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wirkung erhielten auf die Leitung der öffentlichen Geschäfte, mochte sie oftmals der Fähigkeit und wohl auch der Lust berauben, persönlich Rechenschaft abzulegen von dem Antheil, der ihnen an den Zeitereignissen zukam. Und wem es an dem Talente hiezu und an dem erforderlichen Interesse keineswegs gefehlt hätte, der mochte durch die nicht immer ganz grundlose Angst, durch eine offene Darstellung des Geschehenen irgendwo Anstoss und Aergerniss zu erregen und dafür durch die Ungnade späterer Machthaber büssen zu müssen, ja vielleicht sogar wegen Preisgebung von Amtsgeheimnissen zur Rechenschaft gezogen zu werden, von der Abfassung oder doch wenigstens von der Bekanntmachung solcher Aufzeichnungen abgehalten worden sein.

Ist demnach das Vorhandensein von Memoiren aus österreichischer Feder schon an und für sich höchst selten, so wird die Auffindung von solchen umsomehr ein hochwillkommenes Ereigniss genannt werden dürfen, wenn die Person, von welcher sie herrühren, eine sehr bedeutende Stellung im Staatsleben einnahm, und wenn die Aufschlüsse, die wir durch ihre Aufzeichnungen erhalten, von ganz besonderem Werthe sind für die Geschichte ihrer Zeit. Beides ist wohl im höchsten Grade bei den zwei Denkschriften der Kaiserin Maria Theresia der Fall, welche ich hiemit der Akademie zur Veröffentlichung in ihren historischen Schriften vorzulegen mir erlaube.

Beide Denkschriften befinden sich gegenwärtig im kaiserlichen Haus-, Hof- und Staatsarchive. Früher in der Privatbibliothek Sr. Maj. des Kaisers aufbewahrt, wurden sie im Jahre 1865 mit einer sehr grossen Anzahl der werthvollsten Actenstücke und Correspondenzen in das Staatsarchiv übertragen. Die cine und offenbar ältere führt die Aufschrift: Aus Mütterlicher Wohlmeinung zu besonderem Nutzen meiner Posteritaet verfasste Instructionspuncta, welche nach ihrer Wichtigkeit in verschiedene Abhandlungen abzusondern erachtet. Diese Denkschrift macht nach Inhalt und Ausdrucksweise völlig den Eindruck, als ob sie von der Kaiserin eigenhändig niedergeschrieben oder doch von ihr selbst irgend Jemand in die Feder dictirt worden wäre. Das im Staatsarchive befindliche Exemplar aber ist nur von der Hand eines Copisten und umfasst etwas mehr als sechs und dreissig Foliobogen, halbbrüchig geschrieben.

Die zweite Denkschrift, offenbar eine auf Befehl der Kaiserin von einer anderen Person unternommene Umarbeitung der ersteren Schrift, umfasst blos achtzehn Bogen und ist gleichfalls von einem Copisten geschrieben, jedoch mit Bleistiftbemerkungen und eigenhändigen Zusätzen von der Hand der Kaiserin versehen. Sie führt keinen besonderen Titel; beide Denkschriften liegen jedoch in einem gemeinschaftlichen Umschlage, auf welchem wohl aus späterer Zeit die Aufschrift sich befindet: Instructions Puncta in verschiedenen Abhandlungen über den Stand der Monarchie zu Zeiten Ihrer M. der Kayserin, und Vorschläge für die Zukunft.

Ueber den Zeitpunkt der Abfassung der Denkschriften ist nirgends eine ganz bestimmte Angabe vorhanden. Doch glaube ich wohl nicht zu irren, wenn ich das Zustandekommen der ersteren und wichtigeren Denkschrift, auf ihren Inhalt gestützt, für das Jahr 1751 in Anspruch nehme. Und dass die zweite Denkschrift wahrscheinlich im Winter 1756-1757 zu Stande kam, wird durch ihren eigenen Wortlaut wiederholt angedeutet.

I.

,Aus Mütterlicher Wohlmeinung zu besonderem Nutzen meiner Posteritact,' mit diesen nicht misszuverstehenden Worten bezeichnet Maria Theresia klar und deutlich die Beweggründe, von denen sie bei der Abfassung der ersten ihrer beiden Denkschriften ausging. Es war ihr hierbei nicht so sehr darum zu thun, den Hergang der Ereignisse, welche nach ihrer Thronbesteigung eintraten, wahrheitsgetreu zu schildern, obwohl sie auch in dieser Beziehung uns werthvolle Aufklärungen zu Theil werden lässt. Ihr Hauptaugenmerk richtet sie auf die innere Einrichtung ihrer Länder, welche sie nach dem Abschlusse des Aachner Friedens traf. Die bisherige allzu grelle Verschiedenheit in ihrer Administration sollte ausgeglichen, durch die Concentration der Regierungsgewalt in einem einzigen Mittelpunkte und in einer einzigen Hand dieselbe wesentlich gestärkt, die Ungleichartigkeit der Gesetzgebung beseitigt, eine einheitliche Finanzwirthschaft geschaffen und in solcher Weise aus lose mit einander verbundenen Ländergruppen, welche bei jedem An

stosse von Aussen, bei jeder Gährung im Innern auseinander zu fallen drohten, ein festgegliederter und innig verbundener Staat gebildet werden. Denn nur ein solcher sei im Stande, so wurde schon zu jener Zeit von Maria Theresia erkannt, den mächtigsten europäischen Reichen, es mochte hiebei Frankreich, Russland oder insbesondere Preussen ins Auge gefasst werden, in welch letzterem ja gerade damals in König Friedrichs energischer Hand die Regierungsgewalt immer straffer concentrirt und dadurch immer kräftiger wurde, die Spitze bieten zu können. Und die Bevölkerung der österreichischen Länder, deren Wohl der Kaiserin jederzeit so sehr am Herzen lag, konnte durch die Verbesserung der Justiz, die Vereinfachung der Administration, ja sogar durch die Einschränkung der damaligen ständischen Gerechtsame gleichfalls nur gewinnen. So tief und so innig war Maria Theresia von der Richtigkeit dieser Grundsätze überzeugt, dass sie dieselben nicht nur selbst unverbrüchlich beobachtete, sondern deren pünktliche Befolgung auch ihren Nachfolgern dringend empfahl und hauptsächlich in dieser letzteren Absicht die vorliegenden Denkschriften entweder selbst verfasste oder abfassen liess.

In sechs Abtheilungen wird die erste derselben von der Kaiserin getheilt. Die erste Abtheilung soll den Zustand der österreichischen Monarchie bei ihrem Regierungsantritte, die zweite aber die Missbräuche schildern, welche unter ihren Vorfahren sich nach und nach eingeschlichen hatten. In der dritten werden die Massregeln, durch die sich Maria Theresia während des Erbfolgekrieges in dem Besitze ihrer Staaten zu behaupten bemüht war, in der vierten aber die Einrichtungen besprochen, die sie nach Abschluss des Friedens in Bezug auf die innere Organisation ihrer Länder traf. Die fünfte Abtheilung sollte den Nutzen dieser Einrichtungen zeigen, welche die Kaiserin das einzige Mittel' nennt, ,die Monarchie zu befestigen und bei ihrer Nachkommenschaft zu erhalten. Die sechste Abtheilung endlich war dazu bestimmt, die Nothwendigkeit der Aufrechthaltung dieser Einrichtungen darzuthun und die Principien anzudeuten, an denen zu diesem Ende die Nachfolger der Kaiserin festzuhalten hätten.

Gleich im Beginne der ersten Abtheilung begegnen wir dem in Maria Theresia's Munde gewiss bezeichnenden Geständniss, dass ihr Vater sie, die Erbin seiner Reiche, bis zu dem

Augenblicke seines Todes von den Staatsgeschäften völlig entfernt gehalten habe. Gänzlich unbekannt mit ihrer grossen und schwierigen Aufgabe, unter den peinlichsten Verhältnissen musste sie dieselbe antreten, ,von Geld, Truppen und Rath' wie ihr Ausdruck lautet, gleichmässig entblösst.

Was zunächst die Zusammensetzung ihres Rathes betrifft, so lässt zwar Maria Theresia der Einsicht und Geschäftskenntniss des Hofkanzlers Grafen Philipp Ludwig Sinzendorff, der den auswärtigen Angelegenheiten vorstand, und der Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit des Chefs der Finanzverwaltung, Grafen Gundacker Thomas Starhemberg volle Gerechtigkeit widerfahren. Aber den Obersten Kanzler des Königreiches Böhmen, Grafen Philipp Kinsky, klagt sie an, dass er es gewesen sei, welcher durch seine Einwirkung sie aus ihrer anfänglichen ruhigen Haltung gebracht und in Verwirrung gestürzt, ihr aber dadurch viel Kummer verursacht habe. Da sei ihr Bartenstein empfohlen worden, gegen welchen sie Anfangs ,recht übel praevenirt war. Doch habe sie ihn als das, wofür die ganze Welt, die ihn wirklich kenne, ansehen müsse, als einen grossen Staatsmann erprobt. Sie habe ihn viel gebraucht, um die Streitigkeiten im Ministerium zu schlichten, jedoch ohne sonderlichen Erfolg, so dass sie gegen ihren sonstigen Charakter oft unentschlossen und misstrauisch geworden sei. Da habe Gott selbst durch Abrufung all dieser Männer eine vollständige Aenderung herbeigeführt, so dass ihr nur Bartenstein geblieben, dessen Rathes sie sich bei Besorgung der Staatsgeschäfte ausschliesslich bediente, wodurch Ruhe und Standhaftigkeit wieder zurückgekehrt seien in ihr Gemüth. In all ihrem Thun und Lassen habe sie es sich zum Hauptgrundsatze gemacht, allein auf Gott zu vertrauen, dessen Allmacht sie ohne ihr Zuthun und Verlangen zur Beherrscherin grosser Reiche erwählt, der sie daher auch würdig zu machen habe zur Erfüllung der ihr gestellten Aufgabe. Täglich habe sie sich ins Gedächtniss zurückgerufen, dass sie nicht sich selbst, sondern der Allgemeinheit gehöre. Unverbrüchlich festhaltend an diesen Grundsätzen, habe sie in der grössten Bedrängniss jederzeit Gemüthsruhe und Standhaftigkeit bewahrt, als wenn die Dinge, um die es sich handelte, sie persönlich gar nicht beträfen. Darum würde sie auch, wenn die Vorsehung es also gefügt hätte, gern die Regierung ihrer Länder niedergelegt und ihren Feinden

überlassen haben, wenn sie geglaubt hätte, dadurch ihre Pflicht zu erfüllen oder das Beste der Länder zu befördern, auf welche zwei Punkte jederzeit ihr Hauptaugenmerk gerichtet ge

wesen sei.

Auf die wichtigsten Ereignisse ihrer ersten Regierungszeit, und daher vor Allem auf den Angriff König Friedrichs II. von Preussen auf Schlesien übergehend, sagt Maria Theresia, dass dessen,süsse Worte und kräftigste Versprechungen' sogar ihre Minister, insbesondere Sinzendorff, irre gemacht hätten. Das Vertrauen derselben, dass der König nicht feindlich auftreten werde, so wie ihre eigene Unerfahrenheit und ihr guter Glaube seien Ursache gewesen, dass man die Vertheidigungsmassregeln vernachlässigt, dadurch aber dem Könige freie Hand gelassen habe, sich binnen sechs Wochen Schlesiens zu bemächtigen.

Der Zwiespalt im Ministerium, dessen Maria Theresia schon früher erwähnte, machte sich auch in dem Augenblicke geltend, in welchem Graf Gotter als Abgesandter des Königs von Preussen in Wien erschien, um die Abtretung eines Theiles von Schlesien zu fordern. Sinzendorff, Philipp Kinsky und Friedrich Harrach waren für Unterhandlungen mit Preussen, Starhemberg und Bartenstein aber dagegen. Und es ist gewiss bemerkenswerth, dass Maria Theresia, welche auch ihrerseits dieser letzteren Ansicht beipflichtete, dieselbe auch nach dem Verluste eines weit grösseren Theiles von Schlesien, als mit welchem Friedrich sich damals wohl begnügt hätte, für die richtige hielt. Denn wie hätte sie den anderen Mächten gegenüber die Aufrechthaltung der von ihnen gewährleisteten pragmatischen Sanction zu verlangen vermocht, wenn von ihr selbst die Hand geboten worden wäre zu deren Verletzung.

Die Hauptschuld an der unglücklichen Kriegführung gegen Preussen wälzt Maria Theresia gleichfalls auf die Schultern des Grafen Philipp Kinsky. Als oberster Kanzler von Böhmen sei er immer nur darauf ausgegangen, die böhmischen Länder weniger und dagegen die österreichischen Provinzen desto mehr zu belasten. Darum habe er die Concentrirung einer grossen Anzahl von Truppen in den Ländern der böhmischen Krone niemals zugeben wollen; desshalb aber war man dort viel zu schwach zu nachdrücklicher Abwehr des preussischen Angriffs. Endlich sei es Kinsky gewesen, welcher auf Uebertragung des

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