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die, am Wallgang stehend, mit ihrem Dache weit über den Wall emporragen, waren die natürlichen Zielpunkte und verriethen dem Gegner die Lage der Thore. Sie sind sehr stark zerschossen: ganze Wände liegen in Schutt, der Dachstuhl hieng nur an einigen Sparren, und die herumfliegenden Trümmer halfen mit, um die Communication unleidlich zu machen.

Die Südfronte war ganz unversehrt geblieben. Am besten in Vertheidigungsstand und verhältnissmässig auch am besten armirt waren die Fronten gegen die Ruprechtsau. Da standen an den Curtinen und Bastionen hinter schön verkleideten Scharten und Böschungen auf soliden Bettungen (jedoch merkwürdiger Weise nicht durch Traversen gegen Sprengstücke geschützt) wohl über 30 schwere Geschütze, von welchen viele nicht zum Schusse gekommen waren. Es scheint, dass man den Angriff hierher erwartet hatte.

D. Die Citadelle.

Die Citadelle war zumeist durch Bomben beworfen worden, welche die Badenser von Kehl aus sandten. Zahllose Bombenlöcher bedeckten daher Brustwehren und Wallgänge: in einer einzigen Curtine waren deren über 80 zu zählen; die bekannten Furchen zeigten, dass man auch mit Kanonen bedient worden war. Allein nirgends war die Brustwehr abgekämmt oder durchwühlt, allenthalben bedeckte noch eine Rasenschicht die Wälle.

Einige Hohltraversen sicherten die Besatzung der kleinen Bastione gegen die Splitter; die Eingänge in selbe waren gut blindirt, ein Beweis, dass man sonst im Innern nicht sicher gewesen wäre.

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An die Traversen angebaut waren enge, niedere Unterstände, die Wände aus übereinander gelegten Zwiebackkisten, die Decke aus Brettern und ein wenig Erde oder Sandsäcken, kaum genügend, um gegen Regen und Sprengstücke zu sichern.

Man sah fast keine zerstörte Scharte und nur wenig demontirte Geschütze. Die Aussenwerke waren nur schwach besetzt und darum auch in geringem Masse beschädigt worden.

Die Escarpen zeigten zahlreiche, von Geschossen herrührende Löcher und Abschälungen, ohne dass jedoch die Standfestigkeit derselben nur im Geringsten verloren hätte.

Merkwürdiger Weise hatten die Curtinen am meisten gelitten. Die grossen Pulvermagazine, welche in den Bastionen standen, waren ganz in Erde gehüllt diese sowie die Cavaliere dienten in vortheilhafter Weise als Rückenwehren.

Nachdem die Hausdächer der in der Mitte der Citadelle stehenden Gebäude und selbst die Mauern derselben grossentheils verschwunden waren, konnte man, bei dem theilweise umfassenden Feuer des Gegners, sich an keiner Stelle des Walles sicher nennen. Eine in der Mitte der Citadelle platzende Bombe gefährdete fast sämmtliche Wallgänge. Das Eingangsthor hatte stark gelitten. Das Wachhaus, welches in dem der Eingangscurtine

vorliegenden Ravelin angebracht ist, wurde durch indirecte, über die vor liegende Brustwehr gehende Zufallsschüsse ganz zerstört. (Indirecter Schuss unter 10 Grad Einfallswinkel.)

Die Esplanade der die Citadelle von der Stadt trennende Raum war mit Bombenlöchern besäet, fast kein Baum der schönen Allee war ohne Kugelspuren. Als Resultat kann man mithin annehmen:

Die Festungswerke der Citadelle waren ohne ernstliche Beschädigung das ganze Innere total zerstört, nur Ruine und Schutt. Die Communication in Innern, der Bombensplitter, herumgeschleuderten Mauertrümmer und Feuerbrände wegen, sowie der Zugang zur Citadelle waren lebensgefährlich. Dadurch und in Folge der Durchwühlung der Wallgänge und Rampen wäre eine Vertheidigung, hauptsächlich wegen der Schwierigkeit mit den Geschützen die Standorte zu wechseln, gelähmt worden.

Resum

Da es ziemlich gleichgiltig ist, ob eine Brustwehr schöne, kantige Formen hat, oder ob sie durchwühlt und form!os, dabei aber hinreichend hoch und dick ist, da ferner immerhin gedeckte Unterkünfte vorhanden waren, welche die Unterstützungen sicherten, auch noch intacte Stellen und sogar unbeschädigte Scharten und Geschütze zu erblicken waren, des Nachts vor der Capitulation auch noch ein heftiges Gewehrfeuer unterhalten wurde, so muss man die Festung im Momente der Capitulation für vollkommen vertheidigungsfähig und, in Anbetracht der Beschaffenheit der einen Bresche und ihrer Lage, einen Sturm in nächster Zeit für unmöglich erklären.

VI. Beurtheilung der Vertheidigung.

Wir haben an verschiedenen Orten Veranlassung genommen, bezüglich. der Vertheidigung unser Urtheil durchblicken zu lassen. Indem wir uns nunmehr deutlicher aussprechen, vermeiden wir es grundsätzlich, irgend einer Person einen bestimmten Tadel zuzuerkennen, wenn nicht auch wirklich bewiesen ist, dass ein solcher sie trifft, und lassen allein die Thatsachen sprechen, wie sich dieselben ganz objectiv aufdrängen. Wir schöpfen das Urtheil somit einzig an der Hand der Wissenschaft und der Kriegsgeschichte.

Nur wenn man fragt: Wie wurde die Festung vertheidigt? kann man sich auch über den Werth derselben, ihre Stärke an sich und ihren möglichen Einfluss auf den grossen Krieg Rechenschaft geben.

Dieselbe Festung Schweidnitz, welche die Österreicher 1761 im Sturme nahmen, vertheidigten sie kurze Zeit nachher durch 64 Tage, von wel chen allein 42 Tage am Glacis zugebracht wurden, bis ein unglücklicher Zufall dem Kampf ein Ende machte.

Bei Silistria (1854) zerschellte die Bravour der russischen Soldaten und die Kunst ihrer Ingenieure und Artilleristen an einem Erdwerke (Arab Tabia), welches ich muss es leider sagen nach der modernen Sprachweise von vorne herein von Vielen für überhaupt gar nicht haltbar erklärt worden wäre. Die Kritik der Vertheidigung einer Festung kann daher fast immer nur eine Kritik der geistigen und moralischen Eigenschaften ihrer Vertheidiger und vor Allem des Commandanten und seines Stabes sein; die fortificatorische Stärke an sich kommt erst in zweiter Linie in Betracht. Denn der Eine erklärt eine Festung für unhaltbar, weil in einem Werk, welches im vollsten Sinne des Wortes unnahbar ist, eine Bresche sich befindet; der Andere, dessen Festung nur Erdescarpen besitzt, daher eigentlich eine continairliche Bresche in des Vorigen Sinn vorhanden wäre, hält sie für stark genug, um sich energisch zu vertheidigen (Sebastopol, Charleston, Petersburg, Düppel).

Der Eine, welcher hinter drei Walllinien sitzt, glaubt der Ehre ein Genüge gethan zu haben, wenn der Feind eine derselben durchbrochen; der Andere halte gar keinen Wall und vertheidigte Klöster und Häuser (Badajoz, Puebla) länger als jener die Festung. Ersterer tröstet sich, dass er viel geleistet, weil er viele angstvolle Tage ausgehalten; der Andere hatte gar keine Zeit sich zu ängstigen, weil er nur auf Mittel sann, den Widerstand zu verlängern.

Der Eine (Blois) behauptet bestimmt, man könnę jede Festung durch ein Bombardement nehmen; der Marschall von Sachsen konnte wieder nicht begreifen, dass man eine Festung überhaupt anders als durch Hunger verlieren könne.

Gleichwie der Tiroler und der Morlake mit der alten glatten Büchse und der Rundkugel ein Ziel nie fehlt, welches ein ungeübter Schütze mit dem besten Scheibengewehre nie trifft, wie somit der Schütze der Hauptfactor beim Treffen, die Güte des Gewehres aber eine höchst schätzenswerthe Beigabe bildet, so hängt in erster Linie die Widerstandsdauer einer Festung vom Festungs-Commandanten und seinem Stabe, in zweiter Linie von der fortificatorischen Stärke an sich ab.

Waren die Schwierigkeiten, mit welchen die Vertheidiger zu kämpfen hatten, unüberwindlich, die Mittel gar zu gering, so muss die Regierung, das Kriegsministerium, die Schuld übernehmen; unser abträgliches Urtheil trifft dann diese.

a) Die Vertheidigungs-Instandsetzung.

Eine Festung, die zugleich eine volkreiche Industrie-Stadt ist, muss um jeden Preis vor einem Bombardement ganz oder theilweise sichergestellt, oder letzteres doch möglichst lange abgehalten und dann mit allen Mitteln bekämpft werden.

Hatten die Franzosen es im Frieden versäumt, Strassburg mit einem

Gürtel von detachirten Forts zu umgeben, so hätte man mit dem Tage, als der Krieg begann, daran denken sollen, provisorische Erdwerke zu erbauen. Erfolgte hiezu am 15. Juli der erste Spatenstich, so konnten dieselben immerhin bis 6. August armirt und sturmfrei sein, wenn man sich nicht in gar zu bedeutende Dimensionen einliess 1). Konnte der Festungs-Commandant auch hierzu etwa die Erlaubniss nicht erhalten, so musste er doch längstens am 6. August, als die Kunde vom unglücklichen Ausgange der Schlacht bei Wörth eintraf, einige Feldschanzen vor der Angriffsfront aufwerfen und die vorliegenden Ortschaften, welche sich zu einer nachhaltigen Vertheidigung eigneten, in Vertheidigungsstand setzen lassen. Um nicht zu viel Kräfte zu brauchen, durfte man sich in letzterem Falle von der Festung nicht zu weit entfernen. Man hätte daher etwa Schiltigheim und Könighofen als die zu besetzenden Orte betrachten, in Schiltigheim selbst einen Abschnitt und ein Reduit einrichten sollen. Die Flanken dieses Ortes wären durch ein sich nach rückwärts ziehendes System von Jägergräben und endlich durch die schweren Geschütze der Festung gesichert gewesen.

Auf der Insel Wacken wäre der richtige Platz zur Anlage einer starken Batterie und einiger Schützengräben gewesen. Die Wassermassen der Ill, der Canäle und der Inundation hätten diese Befestigungsgruppe sturmfrei gemacht, und sie wäre gewiss erst nach zeitraubenden Vorarbeiten und nur mit grossen Verlusten zu nehmen gewesen. Diese Gruppe flankirte aber den linken Flügel des preussischen Angriffes und musste genommen werden.

An diese Gruppe anschliessend, bildete der Ill-Rhein-Canal eine vortreffliche Vertheidigungslinie, weiterhin eine solche der Rhein selbst. Endlich waren in vorgeschobene Posten zweiter Linie zu verwandeln die Eisenbahnrotunden (Werkstätten) vor dem Saverner-Thor und der Helenen-Friedhof. Einige starke Feldschanzen auf den zunächst dominirenden Höhen würden das Ganze vervollständigt haben.

Diese vorgeschobenen Posten hätten nun gewiss den Feind einige Zeil in respectvoller Entfernung gehalten, wenigstens so lange, bis dessen Verstärkungen anlangten, wodurch für die Vertheidigungs-Instandsetzung eine sehr gut zu verwerthende Zeit gewonnen worden wäre. Die Einwohner hatten Gelegenheit, sich auf das Bombardement einigermassen vorzubereiten; die Furchtsamen konnten sich entfernen. Aus den besetzten und umliegenden Ortschaften konnte man die Festung verproviantiren.

Die Einwohner derselben mussten requirirt werden, um das Vorfeld der Festung zu lichten und bei den Arbeiten zu helfen. Die Besatzung endlich gewann Selbstvertrauen und Muth; für die Recruten und Mobilgarden waren die Neckereien und Kämpfe im Vorterrain eine gute Schule. Erst wenn er vom Feinde das Weisse im Auge gesehen hat, hört der Recrut auf

1) 1866 wurden einige Lagerwerke des Floridsdorfer Brückenkopfes binnen 14 Tagen, das gewaltige Erdfort ca vecchia bei Verona binnen 3 Wochen zu Stande gebracht. Bei den grossen Erdwerken, welche 1866 vor Olmütz ausgeführt wurden, konnten nach 17tägiger Arbeit bereits die Geschütze eingeführt werden.

denselben zu fürchten, und wer unter dem Zischen einzelner Kugeln die Feuertaufe erhalten, der verliert auch im Geknatter des Salvenfeuers und im Getöse des Bombardements nicht die Besinnung. Nur das Plötzliche, das Unerwartete, das Niegesehene verbreitet Schrecken.

Solche vorgeschobene Feldwerke und befestigte Örtlichkeiten haben bei vielen Belagerungen, insbesondere bei der Vertheidigung von Ostende (1601-1604), von Mainz 1793, Colberg 1807, Sebastopol 1855, Wittenberg 1813, grosse Dienste geleistet. Im gegenwärtigen Kriege liefert Belfort ein gutes Beispiel. Die Franzosen halten die vorliegenden Waldparcellen und Dörfer mit grosser Zähigkeit fest und fügen dem Angreifer beim Kampf um selbe grosse Verluste zu.

Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass zu solchen Kämpfen eine tüchtige Truppe gehört. Diese war aber bei Strassburg im Anfange nur das 87. Regiment, welchem man aber hauptsächlich als Tirailleurs und zur Besatzung von Häusern etc. die Depôts der Chasseurs und die Franc-tireurs beigeben konnte, die hier eine gute Schule im Schiessen durchgemacht hätten. Durch die vorgeschobenen Posten vor Überraschungen gesichert, konnte die Bewachung des Innern ganz gut den Mobilgarden, ja selbst der sesshaften Nationalgarde anvertraut werden.

Die Vertheidigungs- Instandsetzungs-Arbeiten konnte man dann mit grösserer Ruhe durchführen. In der Zeit vom 15. Juli bis 6. August mussten doch wenigstens jene gegen den gewaltsamen Angriff vollendet worden sein. Vom 6., als von dem Tage an, da eine Belagerung immer wahrscheinlicher wurde, musste aber mit aller Energie gearbeitet werden.

Das Nothwendigste wäre sodann gewesen, die Kräfte der sehr willigen Bevölkerung auf das Ausgedehnteste in Anspruch zu nehmen, und:

1. Den Gemeinderath zu beauftragen, das Vorfeld binnen einer bestimmten Anzahl von Tagen lichten zu lassen.

2. Die Bahnhof-Direction anzuweisen, sämmtliche überflüssigen Geleise und nach vollendeter Cernirung alle Schienenstränge aufzureissen, die Schienen und das sonstige Baumateriale an vorbezeichnete Orte zu depositiren.

3. Die Stadtbaumeister mussten längs der Wallböschungen aus den vorhandenen Holzvorräthen und Eisenbahnschienen nach Skizzen des GenieDirectors bombensichere Unterkünfte, sowohl für die Besatzung als auch für die Obdachlosen, errichten.

4. Die Gemeinde hätte für die Verproviantirung, dann für die Blindirung der wichtigsten Gebäude und die Löschvorrichtungen zu sorgen gehabt.

5. Sämmtliche Civil-Ingenieure, Baumeister und Poliere mussten mit ihren Arbeitern dem Genie-Director zur Verfügung gestellt werden.

Indem man so jene Arbeiten, zu deren Durchführung ein Genie-Officier nicht absolut nothwendig ist, dem Civile überliess, konnten sich die vorhandenen Genie Officiere einzig in die rein fortificatorischen Arbeiten theilen.

Jedem Genie-Officier musste man einige der disponiblen Civil Ingenieure oder Baumeister, dann einen Zimmermeister, mehrere Poliere und ein bestimmtes,

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