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Die Übungen in geschlossenen Abtheilungen geschehen also nach dem Vorstehenden zur Erlernung des taktischen Formenwesens und zur Hebung der Disciplin; sie müssen sich durch Ruhe und Ordnung besonders kennzeichnen und so Zeugniss für den in einer Abtheilung herrschenden Appell geben. Werden solche Übungen mit der zerstreuten Fechtart nicht in Verbindung gebracht, also nur zu den eben angedeuteten Zwecken vorgenommen, so dürfte es überflüssig sein, ihnen eine taktische Idee zu Grunde zu legen und aus derselben die Reihenfolge in den Bewegungen abzuleiten, da bei dem heutigen Stande der Taktik Gefechte ausschliesslich mit geschlossenen Abtheilungen nicht mehr vorkommen.

Derartige Übungen sollten aber auch auf die unumgänglich nöthige Anzahl beschränkt werden. In taktischen Körpern vom Bataillon aufwärts dürften sie ziemlich zwecklos sein.

Übungen in der zerstreuten Fechtart.

Die betreffenden Vorschriften geben dem denkenden Officier vorzügliche Anhaltspunkte für den Geist, in welchem solche Übungen zu leiten sind. Muss bei den Übungen in geschlossenen Abtheilungen auf die stramme Disciplin das Hauptgewicht gelegt werden, so bietet sich bei jenen im zerstreuten Gefechte die Gelegenheit, die Findigkeit der Unter-Officiere und Mannschaft in Benützung der Terrain-Vortheile und möglichst zweckmässiger Anbringung des Feuers zu wecken und sie zu gewöhnen, dem angestrebten Zwecke gemäss bis zu einem gewissen Grade selbständig zu handeln.

Ordnung und Präcision dürfen auch hier, namentlich bei den Bewegungen der geschlossen bleibenden Abtheilungen, Unterstützungen, Reserven nicht vermisst werden.

Mit den Übungen im zerstreuten Gefechte gehen jene im Angriffe und in der Vertheidigung von Örtlichkeiten selbstverständlich Hand in Hand.

Ich muss hier nochmals auf den erhöhten Nutzen hinweisen, den solche Übungen mit Abtheilungen auf Kriegsstärke gewähren, indem erst dann der Unter-Officier, dem fortdauernden unmittelbaren Einflusse des Officiers zeitweise entrückt, sich gezwungen sieht, seine Abtheilung selbstdenkend zu führen.

Allen Übungen im zerstreuten Gefechte muss eine bestimmte Idee oder Aufgabe zu Grunde liegen. Es ist üblich, selbe mit dem Namen Supposition zu bezeichnen. Aus dieser Idee, welche meist mehr oder weniger genau das Verhältniss der Gegner bei Beginn der Übung andeutet, muss die Aufgabe für beide Parteien logisch hervorgehen. Sie muss den im Kriege wirklich vorkommenden Fällen unbedingt Rechnung tragen und darf, besonders für Ubungen in kleinen Körpern, nicht zu weit hergeholt sein, denn es macht einen mindestens komischen Eindruck, z. B. der Übung einer Compagnie eine Voraussetzung zu Grunde gelegt zu sehen, in welcher von den strategischen Verhältnissen der beiden Gegner die Rede ist.

Mit dem Wachsen der Truppen können auch die Voraussetzungen etwas grossartiger werden, sollen aber das Gepräge der Einfachheit niemals 'verlieren.

Bei den ersten Übungen in kleinern Körpern dürfte es sich empfehlen, jedem Theile auch die Aufgabe des Gegners bekannt zu geben, und überhaupt für den Beginn ganz bestimmte Verhältnisse zu schaffen, weil solche Übungen insbesondere zur Belehrung en detail bestimmt sind. Sie sollen daher auch ohne Übereilung und verbunden mit der Erörterung und Begründung aller eintretenden Verhältnisse, der Belehrung über die Benützung des Terrains und etwa vorhandener Örtlichkeiten durchgeführt werden.

Geschah eine Bewegung unrichtig oder mangelhaft, so muss der die Übung Leitende diese unbedingt einstellen und die Bewegung nach eingehender ruhiger Besprechung der diese Massregel veranlassenden Ursache wiederholen lassen.

Nach Erlangung grösserer Gewandtheit wird es mit Rücksicht auf die Verhältnisse im Kriege zweckmässig sein, jedem Theil nur seine eigene Aufgabe bekannt zu geben und ihn auch über die Stärke des Gegners im Unklaren zu lassen, weil bei Friedens-Übungen erfahrungsgemäss der numerisch Schwächere sich schon von vornherein als den rein defensiven Theil betrachtet und in Folge dessen oft aus der durch die Verhältnisse hervorgerufenen relativen Überlegenheit auf einem Punkte gar keinen Nutzen zieht.

Ist das gegenseitige Stärkeverhältniss dagegen unbekannt, so wird hierdurch vor Allem der Anstoss gegeben, sich über dasselbe durch Patrullen Klarheit zu verschaffen, und es werden dann die Bewegungen der Wirklichkeit überhaupt weit besser entsprechen.

Schiedsrichter sind bei solchen Übungen nicht zu entbehren. Sie stehen über den Parteien und sprechen in zweifelhaften oder doch streitigen Fällen das entscheidende, keinen Widerspruch zulassende Wort. Die Aufstellung von Schiedsrichtern empfiehlt sich nicht nur bei grösseren Manövern (wie z. B. im Lager bei Bruck an der Leitha schon lange üblich), sondern auch für die Übungen kleinerer Abtheilungen, denn das Schiedsrichteramt gibt den damit betrauten Officieren Gelegenheit, ihr militärisches Urtheil durch die genaue Erwägung aller den Erfolg einer Unternehmung beeinflussenden Verhältnisse (ausser dem moralischen Elemente) zu vervollkommnen und diesem Urtheile durch Vorführung überzeugender Gründe auch bei Andern Geltung zu verschaffen.

Bei Ausrückung auf Kriegsstärke wird jederzeit eine Anzahl von Officieren für dies Amt erübrigen..

Die einfachsten und gewiss nicht schlechtesten Ausgaben für kleinere Übungen sind wohl die: zwei Abtheilungen, etwa als Aussentruppen von im Marsche befindlichen grössern Körpern sich gegenseitig finden und das Gefecht einleiten zu lassen.

Soll eine Abtheilung als Theil einer grössern Gefechtsfront betrachtet

werden, so müssen die Aufstellungspunkte der supponirten Nachbar-Abtheilungen auf beiden Seiten bekannt gegeben werden. Dadurch wird der so häufig vorkommenden Ausdehnung kleiner Abtheilungen ins Unendliche am besten vorgebeugt werden.

In jeder Supposition für kleinere Abtheilungen soll überhaupt das Verhältniss jedes Gegners zu seiner Haupttruppe klar ausgesprochen sein, weil davon zum grossen Theile die Anordnung der Bewegungen, die Dauer des Widerstandes u. s. w. abhängt, und das Gefecht dadurch erst sein eigentliches Gepräge bekömmt. Terrainstrecken, welche aus irgend einer Ursache gar nicht betreten werden dürfen, sollen schon in der Supposition neutralisirt, d. h. als absolute Bewegungshindernisse bezeichnet werden, wodurch vielen Missverständnissen begegnet wird.

Ein Terrain, wo solche Suppositionen nöthig werden, sollte man übrigens thunlichst vermeiden.

Die Grundidee soll allen Officieren, bei Übungen bis einschliesslich des Bataillons auch allen Unter-Officieren (und einjährig Freiwilligen), vor dem Beginn bekannt gegeben werden.

Nur bei strenger Befolgung dieses Grundsatzes darf man sich ein reges Interesse, und daher einen wirklichen Nutzen versprechen; die Ausserachtlassung desselben führt zu falschen Auffassungen und Massregeln und dadurch nicht selten zu dem das bittere Gefühl unnütz vergeudeter Zeit und Anstrengung hervorrufenden Misslingen der ganzen Übung 1).

Die Mittheilung der Supposition ist um so nöthiger, als die Führung von Abtheilungen bei Friedens-Übungen, wenn ohne Munition ausgerückt wird, dadurch erschwert wird, dass die gegnerische Aufstellung sich durch das Feuer nicht verräth und daher bei dem Streben, Deckungen im Terrain aufzusuchen. oft nur mit grosser Mühe zu erkennen ist.

Es ist eine bekannte Thatsache, dass die Übungen im Feuer weit besser gelingen als die ohne Munition ausgeführten, und es wäre nur zu wünschen, dass die Ökonomie es gestattete, zu allen Feld-Übungen eine entsprechende Anzahl blinder Patronen mitzunehmen. Dass diese so sparsam bemessen werden, erschwert es auch überhaupt, der Mannschaft die richtigen Begriffe von Feuer-Disciplin beizubringen, da das Glieder-, Salven- und Einzelnfeuer in Folge dessen nur sehr selten geübt werden kann.

Vor Beginn einer jeden Übung sind alle Officiere, nach Umständen auch Unter-Officiere und einjährig Freiwillige, beim Commandanten zu versammeln, welcher ihnen die Hauptideen bekannt gibt und daran zugleich seine Dispositionen knüpft. Diese weisen allen Abtheilungs-Commandanten in grossen, klaren Zügen ihre Aufgabe zu, die weitere Durchführung

1) Ich habe selbst gesehen, dass Officiere bei Übungen eine vollkommen verkehrte Front einnahmen, weil sie über die Absichten des Commandanten nicht verständigt waren.

derselben mit Rücksicht auf den beabsichtigten Zweck deren eigenem Nachdenken überlassend.

Zeigt sich im Verlaufe der Übung, dass ein Abtheilungs-Commandant seine Aufgabe unrichtig aufgefasst hat, so muss der Commandant durch entsprechende ruhige Belehrung, nach Umständen verbunden mit dem Einstellen der Übung, nachhelfen ').

Um solchen Missverständnissen vorzubeugen, mache man es zur Regel, dass der Commandant sich von jedem Einzelnen, der einen mündlichen Auftrag erhält, denselben genau wiederholen lasse. Wird dieser Grundsatz ohne Ausnahme durchgeführt, so kann darin Niemand etwas Verletzendes finden.

Eine bestimmte Zeitdauer sollte für keine Übung schon von vorn herein festgesetzt werden, sondern es muss dem betreffenden Commandanten anheimgestellt bleiben, dieselbe, je nach den bessern oder geringern Leistungen, früher oder später zu beenden.

Am Schlusse einer jeden Übung, auch einer kleineren Abtheilung, hat eine kurze Besprechung stattzufinden, welche aber nicht in ermüdende. langathmige Erörterungen oder gar Streitigkeiten ausarten darf.

Beide Commandanten erzählen hiebei ihre Anordnungen mit den selbe veranlassenden Ursachen, sowie den Verlauf der ganzen Übung nach ihrer persönlichen Anschauung.

Der die Übung Leitende und die Schiedsrichter klären Zweifel und Missverständnisse auf und sprechen ihre Ansicht über die Durchführung der Übung aus.

Das Bewusstsein, am Ende der Übung jede Anordnung begründen zu müssen, veranlasst zum Denken und kann daher für jeden Commandanten nur vortheilhaft sein. Ausserdem bieten die Besprechungen die häufig mangelnde Gelegenheit, sich im mündlichen Vortrage zu üben 3).

Marsch-Übungen.

Marsch-Übungen versprechen nur dann einen Nutzen, wenn sie thatsächlich dazu dienen, die Marschfähigkeit des Soldaten zu erhöhen, also wenn sie zu dessen Abhärtung beitragen. Sie müssen daher entweder von langer Dauer sein oder sich in sehr kurzen Zwischenräumen wiederholen. Marsch-Übungen von kurzer Dauer sind dagegen blos Spaziergänge und

1) Einfaches Schreien genügt auf keinen Fall und erzeugt mindestens Unlust und Verstimmung.

*) Die Erfahrung lehrt, dass die Besprechungen wohl auch Anlass zu Misshelligkeiten geben, weil sich die persönlichen Ansichten hiebei oft mit grösstem Nachdrucke geltend machen wollen.

Darum ist es nöthig, dass der die Discussion Leitende in der Lage sei, über beiden Parteien stehend, die Sache vom rein objectiven Standpunkte zu beur

theilen.

Dass er den Parteien geistig mindestens gewachsen sein sollte, ist selbstverständlich.

tragen weit weniger zur Abhärtung des Mannes bei als andere Feid-Übungen von derselben Dauer. Sie haben höchstens den Zweck, die Disciplin und den Sicherheitsdienst während des Marsches zu üben, wozu übrigens das Ausrücken zu fast jeder Übung bis zu einem gewissen Grade ebenfalls Gelegenheit bietet.

Am nutzbringendsten wäre es, Marsch-Übungen in grossen, mit dem Train ausgerüsteten Körpern in Verbindung mit dem Abkochen im Freien und dem Biwakiren vorzunehmen und auf mehrere Tage auszudehnen. Man weiss aber nur zu gut, dass solche Übungen wegen der vielen aus ökonomischen Rücksichten entstehenden Schwierigkeiten bisher nur fromme Wünsche blieben.

Bei allen Übungs-Märschen muss der Sicherheitsdienst mit thunlichster Sorgfalt betrieben, und die Marsch-Ordnung und Marsch-Disciplin mit Strenge aufrecht erhalten werden. Die neuen Vorschriften geben in dieser Beziehung klare und bestimmte Anhaltspunkte.

Ein für die Erhaltung des Mannes wichtiges Moment liegt in der Anordnung der Rasten. Ich habe die Beobachtung gemacht, dass selbe beim Ausmarsche der Vorschrift gemäss gehalten, beim Rückmarsche dagegen oft gänzlich ausser Acht gelassen werden, wodurch eine nicht zu rechtfertigende Erschöpfung des Mannes eintritt.

Die Umstände, namentlich die Rücksicht auf die Beschaffenheit des Terrains, beziehungsweise auf die Culturen längs der Marschlinie, werden entscheiden, ob die Übungsmärsche nur einfach als solche vorgenommen, oder mit einer andern Übung, dem Einnehmen eines gesicherten Halts, dem Aufmarsche in die Gefechtsformation u. dgl. in Verbindung gebracht werden.

Nachrichtendienst.

Die Ausbildung für den Nachrichtendienst kann im Frieden wohl nur sehr unvollkommen erfolgen, wird aber auch meistens mit zu wenig Sorgfalt und zu wenig anregend betrieben. Meist beschränkt sie sich auf die mechanische Erlernung des Patrullenganges und der darauf bezüglichen Vorschriften. Es muss aber schon im Frieden häufig geübt werden, sich einer in Bewegung oder in Ruhe befindlichen Truppe mit findiger Ausnützung aller Terrain-Vortheile thunlichst zu nähern, sich von deren Stärke, Aufsteilung dgl. zu überzeugen und über diese Wahrnehmungen einen deutlichen Bericht zu erstatten.

Namentlich der Übung im Beurtheilen der Stärke von Abtheilungen auf eine gewisse Entfernung wird zu wenig Beachtung geschenkt, und haben selbst viele Officiere hierin nur eine sehr geringe Fertigkeit.

Bei allen Übungen im Patrullendienste muss dem Führenden Gelegenheit geboten werden, sich nachträglich von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit seiner Wahrnehmungen zu überzeugen. Derlei Übungen wären dem ent

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