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Kriegsverwaltung und Rechtspflege.

Diese sind durch besondere Gesetze und Reglements geordnet u unterliegen der beständigen Überwachung des eidgenössischen Militär-Dep tements im Frieden und des jeweiligen Oberbefehlshabers im Kriege. In jed Canton besteht als verwaltende Militärbehörde ein Canton-Kriegscommissar welches innerhalb des Cantons bezüglich aller personellen und materiel Bedürfnisse im Sinne der bestehenden Gesetze und der speciellen höhe Verfügungen Vorkehrung trifft. Diese Verfügungen werden im Frieden der Administration des Bundesrathes, respective von dem, einen Theil die Administration bildenden Militär-Departement erlassen. Im Kriege w nach den Bestimmungen und im Namen des Oberbefehlshabers die gesam Kriegsverwaltung von dem Ober-Kriegscommissär, das Sanitätswesen Ober-Feldarzt, endlich die Rechtspflege vom Ober-Auditor geleitet.

Kosten des schweizerischen Heerwesens im Frieden.

Im Frieden stehen beim Militär-Departement, dann bei der Milit verwaltung und Instruction im Ganzen bei 140 Individuen ununterbro in Verwendung. Das Friedens - Ausgabebudget der Heeresverwaltung 1871 beträgt 2,538.600 Francs, von welchen

21.600 auf das Militär-Departement,

128.800 auf die übrige Militärverwaltung,
210.300 für die Instructoren,

1,734.100 für die Unterrichtscurse,

257.600 für das Kriegsmaterial,

81.000 für die Militär-Anstalten und Festungswerke,
53.400 für das Stabsbureau entfallen.

Übergang vom Friedens- auf den Kriegsstand.

Sobald der Bundesrath das Truppenaufgebot verfügt, wird Militär-Departement sogleich an die Cantonal - Behörden der Befehl Marschbereitschaft der verschiedenen Truppenkörper ausgefertigt, gle zeitig aber die bezügliche Verlautbarung in den Amtsblättern erlass Dieser Weisung Folge leistend werden in den Central-Sammelorten uns weilt die taktischen Einheiten, soweit selbe aufgeboten, gebildet. Diese F mation kann als durchschnittlich in 5 Tagen durchgeführt angenom werden, da das Land klein ist und vorzügliche Communicationsmittel besi jeder Mann aber ununterbrochen Kenntniss davon hat, welchem Trupp körper er angehört, daher auch, ob das Aufgebot auf ihn Bezug nehme.

Montur, Manns- und Pferderüstung, Fuhrwerke, Geschütze, HandFeuerwaffen, endlich Munition werden aus den Cantonal-Bundes-Zeugamt den aufgebotenen Truppen verabfolgt. Das Material wird bei den gedach Vorrathsanstalten schon im Frieden abtheilungsweise geordnet aufbewal

Die Hauptschwierigkeit jeder Mobilisirung des Schweizer Heeres ble die Beschaffung der Pferde. Bei dem ausserordentlichen Mangel an ? Dienste geeigneten Pferden reicht die gesetzlich geordnete Requisition Pferden und Maulthieren nicht aus, um im Lande die nöthige Zahl auf bringen, daher stets zum Ankauf im Auslande geschritten werden muss.

Gleichzeitig mit Erlassung des Aufgebotes wird vom Militär-Departement der Verpflegs- und der Sanitätsdienst organisirt.

Der Verpflegsdienst sorgt vor Allem für Einrichtung der Central-Verplegs-Depôts als Verpflegs-Basis.

Als Norm wurde festgestellt, dass die Verpflegung auf zwei Tage von den Truppen getragen, respective mitgeführt wird, auf weitere zwei Tage aber bei der Hand-Proviant-Colonne der Divisionen sich befinden müsse.

Diese letzteren Colonnen, bestehend aus je 80 Wagen mit 354 Mann, 34 Reit- und 320 Zugpferden, führen je 1500 Centner Proviant und Fourage.

Die Divisions-Colonne ist in sieben Abtheilungen gegliedert, um ohne Anstand detachirten Theilen der Division beigegeben werden zu können.

Die Vorräthe der Hand-Proviant-Colonnen werden nach Disposition. des Ober-Kriegs-Commissariats von den Magazins-Colonnen, die der letzteren aus dem Central-Verpflegs-Depôt ergänzt.

In Bezug auf den Sanitätsdienst werden Localien für die Centralspitäler ermittelt, deren Einrichtung vorbereitet, alle nöthigen Spitalsbedürfrisse und ärztlichen Instrumente beschafft.

Dem Aufgebot folgt in der Regel unmittelbar die Ausfertigung der Marschbefehle; dieselben bestimmen nebst weiteren Details genau, nach welchem Orte der aufgebotene Truppenkörper abzurücken, welche Route er zu nehmen, an welchem Tage er am Bestimmungsorte einzutreffen, endlich bei welchem Brigade- oder Divisions-Commandanten er sich zu melden hat.

Mit dem Aufgebot übernimmt der General die Armee, und es übergehen alle bisher vom Militär-Departement Namens des Bundes ausgeübten Befehlverhältnisse auf den Obergeneral.

Das eidgenössische Militär-Departement besorgt die Regelung des Überganges der civilen Verhältnisse in die Kriegsregion, sowie die Zuleitung der Kräfte des Landes zum Heere.

Mit der Kriegserklärung sind alle cantonalen und eidgenössischen administrativen Civil- und Militär-Behörden, mit Ausnahme der Bundesversammlung und des Bundesrathes, dem Befehle des Generals unterworfen.

Gleichzeitig mit diesen Vorbereitungen sind alle vorhandenen VerpflegsVorräthe im Lande aufzunehmen und zu diesem Zwecke CommissariatsOfficiere abzusenden. Eben solche gehen auch an die offen stehenden HauptStapelplätze des Auslandes ab. Der Einkauf von Lebensmitteln und Fourage wird sofort eingeleitet und zur Einrichtung der mobilen und stabilen Verpflegs-Anstalten geschritten.

Befestigungen.

Festungen im eigentlichen Sinne bestehen nicht. Die vorhandenen Werke beschränken sich auf Thalsperren bei Luciensteig, St. Maurice, Bellinzona, dann Gondo.

Es existiren allerdings Pläne, die Vertheidigungsfähigkeit des Landes durch zweckmässig angelegte Befestigungen zu erhöhen, doch gelangten dieselben nicht zur Ausführung.

Das Aufgebot im Juli 1870.

Nach dieser kurzen Darstellung der schweizerischen Heeres-Einrichtungen im Frieden und der Vertheidigungsanstalten des Landes schreiter wir zur Betrachtung, in welcher Art das Aufgebot im Juli 1870 durchgeführ wurde, insbesondere ob und inwiefern die bestehenden Einrichtungen siel

hiebei bewährten.

Dem Aufgebot wurde bereitwilligst entsprochen, wodurch es möglich wurde, dass die ersten Truppen schon am 16. Juli Nachts in dem de gesicherten Rheinüberganges wegen so wichtigen Basel eintrafen.

Am 19. Juli standen die aufgebotenen fünf Divisionen mit Ausnahme einer Brigade aus dem entlegenen Tessin in den nachfolgenden Versammlungs räumen:

1. Division, Hauptquartier Basel, besetzte Baselstadt und Baselland. 2. Division, Hauptquartier Biel, in dem Dreiecke zwischen Nidau. Solothurn und Deisberg.

7. Division, Hauptquartier Frauenfeld, auf der Linie Brugg-Frauenfeld gegen den Rhein, später im Frickthal und von Rheinfelden bis Laufenburg. In zweiter Linie standen die 6. und 9. Division, mit dem Hauptquartier in Bern, resp. Luzern.

Der Verpflegsstand der aufgebotenen Truppen betrug 37.423 Mann. 3436 Pferde mit 66 Geschützen.

Am 20. Juli schlug der neugewählte Oberbefehlshaber, Oberst Herzog, sein Hauptquartier in Olten auf. Chef des Generalstabes wurde Oberst Paravicini von Basel, General-Adjutant Oberst Philippin von Neuenburg.

Die erste Massregel, welche der Oberbefehlshaber verfügte, war die engere Concentrirung der Armee, besonders gegen Basel zu. Es geschah dies in der Weise, dass in den Tagen vom 27.-29. Juli die 1. Division noch etwas enger um Basel sich zusammenzog, die 7. Division mit dem Hauptquartier Rheinfelden bis an das rechte Ufer der Ergolz vorgeschoben wurde. Bei der 2. und 6. Division fand keine Veränderung Statt. Von der 9. Division wurde nach Heranziehung der Tessiner Truppen eine Brigade nach Schaffhausen detachirt, während die beiden andern um Baden und Brugg verblieben.

Nach Bezug der engeren Concentrirung wurden alle nicht im Wachdienst befindlichen Truppen fleissig mit Exerciren, mit der Wiederholung aller Dienstzweige, inclusive Marsch-Übungen und Sicherheitsdienst beschäftigt und auch im Zielschiessen mit dem Gewehr geübt. Die Batterien hielten ebenfalls Schiess-Übungen ab.

Die Einübung der Dienstzweige schritt jedoch nicht in dem Masse vor, dass vor Entlassung der Truppen in die Heimat noch Manöver in der Brigade und Division mit vereinigten Waffen vorgenommen werden konnten: denn mittlerweile hatten die Operationen der Kriegführenden sich entschleiert. und wurde bereits so entfernt von der Schweizer Grenze gekämpft, dass der Bundesrath am 17. August die Entlassung der Truppen beschliessen konnte, nachdem schon früher die durch den Grenzdienst am meisten in Anspruch genommenen Divisionen 1 und 2 durch jene 7 und 6 abgelöst worden waren. Den vom Generalstabe erlassenen Verfügungen entsprechend trafen die Truppen in den Tagen vom 19.-24. August (an letzterem Tage die Tessiner Truppen) wieder sämmtlich in der Heimat ein. Die Grenzbesetzung besorgte

von da an zuerst ein Scharfschützen-Bataillon in Basel, später, und zwar von dem Zeitpunkte an, als der Kampf um den Besitz des Ober-Elsass in Aussicht stand, bis zum Jahresschluss eine Brigade im Pruntrut'schen.

Über die bei diesem Anlass zu Tage getretenen Licht- und Schattenseiten des eigenen Heerwesens äussert sich der Bundesrath sehr freimüthig. Er begrüsst die Raschheit der Aufstellung als ein gewichtiges Zeugniss für das eidgenössische Milizsystem und die Vorbildung in Friedenszeiten; ebenso de erfreuliche Thatsache, dass das Vorhandensein einer Anzahl höherer Führer sich gezeigt, die sich durch Kenntnisse und Charakter auszeichnen.

Der Bundesrath anerkennt die Mannszucht und die gute Haltung der Truppen und spricht den wesentlichsten Antheil an der gelungenen Durchführung der Aufstellung der umsichtigen und trefflichen Leitung des Generals Herzog zu.

Nichtsdestoweniger verkennt der Bundesrath andererseits durchaus nicht die Menge von Lücken, welche im schweizerischen Heerwesen durch die letzten Ereignisse aufgedeckt wurden; dieselben geben Anlass zu ernsten Besorgnissen, und müsse an deren Beseitigung mit aller Entschlossenheit durchgreifend gearbeitet werden.

Beim Aufgebole selbst haben die cantonalen Behörden, obschon sie für die Absendung ihrer Truppen in die Sammelplätze der Divisionen an keine Zeit gebunden waren, weit mehr auf die Raschheit der Truppensendung, als uf gute Organisation und Ausrüstung der Truppen Nachdruck gelegt. Die Folge davon war eine ungeahnte Friction, welche sich im Anfang durch den fortdauernden Nachschub an Personen und Material kundgab: beim Aufgebote aller Truppen hätte solche Friction höchst lähmend auf die Schlagertigkeit der Armee einwirken müssen.

Auch zeigte sich bei den Führern der taktischen Einheiten sowohl, als auch bei den höheren Truppenführern, eine bedenkliche Rathlosigkeit in Bezug auf die Wahl der Mittel, um das Fehlende zu ergänzen und sofort den gehörigen Dienstgang herzustellen. Bezüglich der taktischen Ausbildung und der Haltung der Truppen machte sich namentlich bei der Infanterie ein so crosser Unterschied zwischen einzelnen taktischen Einheiten geltend, dass daraus auf grosse Mängel in der militärischen Erziehung in einigen Cantonen geschlossen werden musste. Nicht nur fehlte es bei vielen Bataillonen seitens des Officiers-Corps an genauer und rigoroser Aufsicht in allen Theilen des benstes, an der Erkenntniss der Verantwortlichkeit, welche jeder Einzelne rägt, an der Handhabung der strengsten Disciplin, welche allein Gewähr für Überwindung grosser Schwierigkeiten bietet; sondern es machte sich sehr oft auch ein auffälliger Mangel an positivem Wissen, sowie an militärischer Ausbildung geltend. Bei der Mannschaft von Bataillonen mehrerer Cantone fehlte es zudem auch an der elementaren Ausbildung. Hier kann nur durch einen besseren militärischen Unterricht, ertheilt durch ein besseres Instructions-Personal, und durch Vermehrung der bisherigen Instructionszeit geholfen werden.

In gleicher Weise macht sich der Mangel an Instruction im Allgemeinen und, rühmliche Ausnahmen abgerechnet, selbst beim Generalstab geltend. Auch hier die Erscheinung einer oft nur oberflächlichen Dienstkenntniss, die

bei grösseren Unternehmungen zu Schwierigkeiten mannigfacher Art hätt Anlass geben müssen. Es muss zugegeben werden, dass bei Vielen de Grund einzig darin liegt, dass den Betreffenden allzuwenig Gelegenheit zu Übung geboten wird.

Auch bei der Armee-Verwaltung haben sich erhebliche Übelständ kundgegeben, welche einestheils einem veralteten Reglement und ungenügen den organisatorischen Einrichtungen, andererseits dem Mangel an Ausbildun der Commissariats-Officiere zugeschrieben werden müssen.

Dagegen war die Verpflegung der Truppen eine gute zu nennen, un alle Sorge getroffen, die Truppen auch auf längere Zeit zu verpflegen.

Weiters erwähnt der Bundesrath noch, dass die Verhältnisse dargeleg haben, wie die Cantone zwar fast durchschnittlich wohl die nöthigen mate riellen Hilfsmittel zur Ausrüstung der Contingente für Auszug und Reserv besitzen, dass es aber an der Ausrüstung für Überzählige und Landweh vielerorts (oder richtiger gesagt durchgehends) fehle.

Der Bundesrath hat bereits Massregeln ergriffen, um diesem Übelstande mit aller Energie abzuhelfen. Da die Sorge für die Waffen dem Bunde obliegt so ordnete der Bundesrath an, dass über die bestellten 80.000 Repetirgewehre weilere 10.000 Stück angeschafft werden, was gestatten wird Auszug und Reserve mit Repetirgewehren, dann die Landwehr mit dem die gleiche Munition wie das Repetirgewehr führenden, einschüssigen Hinter ladgewehr zu bewaffnen.

Die Gesammtkosten der ausserordentlichen Massregeln zur Wahrung der Neutralität, deren Rechnung noch nicht abgeschlossen ist, glaubt der Bundesrath mit 8 Millionen Francs beziffern zu müssen.

Dem hiemit besprochenen Berichte des schweizerischen Bundesrathes an die Bundesversammlung ist noch ein Bericht des Obergenerals der aufgestellten Truppen über die Vollziehung des ihm gewordenen Auftrages beigegeben. Unter dem Eindrucke des eben Erlebten geschrieben, geht dieser Bericht mit einschneidender Schärfe den im schweizerischen Heerwesen herrschenden Mängeln zu Leibe, welche beinahe ausnahmslos in der den Cantonen trotz aller Anstrengungen des Bundesraths noch lange nicht abgerungenen Autonomie in cantonalen Militärangelegenheiten zu suchen ist. Man thäte vielleicht Unrecht, wollte man auf Grund des vorliegenden Berichtes über das Milizwesen ein Verdammungsurtheil fällen; wohl aber liegt es sehr nahe, ein Verdammungsurtheil gegen die Decentralisirung des militärischen Wesens, wie solche in der Schweiz bisher besteht, zu schleudern. Gewiss ist, dass die Truppen jedes Cantons ein ganz anderes Gepräge, abhängig von hundert und hundert Einflüssen, besitzen, und dass es vorderhand in der Schweiz kaum ein Mittel gibt, sich von der Tüchtigkeit der Truppen die Überzeugung zu verschaffen, ausser wenn es zu spät ist, das heisst im Ernstfall selbst.

Mit Umgehung der Einleitung, in welcher General Herzog den schon bekannten historischen Verlauf der Aufstellung schildert, schreiten wir sofort zu den Beobachtungen, welche er während seines Commando's gemacht, und die, wie er hinzusetzt, zu prüfen und zu berücksichtigen von einigem Nutzen sein dürfte.

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