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hat uns Züge aufbewahrt, welche für die Geschichte der dramatischen Dichtkunst neue Aufschlüsse geben. Die Untersuchung muß aber von der Sprache ausgehen, weil die Heimat der Handschrift nicht genügt, um den Ursprung und Zusammenhang des Tertes richtig zu beurtheilen.

B. Sprache des Stückes.

Die erste Frage ist, befolgt das Schauspiel die Mundart seiner Heimat? Die Antwort lautet: nicht durchgängig,” sondern zum größten Theil. Wird dies erwiesen, so ist das Stück nicht in Mecklenburg entstanden, sondern dahin verpflanzt worden. Jede Sprache hat Ausnahmen von ihren Regeln; von diesen Abweichungen ist hier nicht die Rede, sondern von Lauten und Formen, die eine Sprachmischung anzeigen, was beim Uebersegen aus einer Mundart in die andere um so häufiger vorkommt, je verwandter die Mundarten sind. Reime, die einer Mundart eigenthümlich angehören, lassen sich nicht in die andere übertragen, ohne ihren Ursprung zu verrathen. Aber auch außer dem Reime bleiben manche Spuren zurück, die auf ein fremdes Original zurückweisen. Die mecklenburgische Mundart ist sächsisch, ihre nächste Verwandte ist die fränkische, sowohl die niederrheinische als die niederländische. Ich muß voraus bemerken, daß in diesem Stücke Formen erscheinen, welche zunächst auf den Niederrhein weisen, also ist vorzüglich diese Mundart zu vergleichen.

Reime, die dahin gehören, sind alweldich: mich 677, sif: mik 938, hir: tir (tibi) 734, alleweldich: dich 344, affen: claffen 835, denn sonst überall hat die Mundart im dat. und acc. mi, di in beweisenden Reimen, by: my (me) 336, my (mei): dy (te) 340, wy (nos): dy (tibi) 240, dy (tibi): sy (sit) 1315, dy (tibi): wi (weh) 1640, dy: my (mihi) 405, my (me): dy (tibi) 826 u. v. a. Dieselben Formen gelten noch jest in der mecklenburgischen Mundart (s. Ritter Gramm. der meckl. Mundart. Rostock 1832. S. 79). Wenn

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das Schauspiel wafen: slapen reimt 765, so bleibt es halb sächsisch, in schapen: lapen 650, knapen: slapen 770, papen: knapen 1091, papen: slapen 1657 u. a. folgt es ganz seiner Mundart, wenn es mik für mir braucht 926, dik für dir 1907, so beweist es, daß ihm diese Form nicht angehört. Jene hochteutschen Formen sind aber am Niederrhein zu Hause und gehen bis Köln hinab, wie in G. Hagens Reimchronik von Köln vorkommt broderschaffen: affen 3349, paffen: schaffen 3825, dir: myr 492 u. dgl. Ferner ist niederrheinisch der Reim su (Sau): to (zu) 1552, denn der Niederrheiner sagt zu. Die Interjektion wafen 1930 ist nicht sächsisch.

Ist diese Wahrnehmung richtig, so müssen sich noch mehr Spuren zeigen, was allerdings der Fall ist. Ich stelle einige Hülfszeitwörter voran, weil sich bei ihnen die Mundarten leicht verrathen. Das Schauspiel sagt wie die Mundart (Ritter 100) bun für bin, braucht es aber in Reimen, wo es nicht angeht, bun: schen 1688, was nur niederländisch und niederrheinisch reimt ben: schen, und aus den Reimen list: bist 1468, Crist: bist 1720 ersieht man, daß die Form bust nicht ursprünglich zum Terte gehört, obgleich sie darin vorkommt, aber nicht im Reim 715. Die 2 pers. pl. fint646, 684, 946 hat die mecklenburgische Mundart auch nicht. Das Zeitwort don 40, 622 hat im Imperativ und Conjunktiv do 165, 494, 591, und zwar im Reim. Dagegen dut: mut 511, 564, 1199 im Indic. und 2 p. pl. imperat. in und außer dem Reime. Hagen hat dafür regelmäßig do 440, doit 465, 771, doin 2229 und den Reim doit: goit 2350.

In den Formen anderer Zeitwörter zeigt sich dasselbe. Die Form saghe: daghe 26, 780, 953, 1209 beweist der Reim, außer demselben steht aber häufig seggbe, zegge 177, 212, 431, 682, 848, auch im Neim 1570, während sagen am Niederrhein regelmäßig vorkommt. Hagen 189, 268, 435 ebenfalls im Reim. Für wusten: listen 1259 muß wisten stehen. Der sächsischen Mundart ist auch die 2 pers. pl. præs.

und præt. auf en nicht eigen, welche so oft in diesem Stücke vorkommt, gy moghen 12, 845, moten 27, scholen 37, laten 38, hebben 39, bewaren 73, konnen 632, hadden 822, wolden 785, scheppen 652 u. v. a. sogar in Reimen, verloren: horen 797, kamen: vramen 527, speren: keren 230, boden: soden 1412, straken: maken 1525, leren: vorkeren 1781 (vergl. Haupt 2, 378), ghedan: gan 1920, welche Wörter sämmtlich ausgeschrieben sind, während von denselben die gewöhnliche Form auf et eben so häufig ist.

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Die einzelnen Laute geben auch Beweise für die Sprachmischung. Am Niederrhein bleibt das hochteutsche ei (ai) und wird oft ey geschrieben, die niederländische und fächsische Sprache segt dafür e (ee). Nun reimt in diesem Schauspiele ghemeyne: reyne 1009, und der Artikel eyn und en kommen so oft vor, daß keine Belege nöthig sind. Andere Wörter wie heydenen 289, clet 312, tekene 403, bereyt 590 u. s. w. zeigen dieselbe Mischung. Hagen reimt veire: scheire ganz gut, das kann aber diese Mundart nicht, sie hat vere: schire 896, vire: schire 1012, hir: ber 1630. Sie reimt vele: stele 65, spele 1660 wie der Niederrheiner, aber außer dem Reime hat sie vul 68. Sie schreibt die Vorsylbe ent- häufig unt-, entvaren 128, 635 daneben untvaren 100. Diese Form ist mehr sächsisch, jene (ent int-) mehr niederrheinisch. Bei der Neigung der mecklenburgischen Mundart, das o des Inlauts in u zu verwandeln (Ritter 26, 22) find Reime zwischen u und o, ů und o Beweise einer andern Mundart, bischop: up 805, lopen: rupen 427, rüpen 1662, vorstüret: gheboret 860, küken: vloken 1369, roren: sturen 1460, fu: to 1552, vot: gut 1559, klük: brük 1635, munde: konde 759, 1716, ghenughe: kroghe 1768, während 1079 noghen: voghen steht. Dieses Schwanken hat auch Hagen, doch neigt sich seine Sprache zu keinem der beiden Laute. Er hat duren: voeren, voren 648, 2471, hulde: wolde 738, 1273, hult: solt 935, 1211, 1270, 1720, vuren: voeren 905, turne: zorne 909,

begonde: wunde 1010, mude: blode 1044 u. v. a. Der Reim arken: patriarchen 465 ist auch nicht sächsisch. Eine Spur, welche in das Niederländische und Französische hinüber weist, ist das Wort kodef 1649. Eine lehrreiche Quelle zur Vergleichung mit diesem Stücke ist das niederrheinische (nicht niederländische) Osterspiel in Haupts Zeitschrift 2, 303 flg.

Eigenthümlich gehören der Mundart des Stückes folgende Bildungen. A für o in sehr vielen Wörtern, gade 346, warm 421, ghebaren 661, kamen 745, namen 746, tarne 768 u. dgl. Diese a gehören aber nicht zum ursprünglichen Texte, denn sie reimen fast alle auf o, und man findet auch o, torne: vorne 985 in denselben Wörtern, vorloren 1626 c. Auch al: hål 1583. Wo dieses a richtig reimt, wie vorlaren: bewaren 1845, bedraghen: paghen 1905, da möchte es anzeigen, daß solche Stellen zugedichtet sind. U für o im Inlaut steht gewöhnlich vor 1, n; u für i erscheint häufig vor d, 1, m, n. Im Anlaut steht zuweilen w für v, wullenbracht 357, 885, häufiger v für w, vunlik 751, 432, 443, 483. Das sch in schal, scholen u. s. w. gehört auch der Mundart an. Im Inlaut wechselt z mit 8, wesen: lezen 791, tozet: loset 625, nezen: wesen 22, wezen: genezen 85. Die Aussprache war ein weiches s; auch im Anlaut zagen 953. Es wechselt auch im Anlaut mit , golt 148. Den Ausfall des r scheint der Reim to stot: got 1056 zu beweisen, was in der jeßigen Mundart viel häufiger ist (Ritter 45). Hagen hat es nur einmal, wort: got 3498.

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Unter den Wortformen sind selten aber eigenthümlich die 1 pers. pl. præs. auf et, wy waket 84, wilt 1825, 1927, hebbet 539, auch die 3 p. pl. bevet 1864, scholt 1926, dot 2006; us für uns 798, 924, 1055, 1056, 1059, user 966, uses 979. Diese Bildungen kommen mir zu oft vor, um sie für Schreibfehler zu erklären, was auch der Reim us: clus 711 verbietet. Das Wort stan (stehen) zeigt die meiste Verschiedenheit. Es gilt die Form stan: dan 783, und oft im

Reim auf slan, han u. dgl., daneben sten: schen 91, sen 942, steyst: gheist 1196, und die 3 p. pl. stat: rat 1326, dat 79, daneben steyt: leyt 544, sta: Galilea 886. Das Adverbium betalle lautet im Reim auch bedille 497, und bedelle 1230. Ebenso danne im Reim dynne 819. Der Reim hynnen: ghesinnen (Gesinde) 580 ist der Mundart gemäß (Nitter 40), auch bei Hagen felten, begunden: verwonnen 1124. Die Reime brynghen: henghen; drengen 728, 748, wynden (wenden): vinden 1022, dy (tibi); we (web) 1641, domine: my 1710, lassen sich nicht alle berichtigen, denn die Mundart gibt dazu keine Anleitung.

Das Versmaß des Schauspieles ist sehr ungeregelt; sowohl die jüngere Handschrift als auch die Bearbeitung aus einem älteren Terte mögen davon die Schuld tragen. Unter solchen Umständen darf man keine Wiederherstellung versuchen, sondern es ist viel lehrreicher, das Stück in seiner Eigenheit zu belassen.

Das Ergebniß obiger Beobachtungen ist: es hatte dieses Schauspiel einen niederrheinischen Text zur Duelle, der zum Theil übersegt, zum Theil bearbeitet wurde. Die Heimatlichen Anspielungen auf die Umgegend von Wismar standen. nämlich nicht in dem niederrheinischen Terte, sondern sind vom Bearbeiter eingefügt. Die Städte am Niederrhein, hauptsächlich Köln, hatten mit den Hansestädten an der Ostsee vielen Verkehr und es ist wahrscheinlich, daß durch diese Verbindung auch geistige Erzeugnisse umgetauscht wurden, also auch ein niederrheinisches Schauspiel nach Wismar gelangen konnte.

Die Hs. trennt das Augment und andere Vorsylben von dem folgenden Worte, schreibt also vor leghen, ghe leden, ghe dan, doch nicht durchgängig, weßhalb ich die gewöhnliche Schreibung vorgezogen. Das Bindewort unt kommt nie ausgeschrieben vor, ich folgte daher der Abkürzung, die Mundart braucht aber häufiger unde. Die Inklinationen der Zeitwörter habe ich wie die Hs. nur in der 2 pers. sing. mit dem Stammwort verbunden.

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