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Der Transport von Verpflegsgütern und Material.

Mit minderer Ordnung und Regelmässigkeit wurde von den Deutschen der Nachschub der Verpflegsgüter bewerkstelligt, und vergieng eine geraume Zeit, bis diesbezüglich vielfache Klagen verstummten. Ja die VerpflegsTransporte waren Ursache, dass einzelne Linien, namentlich in der Pfalz, momentan den Verkehr völlig einstellen mussten. Der Krieg war eben auch von Deutschland doch zu wenig vorbereitet, um die Erfahrungen des Jahres 1866 entsprechend verwerthen zu können. Anlässlich der VerpflegsTransporte war nämlich auch im Jahre 1866 die Freiburg - Waldenburger Linie momentan völlig unbrauchbar. Am 19. Juni 1866 standen auf den Stationen Faulbruck, Waldenburg, Frankenstein etc., die nur klein und beschränkt sind, Hunderte von unentladenen Wagen mit etwa 150.000 Zentner Frachten, und erst viel später, als die Preussen meist von Requisitionen lebten, gelang es, die Bahn durch Verkauf eines grossen Theils der Vorrithe wieder frei zu machen.

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Um den mannigfachen Übelständen bei Verpflegs-Transporten zu begegnen, gibt ein gediegener Fachmann Winke, welche die zur Verpflegsleitung Berufenen wohl beherzigen sollten; diese Letzteren mögen bedenken, dass ihre Anordnungen gewaltig die Operationen beeinflussen, dass ihre Thätigkeit die Hauptnerven der Armee zu kräftigen oder völlig zu unterbinden vermag. Die Verpflegsorgane mögen daher im Frieden ernsten Studien obliegen und den Krieg in all' seinen Phasen als das Feld ihres wahren Berufes ansehen.

Lassen wir nun aber unseren oberwähnten Gewährsmann sprechen, den Güter-Expeditor Merensky der Main-Neckar-Bahn, welcher für nöthig hält, dass zur Vermeidung von Stockungen und Aufrechthaltung möglichster Ordnung:

1. über Zeit und Umfang der Proviantsendungen Fahrpläne gemacht werden;

2. von der Militär-Verwaltung über Zeit und Umfang der Lieferungen in der Weise strenge Controle geübt werde, dass jeder Lieferant, zur Verständigung der Eisenbahn, einen Schein erhält, worin ihm zugewiesen ist, was, wie viel, wann und wohin er zu verladen hat. Dass ferner am Besummungsort der Verpflegsmassen eine Verpflegs-Behörde ihren Sitz hat, welche für ungesäumte Entladung der Wagen, Nachschaffung des Proviants an die Truppen und Magazinirung der augenblicklich nicht versend- oder verwendbaren Vorräthe sorgt;

3. die Eisenbahn-Verwaltungen einheitliche, strenge Anordnung treffen, dass, soweit Stundung nicht zulässig sein sollte, die Beförderung von Verpflegs-Transporten nur gegen Vorausbezahlung der Fracht geschieht, und dass unbedingt für jeden Wagen ein Frachtbrief anzufertigen ist, was um so

leichter durchführbar wäre, als unter kriegerischen Verhältnissen der Privatverkehr meist eingestellt wird;

4. für solche besondere Verhältnisse auch Ausnahmsmassregeln derart eintreten, dass die Expeditionsweise möglichst einfach und rasch vor sich geht, directe Kartirungen, Zahlungen per Achse und Meile ohne besondere Rücksicht auf die Qualität der Ladung stattfinde.

Diesen Wünschen gemäss wäre es wohl geboten, wenn der EisenbahnCentral-, respective Transportleitung ein Organ der Verpflegsleitung zugewiesen, und der ganze Verpflegs- und Kriegsmaterial-Transport unter die Controle dieser Militär-Transport-Behörden gestellt würde, wornach auch die Linien- und Etappen-Commissionen die pünktliche Auf- und Abladung zu überwachen hätten.

Durch manche unangenehme Erfahrung zu Beginn des Krieges belehrt, war die deutsche Heeresleitung bemüht, die mannigfachen Unregelmässigkeiten im Nachschub von Verpflegs- und Rüstungs - Gegenständen zu begleichen. Vielfach erleichtert war dies Streben durch das in grellster Weise angewendete Requisitionssystem, welches aber immerhin noch nicht der Sorge für einen geregelten Nachschub enthob. Die Communicationsverhältnisse waren hiezu im Allgemeinen ungünstig, die Transporte waren anfanglich nur auf die Linie Weissenburg- (später auch Strassburg-) Toul-Epernay beschränkt, welche auch durch Truppen- und Kriegsmaterial-Transporte vielfach beansprucht, dabei auch noch durch Freischaaren stets bedroht war, so dass nicht nur der Nachtverkehr ausgeschlossen, sondern selbst die Fahrgeschwindigkeit sehr beschränkt werden musste. Trotz der Doppelspur verkehrten täglich nur 12 Züge, von denen jeder durchschnittlich 5 Tage brauchte, um von Weissenburg nach Nanteuil und Nogent l'Artaud, dem ursprünglichen Endpunkt der benützbaren Bahnstrecke, und fast eine Woche, um wieder zurückzugelangen. Von Nanteuil oder Nogent mussten die Güter, 6-8 Meilen weit, per Wagen den Truppen zugeführt werden.

In Nogent, der Haupt Ausladestation für Proviant, konnten 31 Wagen als Maximum täglich ausgeladen werden, während 200 Achsen, d. i. circa 100 Wagen per Tag, hätten entlastet werden sollen. Man war dann mit der Zeit genöthigt, auf rückwärtige Entladestationen zu greifen, u. z.: auf ChateauThierry für die Maas-Armee, Epernay für die Württemberg'sche Division und das bayerische Monturs-Depôl, Châlons für das preussische ProviantDepôt. Von diesen Entladestationen hatten die Fuhrwerks - Colonnen 24 Märsche zu den Truppen: es hat somit die Turnuszeit 5-10 Tage betragen. Erst durch die am 23. November erfolgte Eröffnung der UmgehungsBahn bei Nanteuil wurde der Nachschub an Proviant, Material und Truppen erleichtert. Die Züge konnten nunmehr bis Chelles (2%, Meilen von Paris, 1 Meile von den Forts, 5 Meilen von Versailles entfernt) gehen, und wurden die Truppen und das Kriegsmateriale auf dieser, unmittelbar hinter der Cernirungslinie gelegenen Station, Proviant jedoch in Lagny und Meaux ausgeladen.

Als aber am 1. December mehrere Hundert feindliche Granaten in und um den Bahnhof Chelles einschlugen, machte man Lagny (2 deutsche Meilen von den Forts entfernt) zum Haupt- Ausladeplatz. Die baulichen Veränderungen und Erweiterungen, welche man in Lagny vornahm, um vom Bahnhofe aus den Verkehr für grosse Colonnen nach allen Richtungen hin zu ermöglichen, waren grossartig. Rampen und Magazine wurden erbaut, Ausweichgeleise, Chausséen etc. angelegt. Unter den Magazinsgebäuden zeichnete sich jenes aus, welches im Lager von Châlons stand und mit sämmtlichen Dachziegeln, Fensterlucken, Thüren nach Lagny versetzt worden war; es ist 240 Fuss lang, 63 Fuss breit, 30 Fuss hoch.

Abgesehen von der bedeutenden Abkürzung der Entfernungen für den Transport per Achse, bieten die genannten Stationen, sowohl an Geleisen, als Schuppen, weit günstigere Raumverhältnisse, als dies in den kleinen Zwischenstationen Nogent und Nanteuil der Fall war.

Der Betrieb der besetzten französischen Bahnen lag natürlich ganz in Händen der deutschen Eisenbahn-Bediensteten, von denen mehrere Tausend (von den preussischen Staatsbahnen allein 1800) nach Frankreich berufen worden waren. Auch das Material musste aus Deutschland requirirt werden (von den preussischen Staatsbahnen allein 3000 Wagen); bei Verwendung desselben zeigte es sich jedoch, dass viele Wagen für manche Objecte zu umfangreich waren, weshalb an manchen Stellen langsamer und mit grosser Vorsicht gefahren werden musste.

Es verkehrten Post- (Personen-) und Militär-Züge, erstere mit regelmässiger Fahrordnung, und musste für sie überall Raum zum Durchkommen geschafft werden; letztere aber durften die Station erst verlassen, wenn der Vorausfahrende Zug auf der vorderen Station eingetroffen war und Platz zur Aufnahme gefunden hatte. Dies war sehr häufig nicht der Fall, weil, der begrenzten Aufnahme halber, an den Endpunkten in den rückwärtigen grösseren Stationen die Aufstellung von 3 bis 4, oft noch mehr Zügen so lange nothwendig wurde, bis der successive Nachschub möglich war. Der Mangel einer regelmässigen Fahrordnung, die Aufrechthaltung der dem Range nach bevorzugten Personen- oder Post-Züge mag die Regelmässigkeit des Verkehrs der anderen Züge mannigfach beeinträchtigt haben, womit Störungen im Nachschub hervorgerufen wurden.

Es dürfte sich daher empfehlen, unter kriegerischen Verhältnissen alle Zige mit gleicher Geschwindigkeit verkehren zu lassen, wovon dann 1 bis 2 als Personen- oder Post-Züge ausgeschieden und diesem Zwecke gewidmet werden könnten. Den zur Armee abgehenden Zügen gebührt unbedingt der Vorrang.

Entsprechend den Wünschen Merensky's wären die Proviant - Züge nicht früher abzulassen, bevor nicht Hoffnung vorhanden ist, sie abladen zu können. Die Verpflegs- und Material-Züge, welche in beladenem Zustande die Stationen der ganzen Linie verstopften, nöthigten die Occupations-Armee, viele Truppen zur Bewachung der Vorräthe auszuscheiden, und waren auch

zur Sicherung der Etappenlinie zeitweise angeblich gegen 100.000 Man nöthig.

Gleichzeitig mit dem Verpflegsnachschub wurden, von Beginn der Cer nirung von Paris an, Vorkehrungen für die Beischaffung des Artillerie-Park getroffen. Die Aufgabe, die schweren Belagerungs-Geschütze aus dem Inner Deutschland's nach Paris zu bringen, war sehr schwierig. Die ersten Ge schütze langten von Weissenburg, wohin sie aus allen Theilen Deutschland' geschickt worden waren, am 9. October, ungefähr 14 Tage nach dem Fall von Toul, in Nanteuil an. Die französische Ostbahn konnte bekanntlich vo dem Falle von Toul nicht benützt werden, und nachdem endlich diese kleine gut vertheidigte Festung capitulirt hatte, waren noch verschiedene Arbeiter auszuführen, ehe die Bahn von Weissenburg bis Nanteuil oder Lagny mil ei und denselben Waggons befahren werden konnte.

Von Nanteuil wurden die Geschütze auf grossen Umwegen, um die Forts zu vermeiden, unter Cavallerie-Escorte nach Villa Coublay geschaff wo der Belagerungs-Park angelegt war, von welchem die Geschütze um Paris vertheilt wurden.

Der erste Transport, der in Nanteuil am 9. oder 10. October eintraf, bestand aus 14 Stücken, die den folgenden Tag im provisorischen Park von Nanteuil aufgestellt werden konnten. In den weiteren 9 Tagen langten 146 Geschütze an, und zwar durchschnittlich mit Einem Zug 15 Stücke sammt der dazu gehörigen Munition.

Nach einer „Times" - Correspondenz bestand der deutsche ArtilleriePark im Monate December aus:

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Von letzteren, auf welche die preussische Artillerie am meisten vertraute, hatte jedes Hohlgeschoss ein Gewicht von 200 Pfund. Dieser Park repräsentirte 446 Geschütze, welche sammt der dazu gehörigen Munition zwischen 30 und 40 Militär-Züge beanspruchten.

Der Transport von Verwundeten.

Die Vernichtungsschlachten der Gegenwart haben zur Folge, dass sich in kürzester Zeit eine Menge Verwundeter auf Einem Punkte ansammelt, und in Folge von Überfüllung der Spitäler Seuchen entstehen, die sich dann auch den Gesunden mittheilen.

Das Krankenzerstreuungs-System ist daher zu einer Grundregel der Kriegs-Heilkunde geworden'), welche auch neuerer Zeit möglichst durchgeführt wird. Die Krankenbeförderung, wie sie dieses System fordert, kann nur ein Massentransport sein, welcher ohne Hilfe der Eisenbahnen nicht leicht durchführbar wäre. Der Krankentransport auf Eisenbahnen ist jedenfalls eines der wichtigsten Probleme, indem hier die Interessen der Humanität ganz mit den militärischen und politischen zusammengehen.

Dr. Gurlt in Berlin *) und der königl. württembergische Ober-Stabsarzt Dr. Fichte haben den Gegenstand mit vielem Verdienst behandelt, und wurde demselben überhaupt neuerer Zeit eine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Im Allgemeinen wurden zwei Principien aufgestellt. Einige befürworten nämlich die Einrichtung von Personenwagen zu diesen Transporten und wollen hiezu die Lastwagen nur ausnahmsweise verwenden, weil die Ventilation in selben eine zu beschränkte sein soll. Die Anderen empfehlen das Einstellen von Ruhebetten am Boden der Waggons (ohne letztere vorher zu adaptiren), oder das einfache Belegen des Bodens mit Stroh oder Matrazzen.

Die Vor- und Nachtheile dieser beiden Systeme lassen sich in folgender Weise zusammenstellen:

Die Wagen mit stabiler Einrichtung bieten den Vortheil, dass die Räume besser verwerthet, die Herrichtungen solider, selbst bequemer für den Leidenden gemacht werden können, während nach dem zweiten System eine grosse Zahl Matrazzen, Ruhebetten etc. (eventuell mit elastischen Füssen) schnell auf jenen Punkt geschafft werden kann, an welchem sie eben am meisten benöthigt werden, wodurch dann die Leidenden sammt ihren Betten oder anderweitigen Unterlagen in die nächstbesten, eben leeren Waggons gebracht werden können.

Bei der im September 1868 zu München abgehaltenen Versammlung der Techniker deutscher Eisenbahnen hat man keine bestimmte Entscheidung über die Vortheile des einen oder andern Systems getroffen, sondern die bezügliche Erklärung lautete dahin, dass der Transport Verwundeter ebenso in Wagen mit einer stabilen Einrichtung, bestehend aus Tragbahren, auf denen Matrazzen oder andere Unterlagen ruhen), vorgenommen werden könne, als auch mittels einfacher, auf Federn ruhender Tragbahren, die in gedeckte Wagen einzustellen sind.

Letzteres System ist natürlich im Allgemeinen mehr im Gebrauch, weil bei Anwendung desselben ausser den bereits erwähnten Vortheilen eine weit bessere Verwerthung des Eisenbahnmaterials stattfindet.

1) Das Krankenzerstreuungs-System wurde zuerst vom österreichischen General-Stabsarzt Dr. Kraus als Schutzmittel gegen Epidemien in einer 1860 erschienenen, sehr verdienstvollen Schrift empfohlen.

2) Über den Transport Schwerverwundeter und Kranker im Kriege, nebst Vorschlägen über die Benützung der Eisenbahnen dabei." Von Dr. Gurlt. Berlin 1860.

3) In den Wagen mit stabiler Einrichtung wären die Tragbahren längs den Seitenwänden, und zwar 2 über einander, so aufzustellen, bezüglich aufzuhängen, dass in der Mitte des Wagens ein Gang frei bleibt.

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