber der ungesellige Bår wühlt sich gern in den Moråsten und murrt hier mit der Natur. Er frißt die süßen Beeren und fållt auch wohl zweibeinige Geschöpfe an, die ihm der Zufall in den Weg führt. Von Einhörnern habe ich nichts gehört; auch das Elend wird fast schon zum fabelhaften Thiere, so selten erscheint es in den Waldungen. Eine bedeutende, auf seine Er: legung gesetzte Strafe schüßt das schöne kräftige Thier nicht vor muthwilliger Verfolgung. Von seiner Jagd erzählt man sich Wunderdinge, nicht unähnlich jenen Fabeln des Cåsar über seinen Fang in den Germanischen Urwäldern. Bei ihm haben die starken Thiere keine Gelenke und leh: nen sich, um zu schlafen, stehend an gewisse Bäume. Unsere Teutonischen Altvordern kennen diese Bäume und sågen sie am Abend vorher durch; wenn das Thier sich alsdann anlehnt, fällt es mit dem sinkenden Baume um und kann nicht wieder aufstehen. So schlau waren unsere Ahnen, um das Elend einzufangen. Nach nordischen

Jagdberichten wirft es sich, wenn es auf den Schneehöhen zuleßt in die äußerste Enge getrie ben ist, vor seinen Verfolgern nieder und fleht gewissermaßen um Gnade. Beides hängt vielleicht mit einer Gewohnheit der Elendthiere zusammen, welche man in den Ostpreußischen Wäldern an den wenigen Resten dieses Germanischen Urein wohners bemerkte. In tief morastigen Gegenden, wo es einzusinken fürchtet, wirft sich das Thier auf die Seite und schiebt sich, mit allen vier Pfo: ten und dem Leibe arbeitend, über die gefährliche Stelle. Ein Schwedischer Officier vom Genie: Wesen soll die Kraft und Schnelligkeit der Elends thiere vor allen vierfüßigen so hoch angeschlagen haben, daß er einen Plan entworfen, sie zum Militairdienst zu zähmen. Eine Compagnie reis tende Artillerie auf Elendthieren sollte Unglaub: liches leisten können. Schon die nöthige Anzahl herbeizuschaffen, würde heut eine unübersteigliche Schwierigkeit sein.

Von einem andern fürchterlichen Raubthiere, welches den Schwedischen und Norwegischen Ans Fiedlern ungeheuern Schaden bringt, waren wir so glücklich, ein Exemplar zu erschlagen. Der Lemming, eine gelbgraue Raße, überfällt in Heers

« ZurückWeiter »