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erkennen wir die geologische Bedeutung des organischen Lebens. Aber alle diese Vorgänge werden und wurden eingeleitet durch die Kohlensäure-Assimilation grüner Pflanzen, und da diese nur unter dem Einflusse der 5 Lichtstrahlen zustande kommt, so sind alle organischen Bewegungen und Wirkungen eine Folge des Sonnenlichtes.

In der Gegenwart spielt die Ebbe und Flut des Meeres eine zwar bemerkenswerte, aber doch nur geringfügige 10 Rolle im Wechselspiel der tellurischen Veränderungen.` Anders war es in der Urzeit, als sich die Erde rascher um ihre Achse drehte, der Mond ihr näher stand und der irdische Tag statt 24 Stunden nur 4 Stunden lang war.

Indem sich die Zenit- und die Nadirflut des Mondes 15 und der Sonne auf der bewegten Erde reiben, wird die Rotation unseres Planeten verlangsamt und der Tag verlängert. Bei Sturmfluten werden gewaltige Kräfte ausgelöst. Donnernd bricht sich die Welle am Gestade, unterwühlt die Felsenküste, zerreißt die Dünen und 20 überflutet die durch sie geschützten Niederungen. Alle damit zusammenhängenden geologischen Veränderungen werden also durch kosmische Massen beeinflußt, und so tritt die Anziehung von Mond und Sonne in die Reihe der großen geologischen Kräfte.

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Von grundlegendem Einflusse auf die Wirkungsweise aller bisher betrachteten Vorgänge ist die Stellung der Erdachse im Sonnensystem. Die Licht- und Wärmestrahlen der Sonne treffen in paralleler Richtung auf die Erdoberfläche, und während sie am Äquator ihre 30 ganze Kraft entfalten können, mindert sich diese mit zunehmender geographischer Breite. Durch die schiefe Stellung der Erdachse gegenüber der Sonnenbahn

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FIG. 15. Zu einem Sattel gefaltete Schieferschichten der borattragenden Reihe.

(Ekliptik) wird abwechselnd ein halbes Jahr lang die nördliche und dann die südliche Halbkugel mit einer größeren Menge von Sonnenwärme bedacht. Während die Schiefe der Ekliptik jetzt 23° beträgt, war sie um 5 das Jahr 29 400 v. Chr. sogar 27° und um 14 400 v. Chr. nur 21°.

Wo wir Gelegenheit finden, das Gefüge der Erdrinde zu untersuchen, beobachten wir vielfach eigentümliche Faltenbiegungen (Fig. 15). In den Hochgebirgen und Io den Gebieten der sogenannten kristallinischen Schiefer liegen diese Falten zutage, oft sind sie tief unter horizontalen Gesteinsdecken verborgen, aber fast überall können wir im Grundgebirge den Faltenbau erkennen. Wir wissen, daß die gefalteten Schichten einstmals horizon15 tale Bänke und Decken bildeten, daß zu verschiedenen Zeiten bald hier, bald dort die Erdrinde zusammengeschoben wurde; und wenn wir alle diese Falten ausglätten könnten, so würden sie vielleicht reichen, um mit dieser Erdrinde zwei Kugeln vom Durchmesser der 20 heutigen Erde zu umspannen.

Diese Tatsachen beweisen, daß die Erdkugel einst größer war, und daß ihr das Rindenkleid angemessen wurde zu einer Zeit, als sie einen viel größeren Durchmesser besaß. Eben so sicher erscheint es aber, 25 daß eine Zusammenziehung des Erdballes durch die ganze Dauer der geologischen Perioden hindurch erfolgt ist. Erdbeben und Gebirgsbildung, die Entstehung von Spalten und Klüften, Hebung und Senkung, Verschiebungen und Überschiebungen alles dies hängt mit dem Schrump30 fungsprozesse der Erdkugel ursächlich zusammen.

Der Weltenraum ist eisig kalt. Schon bei Ballonfahrten im Sommer hat man in einer Höhe von 12 km

Temperaturen von -60° beobachtet, und es ist wahrscheinlich, daß die Wärme des Weltenraumes sich noch viel weiter vom Nullpunkte entfernt. Der von einer dünnen Steinhaut umgebene Erdball aber enthält einen ungeheuren Vorrat an Wärme. Selbst wenn die Erd- 5 rinde überall eine Temperatur von -60° zeigte, so würde trotzdem noch die Temperaturdifferenz gegen den Weltenraum mehr als 100° betragen. Wenn, wie manche glauben, diese Wärmeabgabe mit der Umbildung radioaktiver Substanzen zusammenhängt, so ändert das doch 10 nichts an der Tatsache, daß unsere Erde heute, ebenso wie in der Vorzeit, überall und beständig Wärme verliert.

Wärmeverlust ist gleichbedeutend mit Volumverminderung. Wohl hat Ritter gezeigt, daß eine durch 15 Wärmeverlust sich zusammenziehende Gaskugel -- und gasförmig ist wohl der Erdkern — wärmer wird; aber die Volumverminderung bleibt bestehen, und indem wir sie als die eigentliche Ursache des Faltungsprozesses betrachten, erkennen wir in der Wärmeabgabe 20 des Erdkernes an den Weltenraum eine großartige geologische Kraft.

Die Entstehung der Vulkane, der Thermen, der Geysire und Mofetten steht in so engem Zusammenhange mit dem Gebirgsbildungsprozesse, daß wir auch hier 25 auf dieselbe Kraftquelle geführt werden.

Es gibt Perioden, wo das Meer seine Grenzen verläßt, unaufhaltsam gegen die Küsten drängt und langsam ganze Kontinente überschreitet. Auf Ablagerungen mit festländischen Pflanzen und Tieren folgen dann im 30 geologischen Profile marine Gesteine voll von den Schalen einstiger Meeresbewohner, oder die Sedimente einer

eng begrenzten Meeresbucht werden überlagert von weit ausgedehnten Deckschichten der folgenden Periode. Man bezeichnet dieses Eindringen des Ozeans nach dem Festlande als Transgression und die entsprechen5 den Rückzugserscheinungen als Regression. Viele Geologen sehen die Ursache dieser Phänomene in einer aktiven Bewegung des flüssigen Elements. Von rätselhaften Kräften angezogen, soll das Meer seine Tiefen und seine Grenzen ändern und bald erobernd gegen das 10 Festland vordringen, bald in langsamem Rückzuge seinen Boden an das Tageslicht bringen und neue Länder schaffen. Viele sogenannte Transgressionen sind nichts weiter als tiergeographische Wanderungen einzelner Faunen oder sogar nur Veränderungen des Salzgehaltes 15 litoraler Gewässer; aber auch wenn wir solche Fälle ausschalten, bleiben noch immer eine ganze Reihe ,,echter“ Transgressionen des Ozeans übrig.

Wir neigen uns der älteren Auffassung zu, die als die Ursache der Transgressionen langsame flache Aufwöl20 bungen oder Hinabbiegungen der unter den größeren Meeresbecken liegenden Stücke der Erdrinde betrachtet. Es wäre doch sehr seltsam, wenn zwei Drittel der Erdkugel nur deshalb keinerlei Bewegungen erlitten, weil darüber eine Schicht leichten Meerwassers steht, wäh25 rend wir doch auf allen Festländern sehen, daß Schichtenstöße fester, schwerer Gesteine von 3000 und mehr Metern Mächtigkeit spielend durch den Faltungsvorgang gebogen und gehoben werden konnten.

Wenn wir zum Schlusse alle bisher betrachteten geo30 logischen Veränderungen unseres Planeten mit Rücksicht auf die ihnen zugrunde liegenden Kraftquellen zusammenstellen sollen, so ergibt sich folgendes Bild:

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