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lionen Jahre betrage, und daß die gegenwärtig noch vorhandene Sonnenenergie nur für etwa 4 Millionen Jahre noch ausreichen wird. Die Berechnungen stützen sich auf die Annahme, daß die Verdichtung der Materie die einzige Quelle ist, aus der die Sonne ihre Glut schöpft. 5 Die neusten Entdeckungen der Physik haben indessen noch eine bis dahin völlig unbekannte Quelle aufgedeckt, welche Energie liefert. Diese Quelle ist das Radium, eine Substanz, die millionenmal mehr Energie enthält als eine gleiche Menge Dynamit. Man wird dies nicht 10 übertrieben finden, wenn man hört, daß ein Seeschiff von 12 000 Tonnen Gehalt mit 15 Knoten stündlicher Geschwindigkeit auf einer Strecke von 6000 Seemeilen Länge nicht mehr Energie erfordert als in 22 Unzen Radium enthalten ist. Wenn daher die radioaktive 15 Materie nicht lediglich auf die Erde beschränkt, sondern auch in der Sonne vorhanden ist, woran man kaum zweifeln kann, so würde darin eine Quelle von Energie gegeben sein, welche die Strahlung der Sonne durch sehr lange Zeiträume bestreiten könnte und bestritten hat. Gegen- 20 über der geschichtlichen Dauer ist ein Zeitraum von einer Million Jahren unfaßbar groß; er ist es aber nicht im Rückblicke auf die Entwicklung der organischen Wesen während der verschiedenen geologischen Epochen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Temperaturkurve der 25 Sonne sich bereits von ihrem höchsten Punkte abwärts neigte, als das erste organische Gebilde die Erdoberfläche belebte, und der bedeutendste Teil ihrer Energie war schon in den Weltraum ausgestrahlt, bevor ein menschliches Auge zum ersten Male von einem Lichtstrahle 30 getroffen wurde.

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BIOLOGIE

GESCHICHTLICHE EINLEITUNG

Tiere und Pflanzen, so verschiedenartig in ihrer äußeren Erscheinung, stimmen in den Grundlagen ihres anatomischen Aufbaues überein; denn beide sind aus gleichartigen, meist nur mikroskopisch wahrnehmbaren Elementareinheiten zusammengesetzt. Man bezeichnet die letzteren als Zellen, sowie die Lehre, daß Tiere und Pflanzen in übereinstimmender Weise aus solchen kleinsten Teilchen bestehen, als die Zellen theorie.

In der Zellentheorie erblickt man mit Recht eines der wichtigsten Fundamente der ganzen modernen Biologie. Denn die Zellen, in welche der Anatom die pflanzlichen und tierischen Organismen zerlegt, sind die Träger der Lebensfunktionen; sie sind, wie VIRCHOW sich ausge15 drückt hat, die Lebenseinheiten.

Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, erscheint der gesamte Lebensprozeß eines zusammengesetzten Organismus nichts anderes zu sein als das höchst verwickelte Resultat der einzelnen Lebensprozesse seiner 20 zahlreichen, verschieden funktionierenden Zellen. Das Studium des Verdauungsprozesses, der Muskel- und Nerventätigkeit führt zur Untersuchung der Funktionen der Drüsenzellen, der Muskel-, Ganglien- und Sinneszellen. Und wie die Physiologie ihre Fundamente in 25 der Zellentheorie gefunden hat, so hat sich auch die

Lehre von den Krankheiten in eine Zellularpathologie umgewandelt.

In vieler Beziehung steht somit die Lehre von der Zelle im Mittelpunkt der biologischen Forschung der Gegen- 5 wart und bildet in jeder Beziehung den vornehmsten Gegenstand der allgemeinen Anatomie.

Die Geschichte der Zellentheorie ist von hohem Interesse. Nichts ist geeigneter als ein kurzer Abriß derselben, um den Anfänger in den Vor- 10 stellungskreis, den man jetzt mit dem Worte Zelle verbindet, einzuführen.

Zu der Erkenntnis, daß die Organismen aus Zellen zusammengesetzt sind, wurde der erste Anstoß durch das Studium der Pflanzenanatomie gegeben. In der 15 Mitte des 17. Jahrhunderts beobachtete der Engländer ROBERT HOOKE in dünnen Plättchen von Kork kleine Hohlräume und gab ihnen in seiner,,Micrographia" den Namen,,Zellen". Bald darauf veröffentlichten der berühmte MARCELLO MALPIGHI (1674) und der englische 20 Naturforscher NEHEMIAS GREW (1682) ihre großen ausgezeichneten Werke, Anatomia plantarum und Anatomy of plants, durch welche die mikroskopische Pflanzenanatomie zuerst begründet wurde; sie entdeckten mit schwachen Vergrößerungsgläsern in den verschiedensten 25 Pflanzenteilen einmal kleine, kammerartige, mit festen Wandungen versehene und mit Flüssigkeit erfüllte Räume, die Zellen, und zweitens lange Röhren, die an vielen Stellen in mannigfacher Gestalt durch das Grundgewebe ziehen, und die jetzt je nach ihrer Form als 30 Spiralröhren und Gefäße bezeichnet werden. Eine tiefere Bedeutung gewannen indessen diese Tatsachen

erst, als am Ende des 18. Jahrhunderts sich eine mehr philosophische Betrachtungsweise der Natur Bahn brach.

WOLFF (1764), OKEN (1809) u. a. warfen die Frage 5 nach der Entstehung der Pflanzen auf und suchten ihre Gefäße und Röhren von der Zelle als Grundform abzuleiten. Namentlich aber hat sich TREVIRANUS (1806) ein hervorragendes Verdienst erworben, indem er in seiner 1806 erschienenen Schrift,,Vom inwendigen Bau 10 der Gewächse" an jungen Pflanzenteilen den Nachweis führte, daß die Gefäße aus Zellen hervorgehen; er fand, daß junge Zellen sich in Reihen anordnen und durch Auflösung der Querscheidewände zu einer langgestreckten Röhre verschmelzen, eine Entdeckung, welche später 15 durch die Nachuntersuchungen von MOHL zum gesicherten Besitz der Wissenschaft erhoben wurde.

Nicht minder wichtig für die Wertschätzung der Zelle wurde das Studium der niedersten Pflanzen. Man lernte kleine Algen kennen, die zeitlebens entweder nur 20 eine einzige Zelle darstellen oder einfache Reihen von Zellen sind, welche sich leicht voneinander loslösen können. Endlich führte das Nachdenken über den Stoffwechsel der Pflanzen zu der Einsicht, daß die Zelle es sei, welche die Nahrungsstoffe aufnimmt, verarbeitet 25 und in veränderter Form wieder abgibt.

So war schon am Anfang des 19. Jahrhunderts die Zelle als der morphologische und physiologische Elementarteil der Pflanze von verschiedenen Forschern erkannt worden. Besonders klar findet sich diese Anschauung 30 in dem 1830 herausgegebenen Lehrbuch der Botanik von MEYEN in folgendem Satze ausgesprochen:,,Die Pflanzenzellen treten entweder einzeln auf, so daß eine

jede ein eigenes Individuum bildet, wie dieses bei Algen und Pilzen der Fall ist, oder sie sind in mehr oder weniger großen Massen zu einer höher organisierten. Pflanze vereinigt. Auch hier bildet jede Zelle ein für sich bestehendes, abgeschlossenes Ganzes; sie ernährt sich 5 selbst, sie bildet sich selbst und verarbeitet den aufgenommenen, rohen Nahrungsstoff zu sehr verschiedenartigen Stoffen und Gebilden." MEYEN bezeichnet daher geradezu die einzelnen Zellen als „,die kleinen Pflänzchen in den größeren“.

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Zu allgemeinerer Geltung gelangten indessen derartige Ansichten erst vom Jahre 1838 an, in welchem MATTHIAS SCHLEIDEN, seinen berühmten Aufsatz ,,Beiträge zur Phytogenesis" veröffentlichte. In ihm suchte SCHLEIDEN die Frage zu lösen, wie die Zelle entsteht. Den 15 Schlüssel hierzu glaubte er in einer Entdeckung des englischen Botanikers ROBERT BROWN gefunden zu haben, welcher im Jahre 1833 bei seiner Untersuchung der Orchideen den Zellenkern entdeckt hatte. SCHLEIDEN verfolgte BROWNS Entdeckung weiter; er über- 20 zeugte sich bei vielen Pflanzen von dem Vorkommen des Kerns, und da er ihn namentlich in jugendlichen Zellen beständig auftreten sah, entsprang in ihm der Gedanke, daß der Kern eine nähere Beziehung zu der so rätselhaften Entstehung der Zelle und demnach eine große 25 Bedeutung im Zellenleben haben müsse.

Dieser eine Gedanke ist weit über das engere Gebiet der Botanik hinaus fruchtbringend geworden; denn durch ihn ist die Übertragung der Zellentheorie auf die tierischen Gewebe ermöglicht worden. Weit mehr noch 30 als in pflanzlichen, treten in tierischen Zellen gerade die Kerne sehr deutlich hervor und weisen auf die Über

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