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Seitens der deutschen Heeres-Leitung, welche dem Gegenstande weitaus nicht jene Aufmerksamkeit und Sorgfalt schenkte, wie allen übrigen Zweigen der Heeres-Organisation, wurde die Anordnung getroffen, dass für Leichtverwundete, je nachdem sie einer grösseren oder geringeren Sorgfalt bedürfen, die Waggons I., II., III. Classe, für die liegend zu Befördernden aber die Personenwagen IV. Classe oder Güterwagen benützt werden.

Die Personenwagen IV. Classe, welche auf der Stirnseite bequeme Eingänge haben, wurden mit Vorrichtungen, welche ihrer besonderen Bestimmung entsprechen, versehen und namentlich derart eingerichtet, dass die Tragen mit den auf ihnen liegenden Kranken auf eine leichte, die Leidenden nicht beunruhigende Weise hineingeschoben werden können. Die Tragbahren wurden parallel mit den Längenseiten, je zwei übereinander, in den dazu angebrachten Vorrichtungen mittels Kautschukringen eingehängt, — an jeder Seite 3, respective 6, so dass 1 Wagen 12 Verwundete fassen konnte. Auf den Tragbahren verblieben die Kranken bis zur Ankunft im Lazareth. Für die Benützung von Güterwagen wurden gegen Ende des Feldzuges Blattfedern von Stahl in Anwendung gebracht, welche die Erschütterungen des Wagens von den auf ihnen ruhenden Tragbahren abhalten sollten.

Da, wie wir später darthun werden, die Zahl der Wagen IV. Classe ganz unzureichend war, wurden zumeist Strohsäcke in den Güterwagen zur Lagerung der Kranken verwendet.

Die Verpflegung der Verwundeten während des Transportes geschah gewöhnlich in den Etappen-Stationen, doch war in den meisten hergerichtelen Lazarethzügen auch eine Art Küchenwagen mit eisernem, selbst gemauertem Heerd einrangirt; andere Waggons enthielten Eiskübel, Verbandund andere Lazareth-Gegenstände oder waren zur Aufnahme des Wart- und Begleitungs-Personales bestimmt.

Mehr als die deutsche Heeresleitung waren die süddeutschen Staaten, besonders Bayern und Württemberg, dann die verschiedenen Hilfsvereine bemüht, das Schicksal Kranker und Verwundeter zu mildern.

Am meisten war Württemberg bestrebt, zweckmässige Spitalzüge einzurichten, welch' Bemühen dadurch erleichtert wurde, dass die Personenwagen der württembergischen Bahnen, gleich den amerikanischen, grosse durchgehende Räume und Flügelthüren an der Stirnseite besitzen 1). Oberstabsarzt Dr. Fichte machte deshalb den Vorschlag, dass Württemberg die zu dem besprochenen Zweck besonders geeigneten Wagen leihweise den anderen deutschen Staaten, respective der deutschen Heeresleitung überlassen möge. Auf diesen Vorschlag scheint man aber deshalb nicht eingegangen zu sein, weil bei vielen dieser Wagen die Thüren zu schmal sind, als dass sie mit Tragbahren anstandslos passirt werden könnten.

1) Bei der österreichischen Südbahn finden sich ähnliche Wagen, welche vorzüglich im Local-Verkehr Verwendung finden; sie dürften sich aber wegen zu schmaler Eingänge kaum zum Verwundeten-Transport eignen.

Es wurden daher vorzüglich nur 30 ältere, 40 Fuss lange Personenwagen. welche an der Stirnwand hinlänglich breite Flügelthüren besitzen, zum angedeuteten Zweck verwendet. Nach Entfernung der Sitzbänke, Scheidewände etc. stellte man aus ihnen 4 Sanitätszüge, für je 150-200 Verwundete zusammen. Die Tragbahren in den Wagen ruhten auf kleinen Kissen von Kuhhaaren oder Werg, um bei der Übertragung die Erschütterung möglichst zu vermeiden. Die oberen Tragbahren hiengen in Gurten, welche oben an den Seitenwänden befestigt sind und vermöge ihrer schrägen Richtung die sonst leicht eintretende schwingende Bewegung möglichst verhüten.

Mit der Absendung wohl eingerichteter Spitalszüge begann eiger lich der bayerische Landes-Hilfsverein im Einvernehmen mit der Eisenbahn-CentralCommission. Jeder dieser Züge führte 7 Wagen für Materiale, das Begleitund Wartpersonale, Leichtverwundete etc. und 15 Wagen, welche zur Aufnahme Schwerverwundeter mit je 4, auf Federn ruhenden Feldbetten versehen waren. Besondere Güterwagen enthielten, wie erwähnt, Tragbahren, Proviant u. dgl. Im Ganzen waren 8 solcher Züge in Verwendung (mehr stellte Preussen auch nicht bei).

Erst am 2. October gieng der 1. Lazarethzug des Berliner Hilfsvereins unter Führung des Professors Dr. Virchow auf den Kriegsschauplatz. Er bestand aus Personenwagen IV. Classe mit 6, Fuss langen Tragfedern, und ruhten die Kranken auf Tragen, welche mit Zeug bespannt und in 2, selbst 3 Etagen an starken Gummiringen aufgehängt waren.

Erst nach langen Unterhandlungen und Überwindung zahlloser Schwierigkeiten, verursacht durch das preussische Kriegsministerium, kam dies, hauptsächlich von Virchow angeregte und durchgeführte humane Werk zu Stande, und konnte der Zug endlich abgehen.

Dem Berliner Lazarethzuge folgte der vom Mainzer Hilfsverein ausgerüstete der hessischen Ludwigsbahn. Er hatte 26 Wagen, welche untereinander durch Thüren verbunden waren, so dass man ohne Unterbrechung vom ersten bis zum letzten Wagen gehen konnte. Die Liegestätten bestan-` den aus einem niedern Tragbette, dessen Stangen mit Segeltuch überzogen waren, darüber eine leichte Matrazze, ein Keilkissen, ein Rollpolster und eine doppelte Decke. Je 1 Bett stand in den 4 Ecken, und über denselben waren 4 andere an seitwärts befestigten Gurten aufgehängt, so dass ein Schaukeln unmöglich war. Zwischen den Betten befanden sich gepolsterte Bänke für solche, die sitzend transportirt werden konnten, Ein Wagen verLochte daher 8 Schwer-, 8 Leichtkranke, 1 Zug 320 Personen zu fassen.

Am meisten scheint sich das Vorgehen des Hamburger Hilfsvereins zu empfehlen, welcher Ende November eine Expedition zur Formirung eines Lazarethzuges ausrüstete und nach Frankreich sendete, von wo die Rückkehr am 4. December mit 85 Verwundeten erfolgte. Die Expedition bestand aus 20 Personen, und zwar: aus 2 Führern, 3 Ärzten, 12 Krankenwärtern, 1 Mechaniker, 1 Tischler, 1 Koch, und führte gleichzeitig 3 Wagen mit Ma

teriale (Tragbahren etc.) und Proviant mit sich. Sie langte am 25. in Eper nay an, erhielt dort die erforderlichen leeren Wagen, die nach 14stündige Arbeit hergerichtet waren, so dass sie am 27. als Kranken-Sammelzug de Rückweg antreten und zeitweise sogar bis 500 Kranke mit sich führe konnte.

Vom Mangel an Humanitäts-Gefühl bei der deutschen Heeresleitung, vo der geringen Sorgfalt derselben für ihre Kranken und Verwundeten zeug folgender Umstand: Bei Beginn des Krieges waren in Preussen circa 240 Wa gen IV. Classe, zur Einstellung von Tragbahren geeignet, vorhanden 1). Davo liess das Handelsministerium etwa 100 bei Hannover und 100 bei Berli zusammenziehen, damit das Kriegsministerium sie für den Verwundeten Transport adaptiren lasse. Diese 240 Wagen hätten genügt, um 8 Spital züge zusammenzustellen, jeder Zug für 324 Schwerverwundete, zusamme für 2592 Kranke. Wenn nun jeder Zug wöchentlich nur Eine Fahr gemacht hätte, so würden monatlich 10.000 Schwerkranke abtransporti worden sein.

Ohne aber viel für eine Adaptirung der Wagen zu thun, verwendet das Kriegsministerium nur die in Hannover angesammelten zu Verwundeten Transporten und liess die bei Berlin zusammengezogenen Wagen IV. Class lange Zeit unbenützt stehen, weil es die Kosten der Adaptirung nicht tragen konnte oder wollte und es billiger fand, zum Transpor der eigenen Verwundeten entweder süddeutsche Spitalzüge zu verwende oder die Kranken einfach in Lastwagen zu lagern.

Erst im December, als die arge Kälte begann, und die Deutschen, so wohl vor Paris als an der Loire und im Norden, arge Verluste erlitten hatter auch die Klagen sich wohl vermehrt haben mochten, wollte das Kriegsmini sterium die Wagen IV. Classe mit Heiz-Vorrichtungen versehen und zu Verwundeten-Transport verwenden. Nach den Berichten über Abgang un Ankunft von Lazarethzügen finden wir aber so selten derartige preussisch Züge, dass wir gerechte Zweifel hegen, ob nunmehr einige Tausend Thale zur Adaptirung aller 240 Wagen aufgebracht wurden. Von den im Decem ber v. J. in Verkehr gesetzten Lazarethzügen war kaum ein Drittel seiten Preussen beigestellt: man begegnete nur den Nummern 1-6, es wurde daher wahrscheinlich jene 240 Wagen zu dem besprochenen Zwecke gar ni verwendet.

Dass der Vorwurf, den wir der deutschen Heeresleitung machen selbst in Deutschland, wenn auch nur indirect, zum Ausdruck gelangte, be weist eine deutsche Correspondenz, welche berichtet, dass Tausende deutsche Verwundeter des Feindes wird gar nicht mehr gedacht in einem Zustand äusserster Hilflosigkeit und Vernachlässigung in Mainz ankamen; sie befan

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1) Der Handelsminister hatte die Bahn-Gesellschaften verpflichtet, die Wager mit Rücksicht auf die Adaptirung zu Lazarethzügen ohne Kosten für das Ärar her

zustellen.

den sich in einfachen Güterwagen auf wenigem Stroh gebettet, ja oft fehlte selbst diese Unterlage 1). Mancher, welcher noch im leidenden Zustande aus den Lazarethen in einen solchen Zug verpackt wurde, war nicht mehr so glücklich, den heimatlichen Boden zu begrüssen. „Die Noth und das Elend," Fährt dieser Berichterstatter aus Mainz fort, mit welchen unsere wackeren Soldaten zu kämpfen haben, mussten gelindert werden, und so wurden denn von München, Stuttgart, Würzburg, Mainz, Berlin Lazarethzüge ins Leben gerufen."

Diese Anklage gravirt in hohem Grade die deutsche Heeresleitung, welche von den in Frankreich erbeuteten ungeheuren Summen den Aufwand weniger Thaler zur Milderung des Loses jener Unglücklichen scheute, die mit ihrer unwiderstehlichen Tapferkeit und bewunderungswürdigen Opferwilligkeit allein die Erfolge errungen haben, deren Früchte nun das neue Kaiserhaus geniesst.

Die französischen Bahnen hatten für Verwundete in ihren Waggons bewegliche Handhaben angebracht, an welche man Hängematten (hamacs) aufhängen kann. Allerdings werden auf diese Weise die Kranken vor den Erschütterungen der Fahrt ziemlich bewahrt; jedoch rufen die während der Bewegung vorkommenden pendelartigen Bewegungen Üblichkeiten hervor, so dass der deutschen Transportweise unbedingt der Vorzug gebührt. Am meisten dürfte sich wohl der von den Hamburgern beobachtete Vorgang empfehlen, weil hiebei das Wagenmateriale die beste Verwerthung findet, und dem jeweiligen Bedürfnisse am meisten Rechnung getragen werden kann.

In richtiger Würdigung dieser Vortheile wurden in Österreich, lange vor Beginn dieses Feldzuges, Vorkehrungen getroffen, um den Transport Schwerverwundeter in ähnlicher Weise, wie ihn die Hamburger bewerkstelligten, durchzuführen; die näheren Andeutungen enthält die erst kürzlich erschienene Vorschrift für den Militär-Transport auf Eisenbahnen.

Transport der Gefangenen.

Wenn man den Gefangenen nicht jene Rücksicht und Schonung angedeihen lässt, welche edle Nationen dem Schutz- und Wehrlosen gewöhnlich schenken, so ist die Abtransportirung der Gefangenen kein zu schwieriges Problem, denn sie werden in die nächsten, von Proviant u. dgl. entleerten Wagen gepfercht und mit langsam verkehrenden Gegenzügen, ohne Rücksicht auf Verpflegung, Unbilden der Witterung u. s. w. nach dem InternirungsOrt gebracht. Fügen wir noch hinzu, dass sich auf den meisten Zügen über 2000 Gefangene befanden, so haben wir ein Bild der jüngsten derartigen Transporte, dem wir als Pendant nachstehende, aus der Feder eines preussi

1) Wir hatten persönlich Gelegenheit, uns von der Richtigkeit dieser Angaben zu überzeugen. Die Red.

schen Hauptmannes stammende Schilderung der Gefangenen-Transporte in Jahre 1866 anhängen:

„Am 30. Juni, Nachmittags 4 Uhr, langte von Frankenstein der erst für Posen bestimmte Gefangenen-Transport, 5 Officiere, 1100 Mann, i Breslau an und wurde ausserhalb des Perrons auf einer Curve abgesetzt. De Transport war Morgens von Glatz abgegangen, Mittags 3 Uhr in Frankenstei eingetroffen, sogleich wieder abgegangen und sollte bis 18 Uhr Abends bei glühender Hitze, auf der Curve liegen bleiben, um in der Nacht nach Posen gebracht zu werden. Die Mannschaft war 24 Stunden ohne Verpfle gung, öfters selbst 36-48, da später einzelne solcher Transporte übe Posen hinaus nach Dirschau, Cöslin oder anderen Orten der Ostsee-Provinzer durchgiengen."

Kampf um Bahnen und Vertheidigung derselben.

Beim Kampf um eine Bahn kann es sich natürlich nicht um den Angrif oder die Vertheidigung einer ausgedehnten Linie handeln, sondern der Besitz cinzelner Punkte erschliesst oft eine ganze Linie oder beträchtliche Theile derselben.

So war der Kampf um einzelne befestigte Punkte, wie Toul, Soissons etc., eigentlich nur der Kampf um jene Eisenbahnen, welche sie sperrten. Von welch' hoher Wichtigkeit die Befestigung von Eisenbahnknoten oder andern wichtigen Punkten einer Bahnlinie ist, beweisen all die kleinen, der modernen Bewaffnung gar nicht entsprechend gebauten und armirten befestigten Punkte, welche das Invasions-Heer so lange in der freien Benützung der französischen Bahnen hinderten.

Öfters handelt es sich aber beim Kampf um Eisenbahnen nur darum, die Benützung derselben dem Gegner zu entziehen, und sich möglichst in den Besitz seiner Betriebsmittel zu setzen. In dieser Absicht haben sich die beiden Gegner mit wechselndem Glücke versucht; die bezüglichen Unternehmungen haben meist den Charakter von Überfällen, sind mit Bahnzerstörungen verbunden, und ist der Erfolg um so grösser, je überraschender die That vollführt wird. Mehr Verständniss und Geschick für solche Coups haben jedenfalls die Deutschen an den Tag gelegt, und beginnen wir daher mit der ersten Action des Feldzugs, der am 24. Juli erfolgten Sprengung eines Viaductes zwischen Saargemünde und Hagenau durch 30 rheinische Uhlanen.

Hiezu wurde bereits am 18. Juli der Befehl ertheilt, und am 19. rückte das Detachement mit einem Wagen und anderen Utensilien gegen die Bahn, machte aber die Erfahrung, dass es mit solch schwerfälligem Apparat den Zweck nicht erreichen werde. Es wurden daher des Minenhandwerks kundige Bergleute zu Pferd gesetzt, und in der Nacht auf den 24. die Sprengung

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