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gungsrath, mit dem Oberbefehlshaber der belagernden Armee eine Übereinkunft für Übergabe der Festung abgeschlossen.

„Den harten Nothwendigkeiten des Krieges nachgebend, hat der Gene ral diesen Entschluss fassen müssen Angesichts zweier Breschen, eines dräu enden Sturmes, welcher unheilvoll für uns gewesen wäre, und der unersetzlichen Verluste, welche die Garnison und ihre tapfern Anführer erlitter haben. Der Platz war nicht mehr haltbar; er ist in Unterhandlung getreten um zu capituliren.

„Dieser Entschluss, der das Kriegsgesetz beseitigt, welches einen mi Sturm genommenen Platz den härtesten Behandlungen preisgibt, bringt der Stadt Strassburg den Vortheil, dass sie keine Kriegssteuer zu bezahlen hat und dass sie milde behandelt wird.

„Um 11 Uhr wird die Garnison abziehen mit den militärischen Ehren und die deutsche Armee wird heute die Stadt besetzen.

Ihr, die Ihr mit Geduld und Ergebung die Greuel des Bombardements ertragen habet, vermeidet jede feindselige Kundgebung gegen das Armeecorps, welches in unsere Mauern einrücken wird.

„Erinnert Euch, dass der geringste Angriff unsere Lage verschlimmern und schreckliche Repressalien auf die gesammte Bevölkerung ziehen würde. Das Kriegsgesetz sagt, dass jedes Haus, aus welchem ein Schuss gefeuert würde, geschleift und die Bewohner desselben niedergemacht werden sollen. Jeder möge sich dessen erinnern, und wenn sich unter Euch Leute befänden, welche vergessen könnten, was sie ihren Mitbürgern schulden, um unmächtige Widerstandsversuche zu sinnen, verhindert sie daran. Die Stunde des Widerstandes ist vorüber. Fügen wir uns in das Unvermeidliche.

„Ihr, liebe Mitbürger, die Ihr während dieser langen Belagerung eine Geduld, eine Thatkraft entfaltet habet, welche die Geschichte bewundern wird, bleibet würdig Eurer selbst in dieser schmerzlichen Stunde.

"Ihr haltet das Loos Strassburgs und das Eurige in euren Händen. Vergesset es nicht!

,,Strassburg, den 28. September 1870.

„Der Maire

"Küss."

So endete die denkwürdige Belagerung der jungfräulichen Festung, welche von ganz Europa mit gespanntem Interesse verfolgt wurde, und welche zum ersten Male in der neuesten Zeit den, wenn auch nicht bis in die äussersten Consequenzen durchgeführten Beweis lieferte, dass selbst alle Festungen gegen die neuen Kampfmittel nicht ohnmächtig sind, ferner dass die Zeit des Festungskrieges noch nicht vorüber ist.

V. Strassburg nach der Capitulation.

Zustand der Gebäude.

Der Reisende, der die Stadt durch das Stein-Thor betritt und zuerst jenen Stadttheil erschaut, welcher zunächst der Angriffsfront unmittelbar an den hauptsächlich beschossenen Festungswerken liegt, jenen Theil also, welcher den Kugelfang für alle gegen die Wälle geschleuderten Geschosse bildete, und für welche das Bombardement nur ein kleines Vorspiel schien, fand sich inmitten eines wirren Trümmermeeres versetzt.

Das stehende Gemäuer eines abgebrannten Hauses wäre in diesem Gewirre von Mauerschutt und rauchendem Holzwerk eine erwünschte Abwechslung gewesen. Aber nicht einmal die Wände des Erdgeschosses eines Hauses ragten empor, Nichts als Schutt, und dies in einer respectablen Breite und Länge.

Dies Alles war das Resultat ununterbrochener Brände. Die Bauart der Häuser mit ihren schwachen Mauern, den hölzernen Zwischendecken und Stiegen machte es schwer, des Feuers Herr zu werden.

Der mit Kreuzstrichen schraffirte Theil auf Tafel I, die ganze Stein-Vorstadt umfassend, zeigt den Heerd der Verwüstung 1).

Vierzehn Tage nach der Capitulation züngelten noch zeitweise die Flammen aus einem Trümmerhaufen hervor, den man längst für verkohlt gehalten hatte, und der widerlichste Brandgeruch erfüllte allüberall die Strassen.

Nicht in gleichen Grade, aber immerhin traurig genug sah es bei allen Häusern aus, die zunächst der Festungswerke an der Nordseite standen. Doch fand man hier nur ausgebrannte Ruinen und keinen Schutt. Bei einem Hause konnte man über 150 Kugellöcher zählen, aber die Wände standen Doch aufrecht da.

Sowie man aber von der Steinvorstadt über die Brücke oder von den Wällen entlang gegen das Innere zu gieng, änderte sich das Bild in erfreulicher Weise. Wohl gab es noch zerschlagene Dächer in Menge, Kugellöcher in Mauern und auf den Strassen, auch einige bis auf den Grund ausgebrannte Gebäude, allein der Schaden war verhältnissmässig unbedeutend gegen das Schicksal der ehemaligen Stein-Vorstadt.

In der Citadelle sah es fast ebenso wie in der Stein-Vorstadt aus: nicht Ein Zimmer blieb bewohnbar, der Platz in der Mitte war mit Bombenlöchern besäet, die Strassen mit Steintrümmern derart bedeckt, dass eine Passage mit Wagen unmöglich, für den Fussgeher aber beschwerlich genug war. boch ragten wenigstens noch die Mauern des Erdgeschosses und des ersten Stockwerkes empor.

') Ein genauer bezüglicher Plan ist bei Berger-Levrault in Strassburg er*chienen.

Die Zerstörungen in dem von der Festung aus bombardirten Kehl waren auf der der Festung zugewendeten Strassenseite ähnlich jenen in der Citadelle.

Rings um die Festung war bei allen in der Schusslinie gelegenen Gebäuden dieselbe Verwüstung wahrzunehmen. Die Brauerei von Schiltigheim, viele der schönen Sommerhäuser der Strassburger, welche hier standen, waren niedergebrannt oder doch durch die Schüsse der Festung sehr beschädigt worden.

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Von den öffentlichen Gebäuden Strassburgs ist vor Allem das Münster zu besprechen. Der herrliche Bau war um sein Dach gekommen, einige Fialen waren herabgestürzt, manche Ecken waren abgeschürft, Schäden, die auszubessern sind. Das Kreuz des Thurmes wurde durch ein preussisches Geschoss auf die Seite gedrückt.

Die schönen Fenster mit der herrlichen Malerei hatten viel durch Bombensplitter gelitten.

Das Museum, das Stadthaus, das Theater, die grosse Finkmattkaserne, die Bibliothek und Gemäldesammlung, die Neu-Kirche, das Gymnasium, das General-Commando am Kleberplatze waren bis auf den Grund niedergebrannt. Mit der Bibliothek gieng ein Schatz von 200.000 Bänden mit vielen Incunabeln, der Stolz der Strassburger, mit dem Museum und der Galerie viele der prächtigsten Gemälde, Alterthümer und sehenswerthen Schätze zu Grunde. Aus dem reichen Theater wurde nur eine Partitur gerettet.

Der Bahnhof und die Geleise unmittelbar vor dem Kronenburger Thor bis zu den Locomotiv-Remisen war ein Gewirre von Stein, Balken, verbrannten Waggons, abgerissenen Telegraphendrähten und confus durcheinander liegenden Schienen. Der Ingenieur denkt unwillkürlich an die vielen schönen bombensichern Unterkünfte, welche man aus selben hätte herstellen können.

Des Nachts bot die sonst so belebte und freundliche Stadt einen unheimlichen Anblick dar. Die Gasflammen waren, da die Gasanstalt bis auf den Grund zerstört worden, durch Öllampen, die ungleich hoch, oft im dritten Stockwerke angebracht waren, ersetzt.

Die schöne Rheinbrücke war nur auf der badischen Seite um ein Glied gekommen, da die Badenser bei Ausbruch des Krieges den beweglichen Theil derselben, wohl etwas zu voreilig, abgesprengt hatten.

Im Ganzen wurden von den 3598 Cataster-Nummern der innern Stadt 448 vollständig zerstört, beinahe alle andern mehr oder minder beschädigt. Nur einige Hundert hatten gar keinen Schaden gelitten.

Die Zahl der Obdachlosen betrug am Tage der Capitulation ungefähr 10.000, einschliesslich derjenigen, welche sich aus der Umgebung in die Stadt geflüchtet hatten.

Die Festungswerke.

Die Zerstörungen, welche die Geschosse der Belagerungs-Artillerie in der Stadt, an Wohnhäusern und nicht eigentlichen Kriegsgebäuden anrichteten, geben einen Massstab weder für die Vorzüglichkeit der Artillerie des Belagerers, noch für die Hartnäckigkeit der Vertheidigung und können im Allgemeinen nicht Ursache der Übergabe einer Festung sein, ebensowenig die Unmöglichkeit einer weiteren Vertheidigung beweisen.

In dieser Beziehung geben die Festungswerke allein Aufschluss.

Nach bisherigen Grundsätzen wurde eine fernere Vertheidigung erst dann als unmöglich betrachtet, wenn in der Angriffsfront mindestens zwei gangbare Breschen von genügender Breite eröffnet, gangbar gemacht und gesicherte Communicationen zu denselben hergestellt waren, was voraussetzt, dass der Angreifer bereits alle Aussenwerke, welche gegen die Bresche oder die nächsten Communicationen wirken konnten, erobert hatte, - endlich, dass die Möglichkeit einer Vertheidigung der Breschen aus Abschnitten, Cavalieren oder günstig gelegenen Häusern nicht vorlag. An der Hand dieser alten Grundsätze wollen wir die Festungswerke der Reihe nach betrachten.

A. Die Angriffsfront.

Als diese wurde, wie bereits erwähnt, jene des Stein-Thores (Front 11 und 12) gewählt. (Siehe Tafel 2.) 1)

Die Hauptumfassung.

Bastion 12. Der Wall der linken Face war stark durchwühlt und abgekämmt, theilweise jedoch die innere Brustwehrböschung und einige Scharten durch Sandsackverkleidungen wieder ausgebessert; die Traversen, stark beschädigt, hatten jedoch weder von ihrer Dicke noch von ihrer Höhe derart verloren, um weniger gut als früher zu decken. Die Hohlräume der zwei gemauerten Hohltraversen waren ganz unversehrt und bildeten vortreffliche Unterstände und Pulvermagazine; die Stirnseite hatte man durch Sandsäcke geblendet. Von den beiden andern erst während der Belagerung erbauten Traversen war eine nur aus Sandsäcken errichtet.

Die Scharten waren mit Schanzkörben bekleidet, und einige davon noch brauchbar oder wiederhergestellt. Die Socken hatten eine Höhe von 3 bis Fuss, waren somit nicht für hohe Laffetten eingerichtet; die Deckung der Geschütze und Mannschaft war daher weder durch die Traversen noch durch die Scharten in genügender Weise bewirkt. Auch standen die Geschütze nicht nahe genug an der deckenden Traverse, um gegen die unter steilen Winkeln einfallenden Geschosse hinreichend gesichert zu sein, ein Nachtheil, der auf die Laffettirung zurückfällt.

1) Nach einem im k. k. Genie-Archive befindlichen Plane.

Der gemauerte, gedeckte Geschützstand im ausspringenden Winkel, mit seiner Erddecke weit über die Brustwehr hervorragend und noch die anderen Traversen überhöhend, war schon von grosser Distanz aus sichtbar und für den Belagerer ein ganz vortreffliches Ziel- und Orientirungs-Object. Zur Beschiessung einladend und herausfordernd, war er natürlich zu allererst die Zielscheibe aller hinsehenden Geschütze, und nach wenigen Minuten war seine ungepanzerte Mauerstirne getroffen, beschädigt und auch das in demselben stehende Geschütz durch einen Treffer an der Mündung demontirt worden. Die hohe Schartenbekleidung war ebenfalls bald von den feindlichen Geschossen zusammengeworfen. Die Scharte wurde dann von den Franzosen noch weiter verlegt, und bildete der Geschützstand nun einen sicheren gedeckten Unterstand und leistele in dieser Art vortreffliche Dienste.

An der inneren Wallböschung und theilweise längs der Rampe, welche zum Stein-Thor führt, hatte sich die Besatzung einen schmalen (an der Sohle 3 bis 4 Fuss breiten und 6 Fuss hohen) laufgrabenartigen Gang ausgegraben und denselben mit Reisig und schwachem Holzwerk eingedeckt, um so vom Stein-Thor aus, mindestens gegen Sprengstücke und Shrapnels gedeckt, auf die Bastion kommen zu können.

Der Wall war mit Pappeln bepflanzt, welche man umzuhauen versäumt hatte. Dieselben waren stark zersplittert und bewiesen, dass viele Geschosse klafterhoch über den Wall hinweggeflogen sind. Diese Bäume, da sie die treffenden Geschosse zur Explosion brachten, waren für den Feind ein vortreffliches Mittel, seinen Aufsatz zu corrigiren, somit für den Vertheidiger indirect und, indem die herabgeschossenen Splitter und Äste die Communication störten und unsicher machten, direct von Nachtheil. Man hatte während der Belagerung wohl einige umgehauen, allein man liess sie liegen und benützte nur deren Zweige zum Eindecken des erwähnten CommunicationsGanges.

Die linke Flanke war fast intact; die Traverse, wohl durchwühlt, deckte aber vollkommen; die Kammlinie der Flanke verlief scharf; die drei eingeschnittenen, mit Schanzkörben bekleideten Scharten für die Flanken-Geschütze waren unbeschädigt.

Ihrer durch das Hornwerk 47 bis 49 geschützten Lage wegen konnte sie in der Front nur sehr schief gefasst werden.

Die drei dort befindlichen Geschütze waren gut erhalten.

Im Schulterwinkel war eine Plattform angeschüttet.

Auf der vordern Brustwehrböschung und an der Krone war gewiss nicht eine Quadratklafter Fläche, auf welche nicht ein Geschoss gefallen wäre. Die Grasdecke war natürlich ganz verschwunden.

Die Escarpe halte zahllose Kugelspuren, hauptsächlich zunächst des Cordons, aufzuweisen. An manchen Stellen war das Mauerwerk vom Cordon abwärts auf 2-3 Fuss zerklüftet und abgeschossen, ohne jedoch das Erdreich der Brustwehr zum Nachrollen zu veranlassen.

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