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gang wählen, um in die Kehle des Cavaliers zu gelangen, oder über die 18 Fuss hohe Böschung auf die Höhe desselben steigen.

Die zu diesem äusserst rapiden Vorgang, welcher nur ganz Verzagten gegenüber angewendet werden kann, im Minimum nöthige Zeit ist nach bisherigen Berechnungen folgende:

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Für die Graben-Abfahrt 1) 5 Nächte und 5 Tage, dieselbe konnte somit am 2. October Abends fertig sein.

Für den 1. Graben-Übergang 2 Nächte (vor Nr. 53 brauchte man 12 Stunden, arbeitete aber von 2 Seiten und ungestört), Morgens.

- fertig am 4. October

Mineur-Ansetzen, resp. Durchbrechen der Contregarde') 120 Stunden, fertig am 9. October Morgens.

Für den Graben-Übergang über den Hauptgraben, 28 Klafter breit, 4 Nächte ), fertig am 13. Morgens.

Somit Dauer der Arbeit ohne Störung bis zum Fusse der Bresche 15 Tage. Und da stand man nun am Fusse eines mit Hindernissen bestreuten Schuttkegels, hatte ein Ravelin und ein Hornwerk zur Seite und im Rücken, und einen Cavalier vor sich; man war beschränkt auf eine einzige Communication, die bis zur Krönung aus einem Defilé von 500 Schritt Länge bestand, in welchem man in der Breite von höchstens 4 Mann vorgehen, Böschungen ersteigen, durch niedere Communicationen gehen und mindestens 50mal wenden musste.

Kann ein Taktiker glauben, dass ein Augriff auf eine im offenen Felde stehende ungedeckte Truppe aus einem solchen Defilé möglich ist? warum sollte er im Festungskrieg ausführbar sein? Wie viel abgeschlagene Stürme verzeichnet die Geschichte zur Zeit des Luntenschlosses, zur Zeit, als man de Kanone noch im Namen Gottes und aller Heiligen" abfeuern musste? We viel hartnäckige Breschevertheidigungen weist Frankreich auf? Haben unter dem zweiten Kaiserreich die Franzosen wirklich das Vertheidigen der Bresche verlernt?

Wir machen uns keiner Übertreibung schuldig, wenn wir behaupten: Strassburg hätte in dem Zustande, in welchem es am 27. war, bei etwas energischerer Vertheidigung sich noch gut 3 Wochen halten können; wäre es aber von Haus aus besser vertheidigt worden, so konnte die Belagerungsdauer gut 3 Monate betragen.

1) Gedeckte Abfahrt nach österreichischen Versuchen, mittlere Leistung pr. Klafter 12 Stunden, welches auch mit den Angaben Hauser's und Mörings stimmt. I: Krems 1862 benöthigte man zur Abfahrt 5mal 24 Stunden.

*) Grosse Galerie im besten Erdreich 10 Stunden pr. Klafter.

Nach den Angaben Vaubans, die sich übrigens nur auf trockene Gräben von 15 Klafter Breite beschränken, wäre somit hier das Doppelte zu nehmen.

b) Verwendung der Artillerie.

In der Festung waren über 1000 Geschütze vorhanden (1070 wurden am Tage nach der Übergabe gezählt, darunter nur 92 demontirt, und zwar 17 gezogene 24Pfünder, 38 gezogene 12Pfünder, 35 glatte Kanonen, 2 gezogene Feldgeschütze, kein Mörser).

Das französische Artillerie-Materiale ist bekanntlich um Vieles schlechter als das preussische, und halten insbesondere die Granatzünder und Shrapnell mit den preussischen keinen Vergleich aus. Die französischen Kanoniere bestanden in der Hauptmasse aus Recruten. Sie mussten aber endlich doch im Laufe der Belagerung geschickte Artilleristen geworden sein.

Der Vertheidiger hatte somit an Geschützzahl, der Angreifer im Maleriale und durch die umfassende Position eine grosse Überlegenheit. Konnte ersterer den Fernkampf mit dem Gegner Anfangs nicht aufnehmen, weil die Angriffsfront nicht entsprechend armirt war, so musste man dies möglichst bald nachholen, um in den der Vertheidigung günstigeren Momenten des Nahkampfes wehrhaft dazustehen.

Die guten Geschütze mussten nach und nach alle auf die Angriffs- und die Nebenfronten geschafft werden, denn der Angriff auf die andern Fronten wurde immer unwahrscheinlicher.

Die Lünetten, die beiden Hornwerke, der Hauptwall, die Contregarden der Westseite mussten mit Geschützen im wahren Sinne des Wortes bespickt sein; dem war aber nicht so. In den Lünetten 53 und 52 standen je 6 Geschütze. Auf der wichtigen Contregarde vor Nr. 12 war gar keines aufgestellt, sonst wäre die Tonnenbrücke vor Nr. 52 bald zertrümmert worden.

In dem Masse, als die Zerstörungen am Hauptwalle ärger wurden (am 21. September schien er übrigens noch grün" hervor, wie sich ein Correspondent ausdrückt), mussten die Collateral-Linien, die Werke vor der Finkmatt-Bastion armirt werden.

Konnte man endlich durch directes Feuer nicht mehr aufkommen, wie es bis jetzt noch schliesslich bei jeder Belagerung der Fall war, so mussten die gefährdeten schweren Kanonen einfach zurückgezogen, aber für alle Fälle auf den angegriffenen Werken einige Kartätschengeschütze intact erhalten und verdeckt aufgestellt werden, um zur Nachtzeit zeitweise einen Kartätschhagel gegen das Glacis und Vorfeld zu senden, welcher den ungedeckten Vorgang bei Aushebung der Laufgräben unmöglich machte. Man musste ferner von den Nebenfronten, aus ganz versteckten Plätzen im Bogen über die vorliegenden Festungswerke hinweg, indirect gegen die Batterien und Laufgräben schiessen und werfen; auf Ökonomie mit der Munition kam es ja doch nicht mehr an. Statt sie bei der Capitulation dem Feind zu überlassen, ist es doch besser, sie, wenn auch in's Blinde, gegen denselben zu verfeuern.

Ein Feuer aber, welches gar nie aufhören durfte, welches auch vom Belagerer kaum zum Schweigen zu bringen (und von dem Vertheidiger factisch auch am längsten unterhalten wurde), ist jenes aus den Mörsern.

Bei früheren Belagerungen führten die Mörser von dem Momente an, als die Demontir-Batterien sich ins Feuer setzten, bis zum Anlangen des Feindes am Glacis fast ausschliesslich den Geschützkampf. Die Mörser sind seit dieser Zeit nicht schlechter geworden, und ist auch gar kein Grund vorhanden, weshalb sie nunmehr nicht ebenso genügen sollten als ehedem. In den letzten Stadien warf man aber weniger Bomben, sondern vielmehr Hohlkugeln, deren man 7-40 Stück in die Mörser lud und mit einem Male gegen den Feind warf, oder man bediente sich der Steinwürfe.

Langsam, aber unablässig wurde das Terrain des Angreifers mit diesen Hohlkugeln und Steinen überschüttet; gegen diese schützten die Brustwehren der Laufgräben fast gar nicht, und war der Angreifer sogar öfter (insbesondere bei Danzig 1813) gezwungen, mit grossem Zeitaufwande die ganze Krönung einzudecken '). Die französischen Autoren von Vauban an, welche zusammen in weit mehr als 100 Belagerungen die Wirkungen des Steinmorsers durch Augenschein kennen gelernt haben, reden ausnahmlos demselben das Wort.

Solche Mörser hätten gehört: Wenigstens je 3 in die Werke 52, 53 und 54, wenigstens 10 in das Hornwerk 47-49, wo man dieselben derart aufstellen konnte, dass sie fast nicht zu beschädigen waren, endlich die gehörige Zahl auf dem Hauptwalle.

Nach den Erfahrungen von Jahrhunderten wäre es nicht möglich gewesen, im Bereiche der Hohlkugel- und Steinwürfe kühn und nur mit einer Communication vorzugehen.

Von den kleinen tragbaren Coehorn- oder 7pfündigen Granat-Mörsern scheint ebenfalls kein entsprechender Gebrauch gemacht worden zu sein. Ganz auffallend aber ist, dass man es unterliess, zur Nachtzeit das Vorfeld zu beleuchten.

Hatte man keine Leuchtkugeln und Leuchtraketen, um die Arbeiten zur Nachtzeit zu entdecken, oder doch wenigstens Pechpfannen, die man beim Werk hinaushalten konnte, um doch den Graben-Übergang zu entdecken? Ebenso unzulänglich waren die Anstalten zur artilleristischen Vertheidigung der Breschen.

Bei dem Bastions-System, wie es bei der Steinthor-Front zur Anwendung kam, hat die Curtine mit zur Graben-Flankirung beizutragen. An der Cartine konnte man, dem feindlichen Feuer gänzlich entzogen, die Scharten bis zum Moment des Gebrauches geblendet, 15-20 Geschütze aufführen, SO dass gegen jede Bresche in den Facen deren je 7-10 wirken konnten. Statt dieser Geschütze standen 2 Mörser dort, zu denen die Bomben nicht passten !

Die Curtine (10-11) konnte ebenfalls mit Rohrgeschützen, wohl nicht die Bresche, aber die Verbauung auf der Contregarde und die Krönung des Glacis treffen.

1) Möring rechnet für jeden Steinmörser 8 Cubikk lafter Steine, dann zum Werfen aus den Mörsern 25.000 Handgranaten und 4000 Pulversäcke.

Vom Offensivgeist wurde die Artillerie ebenfalls nicht getragen, sonst wäre sie, insbesondere zur Nachtzeit, auf vorher markirten Punkten im Bereiche des Werkes 44 zeitweise mit leichten Feldgeschützen aufgefahren, um die Laufgräben, die 3. Parallele, die Halbparallele und die Krönung mit einigen Shrapnels zu enfiliren. Dass dies möglich gewesen wäre, zeigt die Tafel I, und dass es kaum denkbar ist, in solchem Falle gar Nichts zu treffen, bedarf keines Beweises.

Uhrich gibt einen Theil der Schuld der schlechten artilleristischen Leistungen dem Umstande, dass in der Citadelle 35.000 Granatzünder verbrannten. Das ist nun allerdings ein grosser Schaden, bezüglich dessen die Schuld übrigens dem Vertheidiger zur Last fällt; allein man konnte sich doch, wenn auch mit mangelhafteren Brandröhren, die man im Laboratorium erzeugte, behelfen. Im letzten Stadium des Festungskrieges bedarf man der genau functionirenden Zünder nicht mehr; in früherer Zeit waren die Granaten überhaupt selten; man durchschoss die Brustwehr mit Vollkugeln, und solche waren in Menge da.

In schwierigen Fällen, und diese waren unbedingt hier vorhanden, muss man sich eben helfen, wie man kann. Als es den Österreichern bei der Vertheidigung von Schweidnitz 1762 an Laffeten fehlte, erzeugten sie aus den Naben alter Räder Walzen, auf welchen sie ein rappertartiges Gestell an brachten; es leistete seine Dienste.

Bei einer Vertheidigung war den Franzosen die Munition ausgegangen: man sammelte die Feuerspritzen und übergoss den in der Krönung arbeitenden Sappeur mit solchen Quantitäten Wassers, dass er keine volle Schaufel Erde in die Brustwehr bringen konnte.

Bei einer anderen Belagerung (Chatté) hatte man mit demselben Mangel zu kämpfen; der Feind konnte ungefährdet den Graben passiren und die Bresche ersteigen, als er aber oben ankam, warf man ihm Körbe mit Bienen entgegen, welche den Stürmenden sofort zur Umkehr zwangen und his in die 2. Parallele verfolgten.

Als bei der Belagerung von Grave man auf den Wällen es nicht mehr aushalten konnte, construirte man Flösse, besetzte diese mit Mörsern, führte sie in den Wassergräben bis gegen die feindlichen Arbeiten und brachte dem Gegner aus Stellungen, die man fortwährend wechselte, grosse Verluste bei. Und Strassburg hatte noch 2-3 Reihen Wälle, 1000 Geschütze und eine grosse Masse von Munition. Nicht einmal gelang es der Artillerie des Vertheidigers, jene des Angreifers zum Schweigen zu bringen: sie demontirte demselben kaum ein Dutzend Kanonen. Das Geschützfeuer der Festung konnte nicht zur Anwendung der vollen Sappe zwingen; es tödtete dem Gegner, wie aus Tabelle 3 zu ersehen, nicht mehr als 47 Mann und verwundete nur 305. Da hat der Oberlieutenant Kleinert bei Magenta mit 2 Haubitzen in einer Stunde

Anmerkung. Was die Artillerie bei den beschränkten Mitteln Gutes leistete, ist Hauptverdienst Mengin's, eines Mannes von ausserordentlicher Tapferkeit und seltener Begabung und voll Energie.

den Franzosen mehr Verluste beigebracht, als die 1000 Kanonen der Festung Strassburg den Gegnern in einem Monate. Wir mögen was immer für eine Belagerung in's Auge fassen, so wenig hat noch nie eine Artillerie geleistet. Kurz, die Artillerie -Vertheidigung hält auch die gelindeste Kritik nicht aus.

c) Verwendung der Infanterie.

Eine Besatzung von 19.000 Mann, wie sie Strassburg zählte, worunter bei 11.000 Soldaten und während der Belagerung zu echten, kampfesmuthigen Soldaten gewordene Mobilgarden, in einer Festung, von welcher 10 des Umfanges der Inundation wegen gänzlich unnahbar waren, ist nicht nur ausreichend, sondern sogar reichlich und erlaubt, eine offensive Vertheidigung zu führen. Der Commandant, welcher eine solche Truppenmacht zur Disposi'ion hat, kann das Aussenfeld zum Tummelplatze seiner Unternehmungen machen; die Festung ist für ihn nur die Reserve, welche ungünstigen Eventualitäten entgegen tritt. Sie sichert seinen Rückzug und macht dadurch den Angriff kühn und rücksichtslos, sie hindert die Verfolgung und raubt dem Belagerer die Früchte des Sieges. Er riskirt nur den Überschuss seiner Kraft zu verlieren, bedroht aber den Angreifer, durch die Wegnahme seiner Geschütze, an seinen Lebensbedingungen.

Wenn der Ausfall die Zerstörung einer feindlichen Batterie mit Menschenleben zahlt, so muss man bedenken, dass die nun zerstörten Geschütze, indem sie ihre verheerenden Projectile in die Festung gesendet hätten, nicht weniger Opfer verlangt haben würden. Der Unterschied beider Verluste ist. nur der, dass man die einen in der frischen, fröhlichen Offensive, und indem man dem Feinde Schaden zufügte, erlitt, während man die andern im passiven Ausharren, im deprimirenden Gefühle, sich des Feindes nicht erwehren zu können, erleiden musste. Der positive Gewinn für den Belagerer aber ist der an jener Zeit, welche der Feind braucht, um die zerstörte Batterie neu zu etabliren und wieder feuerbereit zu machen.

Zeitgewinn ist aber für eine Festung, welcher nicht eine entscheidende, sondern nur eine secundäre Rolle zukommt, die Hauptsache; letztere wirkt ja indirect auf die Entscheidung, weil sie im Verhältniss zur Besatzung einen viel grösseren Theil der Kräfte des Gegners vom Punkte derselben ferne hält.

Je kühner aber der Vertheidiger ist, je mehr er den Angreifer durch Ausfälle bedroht, desto stärker muss Letzterer sein Belagerungscorps halten. Je mehr die Festung bezüglich ihres Vertheidigungs-Zustandes zu wünschen übrig lässt, desto länger muss man den Angreifer mit seinen BelagerungsBatterien ferne halten.

Während inan den Kanonen und der Nationalgarde den Schutz der Festung überliess, hätte man durch die reguläre Truppe und später auch durch die Mobilgarde, die Franctireurs und Freicompagnien, welche wiederholt wünschten, bei einem Ausfalle verwendet zu werden, dem Gegner das An

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