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falls die Mitcontrahenten ebenfalls genau allen Bestimmungen desselben nachlebten. Kaunitz sollte nie die einseitige Gültigkeit der Abtretungen zugeben, wohl aber erhielt er die Ermächtigung zu der Erklärung, wie bereit man wäre alle Kräfte aufzubieten, dem Könige von Sardinien sogar zu einem noch grösseren Gebiete behilflich zu sein, wenn dies auf Kosten Frankreichs oder Genuas geschehen könnte. Diese Gesichtspunkte sollten besonders bei dem englischen Minister geltend gemacht werden.

Um den spanischen Bevollmächtigten für die österreichische Auffassung zu gewinnen, sollte Kaunitz darauf insbesondere hinweisen, dass es im Interesse Spaniens läge, den König von Sardinien nicht zu mächtig werden zu lassen, sondern dass darauf zu sehen sei, ein gewisses Gleichgewicht zwischen dem Erzhause und Savoyen herzustellen. Bisher sei es dem Könige von Sardinien gelungen, bei jedem Kriege auf Unkosten seiner Nachbarn eine Vergrösserung seines Gebietes zu erlangen.

Man hoffte in Wien mit derlei Auseinandersetzungen Eindruck zu machen. So stark auch in England die Vorliebe für Sardinien eingewurzelt sein mag, heisst es in der Instruction, ,so ist doch nicht anzunehmen, dass alle übrigen am Kriege betheiligten Mächte denselben wegen Befriedigung des ihnen eigentlich fremden Eigennutzes Sardiniens werden verlängern wollen.'

Es war nun die Frage, wodurch sollte man den König von Sardinien schadlos halten, da England mit besonderem Eifer sich desselben annahm. Oesterreich hatte nichts dagegen, dass ihm Finale und Savona eingeräumt werden möge, wenn nur desshalb der Krieg nicht verlängert würde und es selbst für die Abtretung Parma's und Piacenza's irgend eine Entschädigung erhielte. Andererseits war auch zu besorgen, dass England an Maria Theresia die Zumuthung stellen würde, zur Befriedigung des Königs von Sardinien Pavia abzugeben. Dagegen sollte sich Kaunitz mit aller Entschiedenheit stemmen. Es wäre auch ganz unbillig, wurde ihm eingeschärft, wenn man blos auf die Ansprüche Sardiniens Rücksicht nehmen und durchaus nicht auch für eine Entschädigung Oesterreichs Sorge tragen wollte. Ohnehin habe Spanien bei früheren Verhandlungen zugestanden, dass der österreichische Besitz in Italien wenn nicht

eine Vergrösserung, doch keine Schmälerung erfahren sollte. Wenn nun eine feindliche Macht dies Zugeständniss gemacht, um so mehr sei zu hoffen, dass ein Bundesgenosse, wie England, keinen Anstand erheben werde. Wird die Forderung principiell zugestanden, argumentirt die Instruction, so handelt es sich blos darum, auf welche Weise sie zu erfüllen sei, wenn man keine Verkürzung des sardinischen Gebietes erreichen könne, bleibe nichts übrig, als Genua und Modena an Sardinien zu geben. In der That wies man auf Genua als ein geeignetes Entschädigungobject hin, Oesterreich wollte sich begnügen, wenn für Parma und Piacenza Sarzana dem Grossherzogthum Toscana, wozu es auch früher gehört hatte, Mirandola und Novellana aber, welche der Vater des gegenwärtigen Herzogs von Modena von dem Erzhause erhalten, der österreichischen Lombardei einverleibt würden. Gegen das letztere werde Spanien um so weniger etwas einzuwenden haben, als ja zwischen demselben und Modena kein bindender Vertrag bestünde.

Sollte jedoch auf Basis derartiger Vorschläge Spanien einem Friedensschlusse die Hand nicht bieten wollen, erklärte man sich befriedigt, wenn wenigstens der Stato dei presidii an Toscana fallen und an Oesterreich die im Wormser Tractate gemachten Cessionen zurückgegeben würden, ohne dass von Oesterreich irgend eine Entschädigung für Sardinien gefordert werde.

Für den Fall als es sich aber um einen allgemeinen Tractat handeln sollte, erhielt Kaunitz die Weisung, auf die Erwerbung des Stato dei presidii zu verzichten; auch erklärte sich die Kaiserin bereit, Furnes an Frankreich zu überlassen, wenn dieses in eine Schleifung von Dünkirchen willigen würde, wodurch auch England überzeugt werden sollte, wie sehr man in Wien dessen Interessen fortwährend berücksichtige. 1

Erst in der zweiten Hälfte des Monats März langten die Bevollmächtigten in Aachen an. Die Minister Englands und Sardiniens, Lord Sandwich und der Graf Chavannes, fanden sich bereits am 17. März ein. Tags darauf kam der österreichische Gesandte, Graf Kaunitz, an, erst vier Tage später erschienen die Bevollmächtigten Hollands, Graf Bentinck und Hasselaer. Das verspätete Erscheinen des französischen Ge

1 Vergl. Arneth, Maria Theresia, Bd. III. S. 346,

sandten erregte mancherlei Bedenken, man fürchtete schon, Frankreich wolle sich auf Friedensunterhandlungen gar nicht. einlassen und habe nur Hoffnungen erweckt, um die Gegner lässiger zu machen in den Vorbereitungen zu einem neuen Feldzuge. Ein Alp fiel den Anwesenden von der Brust, als sie die Kunde vernahmen, Graf St. Severin sei angelangt. Die noch fehlenden Gesandten liessen zum Theil noch lange auf sich warten. Erst in der zweiten Hälfte des Monats April war die Gesellschaft vollzählig, und zwar Jacob Masones de Lima y Sottomayor als Vertreter Spaniens, Graf Monzone für Modena und Franz Doria für Genua. Ferner erschienen ausser den erwähnten Abgesandten Hollands noch Graf Wassenaer, Baron Brossele und Onno Zwier de Haren, von der Republik entsendet; der eigentliche Vertrauensmann des Statthalters war jedoch Graf Bentinck.

Die leidigen Fragen des Ceremoniells, welche auf den früheren Congressen so viel Zeit in Anspruch genommen hatten, schienen hier von vornherein abgethan. In Haag fand eine Verabredung über diesen Punkt statt, man einigte sich allseitig über das Vorgehen. Jeder neu angekommene Minister erhielt von den bereits Anwesenden, nachdem er ihnen seine Ankunft notificirt hatte, den ersten Besuch und stattete dann seinen Gegenbesuch ab. Auf diese Weise hatte es nicht den Anschein, dass eine Frage der Etiquette die förmliche Eröffnung des Congresses hinausschieben würde. Durch einen Zwischenfall wurden diese guten Absichten zu nichte. Die Bevollmächtigten der Grossmächte waren sämmtlich schon beisammen, die Minister Genua's und Modena's fehlten noch. Da warf Kaunitz die Frage auf, ob man es auch diesen Ministern gegenüber mit der ersten Visite wie bisher halten solle, sie könnten doch nicht ähnliche Ansprüche wie die Bevollmächtigten der gekrönten Häupter machen. Man stimmte ihm bei; auch St. Severin meinte, der Gegenstand sei der Erwägung werth, ohne sich jedoch präcise auszusprechen.

Nach Ankunft des genuesischen Gesandten veranstaltete Sandwich eine Zusammenkunft der sämmtlichen Minister. Der Gegenstand wurde einer nochmaligen reiflichen Erwägung unter zogen. Doria lehnte jedoch das ihm gemachte Ansinnen, den

1 Bentinck an Fagel, 24. März (Haager Archiv).

ersten Besuch abzustatten, ab. St. Severin wollte sich nicht bewegen lassen, ohne vorhergehende Regelung dieser Angelegenheit zur Eröffnung des Congresses zu schreiten; Frankreich, so liess er sich vernehmen, werde weder bei dieser, noch bei anderen Gelegenheiten seinen Alliirten Gesetze vorschreiben. Sandwich beantragte, dem Grafen St. Severin Vorstellungen zu machen und sich daher in corpore zu demselben zu begeben. Der Antrag fand Beifall, nur Kaunitz meinte, es genüge vielleicht, wenn ein Einziger sich zu St. Severin verfüge. Man überlegte in mehreren Zusammenkünften, wie dieser wichtige Fall zu behandeln sei, man wollte dem genuesischen Gesandten die erste Visite abstatten, aber zugleich eine Protestation oder Reservation für zukünftige Fälle ausstellen. Doria lehnte die Annahme eines solchen Schriftstückes ab. Spaniens Minister erklärte, in diesem Falle keine Verhaltungsmassregeln zu haben. Der Antrag Severins, die näheren Weisungen der Höfe abzuwarten, fand Anklang, ohnehin habe man mit der Entwerfung des Reglements zu thun. 1

Die tiefsinnigen Erörterungen über diese futile Frage erwiesen sich für die Folge um so nutzloser, als auf dem Congresse zu Aachen gemeinsame Zusammenkünfte in der Folge überhaupt gar nicht stattfanden, da die Verhandlungen nur zwischen den Ministern der hervorragendsten Mächte geführt wurden, welche sich auch auf jene Punkte erstreckten, die die kleineren Staaten betrafen, ohne dass den Bevollmächtigten etwas Anderes, als die einfache Annahme übrig blieb.

Es vergingen mehrere Wochen, ehe die Verhandlungen zwischen den Vertretern der verschiedenen Staaten in geregelter Weise begannen. Die Zwischenzeit benutzte man zur Erledigung formaler Fragen, welche hier zum Theil mit einer ähnlichen Minutiosität wie bei den früheren Versammlungen dieser Art erörtert wurden.

Doch war man mittlerweile nicht ganz unthätig mit einzelnen Gesandten befreundeter und feindlicher Staaten Vorbesprechungen zu halten, um auf diese Weise den Gegner auszuholen, dessen Forderungen kennen zu lernen und womöglich unter den Bundesgenossen eine Verständigung herbeizuführen. Eine besondere Geschicklichkeit legte in dieser Beziehung

1 Kaunitz Dep. am 24. April 1748 (Wiener Archiv).

insbesondere St. Severin an den Tag. Von dem Grundsatze ausgehend, welcher so oft der französischen Diplomatie das Uebergewicht verschafft hat, dass man nicht mit der Gesammtheit der Feinde, sondern mit einzelnen derselben verhandelu müsse, verstand es St. Severin die Wünsche und Forderungen der Anderen kennen zu lernen, ohne klar und bestimmt die Grenze seiner Nachgiebigkeit zu bezeichnen und so mancherlei Hoffnungen zu erwecken. Die zwischen Oesterreich und den Seemächten seit einiger Zeit andauernde Spannung erleichterte ihm allerdings das Spiel. Denn während Kaunitz dem Lord Sandwich und Bentinck gegenüber gerade nicht seine liebenswürdige Seite hervorkehrte, entwickelten sich zwischen ihm und St. Severin bald freundlichere Beziehungen, welche von dem Franzosen mit besonderem Geschick benutzt wurden, dem österreichischen Vertreter glaubhaft zu machen, das es möglich sein dürfte, eine den Wünschen des Wiener Hofes entsprechende Vereinbarung zu Stande zu bringen.

Der Wiener Hof sah der Friedensverhandlung auf dem Congresse nichts weniger als vertrauenvoll entgegen. Man beurtheilte die Sachlage im Ganzen ziemlich richtig und hielt sich für isolirt. Die bisherigen Bundesgenossen sehnten sich nach Frieden, die Verhältnisse in Holland waren traurig, mühselig brachte man die Geldmittel zu den nothwendigen Rüstungen zusammen, die Geldwelt verhielt sich ziemlich spröde, die Rufe nach Ruhe und Frieden liessen sich in Wort und Schrift mit erneuerter Vehemenz vernehmen, und insbesondere in einzelnen Provinzen, die vom Anfang an eine grosse Abneigung gegen die Führung des Krieges an den Tag gelegt hatten, mehrten sich die Stimmen, welche um jeden Preis eine Beendigung des langwierigen Streites heischten. Die Publicistik war schon damals in Holland eine nicht zu unterschätzende Macht, die bei vielfachen Gelegenheiten ausschlaggebend war. In zahlreichen Broschüren und losen Flugschriften, die viel gesunden Sinn bekundeten, wurde die Lage der Republik in eingehender Weise erörtert. Die Beziehungen Oesterreichs zu England waren äusserlich wohl ungetrübt, glatt und höflich in den Formen, innerlich hatten sich die Wiener Kreise dem bisherigen Bundesgenossen längst entfremdet. Man nährte die Ueberzeugung, dass man sich auf die gesammte Regierung Englands nicht. verlassen könne und bei streitigen Fragen die einzelnen

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