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werden zur Küstenvertheidigung Truppen in Odessa-Nikołajew und an der Dnjepr-Mündung aufgestellt sein. In diesen Streitkräften ist nun auch die Kriegs-Reserve für die Vertheidigung der Krym enthalten, eine andere aber durchaus nicht nöthig und kann auch überhaupt nicht geschaffen werden. Hat sich aber die Richtung des Krieges geklärt, so wird der grössere Theil dieser Truppen in den vorigen Aufstellungs-Orten Nichts zu schaffen haben.

Hieraus resultirt, dass der bequemste Zutritt in die Krym derjenige ist, welcher den früher angegebenen Aufstellungs-Punkten der Küstenvertheidigungs-Truppen näher liegt, und dieser Punkt ist Perekop 1).

Wir kommen nun zur zweiten Frage: Ist es unbedingt nöthig, gleich zu Anfang des Krieges die Position Perekop-Czongar 2) und das anliegende Land zu besetzen? Es ist klar, dass, wenn Perekop und Kercz in unseren Händen sich befinden, das Azow'sche Meer vollkommen gesichert ist.

Aber ebenso ist es einleuchtend, dass Perekop durch die Czongarische Position nicht gedeckt ist, weil die Perekop'sche Landenge vor derselben, also näher dem Feinde liegt. Nun aber führt die Wegnahme des Czongar'schen Überganges, des wichtigsten Punktes der Verbindung, zu zwei Folgerungen: Entweder bleibt Perekop der Willkühr der ersten feindlichen Landung ausgesetzt, oder man wird genöthigt sein, die Kräfte zu theilen und muss die örtlichen Ausgaben für beide Punkte vergrössern.

Ist Perekop genommen, so kann sich der Feind nun ungehindert zu beiden Seiten des Siwasz, auf der Halbinsel sowohl, als auch auf dem Festlande bewegen und kann, falls er an Kraft überlegen ist, was in den ersten Tagen nach erfolgter Landung unvermeidlich bleibt, die Lozowo'sche Bahn oberhalb Czongar in Besitz nehmen. Durch den Besitz von Perekop erwachsen dem Feinde noch weitere Vortheile: er wird, nachdem er sich daselbst etablirt hat, in seinem Rücken überlegene Streitkräfte ansammeln, weil er aus dieser Central-Position im Stande ist, die Vereinigung der Truppen vom rechten und linken Dnjepr-Ufer zu hindern oder doch dieselben zu zeitraubenden Operationen zu zwingen; seine Bewegung von Perekop auf Czongar aber schneidet die Truppen, welche die Krym besetzt halten, vom Festlande völlig ab. Dabei kann unsere Kraft nur in der Möglichkeit einer schnellen Concentration liegen, denn wir werden, wie es jeder Vertheidiger ist, besonders verzettelt sein, und die Wegnahme der Position, aus welcher die Vertheidigung gehindert wird, erschüttert somit das ganze Unternehmen.

1) Zur Aufklärung der Laien muss ich mich über das Vorerwähnte noch näher aussprechen:

In Kriegszeiten entstehen im Inneren des Landes genügend zahlreiche Reserven neuer Formation, Freicorps u. 8. w. Wenn nun diese Truppen auch eine ausserordentliche Unterstützung der Reichs-Vertheidigung in Garnisonen oder hinter der operirenden Armee vorstellen, so bilden sie doch nicht eine selbständige Kraft, denn man kann sie nicht in die Feldschlacht führen und demnach auch nicht im Sinne einer Kriegs-Reserve zur Abwehr einer Landung verwenden.

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2) Czongar'sche Brücke, die über einen Arm des Siwasz zwischen Perekop und Arbatskaja-Strjelka erbaut ist, in der Entfernung von 70 Werst von Perekop und 30 Werst von der Strjelka, das ist in Geniczeska.

Bei der Existenz einer Lozowo-Czongar'schen Eisenbahn wird auf dem Dnjepr unterhalb Kremenczug keine einzige sichere Verbindung bestehen, aber gerade hier wird man schliesslich den Dnjepr überschreiten müssen und sich in Fussmärschen vom rechten Fluss-Ufer aus zur Befreiung Czongar's, im Angesicht des Feindes, an der Central-Position bei Perekop vorbei weiterschleppen, während der Feind, jede Bewegung unserer verzettelten Detachements beobachtend, dieselbe jeden Augenblick in Frage stellen kann. Für drei bis vier Tagemärsche werden sich auch Mittel bei den Landenden finden, und wir wissen, dass die Armee St. Arnauds von Eupatoria gegen Sewastopol abgerückt ist. Oder es könnte vielleicht möglich sein, dass der Autor jener Artikel, welcher die Krym'sche Eisenbahn klug hinter dem Dnjepr vor den hinter der Donau stehenden Türken verbergen will, die Weiterbewegung eines Feindes auf einige Tagemärsche von Perekop als unmöglich annimmt?

Man könnte die Sache noch weiter zergliedern, doch es wurde schon genügend im Vorhergehenden gesagt, und jeder Militär wird auf den ersten Blick auf eine Karte alle diese Folgen einer Wegnahme des Czongar'schen Überganges, die aus dem Vergessen Perekops entstehen, leicht erkennen.

Perekop selbst ist von solchen Versandungen umgeben, dass sich gegen dasselbe Flotten nicht nähern können. Es ist in dieser Beziehung ebenso wie Czongar für Flotten unzugänglich. Die Strasse vom Dnjepr zur Landenge führt perpendiculär zum Meere und ist ebenso weit von dem nächsten Landungsplatze entfernt wie Perekop selbst. Es ist klar, dass der Perekop'sche Übergang befestigt und in Kriegszeiten durch eine genügende Garnison besetzt werden soll '). Seine Bedeutung als Hauptzutritt und Vereinigungs-Punkt der Truppen nach der Krym würde aber ganz verloren gehen, wenn man den Punkt nicht mit dem Eisenbahnnetze in Verbindung bringt, denn wie würde sonst eine Vereinigung ohne Strasse und die Befestigung einer Position ohne Concentrirungs-Möglichkeit aussehen?

Wie wir bereits früher erwähnt haben, besteht die Krym'sche Reserve aus der ganzen Heeresmasse, welche das neurussische Küstenland bis zum Dnjestr und selbst bis zum Prut einnimmt, denn die Vertheidigung des nordwestlichen Theiles vom schwarzen Meere ist eben die hauptsächlichste im ganzen südlichen Bassin.

Wenn wir nun auch das Land mit neu formirten Reserve-Truppen besetzen, so wird es doch immerhin nöthig sein, eine gewisse Zahl von Feldtruppen sowohl als offensive Reserve gegen allenfallige Landungen, als auch überhaupt als Kern, um welchen die Neuformationen sich sammeln werden, für die Küstenvertheidigung zu bestimmen. Es ist aber nothwendig, dass die Zahl dieser unentbehrlichen Feldtruppen, sowohl hier als auch auf anderen vertheidigten Abschnitten, nach Möglichkeit nicht zu gross sei. Das Loos des

1) Auf dieses hatte bereits der bekannte Admiral Greig nach dem Kriege 1829 hingewiesen.

Krieges hängt ja fast ausschliesslich von der Stärke des operativen Heeres auf dem Haupttheater des Krieges ab; Alles aber, was man für die passive Vertheidigung nöthig hat, vermindert die Wahrscheinlichkeit eines glücklichen Ausganges. Diesemnach frägt es sich, auf welche Weise man bis zum Äussersten die Menge jener Feldtruppen vermindern könnte, welche zur Vertheidigung des nordwestlichen Theiles des Bassins vom schwarzen Meere, das ist Neurusslands und der Krym, unumgänglich nöthig sind? Dieses ist nur in einer Weise erreichbar: durch die Möglichkeit, die Truppen schnell auf jedem bedrohten Punkte zu concentriren. Das nordwestliche Küstenland am schwarzen Meere von der Donau bis zur Krym stellt eben nur ein einziges Kriegstheater vor, welches nicht etwa blos auf der Karte, sondern auch in Wirklichkeit ein Kriegstheater sein sollte, und dieses wird durch eine Eisenbahn von Odessa über Nikołajew nach der Krym verwirklicht. Doch man kann eben nicht lange strategische Linien bauen, und dann handelt es sich nicht um die Erbauung einer Bahn von Odessa über Nikołajew auf Perekop, sondern darum, dem sowohl in commercieller, als strategischer Beziehung bereits als nothwendig erkannten Schienenwege nach der Krym eine solche Richtung zu geben, welche die Erbauung der früher genannten, parallel zum Meere laufenden Bahn für die Zukunft auszuführen und auf diese Weise die Herstellung beider Bahnen, sowohl aus dem Innern, als auch vom Dnjestr her ermöglichen würde. In einer andern Weise bleibt die Vertheidigung des Landes durch den Dnjepr getheilt, und es würden sich bei einer Krym-Vertheidigung buchstäblich alle jene Hemmnisse wie im Jahre 1855 wiederholen.

Bei einem feindlichen Versuche auf die Halbinsel müssten sich die operirenden Truppen abermals vom Prut und Dnjestr in Fussmärschen dahinschleppen, oder es wäre gleich von allem Anfang nöthig, ein Corps von 20.000 Mann, mit Rücksicht auf eine selbständige Reserve, auszuscheiden und dieses ausser Zusammenhang mit dem Gros einzig und allein wegen der Beobachtung der Krym zu setzen, wohin schliesslich der Feind aller Wahrscheinlichkeit nach nicht hinkommt. Es muss hier nun bemerkt werden, dass eine jede nothwendige, wenn auch nicht militärische Eisenbahn, ob es nun die Lozowo-Czongar'sche oder die Kremenczug-Perekop'sche ist, für eine erste Aufstellung der Truppen und für die Nachschübe, wenn man in der Krym die Absicht zum Operiren hätte, gute Dienste leisten wird; es wird sich aber gewiss bald ihr geringer Nutzen zeigen, falls für uns die Nothwendigkeit eintritt, die Krym von einer feindlichen Invasion befreien zu müssen. In strategischer Beziehung ist es aber wichtig und nothwendig, die Frage zu lösen: welche Richtung einer Krym'schen Bahn den früher aufgezählten klaren Absichten entspricht?

In militärischer Beziehung ist uns eine Bahn weniger in die Krym als zur Krym nöthig, um, wenn es eben nothwendig werden sollte, bequem zur Halbinsel gelangen zu können.

Der Invaliden-Artikel gabelt diese Bahn nach dem Czongar'schen Über

gang in Zweige: den Sewastopol'schen und den Kercz'schen Flügel; aber die Verlängerung der Eisenbahn im Innern der Halbinsel ist ja ein eminent commercielles und kein militärisches Moment. In Sewastopol haben wir nun Nichts mehr zu vertheidigen, und für einen am Bosporus, 36 Stunden Fahrzeit von den neurussischen und taurischen Ufern entfernten Feind hat die Sewastopol'sche Bucht keine besondere Wichtigkeit. Noch weniger ist aber eine militärische Bahn nach Kercz nöthig, weil die Festung in gewöhnlicher Zeit mit Allem von Taganrog versorgt, in Kriegszeiten aber nach der ersten Landung des Feindes bei Kercz die Eisenbahnthätigkeit ohnehin sofort unterbrochen sein wird. Eine commercielle Bedeutung hat dieser neueste Schössling gar nicht.

In welcher Richtung wäre also die Eisenbahn nach der Krym zu bauen? Die Ausschreibung nennt die Direction von Charkow auf Czongar, doch die Sache befindet sich noch glücklicherweise im Project und lässt sich noch mit einem Federzuge ändern.

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Die Auswahl besteht in zwei Linien: der früher genannten und der Kremenczug-Perekop'schen, beide zwar gleich bequem für die Versorgung der in der Krym liegenden Truppen, aber die erste hat eine Länge von 819 Werst von Charkow und 683 Werst von der Station Lozowaja; die zweite, im Ganzen nur 504 Werst, ist somit um 176 Werst kürzer.

Selbst von Charkow über Kremenczug nach Sewastopol beträgt die Entfernung im Ganzen nur 751 Werst, und ist somit die Distanz um 68 Werst kürzer als bei der Linie Charkow-Lozowaja-Czongar, welche nebstbei, ohne auf die Bemerkungen des Invaliden Rücksicht zu nehmen, durchaus unwichtig ist. Wie wir eben gesehen haben, beschützt diese Linie weder sich selbst, noch die Taurische Halbinsel; durch ihre Führung wird Perekop ohne Rücksicht dem Feinde preisgegeben, welcher dann aus dieser Central-Position alle unsere Massregeln paralysirt; die Vertheidigung des Landes wird durch diese Linie in zwei Abschnitte zu beiden Seiten des Dnjepr getheilt, und wir gezwungen, zwei starke Beobachtungs-Corps dort aufzustellen, wo sonst ein Corps genügen würde. Bei der Führung dieser Lozowo-Czongar'schen Linie muss man auch den Gedanken an eine Vereinigung Nikołajews mit der Krym, das ist mit Odessa und Bessarabien, Orte der natürlichen Vertheilung der Streitkräfte während eines Krieges verzichten. Dem entgegen entspricht die Kremenczug-Sewastopol'sche Linie in der Richtung auf Berisławl und Perekop in einem so hohen Grade den militärischen Anforderungen, dass man dieselbe, wenn sie nicht gleichzeitig auch die beste Handelsstrasse wäre, als eine einzig aus strategischen Motiven erbaute Linie betrachten müsste. Sie entspricht eben allen Bedingungen:

1. Sie verbindet die Krym mit dem Netze der Eisenbahnen in der kürzesten und billigsten Richtung.

2. Sie zieht in der Nähe jener Gegend, in welcher die Aufstellungsorte der Truppen für eine Vertheidigung des neurussischen Küstenlandes sich befinden werden, und gibt ihnen die Möglichkeit, schneller im Nothfalle nach

der Krym gelangen zu können, und umgekehrt den Krym'schen Truppen nach Neurussland.

3. In Folge dessen verwirklicht sie, wenn auch noch nicht vollkommen, so doch annähernd die gewünschte Verbindung beider durch den Dnjepr getheilten Hälften des südlichen Kriegstheaters.

4. Eröffnet sie die Möglichkeit, eine vollkommene Verbindung für militärische Zwecke ohne alle Garantie-Leistung schon in der nächsten Zukunft zu erreichen, denn es wird von diesem Wege ganz bestimmt und gewiss gleichzeitig mit seiner Erbauung ein Zweig nach Nikołajew entstehen, und Odessa wird sich beeilen, an diesen letzten Punkt anzubinden.

5. Dient dieselbe im gleichen Masse sowohl der Vertheidigung der Krym als auch jener von Neurussland.

6. Sie sichert uns in einer dauerhaften Weise den Zutritt in die Krym und entfernt die Möglichkeit eines feindlichen Versuches auf Perekop, und endlich

7. ist der Knotenpunkt dieses Weges „Kremenczug" in militärischer Beziehung bedeutend bequemer als "Charkow" gelegen. Zu Anfang eines Krieges werden die Armeen im Westen zusammengezogen; wenn man nun durch plötzliche Umstände genöthigt wäre, ein Corps von der Hauptarmee zur Vertheidigung von Neurussland und der Krym auszuscheiden, so langt dasselbe schneller und leichter durch Kremenczug an seine Bestimmung als durch Charkow.

Ich bin kein Specialist und kann demnach auch nicht über den Kostenüberschlag dieser oder jener Linie reden. Die Eisenbahn über Kremenczug benöthigt zwei Dnjepr-Brücken, die Charkow'sche Linie eine Brücke über die Czongar'sche Meerenge; nachdem aber bei der ersten Linie eine DnjeprBrücke für die Charkow-Balta-Eisenbahn nöthig ist, so bleibt demnach bei jeder Linie, von den örtlichen Umständen dieses oder jenes Überganges, was ich nicht beurtheilen kann, abgesehen eine grössere Brücke zu bauen. Folge der grösseren Längenentwicklung der Charkow-Czongar'schen Linie betragen aber die Kosten des einfachen Schienenweges circa 10.000,000 Rubel mehr als auf der Linie Kremenczug-Perekop; in militärischer Beziehung ist aber der Vortheil dieser letzteren Linie so gross, dass man dieselbe selbst dann bauen sollte, wenn sie um 10 Millionen mehr kosten würde. Nach meiner Überzeugung befindet sich in Russland keine einzige strategische Verkehrslinie, welche eine Subvention von 10 Millionen erfordert, und dennoch ist das Kriegsbudget auf 140 Millionen Rubel gestiegen, und es mangeln noch immer einige 100.000 Rubel zur Befriedigung der Armee-Bedürfnisse. Jeder möge nun nach seiner Überzeugung urtheilen, ob die früher gezeigten Vorzüge der Lozowo-Czongar'schen Eisenbahn eine Mehrausgabe von 10 sehr nützlichen Millionen werth sind.

Im nächsten Kriege, mag derselbe durch irgend welche Veranlassung ausbrechen, wird es sich nicht mehr um die Entscheidung irgend einer politischen Frage handeln, wie im letzten orientalischen, sondern um das

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