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von hellgelber oder röthlicher Farbe sind und bei raschem Erhitzen oder durch starken Schlag und Reibung heftig explodiren.

Unter diesen Salzen wurde nun von Designolles in den letzten Jahren das picrinsaure Kali zur Herstellung verschiedener Sorten von Pulver benützt, welche in Frankreich durch die Regierung einer eingehenden Prüfung unterzogen wurden.

Designolle stellt zwei Hauptsorten von Picratpulvern dar; eine für Schiesszwecke aus picrinsaurem Kali, Kalisalpeter und Kohle, und eine für Sprengzwecke aus den ersteren Substanzen allein. In den Sprengpulvern steigt die Menge des picrinsauren Kali's bis auf 90 Percent.

Die Vortheile, die Designolle seinem Pulver speciell für Sprengzwecke beimisst, sind: Weit höhere brisante Kraft als beim Schwarzpulver (das stärkste Picratpulver soll zehnmal so stark als gewöhnliches Pulver sein). wenig Rauchentwicklung, Unschädlichkeit der Explosionsgase, billigere Darstellung etc.

Ich habe leider keine genügenden Anhaltspunkte, diese Angaben zu prüfen. Mir liegen nur vergleichende Versuche über Sprengungen von Geschossen verschiedenen Kalibers mit Schwarzpulver und zwei Sorten Pieratpulver vor, aus denen sich ergibt, dass die letzteren 1-2mal so stark als jenes waren.

Das Schlussurtheil der französischen Versuchscommission lautet: „Die Pulver von Mr. Designolle scheinen für Feuerwaffen nicht anwendbar; wenn aber die Stabilität, welche ihnen der Erfinder zuspricht, bewiesen wäre, könnten ihre brisanten Eigenschaften unter gewissen Verhältnissen, z. B. im Belagerungskriege, von Nutzen sein. Die Commission ist deshalb der Ansicht, dass man mit diesen Pulvern neue Versuche vornehmen sollte, um sie genauer, insbesondere in Bezug auf ihre brisanten Eigenschaften, kennen zu lernen."

Bei meiner Anwesenheit in England (December 1869) erfuhr ich, dass man daselbst die auch dort begonnenen Versuche mit Picratpulvern aufgegeben habe, und dass man dieselben auch in Frankreich nicht mehr energisch fortsetze.

Jedenfalls ist das mit Designolle'schen Pulvern erreichte Resultat noch kein bedeutendes; es sind aber viele Gründe vorhanden, welche es wahrscheinlich machen, dass picrinsaure Salze, wenn auch nicht als Hauptstoff, doch als Beimengung zu andern kräftigen Pulvern, entschieden nützliche Verwendung finden dürften.

Von bedeutend grösserem Einflusse auf die Sprengtechnik und vielleicht noch einmal das Schwarzpulver als Triebmíttel vollkommen ersetzend ist die Schiessbaumwolle, der ich deshalb eine eingehendere Betrachtung widmen will.

2. Schiessbaumwolle (Nitrocellulose).

Pflanzenzellenstoff, Cellulose, am reinsten in der Baumwolle vorkommend, liefert bei Behandlung mit einem Gemische aus 1 Gewichtstheil concentrirter Salpetersäure und 3 Gewichtstheilen Schwefelsäure einen sehr explosiblen Körper, die Nitrocellulose 1), bei Erzeugung aus Baumwolle auch Schiessbaumwolle genannt.

Äusserlich unterscheidet sich Schiessbaumwolle fast gar nicht von der Baumwolle, aus der sie bereitet wurde: sie fühlt sich nur etwas härter und rauher an als diese. Das specifische Gewicht der Schiesswolle wechselt je nach der mechanischen Constitution derselben. In Flockenform ist es 0·1, in locker gesponnenen Strähnen 0.25, bei der gegenwärtig in England gebräuchlichen Methode der Comprimirung durch starke hydraulische Pressen

1.

In Wasser ist Schiesswolle unlöslich. Damit getränkt und mehrere Jahre in diesem Zustande aufbewahrt, bleibt sie unverändert und erhält durch Trocknen ihre volle Explosibilität wieder.

Weniger hygroskopisch als gewöhnliche Baumwolle, nimmt sie selbst in einem mit Feuchtigkeit gesättigten Raume nach langem Liegen nur einen sehr geringen Wassergehalt auf, welcher ihre Wirkungsfähigkeit nur sehr wenig beeinflusst. Durch Imprägnirung mit Kautschuk ist es in letzter Zeit gelungen, die Schiesswolle gegen Feuchtigkeit vollkommen und selbst gegen Kurz dauernde Einwirkung von Wasser zu schützen. Diese Methode wird gegenwärtig in England bei Bereitung von Gewehrpatronen angewendet. Für grosse Massen wurde sie noch nicht versucht.

Lockere Schiesswolle brennt in Berührung mit flammenden Körpern noch rascher ab. In fest comprimirtem Zustande explodirt sie durch Mittheilung von Feuer, wenn sie fest eingeschlossen ist; bei leichtem Einschlusse brennt sie ruhig ab. Bringt man aber in comprimirte Schiess wolle kleine Mengen starker Knallpräparate, z. B. ein mit einer bestimmten Menge Knallquecksilber gefülltes Kupferzündhütchen, und bringt dieses durch eine gewöhnliche Feuerleitung zur Detonation, so explodirt jede Menge Schiesswolle, auch im leichtesten Einschlusse, momentan und mit solcher Gewalt, dass die stärksten Tambourirungen, mehrere Schuh starke Mauern und starke Eisenconstructionen durch ganz frei angelegte Ladungen mässiger Stärke zerschmettert werden.

Diese Eigenschaft ist es zunächst, welche der Schiesswolle ihren hohen Werth als Sprengmittel, insbesondere für militärische Zwecke verleiht. Wir werden später sehen, in welcher Weise sie praktisch verwerthet wird.

In dünnen Schichten explodirt Schiesswolle durch starken Schlag zwischen harten Körpern, doch pflanzt sich die Explosion nicht auf die neben

1) Cellulose = C12 H10 010 Nitrocellulose = C12 H 3 (NO 010

liegenden Theilchen fort, sondern diese werden entweder blos weggeschleudert oder brennen ruhig ab. Durch Reibung ist Schiesswolle verhältnissmässig leicht zu entzünden. Auf rauhem Fussboden kann man sie durch einen kräftigen Tritt zur Entflammung bringen.

Die Rauchentwickelung bei vollständiger Verbrennung ist eine sehr geringe, der Rückstand verschwindend, die Verbrennungsgase weniger belästigend als bei Schwarzpulver.

Alles zusammengefasst: die Schiess wolle ist ein vorzügliches Schiessmittel, sie ist ein ausgezeichnetes Sprengpräparat.

Und doch hat sie als Triebmittel bisher nur eine äusserst beschränkte Anwendung, als Sprengmittel wenigstens keine ausgebreitete Verwendung getanden, obwohl es nun schon 25 Jahre sind, seit Schönbein eine praktische Bereitungsweise derselben angegeben hat.

Worin hat dies seinen Grund? Eine kurze Beantwortung dieser Frage gehört hierher, sie ist für jeden Militär von Interesse. Vorerst bezüglich der Verwendung als Triebmittel:

Bald nach Schönbein's Entdeckung wurden in allen grossen Staaten Europa's die Versuche mit dem neuen Explosivmittel energisch in Angriff genommen. In Frankreich von 1846 bis 1849, in England bis 1854, in Österreich von 1852 bis 1862, durch kurze Zeit endlich auch in Preussen und Russland fortgeführt, haben alle diese Versuche mit Verwerfung des neuen Stoffes für militärische Zwecke geendet. Die Hauptursache solchen Resultates in allen Staaten waren die zahlreichen Fälle von Selbstentzündungen, d. h. von Entzündungen durch den blossen Einfluss langen Liegens unter gewöhnlichem Luftdrucke und in gewöhnlicher Temperatur und mehrere Fälle verbeerender Explosionen, bei denen keine äussere Ursache aufgefunden werden konnte, und die man daher solchen Selbstentzündungen zuschrieb.

Man schloss, dass die Schiesswolle nicht die für ein Kriegspulver unbedingt nöthige Sicherheit und Unveränderlichkeit (Stabilität) besitze. „Die Schiess wolle unterliege freiwilliger (spontaner) Zersetzung, dies war bald zum Schlagworte aller Schiesswollgegner geworden, und obwohl kein einziger Fall einer durch freiwillige Zersetzung hervorgerufenen Explosion constatirt werden konnte, wurde nach der Explosion eines Schiesswollmagazins auf der Simmeringer-Haide 1862 die Verwendung der Schiesswolle als Triebmittel aufgegeben, nach der Explosion eines andern Magazins 1865 sogar von jeder weiteren Verwendung der Schiess wolle abgesehen, und die Vernichtung aller noch vorhandenen Vorräthe anbefohlen. Damit waren die Versuche am Continente für Jahre beendet, und die Schiesswolle wäre vielleicht der Vergessenheit anheimgefallen, wenn man nicht in England zu derselben Zeit, wo man in Österreich in ganz unmotivirter Weise das neue Präparat verwarf, dasselbe einer eingehenden commissionellen Prüfung unterzogen hätte. Hand in Hand damit gieng eine Reihe von Verbesserungen, die Professor Abel in Woolwich einführte, und die darin bestehen,

dass die nach dem österreichischen, von Baron Lenk angegebenen Verfahren bereitete Schiesswolle in Holländern, ähnlich wie Papierzeug, gemaischt, dadurch in sehr vollkommener Weise gereinigt, und dann die so erhaltene feine Masse in noch nassem Zustande durch starke hydraulische Pressen derart verdichtet wird, dass sie die vierfache Dichte von gewöhnlicher gedrehter Schiesswolle, nämlich das specifische Gewicht 1 erhält.

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Diese, im Jahre 1862 unter Vorsitz des Generals Sabine begonnenen Versuche haben nun der Selbstexplosionsfabel ein gründliches Dementi ertheilt. General Sabine sagt in seinem Schlussberichte 1867: „Die Resultate der erwähnten Versuchsreisen zeigen, dass Schiess wolle, nach den Angaben Baron Lenk's erzeugt, in offener Luft oder in geschlossenen Gefässen aufbewahrt und dem Tageslichte durch sehr lange Zeit ausgesetzt werden kann, ohne irgend einen Wechsel zu erleiden; die Conservirung des Präparates während der Dauer von drei oder vier Jahren ist eine vollkommene.

Die Haupt- und Lebensfrage der Schiesswolle ist nun vollkommen zufriedenstellend gelöst, und die noch bleibenden Fragen sind zweiten Ranges..."

Und der bekannte englische Techniker Scott Russel meint:

„Ich empfehle Allen, welche Antheil an dem Fortschritte der Militärwissenschaft nehmen, aufmerksam und wiederholt die erwähnten Aussprüche des Präsidenten zu lesen; sie schliessen die Periode des Zweifels und verscheuchen vollständig das Gespenst Selbstentzündung, welches in dem Geiste manches einflussreichen und intelligenten Officiers gespukt haben mag; sie übergeben das Präparat den Händen des speciellen Fachmannes, der es den verschiedenen Zwecken accommodiren kann, ohne fürchten zu müssen, dass die Früchte seiner Arbeit durch einen dem Präparate inhärenten Fehler in Frage gestellt werden."

Die englischen Versuche werden noch gegenwärtig fortgesetzt, und die nach dem Jahre 1867 gewonnenen Resultate haben die früher erhaltenen vollkommen bestätigt.

Man kann also gegenwärtig mit hoher Wahrscheinlichkeit die Schiesswolle als ein genügend stabiles Product annehmen, um wenigstens die Wiederaufnahme ausgedehnter Versuche anempfehlen zu können, wenn auch zugegeben werden kann, dass die vorliegenden Daten, bei der immensen Wichtigkeit der Entscheidung, noch nicht genügen, um eine sofortige Einführung der Schiesswolle für artilleristische Zwecke befürworten zu können. Die Durchführung solcher Versuche erscheint um so angezeigter, als die englischen Experimente, die Schiesswolle als Triebmittel in Geschützen und Gewehren anzuwenden, ebenfalls sehr günstige Resultate ergeben haben.

Ganz andere Schwierigkeiten als die Möglichkeit von Selbstentzündung, die Nothwendigkeit langer zeitraubender Versuche u. s. f. haben eine aus

gebreitete Anwendung für Sprengzwecke verhindert. Es ist zweifellos, dass die Schiesswolle in der Form, wie sie gegenwärtig in England verwendet wird, bei gleichzeitiger Anwendung der Zündung durch Knallpräparate, ein ganz vorzügliches Sprengmittel für Kriegszwecke ist, das den meisten Anforderungen des Militäringenieurs genügt. Die Schwierigkeit liegt nur in der Beschaffung. Die Privatindustrie wird sich nie der Schiesswolle in ausgedehntem Masse als Sprengmittel bedienen. Eine Reihe anderer Präparate geben günstigere Resultate in Bezug auf Zeit- und Kostengewinn, werden daher entschieden die Schiesswolle auch dort noch aus dem Bergbau verdrängen, wo sie theilweise Fuss gefasst hat. Eben in England zeigt sich dies gegenwärtig unwiderlegbar1). Das Militärärar bleibt also auf eigene Erzeugung angewiesen. Nun ist aber der Bedarf an Sprengmitteln für ärarische Zwecke ein so geringer, dass von der Errichtung einer Fabrik zur blossen Deckung desselben entschieden abgesehen werden muss.

Eine Einführung der Schiesswolle als Spreng mittel für die Kriegstechnik ist erst dann möglich, wenn man dieses Explosivmittel gleichzeitig als Trieb mittel, d. h. in Feuerwaffen verwenden wird.

Glücklicherweise ist dies mit keinem Nachtheile verbunden, da der Fortschritt der Chemie in den letzten Jahren noch eine Reihe anderer Präparate geschaffen hat, welche die gleichen, ja theilweise noch grössere Vorzüge wie die comprimirte Schiesswolle als Sprengmittel besitzen und gleichzeitig in so bedeutenden Massen von der Privatindustrie consumirt und daher auch producirt werden, dass eine Erzeugung durch das Militärärar überflüssig wird. Diese Explosivmittel sollen im Folgenden kurz besprochen werden.

3. Nitroglycerin pulver.

Das Nitroglycerin, der wichtigste moderne Sprengstoff, bildet die Grundlage einer Reihe von Explosivmitteln, welche ich hier unter dem Namen Nitroglycerinpulver zusammenfasse.

Das Nitroglycerin entsteht aus einem allgemein bekannten Stoffe, dem Glycerin, indem man dasselbe unter beständiger Kühlung in ein Gemenge aus 1 Gewichtstheil Salpeter- und 2 Gewichtstheilen Schwefelsäure giesst, wodurch die Ausscheidung von 3 Äquivalenten Wasserstoff aus dem Glycerin und Ersatz derselben durch 3 Äquivalente Untersalpetersäure) bewirkt wird, und hiedurch der oben genannte Explosivstoff sich bildet, der nach dem schwedischen Ingenieur Alfred Nobel, der ihn zuerst im Grossen darstellte und in die Sprengpraxis einführte, auch den Namen „Nobel'sches Sprengöl" führt.

Die Gesammt-Erzeugung von Schiesswolle beträgt jetzt kaum 2000 Centner pro Jabr.

Glycerin C, H, O., Nitroglycerin C, H, 3 (NO.) O..

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