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Der moderne Seekrieg.

Vom k. k. Linienschiffs-Lieutenant Engelmann.

Das gesteigerte Interesse, welches man in immer weitern Kreisen unserer jungen Kriegs-Marine entgegenbringt, veranlasst uns, den Seekrieg auf seiner jetzigen Entwicklungsstufe einer kritisch-wissenschaftlichen Discussion zu unterziehen, um dadurch nach unsern schwachen Kräften zur Aufklärung der oft irrigen Ansichten, denen man noch immer über diese bei uns eigentlich noch neue Waffe so häufig begegnet, Einiges beizutragen. Wir werden deshalb dieses so ziemlich umfangreiche Thema in drei Abschnitten behandeln, wovon

der 1. die künftige Gefechts-Taktik der Panzerschiffe

2. den Kampf von Panzerschiffen gegen Küsten-Befestigungen und

3. den Unterwasserkrieg mit Minen und Torpedos behandelt, und werden bei jedem Capitel den Standpunkt, welchen unsere Marine in demselben einnimmt, kennzeichnen, sowie etwaige wünschenswerthe Neu-Einrichtungen oder Verbesserungen erwähnen, hoffend, so der uns gestellten Aufgabe zu entsprechen.

I. Über die Gefechts-Taktik mit Panzerschiffen.

Mit Bezug auf die bei der Seeschlacht von Lissa gemachten Erfahrungen.

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Mit den Worten des Dichters: Es ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie ewig neu etc." wollen wir unsern Aufsatz beginnen, denn es ist ein schon of behandeltes Thema, das wir hier wieder aufgreifen, und es mag zu unserer Entschuldigung dienen, dass die Sache noch nicht endgiltig ausgetragen wurde, dass es vielmehr der Erfahrung überlassen blieb, das Recht oder Unrecht der einen oder der andern Partei, von welcher im weiteren Verlaufe die Rede sein wird, zu bezeugen. Es handelt sich, wie schon aus der Überschrift dieses Aufsatzes ersichtlich, um die künftige Gefechts-Taktik it Panzerschiffen. Und da, wie wir glauben, die Seeschlacht von Lissa hiefür viele neue Argumente zur Aufklärung und Urtheilsbildung geliefert, die bekanntermassen bis jetzt noch nicht genügend hervorgehoben wurden, und da das freie Wort auf dem Felde der wissenschaftlichen Discussion sich auch in unseren militärischen Kreisen die Bahn gebrochen, so wolle man auch diesen unsern schwachen Versuch zur Bereicherung und Klärung der Ansichten über die künftige Seekriegsführung von diesem Gesichtspunkte aus

freundlichst beurtheilen. Da wir von Taktik sprechen wollen, so ist es v Allem nothwendig, dass wir auseinandersetzen, in welchem Sinne wir di selbe hier verstehen.

Es gibt Viele, die sich gewöhnt haben, in der See-Taktik Nich anderes als die den maritimen Signalbüchern gewöhnlich anhängenden, d Aufstellungen und Evolutionen einer Escadre lehrenden Principien zu sehe

Andere wieder benennen mit diesem Namen ein gewisses Manöve eine gewisse Ordnung oder Aufstellung (beispielsweise die Keilformation denen sie einen entschiedenen Einfluss, ja fast eine übernatürliche und u widerstehliche Wirkung zuschreiben. Es gibt noch Andere, welche die Kuns die Operationen einer Flotte so zu combiniren, um sie zu einem entwed näher oder weiter gelegenen Ziele zu bringen, mit dem Namen Taktik b zeichnen; das ist aber Nichts anderes als Strategie und von Taktik weit ve schieden. Taktik in dem Sinne, in welchem wir weiter davon spreche wollen, ist die Art und Weise, das Gefecht zu engagiren und zu unterhalter sie ist das Studium aller offensiven und defensiven Bewegungen in Geger wart des Feindes, kurz: das Ensemble der Mittel, welche erlaube den Feind anzugreifen und zu vernichten, oder ihn zurückzuweisen und ih zu entgehen. Wir wollen sie deshalb bezeichnender Gefechts-Takti

nennen.

Die Evolutionen aber sind nur die Mittel, deren sich sowohl die Strategi als auch die Taktik bedienen, um zu ihrem Ziele zu gelangen.

Die ehemalige Gefechts-Taktik der Segelschiffe ist zu bekannt, um si hier nochmals zu erörtern; nur so viel wollen wir von derselben erwähnen dass, da die Enterung und der Artilleriekampf die beiden entscheidende Factoren derselben waren, man stets bemüht war, die Luvseite ') zu gewin nen und durch eine gut geschlossene Ordnung ein Durchbrechen, Doubliren *) überhaupt eine Trennung der einzelnen, sich gegenseitig unterstützender Theile zu verhindern. Als der Dampf die Stelle des Windes als Motor über nahm, und die Artillerie noch dieselbe dominirende Stellung in der Seekrieg führung behauptete, blieben auch noch die früheren taktischen Principien massgebend, eben nur mit jenen Verbesserungen und Modificationen, welche die Einführung des neuen Motors bedingten.

Erst durch die Einführung der Panzerschiffe hat sich der maritimen Kriegskunst eine ganz neue Ära erschlossen: die Panzerschiffe haben sich die Herrschaft zur See erobert!

Die Idee des Angriffes durch den Stoss, welchen die praktischen Amerikaner ersonnen, und welche bei Lissa eine so brillante Bestätigung gefunden, hat sich eingebürgert. Wir sehen mit Staunen und Bewunderung, was der Schiffbau, dieser modernen Idee huldigend, seit jener Epoche geleistet, indem er die so verschiedenen Typen der Panzerschiffe, wie z. B.

1) Windseite.

Umgehung.

das gepanzerte Linienschiff, das Batterie-, Kuppel-, Thurm-, Casemattschiff, Monitore etc., wie die Seeungeheuer jetzt alle heissen, hervorbrachte.

Die Artillerie sah lange, mit der ihr eigenen Zähigkeit und Abneigung gegen jede Neuerung, diesem regen Treiben auf dem Felde des Schiffbaues ruhig zu, und erst als sie sich gänzlich wirkungslos aus dem Felde geschlagen sah, macht sie jetzt in neuester Zeit die gewaltigsten Anstrengungen, das verlorene Terrain wieder zu gewinnen, und zwar, wie wir glauben, vergebens; denn der Schiffbau, schon jetzt bei einer Panzerdicke von 10-12 Zoll und noch darüber angelangt, hat damit noch nicht die Grenze der Möglichkeit überschritten, während wenigstens die Schiffs - Artillerie schon jetzt auf unüberwindliche Schwierigkeiten bei einer der Panzerdicke proportionalen Kalibersteigerung stösst. Doch, um von dieser Abschweifung auf unser ursprüngliches Thema zurückzukommen, kam mit der Einführung der PanzerSchiffe natürlich auch die Frage über die künftige Gefechts-Taktik bald zur Erwägung. Es bildeten sich zwei Parteien, deren wir Eingangs erwähnten, von welchen die eine von der im amerikanischen Kriege erprobten Gefechtsart durch den Stoss die Ansicht ableitete, dass damit die bisherige Taktik selbst einen gewaltigen Stoss bekommen, ja eine vollkommene Umwälzung erleiden müsse. Die andere Partei behauptet wieder, dass der Stoss wohl auf das Gefecht zwischen einzelnen Schiffen anwendbar, aber für ganze Flotten unausführbar sei. Und von diesem Gedanken ausgehend, haben sie die geschlossene Gefechts-Taktik zu einer förmlichen mathematischen Wissenschaft erhoben, die Fahrt eines jeden Schiffes bis auf die Secunde ausgerechnet, jedem Schiffe die Bahn geometrisch vorgezeichnet, die Anzahl Grade, um welche das Steuer bei jeder Bewegung umgelegt werden müsse, die Zeit, die zu jeder Evolution einzuhalten, etc. bestimmt. Wir wollen sie deshalb die Partei der Theoretiker nennen. Zu derselben bekennen sich hauptsächlich die Russen, repräsentirt durch ihren Admiral Bouttakow, die Franzosen durch Admiral Bouet - Villaumez, und noch mehrere andere Nationen, welche ihre Flotten gegenwärtig nach diesem System drillen.

Lassen wir sie selbst sprechen und ihr System vertheidigen. Ein berühmter französischer Marine-Schriftsteller 1) sagt in dieser Rücksicht:

„Ich kann mich nicht genug wundern, Leute vom Fache sagen zu hören, dass es für die Kriegsschiffe keine Taktik mehr gebe, und dass, einmal das Gefecht engagirt, es der Inspiration und der Initiative eines jeden Einzelnen überlassen sein soll zu handeln. Wie kann man sich einbilden, dass es keine definirbaren und formbaren Principien gebe, welche die Evolutionen der Schiffe regieren, wenn ihre Bewegung von zwei so einfachen Mechanismen, wie der Propeller und das Steuer commandirt werden!

„Und wenn jedes Schiff einzeln genommen nach angenommenen Principien regelrecht zu manövriren vermag, wie kann man sich einbilden, dass

Capitän Lewal in seinem Werke: Tactique des combats de mer pour les fottes cuirassées à helice.

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es kein Interesse mehr haben soll, das Ganze nach ähnlichen Principien zu ,,dirigiren?

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Wie kann man glauben, dass die überall und inimer, sowohl für die Landals Seemacht anwendbaren Principien der Kriegskunst unsern Escadren ,,nicht mehr conveniren, weil jede Einheit, aus welchen sie bestehen, sich ,, fast frei nach allen Directionen bewegen kann? Warum sollte es kein Interesse mehr haben, mit dem Ganzen ebenso mit Präcision zu manövriren, um „sich entweder zu concentriren oder mit Leichtigkeit auszubreiten, einen "Flügel verstärken, den Feind theilen und im Detail vernichten zu können, „im Stande zu sein, immer mit Übermacht auf einem gegebenen Punkte zu ,,erscheinen, Reserven zu haben und sich nicht mit dem Ganzen engagiren zu ,,müssen etc. etc. Ich bekenne, dass ich es nicht einsehe, und dass es nicht die „individuelle Iinitiative sein kann, welche uns Alles das bieten soll. Nach ,,meiner Meinung bleiben die Principien immer wahr: es ist von Vortheil sie ,,anzuwenden, und sehr gefährlich, sie zu ignoriren und zu verachten. Nach„dem die Schiffe sich durch die Action geregelter, innerhalb gewisser Grenzen ,constanter Kräfte bewegen, so widersetzt sich Nichts der Schaffung einer „exacten und geometrischen Wissenschaft der Evolutionen.

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,Wir basiren unsere Combinationen auf eine einzige exacte Angabe, das ist: die Kenntniss des durchlaufenen Weges in jedem Augenblicke und „an jeder gegebenen Stelle. Das genügt uns, um auf die einfachste und ,,kürzeste Weise alle Probleme zu lösen, so complicirt auf den ersten Blick ,,sie auch scheinen mögen.

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Bei jeder Evolution zeigen wir jedem einzelnen Schiffe an, was es zu ,,thun habe, seinen Wechsel der Route und der Fahrgeschwindigkeit, den ,,Augenblick, in welchem es das Steuer umlegen muss. Wir zeigen ihnen auch „die Dauer der Evolutionen für jede Methode an, was ein genaues Element „für die Vergleichung bietet etc. etc. So die Theoretiker."

Wir gestehen unsere Achtung und Bewunderung vor einer solchen wissenschaftlichen Behandlung dieses Stoffes ein und geben auch zu, dass es der Intelligenz, dem Studium, hauptsächlich aber der Übung möglich ist, die verlangten Resultate zu erzielen; die Frage aber, ob das Ganze auch wirklich praktischen Werth und Anwendbarkeit besitze, wollen wir zum Schlusse beantworten.

Was sagt nun die andere Partei, die wir zum Gegensatze die Praktiker nennen wollen.

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Unterstellen wir denn den Erfolg immer den Regeln? Ist der Sicg das Resultat geometrischer Linien und mathematischer Calcule?

„Triumphirt man nicht zuweilen, ja sehr oft gegen die vorgeschriebenen

"Regeln?

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Ist es nicht besser, ohne die aufgestellten Regeln zu siegen, als mit ,,ihnen zu unterliegen?

„Ohne Inspiration, ohne Genie des Führers kein Erfolg! Das Genie braucht keine Regeln, diese sind nur für gewöhnliche Menschen gemacht.

Das Genie weiss seine Mittel so anzuwenden, dass es damit einen weit energischeren Erfolg erzielt, als ihn die geregelte Anwendung derselben verspricht. Es creirt sich Combinationen für jeden Fall, und es ist unmöglich, seine Vorgänge und Inspirationen in Regeln darzustellen. Die Züge der Strategie bilden sich nach den vorliegenden Fällen, und da diese sich selten ähnlich wiederholen, so dienen sie später eher dazu, die Intelligenz zu üben und das Urtheil zu schärfen, als um sichere positive Verhaltungsmassregeln zu geben."

Widerlegen wir jedoch die Theoretiker eindringlicher als mit so allgemein gehaltenen Phrasen!

Und da fällt uns gerade eine bekannte Anekdote ein, die wir, wegen ihrer Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall, erwähnen wollen.

Als einmal ein Bischof seinen Einzug in einer Gemeinde hielt und sie deshalb zur Rede stellte, warum sie ihn nicht mit Glockengeläute empfangen, antwortete man ihm: „Aus mehreren Gründen, und zwar: Erstens haben wir gar keine Glocke; zweitens " „Schon gut, unterbrach sie der Bischof, die andern Gründe schenke ich Euch." Ebenso hier. Eine solche abgezirkelte Gefechtsmethode ist nicht möglich; Erstens, weil sie in Gegenwart des Feindes gar nicht ausführbar ist. Die andern Gründe schenken wir uns selbst. - Und warum sollte sie vor dem Feinde nicht ausführbar sein? Weil zwischen dem Signale der Feind in Sicht" und dem Momente, wo er, von des Dampfes Flügeln getragen, schon da ist, eine so kurze Zeit verfliesst, dass z. B. die Italiener bei Lissa nicht einmal die Zeit hatten, ihre vorgeschriebenen Posten einzunehmen'), geschweige denn Zeit gehabt hätten, all die verzwickten Kreislinien auszuführen, welche die theoretische Gefechts-Taktik vorschreibt.

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Ferner, soll man all die guten Eigenschaften der Schiffe, die nur mit vielem Gelde und Studium erworben werden, als da sind: Schnelligkeit, Steuerähigkeit, Stossvermögen etc., all das theuer Erworbene einer sogenannten taktischen Einheit opfern? Sollten die Capitäne diese guten Eigenschaften ihrer Schiffe nicht vollkommen ausnützen dürfen? Ebenso wie im Landkriege ein Vollblutpferd in einer Reiter-Abtheilung nur Verwirrung anrichtet, ebenso wird ein schneidiger Capitän schwer auf seinem Posten zu halten sein.

Und fehlt ja überhaupt schon jenes Element, das nach frühern taktischen Begriffen eine Flotte erst bildete, das ist, die möglichste Gleichartigkeit der Schiffe!

Schauen wir eine jetzige moderne Flotte, z. B. die englische, an: ist sie nicht vielmehr eine Modellen- oder Typensammlung?

Und wie will man diese so verschiedenen Elemente zusammenhalten, wenn der Feind die Ordnung durchbricht, woran man ihn durch Nichts zu hindern vermag? Bald wird der Pêle-mêle da sein, wie ihn Admiral Tegelthoff mit Vorsatz herbeigeführt, und wie er künftighin von selbst immer resultiren wird, und dann sind wir auf dem Standpunkte der Praktiker

1) Aus dem Processe Persano's bekannt.

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