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erscheint er, ich möchte sagen, im regelmässigen Dienste des Kaisers als Missus regius besonders im ehemaligen Herzogthume Baivarien und, was noch wichtiger ist, zu wiederholten Malen als mit besonderem Vertrauen des Kaisers beehrter Abgesandter desselben an den apostolischen Stuhl in Rom.

Wenn wir von den Strahlen, welche Arno im Glanzpunkte seines allseitigen Wirkens umgaben, auf den Focus derselben zurückgehen, so werden wir diesen' hauptsächlich wohl im Vertrauen seines grossen Königs finden, und auch in die Erhebung Arno's und seiner Salzburgerkirche zur Metropolitanwürde repartiren sich die Empfehlung von Seiten des Königs und die Verehrung von Seiten seiner baivarischen Mitbischöfe wohl zu ziemlich gleichen Antheilen. Unter den vielen hervorragenden Herrschertugenden K. Karls bleibt ihm, denk' ich, jene, im Allgemeinen ziemlich selten, wohl unbestritten: er wusste sich mit richtigem Scharfblicke zu Räthen jene tüchtigen Männer zu wählen, die seines Vertrauens würdig waren. Daraus schliesse ich, dass Arno's persönliche Tüchtigkeit eine eminente gewesen sein müsse; war es doch gerade Arno, welchen König Karl bei der Zusammenkunft in Rom im Jahre 787 als den unzugänglichsten Vertreter seines politischen Gegners Herzog Tassilo's kennen lernte, als er, nach AlleinHerrschaft strebend, nach siebenjährigen, ziemlich erfolglosen Verhandlungen mit einem fein berechneten Schachzuge Baivarien, um modern zu reden, auf diplomatischem Wege annectiren wollte. Nach den sehr alten leoninischen Versen des Mondseer Traditionscodex' war es nämlich Arno gewesen, der den ihm und seinem Mit-Gesandten Abt Hunrich von Mondsee vom Könige Karl in Gegenwart des Papstes Hadrian I. vorgelegten Friedensvertrag mit Herzog Tassilo ohne besondere Instruction hiezu nicht unterzeichnen wollte. Der alten Erfahrung gemäss, dass, wer die Lieblingspläne irgend eines Mächtigen zu durchkreuzen wagt, sich in der Regel dessen Ungnade für alle Zeiten aufs Haupt lade, muss es wahrhaftig Wunder nehmen, Bischof Arno schon wenige Jahre später bei dem Kaiser in hoher Gunst stehen zu sehen, was denn in erster Linie doch wohl seiner vom König richtig gewürdigten eminenten Tüchtigkeit zuzuschreiben sein wird. Dass König Karl dem muthigen

1 Urk.-Buch des Land, ob d. Enns I., S. 103.

Vertreter Herzog Tassilo's gram war, als er im Jahre 788 diesen unglücklichen Fürsten gewaltsam entsetzte, lässt sich in Anbetracht der Natur des menschlichen Herzens entschuldigen, aber nicht ableugnen. Die erste landesherrliche Handlung König Karls, welche im neuerworbenen Herzogthume für das engere Territorium des Salzburger Bisthums documentirt wird, ist jener Gewaltsact, durch welchen er mittels Diplom vom 25. October 789 die Abtei auf der grössern Chiemsee-Insel, eine uralt salzburgische Schöpfung, diesem Stuhle entreisst, um sie dem Vorstande seiner Pallast Kapelle, Erzbischof Engilram von Metz, als Commende zu verleihen. Derselben missgünstigen Stimmung wird man es auch zuzuschreiben haben, dass König Karl etwas später die ebenfalls salzburgische Abtei Mansee dem Erzbischofe Hiltibald von Cöln commendirte. Man sage nicht, dass ja die dem Bischof Arno schon im Jahre der Besitznahme von Baivarien vom Könige ertheilte Erlaubniss, die aus agilulfingischen Alod stammenden Lehen im sog. Congestum zusammenzustellen, um sie gegen Einziehung durch den Fiscus zu sichern, ein Act königlicher Huld gewesen sei: denn einmal blieb jene Zusammenstellung bis zum December 791als der Zeit der Besitzesbestätigung erfolglos, und dann braucht man das, was eben so gut und sogar wahrscheinlicher nur Ergebniss einer fein berechnenden Staatskunst sein konnte, nicht sofort auf Rechnung königlicher Huld zu schreiben. König Karl war ein zu kluger Politiker, als dass er nicht hätte einsehen sollen, welch wichtiger Factor die baivarische Mutterkirche für seine weitaussehenden Pläne sei. Von bösen Menschen dazu angereizt' (malis hominibus suadentibus) wie ein späteres Document sagt, konnte er dem treuen Anhänger Herzog Tassilo's seinen Unwillen empfinden lassen, aber nicht in dem Maasse, dass er ihn persönlich verletzt, oder von sich abgestossen hätte. Als Landesherr Baivariens war er völlig neu; er hatte das Land gewaltsam an sich gebracht, die Herzen des Volkes musste er erst erobern. Mag es auch richtig sein, dass die Grossen des Landes sich gegen ihren Herzog aufgelehnt hatten, als er sich in seiner verzweifelten Lage zum Bündnisse mit den Awaren entschloss, die Mehrzahl des Volkes hing sicherlich mit unerschütterter Treue an der angestammten Dy

1 Iuvav. Anh. p. 48 ff.

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nastie der Agilulfinger. Dieser charakteristische Zug durchwebt wie ein Licht-Streifen die dunkelsten Partien der fast anderthalbtausendjährigen Geschichte Bayerns: es war auch zu Tassilo's Zeiten kaum anders, als heute noch. War nun aber auch Tassilo und seine ganze Familie in verschiedene Klöster gesperrt, eine beträchtliche Anzahl mächtiger Agilulfinger blieb im Lande; die Breves Notitiae nennen uns Michael und Wenilo um Michaelbeuern und Bachmanning, Machelm bei Wels und um Beuerbach, Affrit zu Kirchham, die Brüder Gozpolt und Turo, Perchtgoz und dessen Gemahlin Batahilt, Helmo und Heilrat im Traungau. Fast alle Forscher sind darin einig, dass mit dem ihnen beigegebenen Prädicate: ,Illustris' Agilulfinger bezeichnet seien. Ihre weitausgedehnten Besitzungen lagen beinahe ausschliesslich auf salzburgischem Diocesangebiete, dessen Grenzen ihr auf reichem Besitz basirter Einfluss wohl nach allen Richtungen hin weit überschritt. Musste König Karl dem seiner agilulfingischen Dynastie treuergebenen Volke und den zahlreichen Angehörigen derselben gegenüber vorsichtig sein, so durfte er es mit dem Bischofe Arno um so weniger verderben. Der König hatte ihn kurz zuvor in Rom als treuen Unterthan seines Herzoges, als charakterfesten Kirchenfürsten, als vollendeten Geschäftsmann kennen gelernt: inmitten der eben angedeuteten ethnischen Elemente war Arno im neuen Südosten des Frankenreichs, an der Grenze Awariens, eine Macht, die Ehrfurcht gebot.

Nach diesen Erläuterungen dringt sich die Frage auf: Welcher war für König Karl der entscheidende Beweggrund, dem Bischof Arno seine frühere Opposition zu vergessen, ihn an sich zu ziehen, ihn nicht nur mit einem gewöhnlichen Vertrauen zu beehren, sondern ihn mit den wichtigsten Reichsactionen zu betrauen? Dem eben Erklärten gemäss könnte man auf den Gedanken kommen, König Karl habe aus der Nothwendigkeit eine Tugend gemacht. Obwohl ich nun glaube, dass politische Rücksichten nicht ausser Ansatz geblieben seien, bin ich doch nicht geneigt, sie für den entscheidenden Beweggrund der Umwandlung seiner Gesinnung gegen Bischof Arno zu halten. Karl war zu gründlicher Menschenkenner, als dass er dem hohen Edelmuthe, den Arno bei den Verhandlungen des Jahres 787 in Rom bewährt hatte, seine Anerkennung hätte versagen können. Der charakterfeste Abgesandte Herzog Tas

silo's befand sich in der peinlichen Lage, in unverbrüchlicher Treue gegen seinen Mandatgeber seinem zukünftigen Landesherrn mit dem Aufwande aller erdenklichen, erlaubten Mittel zu widerstehen. Es lag ihm wohl klar vor Augen, dass die Einverleibung Baivariens in das übermächtige Frankenreich nur mehr eine Frage der Zeit sein könne. Sein höchster kirchliche Obere, der Papst, drängte ihn, er wusste, dass er mit seinem Widerstande den Zorn seines baldigen, allgewaltigen Herrschers herausfordere: trotzdem blieb er standhaft und unterzeichnete einen Vertrag nicht, der seinen Herzog zum Vasallen erniedrigt hätte. Dass Karl Arno's Lage und Handlungsweise durchschaut habe, unterliegt wohl keinem Zweifel. Eine so opferwillige Unterthanentreue, ein so rückhaltsloser Edelmuth, eine so unbeugsame Charakterfestigkeit musste ihm Hochachtung abnöthigen: er musste mit Pharnabazes von Agesilaus denken: Talis cum sis, utinam noster esses!'

König Karl hatte also den edlen Charakter und die reiche Begabung Arno's im Jahre 787 kennen gelernt: schon seit mehr als zehn Jahren kannte Alcuin von Elnon her jede Falte in Arno's Herzen. Er war sein vertrauter Freund, und Freund nicht etwa nur im gewöhnlichen Sinne. Aus den zahlreichen Briefen Alcuins an Arno leuchtet eine Innigkeit heraus, die sich in nichts von jener reinen Glut unterscheidet, welche das charakteristische Merkmal der Jugendfreundschaften bildet. Der zärtliche Freund Arno's war aber Karls hochverehrter Lehrmeister, er war, wenn ich so sagen darf, dessen hochmögender Cabinets-Director. Auf den Einfluss, welchen er auf König Karl ausübte, darf man ohne Bedenken die Worte des Dichters anwenden: Del suo core l'una e l'altra Tenea le chiavi.' Wenn sich Karl seinen unentbehrlichen Lehrer und Freund bei guter Laune erhalten wollte, durfte er mit Arno nicht auf die Länge schmollen. Wir werden daher der Wahrheit nahe stehen, wenn wir annehmen, dass Arno's eminente persönliche Tüchtigkeit und Alcuins Einfluss auf König Karl und Freundschaft für Arno die Umwandlung des gespannten Verhältnisses in ein vertrauliches zwischen König Karl und Bischof Arno herbeigeführt habe; und doch wäre in dieser Annahme der Hauptmotor sicherlich übersehen! Es lag im unberechenbaren Interesse der Kirche und des Reiches, dass so grosse Geister, wie Karl und Arno einander zugeführt und mit einander eng verbündet wurden:

und dies war im tiefsten Grunde wohl das anbetungswürdige Werk dessen: ,der die Herzen der Könige leitet wie Wasserbäche.'

Gehen wir nun im Vorleben unsers ersten Erzbischofes um ein Stadium zurück. Am 27. November 784 hatte der hl. Erzbischof Virgil seine Augen für diese Zeitlichkeit geschlossen. Die in sacris stehenden Mönche des Benedictiner-Stifts St. Peter wählten als ursprüngliches Kathedralpresbyterium, oder wie wir heute sagen würden, als bischöfliches Domcapitel, Bertricus zum Abte und damit zugleich zum individuellen Träger der durch eingetretene Sedis vacanz auf das Gesammtpresbyterium übergegangenen bischöflichen Jurisdictionsgewalt. Als Abt von St. Peter und Kapitelvicar hatte er gemäss damaliger Organisation des Salzburgerstuhles die unmittelbare Anwartschaft auf die bischöfliche Würde selbst. Er erlebte jedoch die bischöfliche Weihe nicht und mit seinem Tode war der Salzburger Stuhl abermals erledigt. Diesmal fiel die Wahl des Presbyteriums von St. Peter auf Arno, der seit dem Jahre 782 Abt zu Elnon in Brabant war. Wie geriethen die Mönche von St. Peter auf den Abt eines weit entlegenen Klosters? Wohl mochten sie ihn persönlich kennen, weil er in seiner Jugend allem Anscheine nach in der Klosterschule zu St. Peter herangebildet worden war: über diese Schülerschaft hinaus gingen aber seine persönlichen Beziehungen zum Stifte St. Peter und somit zum Salzburger Bisthume keineswegs. Er war, wie wir sehen werden, seiner Geburt nach Diöcesan von Freising, später Mitglied des dortigen Klosters und Liebfrauen-Kathedralstiftes, wo er denn auch nach und nach die niedern und höhern Weihen empfing. Besonders als Diacon des Freisinger Hochstifts in allseitiger Verwendung, mochte er bei verschiedenen Verhandlungen, welche die Organisation der mit vier andern Bisthümern aus dem Salzburger Landesbisthum gebrochenen Freisinger Diöcese erheischte, mit dem Kathedralpresbyterium St. Rupert und dem ursprünglichen von St. Peter vielfach in Berührung gekommen sein, mit letzterem schon aus dem Grunde, weil eine Gütertheilung zwischen dem ursprünglichen und dem vom Bischofe Virgil neugeschaffenen St. Ruperts-Presbyterium damals noch nicht eingetreten war, indem die Salzburger Bischöfe bis auf Erzbischof Friedrich I. immer noch bischöfliche und äbtliche Würde in sich vereinigten, oder richtiger, Bischöfe und bezie

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