englischen Staatsmänner mehr mit den Gegnern sympathisiren und den Forderungen und Wünschen der Kaiserin wenig Rechnung tragen würden. Von Chesterfield glaubte man, dass er sich Preussen, von Newcastle, dass er sich Sardinien zuneige. Und gerade diesen beiden Staaten gegenüber konnte der Wiener Hof seine fast feindselige Abneigung nicht überwinden. Die den englischen Staatsmännern zugeschriebenen Absichten basirten nicht auf durchweg richtigen Voraussetzungen, auch die Gründe, worauf man sich stützte, um die nicht vollkommen freundliche Haltung Englands zu erweisen, waren nicht stichhaltig. Man wähnte, dieses sei einer Garantie des Dresdener Friedens blos aus feindseliger Gesinnung gegen die katholische Religion geneigt. Es sei betrüblich sich in solchen Umständen zu befinden, und noch betrüblicher, dass man das minder Schädliche eher von den Feinden als von den Bundesgenossen erhoffen könne', heisst es in einem Rescripte an Kaunitz.,Guter Rath ist solchemnach theuer, dennoch aber nöthig keine gegen einander streitende Entschliessungen, sondern das minder Schädliche vor dem Uebelsten auszuwählen."1 Dieses,minder Schädliche war die Anbahnung eines Einverständnisses mit Frankreich. Die Berichte des sächsischen Gesandten in Paris, Loos, erregten die eitle Hoffnung in Wien, dass man viel eher durch Abschliessung von Praeliminarien mit Frankreich, als in Verbindung mit den Seemächten, einen genehmen Frieden erreichen werde. Bereits am 26. Februar berichtete Graf Loos, dass St. Severin Mitte März in Aachen eintreffen werde und den Auftrag habe die in Paris zwischen ihm und den französischen Ministern vereinbarten Präliminarien mit dem Grafen Kaunitz endgültig zum Abschluss zu bringen. Diese sollten sodann als Grundlage weiterer Verhandlungen zwischen England und Spanien dienen, und auf diese Weise das Friedenswerk seinem Abschlusse zugeführt werden.2 In Wien wünschte man nun allerdings die Unterzeichnung in Paris, noch vor Eröffnung des Congresses zu Aachen, zu bewerkstelligen. Noch ehe die Kunde von dem zwischen 1 Kais. Res. an Kaunitz vom 9. Januar 1748. (W. Arch.) 2 Vergleiche die Geheimnisse des sächsischen Cabinets, Stuttgart 1866 Band I. S. 191. Loos und dem französischen Ministerium verabredeten Abmachungen hieher gelangt war, ermächtigte ein kaiserliches Handschreiben den sächsischen Gesandten in Paris, die ihm überschickten Präliminarartikel zu unterzeichnen. (16. Febr.) Sie beruhten auf jenen Grundsätzen, an welchen man in Wien fortwährend mit grosser Zähigkeit festhielt. Einerseits ausnahmslose Rückstellung der österreichischen Niederlande von Seiten Frankreichs, anderseits Verpflichtung der Kaiserin, der etwaigen Forderung Frankreichs, Dünkirchen in dem Zustande zu erhalten, in welchem es sich zur Zeit befindet, keine Schwierigkeiten entgegenzusetzen. Die Kaiserin erklärte sich ferner bereit Furnes abzutreten, die Differenzen bezüglich der Enclaven von Hainault und der Abtei St. Hubert auf das freundschaftlichste möglichst bald auszugleichen, endlich machte sie sich anheischig, nebst der Rückgabe aller genuesischen und modenesischen Gebiete, Parma und Piacenza an Don Philipp abzutreten.1 Es war das Aeusserste, wozu man sich in Wien bequemen wollte. Und doch zeigte es eine schiefe Beurtheilung der Sachlage, wenn man auch nur einen Moment wähnen konnte, dass Frankreich bereit sein werde auf dieser Grundlage ein Abkommen mit Maria Theresia zu treffen. Zwar war eine Concession gemacht worden, welche zu gewähren man bisher standhaft verweigert hatte. Man bot Furnes freiwillig an, obwohl Frankreich bei den zuletzt gepflogenen Verhandlungen schliesslich von der Rückgabe von Furnes und dessen Burgfriedens abgegangen war, theils um klar an den Tag zu legen, dass man nicht selbstsüchtig nur auf sein eigenes Interesse bedacht sei,,theils um den französischen Hof von dem Uebermass des guten Trauens und Glaubens zu überzeugen.' Etwas anderes vermochte man auch Frankreich nicht zu bieten. In Bezug auf Dünkirchen und das Cap Breton enthielt der Entwurf nur allgemeine Phrasen. Der Vortheil lag unstreitig nur auf Seite Oesterreichs. Es sicherte sich die vollständige Rückgabe der Niederlande, ferner war der die italienischen Staaten betreffende Artikel so gefasst, dass er einer Ueberlassung jener Gebiete, welche im Wormser Tractate an Sardinien waren ab 1 Vergl. Geheimnisse d. sächsischen Cabinets, Band I, 192 fg. getreten worden, keine Handhabe bot. Die Garantie Schlesiens war natürlich ausgeschlossen.1 Die französische Regierung lehnte die Unterzeichnung von Praeliminarien in Paris unter dem Vorwande ab, dass St. Severin ohnehin vollständig instruirt sei, im Begriffe stehe abzureisen und den Auftrag erhalte mit Kaunitz die nöthigen Vereinbarungen zu treffen. In Wien witterte man die dahinter verborgene Absicht nicht. Es sei ein gutes Kennzeichen,' heisst es in einem Rescripte an Kaunitz,,dass der französische Hof antrage in zwei oder drei Unterredungen mit Dir Alles zu schliessen.' Kaunitz erhielt den Auftrag mit Frankreich ein Separatabkommen zu treffen. Nach allen Richtungen wird dieser Gegenstand erörtert, jeder Einwand, den Frankreich etwa machen könnte, im vorhinein behoben. Nach keiner Richtung wollte man das Geheimniss verrathen, nur dem treuesten Bundesgenossen glaubte man es mittheilen zu sollen. Der russische Hof wurde von den Verhandlungen in Kenntniss gesetzt. Fürchtend, dass Frankreich sich dadurch vielleicht bestimmen lassen könnte das Uebereinkommen fallen zu lassen, erliess man an Kaunitz die Instruction, diesen Schritt zu rechtfertigen. Man könne sich unmöglich von Russland trennen', heisst es in einem Handschreiben vom 8. März 1748. Die Wohlfahrt und Sicherheit der deutschen Erbländer, folglich des Centri der österreichischen Monarchie, hängen von der Vereinigung mit demselben ab. Niemand werde durch dies Bündniss bedrohet. Frankreich habe keinen Grund deshalb eifersüchtig zu sein. Man solle dafür einstehen, dass Schweden nichts zu besorgen habe, falls es sich ruhig verhielte. Es könne Frankreich nicht gedient sein das Einverständniss zwischen Oesterreich und Russland trüben oder schwächen zu wollen, ausser es wollte sich zum Nachtheile Oesterreichs auch künftighin mit Preussen verbinden. Abgesehen davon, dass dies unchristlich wäre, stimme dies auch mit dem französischen Interesse nicht überein. Kaunitz wird angewiesen, alles Mögliche anzuwenden, um Frankreich von Preussen abzuziehen, allein durchaus, richt 1 Vergl. Geheimnisse des sächsischen Cabinets Band I, 192, wo jedoch der Gegenstand nicht erschöpfend behandelt ist. Archiv. Bd. XLVII. 1. Hälfte. 2 etwa den Argwohn Platz greifen zu lassen, als ob man in Wien gegen Preussen irgend etwas im Schilde führe. ' Die Frage einer selbstständigen Vereinbarung mit Frankreich wurde in den Rescripten an Kaunitz zu wiederholten Malen ausführlich erörtert, fortwährend der dringende Wunsch ausgesprochen mit Frankreich zum Abschlusse zu kommen. Dem englischen Botschafter gegenüber wird ihm vorgezeichnet, sich gleichförmig und ruhig zu verhalten, bis die Praeliminarien mit St. Severin abgeschlossen seien. St. Severin trat nicht auf Grundlage des von Wien nach Paris gesendeten Entwurfes in Verhandlung, er übergab dem Grafen Kaunitz am 29. März ein Gegenproject. Dieser fand es hart und von jenen Versprechungen, welche man dem sächsischen Gesandten gemacht, ziemlich abweichend. Darauf erwiederte St. Severin: Frankreich habe sich gegen den sächsischen Hof nicht offen herauslassen können, Brühl sei ein Spitzbube, jetzt sei das Geschäft in bewährten Händen, an einem glücklichen Ausgange sei nicht zu zweifeln; er wünsche zum Abschlusse zu gelangen, ehe die spanischen, genuesischen und modenesischen Minister ankämen. Anfangs April fanden weitere Besprechungen statt, St. Severin formulirte seine Bedingungen. Dünkirchen müsse in dem gegenwärtigen Stande bleiben, der König halte es für Ehrensache die Befestigungen nicht schleifen zu lassen, Genua und Modena müssen vollständig restituirt werden, ob man Savoyen oder Parma und Piacenza an den Infanten abtrete, sei dem französischen Hofe gleichgültig, wenn letzteres der Fall sein sollte, müsste für das Gebiet diesseits des Po ein zureichendes Aequivalent bewilligt werden; es sei nicht daran zu denken, dass Spanien und Frankreich die in dem Frieden vom J. 1738 gemachte Renunciation bezüglich Neapels und Siciliens auf die Nachkommen des Don Carlos beschränken lassen werden; bezüglich des Cardinalinfanten erwarte er weitere Befehle, Pleystein sei an Churpfalz zu restituiren, von einer Incorporation des Stato degli Presidij wolle Frankreich nichts wissen, sie würde nur bewilligt werden, im Falle Don Philipp in Neapel nachfolgen 1 Kais. Res. vom 8. März 1748. 2 St. Severin sagte zu Kaunitz: Nous sommes persuadés de la probité du Roi de Pologne, mais Mr. de Bruhl est un fripon, il ne nous aime pas, il nous hait et il est vendu à la Russie. Kaunitz an Uhlfeld 29. März 1748. und die privative Verleihung des Toison von Seite Spaniens bewilligt würde. Bezüglich der Durchführung der Präliminarien sei ein zureichender Modus festzusetzen, die beiden von Oesterreich vorgeschlagenen geheimen Artikel könne Frankreich nicht annehmen. > Diese Vorschläge wurden am Wiener Hofe nicht ganz entschieden zurückgewiesen. Dagegen war man über das von Sandwich ausgearbeitete Project ungemein erbittert. Es sei so beschaffen, dass man es eher zu Versailles oder Madrid, als zu London verfasst worden zu sein, glauben sollte. So ungereimt und schädliche Dinge', heisst es in einem kaiserlichen Rescripte vom 9. April, gleich in dem französischen Projecte einkommen, so sind sie jedoch mit jenen Bedingnissen, welche uns von Engelland aufgedrungen werden sollen, keineswegs zu vergleichen. Besondern Eindruck machte, dass weder von einer Einbeziehung des Königs von Preussen in die Garantie die Rede war, und andrerseits auch der vorgeschlagene Modus eines Etablissements für Don Philipp dem Wiener Hofe mehr behagte. Kaunitz wurde daher angewiesen, für den Fall, als Sandwich auf eine bestimmte Erklärung dringen sollte, eine ausweichende Antwort zu ertheilen, man müsse sich die Sache wohl überlegen, da das Elaborat Englands bedenkliche Punkte enthalte. Die Tendenz des Wiener Hofes war, Zeit zu gewinnen, mittlerweile mit Frankreich zu einem Abschlusse zu kommen, um sodann England gegenüber,klarer sprechen zu können‘. Falls Kaunitz die Gewissheit habe, dass die Bundesgenossen Oesterreich aufzuopfern bereit wären, habe er dem Grafen St. Severin zu erkennen zu geben, dass er bezüglich Savoyens Verhaltungsbefehle einholen wolle, und zwar in einer solchen Weise, dass die grosse Wahrscheinlichkeit einer Annahme dieses Punktes dem französischen Gesandten ersichtlich wäre. Er habe demselben auch begreiflich zu machen, dass England und Preussen um die Wette dahin arbeiten, die vornehmsten katholischen Mächte zu schwächen, mithin es im beiderseitigen Interesse läge, sich gegen derartige Absichten miteinander zu verbinden. Die österreichische Regierung führte, trotz ihres lebhaften Wunsches mit Frankreich eine Vereinbarung zu Stande zu brin 'Depesche des Grafen Kaunitz v. 8. April 1748. 2 Kais. Res. an Kaunitz v. 8. April 1748. |