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des Grenzgebirges sehr nahe liegt und die Entfernung zwischen den einzelnen, früher als wichtig bezeichneten Punkten meistens geringer ist als die Breite des Gebirges in der Richtung der Operationslinie, noch leichter ist, zur rechten Zeit auf dem zunächst gefährdeten Punkte mit den disponiblen Kräften zu erscheinen.

Der Angreifer hat dagegen den Vortheil der Umfassung für sich, welche ihm die Wahl seiner Operationslinie oder mehrer zugleich im weitesten Masse gestattet und die anfängliche Täuschung des Vertheidigers über die wirklich beabsichtigte Richtung begünstigt. Sobald aber der Angreifer sich für die Benützung einer oder der anderen Linie entschieden und die Vorrückung über seine von Gura-Humora (oder von Suczawa in der Bukowina) über Roman, Fokšani, Bukarest, nach Krajova laufende, also weiter vom Grenzrücken entfernte Rokade - Linie begonnen hat, verliert er die genannten Vortheile und ist auf den meisten Operationslinien gezwungen, seine Massen in eine einzige lange Colonne zusammenzudrängen oder sie in einer Weise zu theilen, dass eine gegenseitige, schnelle und wirksame Unterstützung der einzelnen Colonnen unmöglich wird, weil jeder Seitenmarsch von grössern Truppenkörpern nur über die zuerst erwähnte Rokade-Linie stattfinden kann. Eine Wiedervereinigung der getrennten Colonnen ist erst auf der Rokade-Linie des Vertheidigers möglich, und von hier an erwachsen dem Angreifer wieder neue Nachtheile, indem er nicht eher seine Vorrückung fortzusetzen vermag, bis er nicht auch einen oder zwei der benachbarten Gebirgsübergänge genommen und dadurch die Sicherung seines Nachschubes und Rückzuges für alle Fälle bewirkt hat. Eine Festsetzung des Angreifers innerhalb des Grenzgebirges, dessen Basirung auf der Rokade-Linie des Vertheidigers zu verhindern, ist aber für den Letzteren von höchster und umso grösserer Wichtigkeit, weil die Vortheile für den Vertheidiger, wie aus den früher geschilderten Verhältnissen im Innern des Landes genugsam hervorgeht, in demselben Masse geringer werden, als er gegen Westen zurückgedrängt wird.

Wie schon oben erwähnt, kann der Angreifer auf den beiden kürzesten Operationslinien den grösseren, auf der längeren den sichereren Erfolg erreichen; es fragt sich demnach noch, welche von diesen oder von allen Linien überhaupt wahrscheinlich vom Gegner benützt werden wird. Bei der Annahme, dass die durch Galizien über Eperies nach Pesth laufende Operationslinie von der feindlichen Haupt-Armee eingeschlagen wird, und eine secundäre Armee, aus Süd-Russland durch die Bukowina vorgehend, die Haupt-Operation unterstützen soll, unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass die letztgenannte Armee ihre Aufgabe nur dann erfüllen kann, wenn sie von dem in Siebenbürgen gedachten Vertheidiger Nichts zn befürchten hat, weil dieser in der Flanke der über Szigeth nach Ungarn und zur Vereinigung mit der Hauptmacht führenden Operationslinie des Gegners steht, jede Vorrückung der secundären Armee durch Vorstösse vor oder hinter den ungarischen Karpathen über Gura-Humora oder Kapnik-Banya stören

und die Verbindung derselben mit ihrer Basis gefährden kann. Siebenbürgen muss demnach von dieser Armee erobert, oder es kann auch nur durch schwache Abtheilungen im Norden und Nordosten beobachtet werden, wenn andere, genügend starke Streitkräfte den Süden und Süd-Osten des Landes bedrohen und die Hauptmacht des Vertheidigers auf sich zu ziehen suchen. In beiden Fällen kommen demnach, während gegen die nächstgelegenen Pässe demonstrirt wird, die über Gura Humora und Bistritz führende Operationslinie für den Nord-Osten, und jene über die Kronstädter Pässe für den Süd-Osten als die wahrscheinlichsten Vorrückungslinien des Gegners in Betracht, letztere, weil auf dieser die feindliche Armee zugleich die Fürstenthümer in jener Richtung deckt, in welcher eine erfolgreiche Offensive von Siebenbürgen aus dem Lande am verderblichsten werden kann. Die erste Aufstellung des Vertheidigers muss demnach auch mit vorzugsweiser Rücksichtnahme auf die wahrscheinlichsten Angriffsrichtungen, zugleich aber so gewählt werden, dass eine Verschiebung seiner Kräfte auch gegen die übrigen benützbaren Vorrückungslinien des Gegners nicht ausgeschlossen und, in Bezug auf die Entfernung der unvermuthet bedrohten Punkte, deren rechtzeitiges Eintreffen noch möglich ist.

bei der An

Dieser zweifachen Anforderung kann der Vertheidiger nahme, dass eine grössere Heeres-Abtheilung in der Marmaros steht am besten genügen, wenn er seine Hauptmacht auf der Rokade-Linie und zunächst Maros-Vásárhely hält, einen Theil gegen Bistritz, einen andern gegen Kronstadt vorschiebt und die übrigen Pässe, je nach ihrer Wichtigkeit, nur beobachtet oder durch grössere Truppen-Abtheilungen insolange deckt, als er nicht über die wahre Absicht des Gegners im Klaren ist. Dass der Vertheidiger, sobald er zur Gewissheit über die von der feindlichen Hauptmacht eingeschlagene Richtung gelangt, auch die entsprechende Verschiebung seiner eigenen Kräfte bewirken, und dass er, im Falle des Verlustes seiner vordersten Linie und einer Niederlage auf der Rokade-Linie, die früher bezeichneten Basispunkte oder einen derselben zu gewinnen und die Verbindung mit Ungarn zu erhalten suchen muss, bedarf wohl nur der Erwähnung. Die Vortheile, welche der Vertheidiger während seines Rückzuges und für die Fortsetzung des Kampfes im Innern des Landes aus einer erneuerten Aufstellung gegen Norden und Nord-Osten bei Dées, gegen Osten hinter dem Hargitta-Gebirge, endlich gegen Süden hinter dem Allflusse und der Maros zu ziehen vermag, wurden schon gelegentlich hervorgehoben.

Die Stärke der zur Behauptung Siebenbürgens erforderlichen Streitkräfte kann mit Rücksicht darauf, dass dieses Land im Verhältnisse zum Hauptkampfplatze der beiderseitigen Heere nur von untergeordneter Bedeutung ist, auch nur eine geringe sein, und wird voraussichtlich höchstens jener eines Armee - Corps gleichkommen. Da aber Siebenbürgen im Kriegsfalle 14 Landwehr - Bataillone und 3 Landwehr

Escadronen aufstellt, und überdies der Landsturm aufgeboten werden muss, so kann die Vertheidigung des Landes im Nothfalle, und wenn eine grössere Truppenmacht auf dem Hauptkriegsschauplatze nicht entbehrlich ist, auch der einheimischen organisirten Bevölkerung im Vereine mit einem Kerne von Feldtruppen überlassen bleiben. Natürlich müssten die regulären Truppen nicht als geschlossenes Ganzes für sich verwendet werden, sondern meistens im Vereine mit dem Landsturme auftreten, welcher vorzüglich die Grenzen des Landes zu bewachen und zu vertheidigen hätte.

Eine Behauptung des Landes durch so geringe Kräfte steht aber für längere Zeit nur dann zu erwarten, wenn dieselbe durch die Befestigung der vorzüglichsten Punkte auf den verschiedenen Übergängen über das Grenzgebirge erleichtert wird, und wenn der Vertheidiger im Innern des Landes ein gesichertes Reduit besitzt, vor welchem er den Angreifer so lange festzuhalten vermag, bis eine Änderung seiner eigenen Lage durch. eintreffende Verstärkungen oder durch die mittlerweile auf dem Hauptkriegsschauplatze stattfindenden Ereignisse zu gewärtigen ist. Nebst der permanenten Befestigung der Pässe wäre demgemäss noch jene von MarosVásárhely, des Centralpunktes von Siebenbürgen, und zwar in der Art geboten, dass die einheimischen regulären Truppen, also circa 10.000 Mann, den Platz zu behaupten vermöchten, während der Landsturm den Krieg im höhern Gebirge fortzuführen hätte. Weniger günstig gelegen, aber schon als Festung bestehend, würde Carlsburg, welches zugleich gegenwärtig den wichtigsten Depôtplatz des Landes bildet, in mancher Hinsicht Maros-Vásárhely ersetzen, müsste aber weiter ausgebaut werden und die Maros-Übergänge decken, um der Besatzung die Offensive auch gegen Süd-Westen zu

wahren.

Die Befestigung einiger der schon bezeichneten wichtigeren Punkte. auf der Rokade-Linie, sowie jene der übrigen Basispunkte wäre jedenfalls wünschenswerth, wird aber wohl erst bei drohender Gefahr durch FeldFortificationen bewerkstelligt werden müssen.

Auf ein solches Befestigungssystem gestützt und im Besitze gesicherter, mit Kriegsbedürfnissen aller Art reichlich versehener Depôtplätze, wird der Vertheidiger von den Ereignissen bei der Hauptarmee und jener in der Marmaros unabhängiger und kann sich selbst dann noch längere Zeit im Lande behaupten, wenn auch jede Hilfe von Ungarn her unmöglich wird. Ohne solche Stützpunkte, ist der Vertheidiger dagegen gezwungen, immer auf die Sicherung seiner Verbindungslinien mit der übrigen Monarchie bedacht zu bleiben und kann selbst veranlasst werden, den etwa in einer Richtung errungenen Erfolg wieder aufgeben zu müssen, um der Gefahr, die seinen Nachschüben vielleicht durch feindliche Streifparteien droht, begegnen zu können. Gegen letztere kann er sich allerdings auch durch eigene, zum Schutze seiner Depôts und Transporte detachirte Truppen-Abtheilungen sichern, schwächt aber dadurch seine Hauptmacht derart, dass ihm zu einer thätigen, erfolg

reichen Offensive schwerlich die erforderlichen Kräfte verbleiben dürften. Einen doppelten Zweck erreicht der Vertheidiger, wenn er einzelne, zur Sicherung seiner eigenen Verbindungen verwendete Detachements, durch hre Stärke und Zusammensetzung zu weitgreifenden Unternehmungen beShigt, und ihnen zugleich die Führung eines förmlichen Parteig ängerkrieges überträgt. Die Aufforderung zu einem solchen liegt schon in den eigenartigen, den kleinen Krieg überaus begünstigenden Terrainverhältrissen des Landes und sie wird zu einer dringenden, die besten Erfolge versprechenden, wenn die Truppen -Commandanten hiebei auf die werkthätige Unterstützung der Bevölkerung zu zählen haben. In dem Hinweise auf die militärischen Ereignisse während der Revolutionsepoche, namentlich auf Oberst Urban bei Ujvár und Bem bei Mediásch findet sich diese Bestätigung dieser Behauptungen.

Wie wichtig für die erfolgreiche Vertheidigung Siebenbürgens, nebst der Befestigung der genannten Punkte, noch der natürlich erst mit der Zeit anzuhoffende Ausbau der Eisenbahnen und die Vervollständigung des Telegrafennetzes sind, kann hier nur kurz berührt werden; als vorzüglich wünschenswerth muss jedenfalls die Verbindung von Klausenburg and Carlsburg mit Maros- Vásárhely (im Bau befindlich) und dieses Punktes mit den wichtigsten der Rokade-Linie durch Bahnen und Drähte bezeichnet werden. Gegenwärtig müsste der Vertheidiger Siebenbürgens sich wohl auf die Ergänzung des Telegrafennetzes durch Feldleitungen bis zu den Pässen und auf die Verbesserung der vorhandenen wichtigeren Communicationen beschränken; er könnte aber zugleich durch die radicale Zerstörung, z. B. der durch den Vulkan- und Rothenthurm-Pass führenden Strassen und Wege seine Lage insofern verbessern, als er dadurch dem Gegner zwei Vorrückungslinien verlegt, deren Benützung zu eigenen Offensivzwecken wohl schwerlich denkbar ist.

Die Aufgabe des Vertheidigers von Siebenbürgen ist nun nicht allein die Behauptung des Landes gegen den etwaigen Angriff von Seite der Gegner aus der Bukowina und den Fürstenthümern, sondern auch jene, die Action der eigenen Hauptmacht, wenn auch nur indirect, zu unterstützen und zu erleichtern. Nebst der Festhaltung des von Süd-Osten kommenden Angreifers, muss der Vertheidiger zur Erreichung dieses Zweckes vorzüglich in nordöstlicher Richtung thätig sein, um die durch die Bukowina gegen Ungarn dirigirte feindliche Armee zu Detachirungen zu zwingen. Er muss sie angreifen, wenn sie ihn ignorirt, oder der in der Marmaros operirenden Heeres-Abtheilung durch eine frühere, auf die Ablenkung des Gegners abzielende Offensivbewegung das erneuerte Vorbrechen über die ungarischen Karpathen erleichtern, wenn diese Linie nur momentan aufgegeben werden musste.

Der wichtigste, weil gefährlichere Gegner bleibt auch für den Vertheidiger Siebenbürgens immer die von Nordosten kommende feind

liche Armee, deren gemeinsame Bekämpfung die wesentlichste Aufgabe die im Osten der Monarchie zur Verwendung gelangenden Streitkräfte ist. Ein momentaner Erfolg des Gegners im Süden Siebenbürgens ka unangenehm, selbst gefährlich werden; er verliert aber seinen Einfluss dem Augenblicke, in welchem es den Haupt- Armeen gelingt, einen e scheidenden Sieg über die feindliche zu erringen, diese hinter den Pruth od hinter den Dniester zurückzuwerfen und den Krieg ins fremde Gebiet übertragen.

Das schlechteste Mittel zur Erreichung dieses Zweckes jedenfalls die passive Vertheidigung hinter dem Walle der Karpathen, d beste aber die allseitige consequente Offensive gegen Nord u Ost, bei welcher auch der Vertheidiger Siebenbürgens, aber nur dann erfol reich mitzuwirken hoffen darf, wenn er sich auf die wohlorganisirte und zu rechten Zeit aufgebotene wehrfähige Bevölkerung dieses Landes stützen vermag.

Emil Schmedes,

Generalstabs-Hauptmann.

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