Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

immer reicher fliesst; es ist die österreichische Chronik des Kärntner Pfarrers Unrest. 1

Das Werk ist längst bekannt und benützt, in seinem ganzen Gehalte und Werthe jedoch viel zu wenig gewürdigt worden, ja auch die eigenthümliche Darstellungsweise des Chronisten fand nicht jene Beachtung, die ihr ohne alle Frage zukommt, obschon ein gewiegter Kenner der Historik, Creuzer, in seiner Abhandlung über die ,historische Kunst der Griechen' zweimal den naiven, schlichten und eben darum so anschaulichen Styl Unrest's als charakteristisches Beispiel anzieht und darin etwas von herodoteischem Geiste zu verspüren glaubt. 2 Kritische Aufmerksamkeit hat man zunächst der Kärntner Chronik desselben Verfassers gezollt, weil diese Arbeit -,dem Adel (Kärntens) zu Ehren abgefasst und ,aus etlichen Chroniken auf das kürzeste entworfen' eine ganz eigenthümliche Mischung von geschichtlicher Wahrheit, Sage und Erfindung darbietet, für welche man allerdings in letzter Linie nicht Unrest, sondern seine Quellen verantwortlich machen. muss, die ihn jedoch für die Geschichte des Kärntnerlandes bis zu dessen Vereinigung mit dem Besitzstande der Habsburger (womit auch diese Chronik schliesst) wenig verlässlich macht und eben deshalb ein kritisches Verfahren herausfordert. 3 Und doch wie dankbar müssen wir ihm auch für das hier Gebotene sein; der ausführliche Anhang über die alten Grafengeschlechter, Stifter und Edelleute des Kärntnerlandes allein macht Unrest's Kärntnerchronik unentbehrlich. Dazu tritt das treue, gemüthvolle Streben, der Vergangenheit gerecht zu werden, das biderbe Gepräge seiner Schreibart, deutsch in Gedanken und Worten.

Unrest bemerkt gegen Schluss der Kärntner Chronik, man fände die weitere Geschichte des Landes, vorzüglich in den Tagen Kaiser Friedrichs III., gründlich beschrieben in der österreichischen Chronik'. Er selbst verweist somit auf dieses Werk, das, in dem uns gedruckt vorliegenden Haupttheile, die Kärntner Chronik an Umfang mehr als um das Vierfache übertrifft. Schon diese Andeutung legt nahe, dass Unrest die österreichische Chronik vor der kärntnischen abfasste, oder zum mindesten theilweise niederschrieb und in dieser Annahme bestärkt uns auch der Umstand, dass er sie als sein Hauptwerk ansah, dass er ferner hier und

nicht in der Kärntner Chronik seiner selbst als Geschichtschreibers gedachte.

Wir haben angedeutet, die österreichische Chronik Unrest's, wie sie uns in ihrem einzigen Abdrucke vorliegt, sei nur der Haupttheil eines grösseren Ganzen. Der Titel des Abdruckes 5 deutet dies schon an; noch beweiskräftiger sind jedoch zwei Stellen, deren eine zu Anfang, die zweite gegen Ende der abgedruckten Chronik sich findet, überdies von dem Verfasser und den Beweggründen seiner Geschichtschreibung handelt.

Die erstere Stelle lautet: Hertzog Leopold (III) Hertzog Albrechts Prueder, der gewang (gewann) vier Sun, als in der Coronickhn oben an der rechten stat geschriben stet und doch von den zwain sun, Hertzog Fridreichn und Hertzog Ernst, nicht ganntzlich geendet. Darumb hab ich hye widerumb von dennselben zwain an ze schreiben. 6

Nicht minder bezeichnend lantet die zweite Stelle, deren anderweitigen Bedeutung wir später gedenken wollen:

So aber die Zeit verfleust alls das Wasser und des Menschen Gedechtnuss vergeen (!) mit der Glocken Donn (!), hab ich Jacob Vnrest, der minst Pharrer in Kerndtn, als ein Inwoner seiner kuniglichen Maiestat Erblanndn in meiner Einfallt gedacht, was in Schrifft kumbt, bleibt lennger dan des Menschn gedachtnus wert und hab bedacht die Raittung (Rechnung) von der muessign zeit und hab nach der alltn Cronikn des loblichen Namens und Stammes der furstn von Osterreich an Hertzog Ernstn vater, kunigs Maximilians vranherrn widerumb angehebt und furan geschriben auf die zeit, alls vil ich der geschehener ding underricht pin gewesen und meiner vernunfft müglich, vertraw das auch hinfür zu thun, so lang mir got mein lebn vergan (!), guettn lewttn zu Ern. Ob aber yemanntz (!) ain Misualln daran hett und mir zu Torhait mess, der gedenck, das die kunst keinen veindt hat, dann der ir nicht kan."

Beide Stellen thun somit in überzeugender Weise dar, dass Unrest eine allgemeine österreichische Chronik von der ältesten Zeit an verfasste; in dem vorlaufenden Theile die ,alte Chronik des löblichen Namens und Stammes der Fürsten von Oesterreich bis zur Geschichte der zwei Leopoldiner: Friedrich IV. von Tirol und Ernst des Eisernen, Inneröster

reichs Gebieter, niederschrieb und sodann im zweiten, dem Haupttheile, die Geschichte seiner Zeit, im Anschlusse an den Lebensabriss der genannten beiden Fürsten, zu verewigen beschloss.

Diesen inneren Beweisgründen tritt ein äusserer von massgebendem Gewichte an die Seite; die Beschaffenheit der von Hahn selbst benützten und bisher einzig bekannten Handschrift in der k. Bibliothek zu Hannover. Der bezügliche Codex zerfällt in drei Stücke. Das erste, f. 1-25, umfasst die Kärntner Chronik, das zweite, f. 27-32, das Bruchstück einer bisher nicht edirten ungarischen Chronik, als deren Verfasser wir gleichfalls Unrest annehmen müssen, das dritte und grösste endlich, f. 33-137, bietet die österreichische Chronik. "

Der Anfang fehlt; dies beweist nicht nur der augenfällige Umstand, dass die erste Seite etwas verschmutzt aussieht und demnach das ganze Stück ursprünglich ein Ganzes für sich ausmachte, die vorhergehenden Blätter einbüsste und nachträglich in diesem verstümmelten Zustande dem Codex eingefügt wurde, sondern noch schlagender erhärten dies die Eingangszeilen, die nur als losgerissenes Stück angesehen werden müssen und folgendermassen lauten: 10,(A)ls man vor In der Oesterreichischn Coronikn list von Herczog Rudolffen und doch sein geschlacht nicht gar verenndt ist hab ich an Im widerumb angefanngen vnd aus ainfaltigem synn fur an geschriben von dem Hochgeborn geschlacht von Oesterreich vnd von ettlichn lauffn zu den zeyten geschehen. Ob ich mich aber In meinem schreyben In ainem oder mer stuckhn vergessen hyet daz ist meiner ainfeld schuld vnd soldt Nyemants In vbel zugemessen noch mir für geuar peweist werden; darumb pitt ich alle die mein ticht hern sehen oder lessen vnd hab (heb) an hertzog Rudolffen an, darvon Ir oben auch gelesen habt. Diese Zeilen, welche Hahn ohne bezügliche Bemerkung ganz weggelassen hat, stehen mit den oben citirten in innerem Zusammenhange und lassen nicht. leicht einer andern Auffassung Raum.

Hahn hat noch eine zweite, längere Stelle der Handschrift (f. 66) weggelassen, da dieselbe das, ausser aller inhaltlichen Verbindung stehende, Bruchstück einer Friedenshandlung enthält, doch bemerkt er S. 631 seines Abdruckes: Hic desunt nonnulla. Wir haben es also mit einer bedauerlichen Lücke

der Handschrift zu thun, welche auch durch das, was bei Hahn weggelassen und hier anhangsweise veröffentlicht erscheint, nicht ausgefüllt wird. Zwischen f. 127-128 (vgl. Hahn's Abdruck S. 779) scheint ein Blatt ausgefallen zu sein. Doch zeigt sich kein sinnstörender oder sachlich verkürzter Textgehalt.

Eine Vergleichung der Handschrift mit dem Abdrucke bei Hahn ergibt, dass Letzterer ziemlich genau dabei vorging, die oben berührten Weglassungen und einzelne Versehen abgerechnet, deren anhangsweise gedacht werden wird. Dort kömmt auch die äussere Beschaffenheit der Handschrift, ihr muthmassliches Alter u. s. w. zur Sprache.

[ocr errors]

Es könnte jedoch wie dies auch von einer und der andern Seite geschah 12 die Auffassung Platz greifen, der in unserer Handschrift fehlende und desshalb im Abdrucke Hahn's nicht vorkommende Anfang der österreichischen Chronik Unrest's sei nichts anderes als dessen Kärntner Chronik. Der genauere Einblick in den Schluss derselben lässt jedoch, abgesehen von den anderweitigen Gegengründen, diese Auffassung als unstatthaft erscheinen, denn in der Kärntner Chronik ist nur von Herzog Friedrich IV. als Erwerber Tirols, von seinen Brüdern jedoch eben so wenig als von den Söhnen Leopold's III. die Rede, 13 was doch der Fall sein müsste, wenn die oben angezogene Stelle Unrest's (S. 538 des Hahn'schen Abdruckes) einen Sinn geben soll. Ueberdiess erscheint die Kärntner Chronik in ihrem ganzen Wesen und Gepräge als Spezialgeschichte des Landes Kärnten, während die österreichische Chronik einen allgemeinern Charakter an sich trägt.

Dass uns im Abdrucke nur dieser zweite Theil der österreichischen Chronik geboten wird und ebensowenig bisher in Handschrift zum Vorschein kam, braucht uns nicht viel Bedauern zu entlocken. Die vorlaufende ,alte Chronik der Oesterreicherfürsten konnte nichts anders sein, als eine kurze Compilation, vorzugsweise ein Excerpt aus dem allgemein benützten Werke des sog. Mathäus oder Gregor Hagen, der eine Chronik von Oesterreich bis zum Ausgange des XIV. Jahrhundertes schrieb, für die älteste Zeit voll haarsträubender Fabeln, die aber, wie so oft, gläubig nachgeschrieben wurden. Spuren davon lassen sich auch da und dort in der Kärntner Chronik unseres Unrest merken. 14

Unrest's Hauptaufgabe war, die Geschichte seiner Zeit, die Herrschertage K. Friedrichs zu schildern. Das deutet er in der Kärntner Chronik an, davon spricht er in dem zweiten Werke an einer und der andern Stelle; dafür gibt die österreichische Chronik selbst in ihrem Gefüge und Gehalte das beste Zeugniss.

So

Um für diese Hauptaufgabe Raum zu gewinnen, die Wege sich frei zu machen, greift Unrest in der Zeit voraus. erzählt er vorerst die Geschichte der Tiroler Habsburger Friedrichs IV. und Sigismunds in der gedrängtesten Kürze, mit besonderer Rücksicht auf den Streit des Letzteren mit Nikolaus von Cues, dem Brixner Bischof, übergeht dann zu einer Lebensskizze Ernst des Eisernen, Gründers der innerösterreichischen Linie des Hauses Habsburg, und nachdem er sie in wenigen Zeilen ausgeführt, behandelt er zunächst die Lebensgeschichte des jüngern Ernestiners Albrechts VI. bis zu dessen Tode (1463), um dann, ohne durch anderes beirrt zu werden, sich den Geschicken des älteren Bruders, H. Friedrichs V. (K. Friedrichs III.), zuwenden zu können. 15

Bevor wir nun über Anlage und Inhalt der uns Vorliegenden österreichischen Chronik eine kritische Betrachtung versuchen ist es am Platze des Verfassers selbst zu

gedenken.

Unrest selbst nennt sich, in der oben angezogenen Stelle, einen Inwohner der königlichen Erblande und den ,mindesten Pfarrer in Kärnten'.

Ob Kärnten seine Heimat, lässt sich nicht beweisen, doch als höchst wahrscheinlich annehmen. Eine Urkunde vom Jahre 1469 gibt uns den erfreulichen Aufschluss, dass er damals Chorherr zu Gurnitz und Pfarrer in Techelsberg war. 16 Es unterliegt keinem Zweifel, dass dies Techelsberg mit dem Orte St. Martin am Techelsberge identisch sei, dessen Unrest in der Erzählung vom Türken-Einfalle des Jahres 1476 gedenkt. 17 Auch ein Verzeichniss der Salzburger Diöcesankirchen aus dem gleichen Zeitraume nennt die ,ecclesia sancti Martini in Dechelsperg. 18 Unrest selbst erwähnt diesen Ort wiederholt und in derartiger Verbindung mit andern, dass über die Lage des genannten Pfarrdorfes kein weiteres Bedenken obwalten kann. 19

So bewegte sich das Leben Unrest's in bescheidenen Gränzen; ob er die Welt auf Jugendreisen kennen und weithin

« ZurückWeiter »