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Diese beiden Mächte müssten unter einander über die Präliminarartikel ins Reine kommen, wenn die ganze Verhandlung nicht in Sand verlaufen sollte. Der wichtigste Punkt, der Frankreich am Herzen lag, betraf Dünkirchen; den im J. 1712 und 1717 festgesetzten Bestimmungen hatte es sich nur nothgedrungen gefügt. St. Severin war ermächtigt, so weit als möglich der nationalen Eitelkeit des englischen Volkes Rechnung zu tragen und schliesslich die Niederreissung der während des Krieges aufgerichteten Fortificationen zuzugestehen, doch wurde es als wünschenswerth bezeichnet, wenigstens jene zwei Forts, welche auf der Strasse von Pierre St. Vicroix nach Dünkirchen, etwa eine Meile von dem letztgenannten Orte, entfernt lagen, zu erhalten. Der Bevollmächtigte Frankreichs erhielt die fernere Weisung, Furnes zu fordern, da dieser Ort zur Deckung der Landgrenze für Frankreich nothwendig sei. Bezüglich der Enclaven von Hainault und der Abtei St. Hubert wurde er beauftragt mit dem österreichischen Bevollmächtigten in Verhandlung zu treten, jedoch von dieser Forderung auch dem englischen Minister Mittheilung zu machen. Dass die Rückgabe | der Insel Breton und aller in Ost- und Westindien gemachten Eroberungen verlangt wurde, verstand sich von selbst; man forderte indess das Cap Breton nicht wegen der grossen Bedeutung, welche die französische Regierung diesem Orte beilegte, sondern blos aus Rücksicht für die öffentliche Meinung; der König, hiess es in der Instruction, sei nicht darauf versessen und würde ein Aequivalent in den Niederlanden vorziehen. Frankreich war schliesslich nicht abgeneigt, dem Wunsche Englands in Bezug auf die Nachkommen des Prätendenten nachzugeben, allein der Gesandte erhielt doch eingeschärft, die Aufnahme einer solchen Bestimmung in den Vertrag auf jede mögliche Weise zu verhindern. Für den Fall, als Holland die Forderung wegen Erneuerung des Tractats vom J. 1739 erheben sollte, war St. Severin beauftragt, dies mit dem Hinweise abzulehnen, dass dieser Punkt zwar keinen Gegenstand des Friedensinstruments zu bilden habe, die französische Regierung jedoch bereit sei, den Vertrag mit einigen Modificationen zu

erneuern.

Waren diese Bedingungen im Wesentlichen fast dieselben, welche auch bei den früheren Friedensverhandlungen von Frankreich gestellt wurden, so zeigte es sich in anderen Punkten

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recht nachgiebig. Die Angelegenheit seiner Bundesgenossen gab es wenigstens theilweise preis, da es die Ueberzeugung erlangt hatte, dass die Bestimmungen des zwischen Spanien und Frankreich im J. 1743 geschlossenen Vertrages nicht ganz durchführbar seien; für Don Philipp forderte es blos Parma und Piacenza; Severin sollte zwar auf Toscana oder Savoyen hinweisen, aber nicht ernstlich darauf bestehen; es handle sich blos darum, dem Könige von Spanien den Beweis zu liefern, dass man sich seiner angenommen habe. Von Sardinien glaubte die französische Regierung annehmen zu dürfen, dass es sich mit dem Errungenen begnügen werde; wolle England ihm mehr verschaffen, werde Frankreich sich nicht dagegen stemmen; man könnte ihm vielleicht das Pavesanische Gebiet und einen Theil Piacenza's als Entschädigung für den Verlust Finale's abtreten. Für Genua und Modena sei unbedingte Restitution der ehemaligen Besitzungen zu fordern, insbesondere wurde der Gesandte darauf aufmerksam gemacht, dass Spanien vielleicht nicht abgeneigt sein würde, Genua zu opfern, um selbst grössere Vortheile in Italien für Don Philipp zu erlangen. Die Anerkennung der kaiserlichen Würde unterliege keinem Anstande, unter der Bedingung jedoch, dass die Abtretung Lothringens von Seiten des Kaisers erneuert wird. Man erklärte sich auch bereit die pragmatische Sanction zu garantiren, nur sollten natürlich jene Gebiete ausgeschlossen bleiben, welche dem Könige von Preussen waren abgetreten worden.

England ertheilte seinem Bevollmächtigten, Lord Sandwich, ähnliche Instructionen, wie sie für denselben bei seiner Sendung nach Lüttich festgesetzt worden waren. Insbesondere aber wurde demselben in entschiedener Weise ein inniges Zusammenhalten mit den holländischen Ministern aufgetragen. Zwischen den Regierungen Hollands und Englands fanden über die einzunehmende Haltung und die zu stellenden Bedingungen eingehende Berathungen statt, welche zu einem vollständigen Einverständniss führten. Die Republik hatte nur zwei Wünsche:

1 Die Instruction ist vom 29. Feb. 1748 aus Versailles datirt. Ein Theil dieser Instruction findet sich bei Flassan, Histoire générale et raisonnée de la diplomatie française Tom. V p. 402. Ich habe auch das im Staatsarchiv zu Wien befindliche Manuscript von Barré, Histoire de la paix d'Aix la Chapelle du 18 octobre 1748 benutzt. Vrgl. Arneth Gesch. Maria Theresia's, Bd. III. S. 484 Note 16.

Erneuerung der Handelsverträge mit Spanien und Frankreich, ferner Aufnahme des Barrièretractats in den Friedenstractat. Nur durch eine innige Verbindung mit England konnte sie hoffen durchzudringen, und der König von England konnte seinem Schwiegersohn diese Forderungen nicht versagen, da er auf diese Weise zur Befestigung der Stellung des Statthalters sein Scherflein beitrug.

Die Instruction an den Vertreter Oesterreichs, den Grafen Kaunitz, ist mit jener minutiösen Umständlichkeit gearbeitet, welche den meisten Actenstücken, die aus der Feder Bartensteins flossen, eigen ist. Schon Ende December 1747 war sie in den Händen des Bevollmächtigten. 1

Die Hauptinstruction besteht aus zwei Theilen. Der erste, der sogenannte narrative, gibt ein Resumé der bisherigen Verhandlungen, der zweite,oder dispositive Theil,' erörtert die Vorschriften, was für das Zukünftige zu geschehen habe.

Der dispositive Theil macht sodann eine Unterscheidung zwischen jenen Punkten, welche sich auf die Präliminarien beziehen, und denjenigen Materien, welche den Hauptgegenstand der Friedenshandlung abzugeben haben. Vor Allem wurde dem Gesandten eingeschärft, in den Präliminarien und im Friedenstractat auf die Einverleibung der den beiden Majestäten gebührenden Titel zu bestehen, dadurch, meinte man, wäre an und für sich die kaiserliche Würde anerkannt, ohne dass es noch einer anderweitigen speciellen Anerkennung bedürfe. Von jenen Vorrechten, welche mit der kaiserlichen Würde verbunden sind, sei schlechterdings nicht abzugehen,,noch die sonst unter gekrönten Häuptern übliche Alternativa anzunehmen. Die kaiserliche Majestät müsste allen Königen vorangehen, auch müsste der Gesandte primo loco unterzeichnen. Allein es hat', heisst es in der von Maria Theresia unterzeichneten Instruction,,mit jenem, was von Unsertwegen abzuhandeln oder zu unterschreiben, eine andere Bewandtniss, denn ob Uns zwar die kaiserliche Würde anklebet; so kombt Uns doch in dieser Eigenschaft nicht zu, Tractaten abzuhandeln oder zu schliessen, sondern wir können in all derley Begebenheiten anderst nicht, als wie Königin von Ungarn angesehen werden‘.

1 Die Instruction ist datirt v. 19. Dec. 1747, ein Appendix v. 29. Dec. 1747. Von der Hand des Grafen Kaunitz: accepi Vindob. 29, Dec, 1747. (Im Wiener k. k. Haus- und Staatsarchiv.)

Zur Zeit als die Instruction abgefasst wurde, ging man von der Annahme aus, dass irgend einer Macht die Rolle des Vermittlers zugedacht sei. Nur zwei Staaten scheinen in Betracht gezogen worden zu sein: Portugal und Preussen. Für die Regierungsmänner Maria Theresia's war von vornherein kein Zweifel, wem der Vorzug zu geben sei. Hier war keine Wahl. Je grösser nach den einlaufenden Berichten die Begierde des Königs von Preussen war, sich in das Friedensgeschäft einzumischen, desto energischer musste man sich diesem Bestreben widersetzen, denn Friedrich II. konnte nur zum Nachtheil des Erzhauses thätig sein, insbesondere da die Vorliebe Englands für Preussen als selbstverständlich angenommen wurde und die Gesinnung des Prinzen von Oranien mindestens Verdacht zu erwecken schien. Kaunitz sollte sich daher bezüglich der Annahme der portugiesischen Vermittlung nicht beeilen, mittlerweile darauf hinweisen, dass man keines Zwischenhändlers bedürfe, jedenfalls aber alles Mögliche thun, die preussische Mediation hintanzuhalten.

Was nun das Friedensgeschäft an und für sich betrifft, besagt die Instruction weiter, könnten zwei Fälle eintreten. Entweder es handle sich um einen besonderen Frieden mit Spanien und dessen Genossen, dem König beider Sicilien, oder aber um einen allgemeinen Frieden mit sämmtlichen im gegenwärtigen Kriege begriffenen Mächten. Zwar hatte der Congress von vornherein die Aufgabe, eine Generalpacification zu bewerkstelligen, allein in Wien nahm man auch darauf Rücksicht, dass England auf ein Separatabkommen mit Spanien hinarbeiten würde. Die Nachrichten, worauf sich diese Voraussetzung gründete, waren zwar von älterem Datum, sie basirten nämlich auf einer Depesche Wasners vom 10. August 1747. Damals befürwortete Lord Chesterfield allerdings ein Abkommen mit Spanien, da er der. Ansicht huldigte, dass es sodann weit leichter sein würde, auch mit Frankreich zu einem Abschlusse zu gelangen, während der Herzog von Newcastle von dem Gedanken ausging, dass nach geschlossenem Frieden mit Spanien der Krieg gegen Frankreich mit grösserem Erfolge werde geführt werden können.

Man nahm in Wien an, dass diese Anschauungen im englischen Cabinete noch vorherrschten, und ertheilte dem Grafen

Kaunitz die Weisung, für den Abschluss eines allgemeinen Friedens in erster Linie thätig zu sein.

Nach Darlegung dieser einleitenden Gesichtspunkte schreitet die Instruction zu jenen Materien, welche die Friedenshandlung als solche selbst betreffen: Dieselben theilen sich', heisst es daselbst,,in die vorgesehen werden mögenden feindlichen Verlangen, in die ohnmittelbaren Anliegenheiten unserer Bundesgenossen und sodann endlichen in jenen Punkten worauff von hieraus die Rücksicht zu tragen ist."

Eine etwaige Erneuerung des Verzichts auf Neapel und Sicilien könne anstandslos erfolgen, jedoch unter folgenden Bedingungen diese Länder dürfen nie mit Spanien vereint werden; im Falle der jetzt regierende Zweig der Bourbonen ausstürbe, sollen diese Königreiche Don Philipp oder dessen männlicher Descendenz anheimfallen. Der Stato dei presidii ist dem Grossherzogthume Toscana einzuverleiben. Nach dem Aussterben der Linie Don Philipp's und des Cardinal-Infanten sind Neapel und Sicilien an Oesterreich zurückzugeben, für welchen Fall die Kaiserin die im Wormser Tractat blos,eventualiter und conditionaliter gemachten Cessionen zu erneuern erbötig war. Im Falle es sich um einen Separatfrieden mit Spanien handeln sollte, erklärte man sich bereit, darauf einzugehen, wenn Toscana den Stato dei presidii und Mailand die im Wormser Tractat an Sardinien abgetretenen Gebiete wieder erhalte. Parma und Piacenza sollten an Don Philipp fallen, jedoch habe sich Kaunitz zu bemühen, hiefür irgend eine Schad- · loshaltung auszuwirken. Worin diese bestehen sollte, ist nicht angegeben.

Gerade in der Rückerlangung jener im Wormser Tractate festgesetzten Abtretungen lag die Hauptschwierigkeit des Friedenswerkes. Dies verkannte man in Wien auch nicht, allein man glaubte ein vollständiges Recht zu haben, auf der Ungültigkeit jener Bestimmungen bestehen zu sollen. Man nahm von vornherein an, dass es unmöglich sein dürfte Sardinien zu bewegen, dieser billigen Forderung nachzukommen. Man musste daher demselben sogar den kleinsten Anlass benehmen, sich über den Wiener Hof zu beklagen. Man wähnte dies Ziel erreichen zu können, wenn man beständig auf die Erfüllung des Wormser Tractats drang und sich zu Allem und Jedem erbot,

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