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gelang es dem Ingenieur-Major v. Quitzow, die Leute, welche sich zu Boden geworfen hatten, an die Arbeit zu bringen. Man sah, dass die Franzosen noch Geschütze und Munition hatten. Major Quitzow und 10 Mann blieben todt, 38 wurden verwundet, aber das Werk war erobert!

Und nun gieng es- unglaublich aber wahr - meist mit fliegender Sappe -theilweise auch mit der Schlangensappe, zuerst in der doppelten Caponnière gegen den gedeckten Weg des Ravelins 50, sodann längs desselben vor.

Am 25. wurde die Bresche in der rechten Face der Bastion 11, und

am 26. jene in Bastion 12 geöffnet.

Am 27. Morgens war das Couronnement vor der Contregarde des Ravelins 50 bis gegenüber der Bresche vollendet, und machte man sich eben daran, die Graben-Abfahrt in förmlicher Weise zu beginnen, als die Capitulation erfolgte. Noch drei Ingenieur-Officiere, darunter der brave Hauptmann Ledebour, und mehrere Sappeurs fanden den Tod oder schwere Wunden. Die Arbeiten wurden durch ein kräftiges Geschütz- und Gewehrfeuer unterstützt, aber auch in der Festung blieb es nicht stille. Besonders zur Nachtzeit wurde ein lebhaftes Gewehrfeuer unterhalten, so dass die Verluste, die man an diesen Tagen erlitt, den grössten Verlusten früherer Tage das Gleichgewicht hielten. Bei Tage wurde es jedoch meistens ruhiger, so dass es für den Angreiter sicherer schien als bei der Nacht. Nur einzelne Schützen wagten es, rasch durch eine Sandsackscharte einen Schuss abzuthun, der aber der Eile wegen, mit welcher dies geschah, meist zu hoch gieng. Augenblicklich wurde aber der Kühne von 100 Schützen, die in den Tranchéen standen, auf's Korn genommen. Doch weder Geschützfeuer noch Ausfälle störten den Belagerer, nur einige Bombenwürfe thaten den Entfernteren Schaden.

Am 27., Nachmittags 5 Uhr, am 46. Tage der Feindseligkeiten, am 31. der Belagerung, zog der Feind auf den angegriffenen Werken und dem Thurm des Münsters weisse Fahnen auf, die von der Mannschaft in den Tranchéen mit lebhaften Hurrah's begrüsst wurden. Das Feuer schwieg sofort auf beiden Seiten.

In der Nacht wurde folgende Capitulation abgeschlossen:

Der königlich preussische General-Lieutenant v. Werder, Commandeur des Belagerungscorps vor Strassburg, aufgefordert vom französchen GeneralLieutenant Uhrich, Gouverneur von Strassburg, die Feindseligkeiten gegen die Festung einzustellen, ist mit demselben dahin übereingekommen, in Anbetracht der ehrenvollen und tapferen Vertheidigung dieses Platzes folgende Capitulation zu schliessen.

Art. 1. Um 8 Uhr Morgens den 28. September 1870, räumt GeneralLieutenant Uhrich die Citadelle, das Austerlitzer-, Fischer- und National-Thor. Zur gleichen Zeit werden die deutschen Tuppen diese Punkte besetzen.

Art. 2. Um 11 Uhr desselben Tages verlässt die französische Besatzung, inclusive Mobil- und Nationalgarden, durch das National-Thor die Festung, marschirt zwischen Lünette 44 und Redoute 37 auf und legt daselbst die Waffen nieder.

Art. 3. Die Linientruppen und Mobilgarden werden kriegsgefangen und marschiren mit ihrem Gepäck sofort ab.

Die Nationalgarde und Franctireurs sind frei gegen Revers und haben die Waffen bis um 11 Uhr Früh auf der Mairie abzulegen. Die Listen der Officiere dieser Truppen werden um diese Stunde dem General v. Werder übergeben.

Art. 4. Die Officiere und die im Officiersrange stehenden Beamten sämmtlicher Truppen der französischen Besatzung Strassburgs können nach einem von ihnen zu wählenden Aufenthaltsort abreisen, wenn sie einen Revers auf Ehrenwort ausstellen; das Formular desselben ist der Verhandlung beigeschlossen.

Diejenigen Officiere, welche diesen Reversschein nicht ausstellen, gehen mit der Besatzung als Kriegsgefangene nach Deutschland.

Die sämmtlichen französischen Militärärzte verbleiben bis auf Weiteres in ihren Functionen.

Art. 5. General-Lieutenant Uhrich verpflichtet sich, gleich nach vollzogener Niederlegung der Waffen sämmtliche militärischen Bestände und sämmtliche Staatscassen u. s. w. in ordnungsmässiger Weise durch die entsprechenden Beamten den diesseitigen Organen zu übergeben.

Die Officiere und Beamten, welche hiermit von beiden Seiten beauftragt sind, finden sich am 28., 12 Uhr Mittags, auf dem Broglieplatz in Strassburg ein.

Diese Capitulation wurde ausgefertigt und unterschrieben durch folgende Bevollmächtigte: durch den Chef des Generalstabes des Belagerungs-Corps, Oberst-Lieutenant v. Leszczynski, durch den Rittmeister und Adjutanten Grafen Henckel v. Donnersmark deutscherseits, und französischerseits durch Oberst Ducasse, Platz-Commandanten von Strassburg, und Oberst-Lieutenant Mangin. Sous-Directeur de l'Artillerie.

Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben:
v. Leszczynski,

Oberst-Lieutenant und Chef des Generalstabes.

Graf Henckel v. Donnersmark,
Rittmeister und Adjutant.

Bestätigt.

Der Protocollführer:
Freiherr v. La Roche,

Premier-Lieutenant.

Mundolsheim, den 28. September 1870.

v. Werder. General-Lieutenant.

Ducasse.
Mangin.

Die Stärke-Rapporte der Garnison, welche der Capitulation beigeftigt waren, wiesen 451 Officiere, 17.111 Mannschaften, ausserdem 2100 Verwundete und Kranke, dazu 1843 Pferde auf. Unter der Mannschaft befanden sich jedoch circa 7000 Nationalgarden, die, als eine Art Bürgerwehr, nicht in die Kriegsgefangenschaft abgeführt, sondern nur entwaffnet wurden.

Am Morgen des 28. marschirte vor der Front der zwischen Königshofen

und der Saverner Chaussée aufgestellten Abtheilungen des Belagerungscorps die französische Besatzung aus.

Am Tage der Capitulation feuerten die Deutschen aus 146 gezogenen Geschützen und 83 Mörsern, worunter 2 gezogene, welche zusammen in 24 Batterien standen.

Es sind während der förmlichen Belagerung von Strassburg acht verschiedene Geschützarten preussischerseits und deren vier badischerseits in Thätigkeit gewesen, und zwar im Ganzen 241 Geschütze, nämlich 30 lange gezogene 24 Plünder, 12 kurze gezogene 24Pfänder, 64 gezogene 12Pfünder, 20 gezogene 6Pfänder, 2 gezogene 21Centimeter-Mörser, 19 50pfündige, 20 25pfündige und 30 7pfündige glatte Mörser; diesen sind zur Beschiessung der Citadelle badischerseits hinzuzufügen 4 25pfündige Mörser, 8 60pfündige Mörser, 16 gezogene 12Plünder, 16 gezogene 24 Pfänder.

Von den genannten 241 Geschützen sind im Ganzen 193.722 Schuss und Wurf in die Festung gefeuert worden, und zwar 162.600 von den 197 preussischen und 31.122 von den 44 badischen Geschützen. Es sind dies gewesen: 28.000 Granatschuss aus dem langen gezogenen 24Pfünder, 45.000 Granatschuss aus dem gezogenen 12Plünder, 8.000 Granatschuss aus dem gezogenen 6Pfünder, 5.000 Shrapnelschuss aus dem gezogenen 24Pfünder, 11.000 Shrapnelschuss aus dem gezogenen 12Plünder, 4.000 Shrapnelschuss aus dem gezogenen 6Plünder, 3.000 Langgranatschuss aus den 15 Centimeter-Kanonen, 600 Langgranatwurf aus 21 Centimeter-Mörser,

15.000 50pfündige,
20.000 25pfündige,

23.000 7pfündige Bombenwürfe aus glatten Mörsern.

Diese Summen ergeben als statistisches Resultat, dass in den 31 Tagen des förmlichen Angriffs auf Strassburg im Ganzen also 193.722 Schuss und Wurf, durchschnittlich demnach an jedem Tage 6249, in jeder Stunde 269, in der Minute also fortlaufend 4-5 Schuss oder Wurf in die Festung gefeuert worden sind.

In dieser Summe sind die während des Bombardements gegen die Stadt abgefeuerten Geschosse nicht inbegriffen, und wird die Zahl derselben allein in den Tagen vom 23. bis 26. mit 12000 Stück gerechnet.

Die Menschenverluste durch feindliche Waffenwirkung stellen sich in Summe wie folgt:

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Nach den Verlustlisten. Die officiellen Berichte geben aber 906 Mann an.

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Als Beute fielen dem Sieger in die Hände: bei 1200 Kanonen, 3000 Centner Pulver; ausser den Gewehren der Besatzung noch grosse Vorräthe. dann bedeutende Quantitäten an Geschütz- und Gewehr-Munition und Monturen, 1843 Pferde, endlich bei 10 Millionen Francs.

General Uhrich und der Maire Küss erliessen am 28. folgende Proclamation :

„Einwohner von Strassburg!

,Da ich heute erkannt habe, dass die Vertheidigung des Platzes von Strassburg nicht mehr möglich ist, und da der Vertheidigungsrath einstimmig meine Ansicht theilte, habe ich zu der traurigen Nothwendigkeit Zuflucht nehmen müssen in Unterhandlung mit dem Generalcommandanten der Belagerungsarmee einzugehen.

„Euere mannhafte Haltung während dieser langen Tage schmerzlicher Prüfungen hat mir erlaubt, den Fall Euerer Stadt so viel wie möglich zu verzögern; die bürgerliche Ehre, die militärische Ehre sind unversehrt, Dank Euch!

,,Dank auch Ihnen, Präfect des Niederrheins und Stadtvorstände, die Sie durch Ihre Thatkraft und durch Ihre Einigkeit mir eine so kostbare Mitwirkung geleistet, die Sie der unglücklichen Bevölkerung zu Hilfe zu kommen und ihre Anhänglichkeit an unser gemeinschaftliches Vaterland hoch aufrecht zu halten gewusst haben.

,,Dank Euch, Militärchefs und Soldaten! Besonders Ihnen, Mitglieder meines Vertheidigungsrathes, die Sie immer so einig, so energisch, so ergeben dem grossen Berufe waren, den wir zu vollbringen hatten; die Sie mich unterstützt haben in den Augenblicken des Zauderns, Folge der schweren Verantwortlichkeit, welche auf mir lastete, und des Anblickes der öffentlichen Unglücke, die mich umgaben.

1) Dr. Engel gibt nur 561 Mann an.

2) Diese Summe, welche von den Strassburgern als die richtige angegeben wird, scheint übrigens zu gross zu sein, da bei der Capitulation nur 2100 Verwundete und Kranke zusammen angeführt sind.

Dank Euch, Vertreter unserer Seearmee, die Ihr Eure kleine Anzahl habet vergessen machen durch die Kraft Eueres Wirkens.

Dank Euch endlich, Kinder des Elsasses, Euch Mobilnationalgardisten, Euch Franctireurs und Freicompagnie und auch Euch, Artilleristen der Nationalgarde, die Ihr so edel den Bluttribut unserer grossen Sache gezollt habet, welche heute verloren ist, und Euch, Zollwächter, die Ihr auch Muth und Ergebenheit bewiesen habet.

Den nämlichen Dank schulde ich der Intendanz für den Eifer, womit sie den Erfordernissen einer schwierigen Lage Genüge zu leisten wusste, sowohl hinsichtlich des Dienstes der Lebensmittel, wie hinsichtlich des HospiLaldienstes.

Wo könnte ich hinreichende Ausdrücke finden, um zu sagen, wie sehr ich den Civil- und Militär-Ärzten erkenntlich bin, welche sich der Pflege unserer Verwundeten und unserer Kranken gewidmet haben, jenen edlen jungen Leuten der Medizinschule, welche mit so vieler Begeisterung den gefahrvollen Posten der Ambulanzen in den Vorwerken und an den Thoren angenommen haben?

Wie könnte ich den mildthätigen Personen, den geistlichen und öffentlichen Anstalten genug danken, welche ihre Häuser unsern Verwundeten geöffnet, welche ihnen eine so rührende Pflege gewidmet und viele dem Tode entrissen haben?

Ich werde bis zu meinem letzten Tage die Erinnerung der beiden verflossenen Monate bewahren, und das Dank- und Bewunderungsgefühl, welches Ihr mir eingeflösst habet, wird nur mit meinem Leben erlöschen.

Ihr Euererseits, erinnert Euch ohne Bitterkeit Eueres alten Generals, welcher sich so glücklich geschätzt hätte, Euch die Unglücke, die Leiden und Gefahren zu ersparen, die Euch getroffen, aber welcher sein Herz diesen Gefühlen verschliessen musste, um nur die Pflicht und das Vaterland vor Augen zu haben, welches seine Kinder betrauert.

„Drücken wir, wenn wir es können, die Augen zu über die traurige und schmerzliche Gegenwart, und wenden wir die Blicke auf die Zukunft; da werden wir die Stütze des Unglücklichen finden: die Hoffnung.

„Es lebe Frankreich für immer!

„Geschehen im Generalquartier, den 27. September 1870.

Der Divisionsgeneral, Obercommandant der 6. Militärdivision,

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„Nach einem heldenmüthigen Widerstand, welcher in den militärischen Annalen nur seltene Beispiele zählt, hat der würdige General, welcher den Platz von Strassburg commandirte, im Einvernehmen mit seinem Vertheidi

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