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Es ist eine ölartige Flüssigkeit von 16 specifischem Gewichte, besitz einen süssen, gewürzhaften Geschmack, ist in reinem Zustande farblos, in dem im Handel vorkommenden meist sehr hellgelb.

Im Wasser ist Nitroglycerin fast gar nicht löslich und kann in prakti scher Beziehung gegen Einwirkung von Feuchtigkeit und Wasser als vollkommen unempfindlich bezeichnet werden, dagegen ist es in Benzol, Weingeist, Holzgeist und Äther löslich.

Bei gewöhnlicher Temperatur (bis etwa 50° C.) verdampft es in äusserst geringem, für praktische Zwecke gänzlich vernachlässigbarem Grade. Bei langsamer Erhitzung auf 100° kann es in geschlossenen Gefässen mehrere Tage ohne Gefahr einer Explosion dieser Temperatur ausgesetzt bleiben; setzt man die Erhitzung nach und nach über 100° fort, so beginnt es sich bei 193° langsam zu zersetzen und verliert alle explosiven Eigenschaften. Bei plötzlicher Erhitzung auf 180° explodirt es.

Bei gewöhnlicher Temperatur ist Nitroglycerin durch Berührung mit brennenden oder glühenden Körpern nicht zur Explosion, selbst schwer zur Entzündung zu bringen. Entzündet, brennt es ruhig ab.

In leichtem Einschlusse in's Feuer geworfen, sprengt es nach einiger Zeit die Umschliessung und brennt ruhig aus. In festem Einschlusse längere Zeit sehr hoher Temperatur ausgesetzt, explodirt es.

Feuer ruft also unter gewöhnlichen Verhältnissen bei Sprengöl keine Explosion hervor.

Bei Aufbewahrung in grossen Massen, wie dies in Magazinen oft der Fall ist, kann aber wohl bei einem Brande leicht eine Explosion entstehen, indem die inneren Schichten sich auf 180° erhitzen, ehe die äusseren Massen verbrannt sind.

Gegen Stösse und Schläge, wie selbe beim Transporte durch Fallen der Gefässe oder durch Zusammenstösse von Wagen etc. entstehen können, ist das Nitroglycerin wenig empfindlich.

Mit Nitroglycerin gefüllte Blech-, Glas- und Holzgefässe wurden von 60-80 Fuss Höhe auf Felsen geschleudert, ohne dass eine Explosion entstand. Selbst nachdem man das Nitroglycerin früher in Wasser auf 50° C. erwärmt hatte, blieb es gegen solche Erschütterungen unempfindlich.

In dünner Schichte explodirt es durch Schlag zwischen harten Körpern, aber nur an der unmittelbar getroffenen Stelle. Auf die Nachbartheilchen pflanzt sich die Explosion nicht fort. Grössere Massen von Nitroglycerin werden überhaupt mit Sicherheit und Leichtigkeit nur durch folgende zwei Methoden zur Explosion gebracht:

1. Wenn sie in festen, geschlossenen Gefässen auf die Temperatur von 180° erhitzt werden.

2. Durch einen Stoss, der mit solcher Heftigkeit und Geschwindigkeit erfolgt, dass die getroffenen Theilchen nicht ausweichen können, und die lebendige Kraft des

Stosses sich rasch in die zur partiellen Explosion nöthige. Wärme umsetzt.

Ein solcher Stoss ist z. B. der eines in der Masse explodirenden Knallpräparates, dessen Heftigkeit gegenüber selbst die schwächste Umhüllung wie eine feste Masse wirkt, so dass die den Explosionsort umgebenden Nitroglycerin-Partikelchen, wie auf harter Unterlage befindlich, einem furchtbaren Stosse ausgesetzt werden.

Diese letztere Eigenschaft, durch Nobel entdeckt und in der von ihm eingeführten Zündungsweise praktisch verwerthet, im Verein mit der enormen zerschmetternden Kraft des Sprengöls, sind es zunächst, welche den hohen. Werth desselben als Sprengmittel begründen.

Bei etwa 8o C. erstarrt das Nitroglycerin und wird, wenn es dieser Temperatur längere Zeit ausgesetzt bleibt, zu einer vollkommen harten, festen Masse. In diesem Zustande ist die Explosion selbst durch Knallpräparate nur äusserst schwierig zu bewerkstelligen. -Entgegen einer ziemlich allgemein verbreiteten Ansicht ist Nitroglycerin in gefrorenem Zustande ungefährlicher als in flüssigem, was wohl am besten dadurch bewiesen wird, dass in Schweden, wo das Sprengöl meist in gefrorenem Zustande verführt wird, trotz des bedeutenden Verbrauches damit nur äusserst wenige Unglücksfälle vorgekommen sind.

Das reine Nitroglycerin ist bereits ein ganz vorzüglicher Sprengstoff. Es concentrirt unter allen gegenwärtig bekannten Explosivstoffen, welche praktischen Werth besitzen, in gegebenem Raume die grösste Kraft. Durch gewöhnliche Zündmittel, wie Feuer und glühende Körper, ist es, wie früher erwähnt, nicht zur Explosion zu bringen; es ist gegen Feuchtigkeit und Wasser völlig unempfindlich und daher insbesondere zu allen Unterwassersprengungen vorzüglich geeignet. Diesen grossen Vorzügen gesellt sich aber ein bedeutender Nachtheil zu, welcher der Verwendung des reinen Nitroglycerins sehr hindernd entgegentritt: der flüssige Aggregatzustand bei gewöhnlicher Temperatur.

Fast sämmtliche durch Nitroglycerin verursachte Unglücksfälle sind nach Nobel's Ansicht durch Ausrinnen des Sprengöles aus der Verpackung, aus den Bohrlöchern etc. entstanden, also durch einen in der Praxis schwer zu vermeidenden Übelstand, der dem flüssigen Aggregatzustand inhärent ist.

Besitzt ein in dünnen Schichten gegen Stoss empfindlicher Körper flüssige Form, und findet ein Aussickern durch undichte Stellen Statt, so ist er der Gefahr directer Percussion unterworfen, und die zufällige Partialexplosion solch' ausgesickerter Theilchen kann nur zu leicht die Explosion benachbarter grösserer Nitroglycerinmassen hervorrufen, besonders wenn diese in festen Blechgefässen eingeschlossen sind, in denen sie einem heftigen von aussen kommenden Stosse nicht nachgeben können, und wenn die explosive Flüssigkeit vielleicht gar noch durch länger dauernde Einwirkung

der Sonne stark erhitzt und dadurch in eine bedeutende chemische Tension versetzt ist.

Das erste Mittel, welches Nobel anwandte, um die Gefahren des flüssigen Sprengstoffes zu beseitigen, war die Methylisirung des Nitroglycerins.

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Wenn man Nitroglycerin in 15-20 Percent Methylalkohol, gewöhnlich Holzgeist genannt, löst, so entsteht eine vollkommen unexplosive Mischung, das Sprengöl ist in diesem Falle gegen Schlag und Stoss ganz unempfindlich und selbst durch Knallpräparate nicht zur Explosion zu bringen. Es heisst daher dieses methylisirte Sprengöl mit vollstem Rechte unexplo sives Sprengöl.

Angezündet brennt der Methylalkohol sammt dem in ihm gelösten Sprengöle ruhig und ohne Detonation ab.

Will man das Sprengöl verwenden, so nimmt man die nöthige Menge in ein Gefäss, welches oben durch einen Hahn verschliessbar ist, und schüttelt sie leicht mit dem 6-8fachen Volumen Wasser durch. Das Sprengöl scheidet sich dann rasch ab und wird, nachdem man das Gefäss umgekehrt, durch den Hahn abgelassen.

Nobel sah bald, dass die Methylisirung ein sehr ungenügendes Palliativmittel sei, bei dem man eine Menge Nachtheile, welche der praktischen Verwerthung des Nitroglycerins sehr hinderlich sind, in den Kauf nehmen müsse. Ein Zufall führte ihn zu einem wirksameren Mittel.

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Zum Verpacken der mit Nitroglycerin gefüllten Blechflaschen wurde in der Sprengölfabrik bei Lauenburg eine in der Nähe in grossen Massen sich vorfindende, sehr poröse, reine Kieselerde genommen. Bei zufälligem Lecken von Gefässen zeigte es sich, dass diese Erde ein sehr bedeutendes Flüssigkeits- Aufsaugungsvermögen besitze, und Versuche ergaben, dass solch' getränkte Erde, welche selbst unter bedeutendem Drucke noch das aufgesaugte Nitroglycerin vollkommen festhält, noch eine höchst bedeutende Explosionskraft entwickle.

Damit war der Weg gewiesen, auf dem zunächst fortgeschritten werden musste, und auf dem Nobel zur Erzeugung der verschiedenen Nitroglycerinpulver gelangte, welche er unter dem Namen Dynamit in die Sprengpraxis einführte.

Alle Sorten Dynamit und die verschiedenen anderen Nitroglycerinpulver, die nach den Nobel'schen Präparaten auftauchten, wie der Lithofracteur, das Dualin, das Coloniapulver, haben als Hauptbestandtheil Nitroglycerin, dem so viel feste, Flüssigkeit bindende Stoffe zugesetzt sind, dass in der durch die Mengung resultirenden Masse das Nitroglycerin noch unter mässigem Drucke festgehalten, und so das Aussickern des Sprengöles wäh rend des Transportes, der Aufbewahrung und im Gebrauche vermieden ist.

Unter all' diesen verschiedenen Nitroglycerinpräparaten nimmt das Dynamit Nobels weitaus den ersten Rang ein und dürfte diesen durch die

den Bedürfnissen der Sprengtechnik angepassten Verbesserungen, welche Nobel in organischer Fortbildung seines Sprengmittels vornimmt, noch durch. lange Zeit behaupten.

Diejenige Sorte Dynamit, welche bisher vorzüglich erzeugt wurde, und auf welche sich die meisten der später angegebenen Resultate beziehen, besteht aus einer mechanischen Verbindung von 75 Percent Nitroglycerin und 25 Percent Kieselerde, sogenannter Kieselguhr.

Diese Kieselguhr wird von Oberlohe bei Unterläss in Hannover gewonnen. Sie bildet eine weisse, im trockenen Zustande leicht zerstäubbare, mehlartige Masse und besteht aus den Kieselpanzern einer Algengattung, welche eine Unzahl kleiner Zellen bilden, die eine sehr bedeutende Festigkeit besitzen und trotz Jahrtausende langer Lagerung noch in ganz wohl erhaltenem Zustande sich befinden. Diese Kieselerde hat ein sehr bedeutendes Flüssigkeits-Aufsaugungsvermögen, dabei die einzelnen Theilchen eine sehr grosse Widerstandskraft gegen Druck und Stoss, so dass sie ihre Form auch während langen Transportes behalten.

Die Aufsaugung des Nitroglycerins durch die Kieselguhr lagert selbst die kleinsten Nitroglycerintheilchen zwischen nachgiebige poröse Materien, welche Stösse, selbst wenn selbe sehr heftig sind, nicht fortpflanzen. Die Kieselerderöhrchen bilden gleichsam je für sich kleine Verpackungsgefässe des Sprengöles, in denen dieses aber nur durch die Capillarität festgehalten ist. Heftige Stösse auf grössere Massen Dynamit bewirken ein Aneinanderdrängen, ein Verschieben, vielleicht ein Zermalmen dieser einzelnen Sprengölgefässe, ohne dass auf die Sprengolpartikelchen selbst der zur Explosion nöthige Schlag stattfindet.

Diese Erwägungen haben durch die Praxis vollkommene Bestätigung erfahren und wirklich die Gefährlichkeit des Nitroglycerins nahezu vollständig beseitigt').

Das Dynamit hat nahezu alle die vorzüglichen Eigenschaften, welche das Nitroglycerin auszeichnen, ohne die durch den flüssigen Zustand des Jetzteren bedingten Gefahren zu besitzen.

Es bildet eine gelb-röthliche, bröckelig-teigartige Masse, welche sich etwas fett anfühlt und in fest gepresstem Zustande ein specifisches Gewicht von etwa 1,5 besitzt. Die physikalischen Eigenschaften des Dynamits sind nahezu die gleichen wie jene des Nitroglycerins. Eine Verschiedenheit besteht, abgesehen von dem Aggregatzustande, hauptsächlich darin, dass es einerseits eine weitaus grössere Sicherheit gegen starke mechanische Ein

1) Vom 1. Jänner 1868 bis 15. Mai 1870 wurden in Deutschland allein etwa 500.000 Kilogrammes auf 150.000 Kilometer Gesammt-Distanz befördert. Hunderte Fon Centnern wurden zur See im heissesten Klima verfrachtet. In Schweden wird das Dynamit in meist gefrornem Zustande auf den Eisenbahnen transportirt, ohne dass bis jetzt auf dem Transporte ein Unglück geschehen wäre.

wirkungen und äusserst heftige Vibrationen bietet als das Nitroglycerin, dagegen anderseits wieder, wenn es lange unter Wasser bleiben soll, in wasserdichte Hüllen eingeschlossen werden muss, da sich sonst das Nitroglycerin von der Kieselerde trennt.

Das Dynamit mit 75 Percent Nitroglycerin ist gegenwärtig das beste Sprengmittel für militärische und für alle jene industriellen Zwecke, wo Sprengungen in sehr hartem sprödem Steine vorzunehmen sind. Bevor jedoch an die definitive Einführung desselben gegangen werden konnte, war eine genaue Untersuchung bezüglich einiger Punkte nöthig, die solche Einführung bedenklich erscheinen liessen.

Vor Allem hatte das Nitroglycerin denselben bösen Ruf bezüglich möglicher Selbstexplosion wie Schiesswolle, und derselbe übertrug sich natürlich auch auf das Dynamit. Eingehende Untersuchungen und eine vierjährige Praxis haben nun dargethan, dass das Dynamit, wenigstens während 2-3jähriger Dauer, praktisch unverändert bleibt, und wenn eine Zersetzung, z. B. bei zufälliger schlechter Reinigung stattfinden sollte, dieselbe in ruhiger, gefahrloser Weise vor sich geht. Dieser Punkt wurde so beseitigt.

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Es kam dann ein anderes Bedenken. Schon unter +5° C. wird das Dynamit steinhart und ist dann sehr schwierig, bei sehr niederen Temperaturen 10° bis 15° aber gar nicht mit Quecksilbermengen, wie man sie noch zur Zündhütchenfüllung verwenden kann (etwa 1 Gramm) zur Explosion zu bringen. Dieser Umstand war Hauptgrund, warum man in Preussen das Dynamit nicht einführte, sondern es durch ein anderes Nitroglycerinpulver, das Dualin, ersetzte; trotzdem dieses sonst manche Übelstände gegenüber dem Dynamit hat.

Dieser Nachtheil ist gegenwärtig vollständig beseitigt, und es kann jetzt Dynamit bei jeder Temperatur mit derselben Leichtigkeit wie in weichem Zustande explodirt werden.

Ein dritter Übelstand endlich erregte lebhafte Opposition gegen das neue Sprengmittel, nämlich der Umstand, dass Nitroglycerin ein Giftstoff ist, und bei unvorsichtigem Umgehen damit und selbst durch die Verdunstung bei Laborirung von Nitroglycerinpulvern bei den dabei beschäftigten Arbeitern sich starke Kopfschmerzen und Übelkeiten einstellen. Dieser Nachtheil ist unbeseitigbar, aber sein Gewicht ist ein höchst geringes, wenn man bedenkt, dass erstens bei nur geringer Vorsicht diese physiologischen Wirkungen nie gefährlich und immer nur kurz dauernd sind, dass zweitens sich Arbeiter sehr rasch an diese Einflüsse gewöhnen, und endlich der Truppe die Ladungen in vollkommen fertigem Zustande und vollständig in Papier- oder Blechhüllen eingeschlossen übergeben werden, und die Handhabung mit den selben eine solche ist, dass der Mann fast nie mit dem offenen Sprengmittel zu arbeiten hat.

Man hat daher auch mit Recht, nachdem man über die zwei erst genannten Punkte beruhigt war, den letztgenannten als nebensächlich be

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