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während der Belagerung die Dienste der Genie-Soldaten vertretendes ArbeitsDetachement, aus den professionskundigen Leuten der Besatzung inclusive der Nationalgarde zusammengesetzt, beigeben. Die in den Vogesen liegenden Bergwerke konnten Mineurs liefern.

Die Genie-Officiere hätten somit hauptsächlich die Skizzen der Arbeit. geliefert, der Civil-Ingenieur musste sie ausführen.

Die gewiss sehr zahlreiche Masse der Arbeitsuchenden und Brotlosen lieferte Arbeiter in Menge. Faschinen und Körbe konnten im Concurswege ausgeschrieben, nach hinausgegebenem Muster erzeugt und auf die bezeichneten Plätze cingeliefert werden 1).

Vor Allem aber ist an der Vertheidigungs-Instandsetzung auszusetzen: 1. Die durchaus ungenügende Traversirung der Wälle.

2. Der Mangel von Handpulvermagazinen und Unterständen für die Artilleristen in den Traversen.

3. Der Mangel einer Rückenwehr, wenigstens gegen Splitter an der linken Flanke der Bastion Nr. 12.

4. Der Mangel von Hangars oder Ruhestellungen für Feldgeschütze, welche, in denselben gegen die Belagerungs-Batterien gedeckt, erst bei einem gewaltsamen Angriffe oder bei ungedecktem Vorgehen des Feindes am nahen Vorfelde und Glacis aufgefahren wären und, mit Kartätschen feuernd, das Vorgehen mit der fliegenden Sappe unmöglich gemacht hätten.

5. Der Mangel an genügenden, wohnlichen, bombensichern, Unterkünften und Bomben-Ladestellen, zu deren Etablirung Holzwerk und Eisenbahnschienen in hinreichender Menge vorhanden waren.

6. Die Unterlassung der Blindirung der Caponnièren nach Lünette 52 und 53, dann Herstellung einer geeigneten Communication nach Nr. 54.

7. Die Unterlassung der Anlage von Stein-Flatterminen, hauptsächlich in den eingehenden Waffenplätzen zur Enfilirung der Krönung, dann solcher in der Verlängerung der doppelten Caponnièren, endlich im Ravelin 50.

8. Die Unterlassung der Herrichtung der Curtine als Secundflanke, zur Vertheidigung des Grabens der Facen.

9. Die vorzeitige Bewässerung der Gräben, vor welchen Minen-Anlagen sich befinden, eine Hauptursache, warum das Minensystem vor Lünette 53 aufgegeben wurde, dann des kleinen Inundations-Kessels an der Gabelung der Strassen Stein-Thor-Schiltigheim, welcher die Ausfälle erschwerte.

10. Die Palissadirung des gedeckten Weges, welche nunmehr völlig zwecklos ist, aber Holz und Arbeiter den wichtigeren Punkten entzog, die kleinen Ausfälle erschwerte, den Aufenthalt im gedeckten Weg wegen der durch die feindlichen Artillerie-Geschosse umhergeschleuderten Holzsplitter unleidlich machte und die Bestreichung des Glacis durch Schützen erschwerte,

1) Ein Vorgang, der im Jahre 1866 sowohl in Floridsdorf als auch bei Olmütz mit bestem Erfolge angewendet wurde.

da diese sich nicht nahe genug an die deckende Erdwand anlegen und auch nicht durch Sandsackscharten decken konnten.

11. Als bedeutender Fehler muss ferner bezeichnet werden, dass man nicht die gehörige Anzahl bequemer Wege schuf, um mit den Ausfalls-Colonnen rasch in's Vorfeld zu gelangen. Dies bezieht sich hauptsächlich auf den gedeckten Weg des Hornwerkes 47-49, dann der Werke 54 und 55, von wo aus man dem Angriff mit kleinen Ausfällen in die Flanke kommen konnte. Auch hätte man, um das Ausfallen in breiten Fronten zu erleichtern, den gedeckten Weg in den eingehenden Waffenplätzen, besonders vor Nr. 49, rampenartig (glacis en contre-pente) gestalten sollen.

Der Eisenbahn-Einschnitt, welcher als eine vortreffliche Communication für grössere Ausfälle zu verwenden war, musste als solche hergerichtet und die dort wirr durcheinander liegenden Schienen, halbverbrannten Waggons etc. entfernt, die Böschungen flacher abgestochen werden.

12. Die ganz zwecklosen Gebäude am Wallgang über den Thorhallen, welche dem Feinde die Lage der Thore markirten, mussten demolirt, die Bäume von den Wällen entfernt werden.

13. Die vorhandene Abschnittmauer im Bastion 12 musste durch Anschliessen derselben mittels Palissaden gegen die Wälle zu und Anbringung von Unterständen für die Vertheidiger zu einem wirklichen Abschnitt gemacht werden.

14. Ein kleines, blockhausartiges Reduit im Ravelin 50 musste erbaut werden, um die Breschen in den Bastions im Rücken zu nehmen. Derartige kleine Reduits hätten auch den bedeckten Weg haltbarer gemacht.

15. Am Wallgange der Curtinen, welche rechts und links an die Bastion 11 anschlossen, mussten Abschnitte und bombensichere Gebäude in der Absicht angeordnet werden, um den über die Bresche stürmenden Feind, Welcher die ihm entgegenrückenden Colonnen des Vertheidigers zurückgeworfen hätte, vom raschen Nachdringen abzuhalten und dadurch das Gemetzel, welches dem Sturme folgt, zu verhindern.

16. Es musste alles Mögliche hergerichtet werden, um alle durch die Beschiessung entstandenen Schäden sofort zu repariren und geschossene Breschen ungangbar zu machen.

17. Im Laufe der Vertheidigung musste von Seite des Genie-Directors Folgendes angeordnet werden: Nachdem der Angriff gegen die Stein-ThorFront ausgesprochen war, musste das wichtige Werk Nr. 44 als Flankenposten bergerichtet und dadurch der Feind vielleicht zum Angriff auf dasselbe gezwungen werden.

Dieses geschah, indem man hinter dem Werke und seitwärts desselben bombensicher blindirte Geschützstände in die Erde versenkte, deren Scharten Von den Angriffs-Batterien nicht gefasst werden konnten; ferner, indem man it Contre-Approchen gegen den rechten Flügel des Angriffes vorgieng. In der Verlängerung der Kehle des Werkes Nr. 44 musste eine Gegenparallele geschaffen und diese durch Zickzacks mit dem Saverner-Thor verbunden Österr. militär. Zeitschrift 1871. (1. Bd.)

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werden. Diese gut traversirte, in ihrer Verlängerung durch Werk 44 geschützte Parallele hätte zur Aufnahme von Wallbüchsen-Schützen, dann der vordersten Abtheilungen der Ausfalls - Colonnen gedient und die Angreifer stets in Unsicherheit erhalten. Ein flüchtiges Couronnement von Lünette 53 wäre dann unmöglich geworden.

Über die Gegenparallele hinaus hätten noch Schützenlöcher ausgegraben werden können.

18. Das Aufgeben der Minenanlagen vor Nr. 53 war ein entschiedener Fehler. Konnte man einen ordentlichen Minenkrieg nicht führen, so mussten dieselben doch als Flatterminen benützt und mit einer Zündleitung zum Sprengen von rückwärts aus eingerichtet werden.

19. Nachdem die Bresche in Nr. 53 geschossen war, musste man dieselbe mit Fussangeln und Eggen besäen, hinter dieselben aber eine Verbauung, respective ein Versteck für Leute, welche die Bresche mit Handgranaten bewerfen konnten, erbauen.

Man musste gleichzeitig Anstalten treffen, um die Hohltraversen und Pulvermagazine, mit dem Verlassen des Werkes, in die Luft zu sprengen und so dem Feinde die Deckung zu nehmen. Halle man sich entschlossen, das Werk aufzugeben, so musste man nach dem Rückzug aus demselben die Caponnièren mit Baumästen ausfüllen, mit Attrappe-Minen (Torpedos) versehen, oder die Brustwehren demoliren.

Jedenfalls aber musste man in der Verlängerung derselben auf der Contregarde ein Geschütz hinter einer tiefen Scharte aufstellen, um sie zu enfiliren.

Ebenso hätte man beim Werk Nr. 52 und bei der Bresche im Hauptwalle vorgehen sollen; bei ersterem musste man die Kehlpalissadirung, welche übrigens überflüssig war, auf alle Fälle demoliren. Da die Bresche in der Hauptumfassung ungleich wichtiger war, mussten die Anstalten zu deren Vertheidigung sich massiren. Weil die directe Vertheidigung dieser Bresche am Besten vom Cavalier aus geschah, so konnte ausser der Bresche auch die Brustwehrkrone und der Wallgang der Bastion sammt dem Anlauf und die Escarpe des Cavaliers mit Hindernissen besäet werden, um ein Ausbreiten des Feindes auf dem Walle und ein Erstürmen des Cavaliers unmöglich zu machen. Spanische Reiter mit eisernen Federn, Fussangeln und die in früheren Zeiten stets angewendeten betheerten Holz-Späne und Pechfaschinen, welche man hinter die Bresche warf, um sie im entscheidenden Momente anzuzünden, wären die geeigneten Mittel hiezu gewesen. Gegen die Schulterpunkte zu aber musste man Palissadirungen aufstellen, welche den Wallgang sperrten, und von welchen aus man diese Hindernisse und die Böschung des Cavaliers mit Chassepots und Mitrailleusen flankiren konnte, während die Flanken- und Curtinen-Geschütze die Bresche von aussen, die Handgranaten und Rollbomben')

1) Möring rechnet im Dienst des Genie-Stabes im Felde" per Bresche 1400 Rollbomben und 10.000 Handgranaten. Bei Freiburg brachten 200 Österreicher allein mit Handgrauaten den stürmenden Franzosen einen Verlust von 7000 Mann bei.

von oben vertheidigten. Wäre ein Sturm durch diese Sackgasse möglich gewesen? Der Sappeur hätte sich an das gefährliche und langwierige Werk machen müssen, die Bresche unter dem Hagel der Handgranaten schrittweise gangbar zu machen.

Von dem Tage an aber, als der Punkt, an welchem Bresche geschossen wurde, markirt, ein Angriff auf das Minensystem vor dem Hornwerk 47-49 nicht mehr zu befürchten war, musste man sofort vom Innern des Cavaliers in Bastion 11 mehrere Minengalerien unter dem Cavalierwall in der Richtung gegen den Breschpunkt bis auf etwa 10 Fuss gegen die Escarpe des Cavaliers vortreiben (fertig in 24 Stunden), mit Pulver, Granaten und Steinen laden und dann sprengen, wenn der Angreifer die Escarpe zu erstürmen versuebte.

Diese wirksamen Hausmittel des Ingenieurs wurden aber nicht angewendet.

Zur Vertheidigung der Bresche und zur Erschwerung des GrabenÜberganges konnte aber noch mehr geschehen.

Der Graben-Übergang über den Wassergraben der Contregarde vor Nr. 11 musste, wenn er in der durch die Umstände gerechtfertigten, äusserst kühnen Manier mit Ausserachtlassung der flankirenden Nebenwerke erfolgen solite ungefähr in der auf Tafel 2 von der Mitte der Bresche aus punktirten Linie ausgeführt werden, und dies unter dem wirksamen Feuer der Biedern (mit 11 cotirten) linken Flanke der Contregarde vor Ravelin 50. Diese wichtige Linie musste sowohl für Geschütze, als auch für Schützen entsprechend eingedeckt, und die Scharten so gerichtet werden, dass man von der Krönungaus nicht beschossen und auch durch Mörser nicht bezwungen werden konnte. Die linke Face des Ravelins konnte dann um so sicherer als hohe Flanke ebenfalls gegen den Graben-Übergang feuern; dadurch zwang man den Angreifer, auch die Contregarde vor dem Ravelin und im weiteren Verfolge auch diesen zu nehmen.

Es musste ferner der die Tenaille vertretende Erdhaufen vor der SteinThor-Curtine derart eingerichtet werden, dass sich einige Schützen darin einnisten konnten.

Von höchster Wichtigkeit war aber die Curtine 11-12, auf welcher man mindestens 6 Geschütze aufstellen konnte, welche gegen die Bresche im Hauptwalle sahen; dann die linke Flanke des Hornwerkes 47-49.

In früherer Zeit hätte man es nicht gewagt, Angesichts einer solchen den Angriff flankirenden und im Rücken nehmenden Linie vorzugehen. Hier that man es der Vertheidiger musste daher diese Kühnheit des Angreifers benutzen und mit einigen bei der im Plane ersichtlichen letzten Traverse aufzestellten Geschützen den Übergang über den Hauptgraben im Rücken fassen, wodurch der Feind zum Mindesten genöthigt worden wäre, einen breiten Tamm mit Brustwehren nach beiden Seiten zu bauen. Zu diesem Behufe musste der den Ausschuss hindernde Theil der Erdcontregarde entfernt, d. h. deren

Brustwehr in einer Breite von 2-3 Klafter durchgeschnitten werden, eine Arbeit von 2 Nächten.

Aus dieser Darstellung geht hervor, dass die Kunst des Ingenieurs nicht das geleistet hat, was man stets von ihr verlangte und verlangen konnte. Der Mangel an Genie-Officieren und Genie-Mannschaft darf nur mehr theilweise als Entschuldigung dienen.

Zum Schlusse, als man anfieng, von der Capitulation zu reden, konnten sie ihre ganze Kraft bei der Angriffsfront concentriren. Bei Ausarbeitung des Minensystems vor dem Hornwerke 47-49 musste man sich Mineure gebildet haben, und auch die andern Arbeiter konnten nach nahezu zweimonatlicher Arbeit denn doch schon das nöthige Geschick erlangt haben. Es fragt sich nun, wie lange konnte bei dem Zustande der fortificatorischen Werke am 27. September der Widerstand noch dauern, wenn man von einem besonderen Geschick des Vertheidigers und von Zügen von Heldenmuth absieht, aber die Vertheidigung doch kräftig genug voraussetzt, um ein weiteres Vorgehen des Angreifers mit der fliegenden Sappe unmöglich zu machen?

Dass eine solche Voraussetzung wohl gerechtfertigt ist, geht aus der immerhin nennenswerthen Wirkung des Feuers des Vertheidigers in den letzten Tagen des Widerstandes hervor, an welchen der Angreifer so viel Verluste erlitt, wie überhaupt an irgend einem der verlustreichsten Tage, jenen des 2. September ausgenommen 1).

Um diese frühere Frage zu beantworten, muss man eine neue stellen:

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Welche Arbeiten hatte der Angreifer noch auszuführen?"

Nehmen wir hierbei an, dass der Belagerer in seiner bisherigen, ohne Beispiel dastehenden, kühnen, den preussischen Ingenieur-Officieren zur grossen Ehre gereichenden Manier weiter vorgieng und sich um die flankirenden Werke nicht kümmerte, sondern geraden Weges auf die Bresche in der Bastion 11 vorschritt.

Am 27. Abends hatte der Angreifer angefangen, die Abfahrt in den Graben der Contregarde von Nr. 11 in förmlicher Weise auszuführen.

Nach Vollendung desselben musste er im Etagenfeuer des Ravelins und der Contregarde vor demselben den 15 Klafter breiten Wassergraben überschreiten, dann sich auf der Erdenveloppe vor der Bresche verbauen, resp. einen Weg für die Sturmcolonnen über dieselbe ausführen, was am schnellsten mittels einer Mine geschah, wenn man es nicht vorzog, eine grosse, der Descenten-Galerie ähnliche Galerie durchzuführen.

Dann musste man den 28 Klafter breiten Haupt- (Wasser-) Graben im Feuer der Flanke und der Curtine überschreiten, resp. einen Damm bauen, endlich die Bresche gangbar machen, die vom Feinde gelegten Hindernisse aufräumen. Nun konnte man den Sturm wagen und den Weg von der schmalen Bresche auf dem 2 Klafter breiten, mit Hindernissen besäeten Wall

1) Siehe Beilage II.

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