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Als im Jahre 1696 König Carl XI. von Schweden den kriegführenden Mächten der 2. Coalition gegen Ludwig XIV. seine vermittelnden Friedensvorschläge wiederholte, fand er auf den meisten Seiten den Wunsch nach Frieden lebhaft vorhanden. Die Erschöpfung war besonders in Frankreich überaus gross und König Ludwig dadurch gezwungen, seine bisher so starr festgehaltenen politischen Grundsätze aufzugeben.

Mit gewohnter Geschicklichkeit verstand er auch jetzt sich nach der gefährdetsten Seite hin Luft zu machen und damit zugleich eine gewaltige Pression auf die andern Mächte auszuüben; er schloss indem er die italienischen Eroberungen herausgab — mit Savoyen einen Separatfrieden ab. Die Neutralität für ganz Italien war die nothwendige Folge davon. Hiedurch veränderte sich wiederum ganz ungemein die Haltung der Seemächte. Als Ludwig XIV. sich auch hier entgegenkommend bezeigte und die Anerkennung Wilhelm's III., als König von England, verhiess, nahm man die Vermittlung Schwedens an.

Weit zäher zeigten sich Kaiser Leopold und Spanien. In Wien hielt man durchaus fest an den einmal ergriffenen Rechtsansprüchen und war ernstlich entschlossen, trotz der unglückseligen Neutralität Italiens, den Krieg mit allen Kräften fortzuführen. Um so eifriger war man daher bemüht, in Spanien nicht die Friedensgedanken aufkommen zu lassen. Noch hielt zwar Karl II. fest an der Allianz, noch war der spanische Gesandte in Haag, Don Francesco Bernardo Quiros, instruirt, das kaiserliche Interesse und das spanische als identisch aufzufassen, allein dem schwankenden Charakter Carl's war wenig zu trauen. Man musste stets befürchten, dass er den Ein

flüsterungen der Friedenspartei Gehör geben würde, besonders da der kaiserliche Gesandte Graf Wenzel Lobkowitz, schwer krank, zu directem Verkehr nicht tauglich und obenein wenig beliebt war. Unablässig drängten der Pabst und Venedig in Madrid zum Frieden und schon gieng das Gerücht, Spanien werde dem Beispiele Italiens folgen und durch eine wohlfeile Neutralität in Catalonien das Land vor dem weiteren Vordringen der Franzosen bewahren. Hatten doch die französischen Waffen in letzter Zeit dort grosse Erfolge errungen, Gerona war gefallen, und man sah nach Ueberführung der französischen Truppen, die bisher in Italien gestanden hatten, einer Belagerung Barcelona's entgegen. Sehr nahe lag der Gedanke dem kaiserlichen Hofe, Ludwig XIV. werde, um sich den König und die Spanische Nation geneigt zu machen, sich bei Friedensverhandlungen besonders nachgiebig zeigen, um vielleicht so auf friedlichem Wege das langersehnte Ziel, die Einsetzung eines französischen Prinzen zum Erben der Monarchie, zu erreichen.

Man beschloss jetzt in Wien, die ernstesten Massregeln dagegen zu ergreifen und vor allem an Stelle des abzurufenden Lobkowitz eine gewisse Persönlichkeit in ausserordentlicher Mission nach Madrid zu senden, um durch directe Verhandlung die energische Weiterführung des Krieges in Catalonien durchzusetzen und dem Erzherzog Carl, zweiten Sohne Kaiser Leopolds, wenn möglich die Succession zu sichern. Nach langem Schwanken wurde Ferdinand Bonaventura, Graf von Harrach für diesen Gesandtschaftsposten erwählt. Seine Abreise von Wien verzögerte sich jedoch eines grossen Processes wegen, dessen Ausgang erst abzuwarten ihm von Leopold erlaubt wurde, trotzdem soeben noch für die österreichische Politik ein entschieden günstiger Moment am Madrider Hofe eingetreten war.

Die Königin Mutter, eine Schwester Kaiser Leopolds, das Haupt der bairischen Parthei am Hofe und von dem grössten Einfluss auf den schwachen König, war soeben, im Mai 1696, gestorben. Man begnügte sich jetzt in Wien damit, den jungen Grafen Alois Louis von Harrach, einen Sohn Ferdinand Bonaventura's, nach Madrid zu schicken, um die Beileidsbezeugungen der kaiserlichen Familie zu überbringen. Er wurde dort als Gesandter einer verwandten und im Felde verbündeten Macht besonders freundlich aufgenommen. In einer geheimen In

struction war jedoch Alois Harrach angewiesen', die nun voraussichtlich allmächtige junge Königin Maria Anna, eine Schwester der Kaiserin, zu sondiren, ob sie geneigt und willens sei, das kaiserliche Interesse in ihren mächtigen Schutz zu nehmen und den König noch während des Krieges zu bestimmen, ein Testament zu Gunsten des Erzherzogs zu verfassen. Zugleich sollte er seinen Vater als den vom Kaiser erwählten Vertrauensmann bezeichnen und als ausserordentlichen Botschafter ankündigen, der bevollmächtigt sei, diese wichtige Angelegenheit zu verhandeln und abzuschliessen.

Die Mission des jüngeren Harrach hatte guten Erfolg, da die Königin und ihr Anhang auch nach Karl's Tode bei Einsetzung des Erzherzogs auf Erhaltung ihrer Macht und ihres Einflusses rechnen zu können glaubten, während, wenn ein französischer oder auch ein bairischer Prinz Erbe werde, darauf nicht zu hoffen war. Im Januar 1697 erhielt Ferdinand Bonaventura von Harrach die ausführlichsten Instructionen für sein wichtiges Amt; nachdem sich seine Abreise nochmals durch Krankheit verzögert hatte, verliess er Wien am 13. März. Er war damals 60 Jahre alt und in Geschäften ergraut.

Ferdinand Bonaventura Graf von Harrach, geboren den 14 Juli 1637, war der älteste Sohn des Grafen Otto Friedrich von Harrach, des Stifters der jüngeren noch jetzt blühenden Linie Harrach-Bruck und der Gräfin Lavinia von Novellara. Er stammte aus einer alten böhmischen Familie, welche seit dem 16. Jahrhundert in der österreichischen Geschichte bedeutsam genannt zu werden anfing. Durch Geburt und Talent begünstigt, trat Harrach nach vollendeten Studien frühzeitig in den Staatsdienst und in persönliche Beziehungen zu Kaiser Leopold. Schon 1659 wurde er Reichshofrath, 1668 Gesandter in Spanien und nach seiner Rückkehr Oberstallmeister, Staatsund Conferenzrath. In dieser Stellung viel um die Person des Kaisers beschäftigt, war er mit ihm in ein wirkliches und warmes Freundschaftsverhältniss getreten. Sein stilles einnehmendes Wesen und namentlich der Umstand, dass er ihn

1 Geheimbe Instruction für den Grafen Aloysium von Harrach etc. vom 12. Juli 1696. Gräflich Harrach'sches Familienarchiv.

2 Wir erinnern nur an den Cardinalerzbischof von Prag und die Gemahlin Wallensteins.

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nie mit Bitten und Vorstellungen weder für sich noch andere belästigte, gewannen ihm das Herz und Vertrauen seines Monarchen. Er war sein steter Gefährte auf der Jagd und hier besprach Leopold mit ihm oft in vertraulicher Weise die öffentlichen Angelegenheiten. Er war, wie Girmo Venier treffend gesagt hat, il favorito di genio non d'autorità, per gl'affetti del cuore, non per gl'affari di Stato'; seine politische Thätigkeit vor 1698 war mehr berathender, nicht verwaltender Natur. Als Mensch konnte er so ziemlich als ein Abbild des Kaisers gelten. Mit bedeutendem Verstande begabt das gestehen selbst seine Feinde zu in den Geschäften erfahren, pflegte sein Rath meist das Richtige zu treffen und war gerne gesehen. Dabei war er im Stande, durch seinen gesunden Blick und seine Menschenkenntniss unterstützt, selbst verwickelte Geschäfte und Intriguen rasch zu durchschauen; durch schnelles Eingreifen und Handeln dagegen einer Sache eine glückliche Wendung zu geben, dazu fehlten ihm Entschlossenheit und Selbstvertrauen, ausserdem vor allem bei seiner Thätigkeit in Spanien Selbstständigkeit zu handeln und den Moment zu benützen. Dass er im Stande war das richtige zu erkennen, hat er gerade bei dieser Mission gezeigt, deren Misslingen wahrlich am wenigsten an ihm, sondern in erster Linie an den Verhältnissen in Spanien und in zweiter an Leopolds Persönlichkeit und Charakter gelegen hat.

Aus seinem Tagebuch tritt uns Harrach hervor als ein schlichter, bescheidener und reiner Charakter, als eine Persönlichkeit, die sich vortheilhaft in jener sitten- und charakterlosen Zeit vor den meisten andern auszeichnete, vor allem als ein treuer und uneigennütziger Diener seines Kaisers. Leopold wusste wohl, was er an ihm besass, wenn er auch seine diplomatischen Fähigkeiten etwas überschätzt hat. Bei dem Mangel an wirklich begabten und hervorragenden Staatsmännern, der in Wien stets geherrscht hat, war Harrach damals auch der einzige, wenn man Kaunitz oder Strattmann, die sich im Haag bei den Friedensverhandlungen befanden, nicht abberufen wollte, dem man eine so bedeutungsvolle Gesandtschaft übertragen konnte. Ihro kayserliche Majestaet,' so schreibt Harrach am 12. März, ,haben mich dero gnaden continuation versichert und gesagt, sie liessen mich ungern fort, allein seie dieses ein so hochwüchtiges Werk, welches kein anderer alss ich rüchten.

könnte u. s. w. Nach seiner Rückkehr aus Spanien (1698) Obersthofmeister und Director des Conferenzrathes geworden, gieng die Leitung der Staatsgeschäfte nach Kinsky's Tode fast ganz auf ihn über; doch war er zu alt und kränklich geworden und der Leitung derselben nicht mehr recht gewachsen. Den Kaiser hat er noch überlebt; am 15. Juni 1706 ist er in Karlsbad gestorben.

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Die Zeit der Verhandlungen um die spanische Erbfolge ist eine der wichtigsten Epochen in der Oesterreichischen Geschichte. Um so mehr war es zu bedauern, dass es an Quellen für dieselbe bisher sogut wie vollständig gefehlt hat. Das Werk Mignets geht nicht weit und bezieht sich nur auf die französische Politik. Inzwischen hat Ranke in seiner französischen und englischen Geschichte die Politik der beiden Staaten in grossen Zügen dargestellt und zum Theil,neues Licht über dieselbe verbreitet. Die kaiserliche Politik blieb dagegen nach wie vor in ein bedenkliches Dunkel gehüllt, desgleichen die Vorgänge am spanischen Hofe bis zum Tode des Königs. Da auch die österreichischen Staatsmänner der Zeit im Gegensatze zu den französischen an Memoiren so gut wie gar nichts hinterlassen haben, war hier in der That eine empfindliche Lücke in unserm historischen Wissen vorhanden. Ich hatte es mir bei meinem jüngsten, mehrmonatlichen Aufenthalte im Wiener Archive zur Aufgabe gestellt, diesem Uebelstande womöglich abzuhelfen. Nach dem, was ich gefunden, kann ich wohl sagen, dass es mir vergönnt sein wird, wenigstens die österreichische Politik dieser Jahre durch demnächstige Actenpublicationen zu einem gewissen Abschlusse zu bringen. Da die Hispanica des k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv's leider nicht so reichhaltig waren, als ich gehofft hatte, sondern recht unangenehme Lücken aufzuweisen hatten, was wohl an der Leichtfertigkeit gelegen hat, mit der wichtige Actenstücke und Depeschen nach den Lustschlössern und nach anderen Orten verschickt und mitgenommen wurden war mir ein werthvoller Fund um so erfreulicher, den ich in dem mir mit grösster und dankenswerthester Bereitwilligkeit geöffneten gräflich Harrach'schen Familienarchiv zu machen Gelegenheit hatte.

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Es war dies ein Tagebuch des Grafen Ferdinand Bonaventura von Harrach aus den Jahren 1697 und 1698, welches er mit grosser Sorgfalt während seiner Gesandtschaft in Spanien

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