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Ist er vielleicht gar todtgeschlagen? Diese Uebertragung menschlicher Leiden auf die Teufel ist schon oben beim Kopfweh Lucifers vorgekommen, sie gehört zum Widersinn der bösen Geister.

Satan bringt einen Pfaffen. Das Lustspiel ist hierin so streng wie die alten Bilder vom jüngsten Gerichte, wo der Teufel hohe und niedere Geistliche am Seil in den Rachen der Hölle hinab zieht. Satan führt den Geistlichen während dem Brevierlesen weg, und dieser weiß anfangs nicht, wer der Verführer ist. Damit wird angedeutet, wie der Teufel die Geistlichen berückt, wenn sie bei ihrer Andacht zerstreuet sind und weltliche Gedanken haben *). Sie hängen diesen nach, und das ist das Seil, woran sie der Teufel zieht und bald durch seine Vorwürfe zeigt (1730 flg.), wer er ist. Da merkt der Geistliche die Gefahr und will sich retten, aber er muß vor den Lucifer, wo ihm Satan seine Sünden vorwirft und Lucifer ihn beißend verspottet, daß die Pfaffen nun selbst in die Hölle kämen, die doch andere Menschen zur Seligkeit führen sollten. Aber die Nähe des Pfaffen ist dem Lucifer unheimlich, er heißt ihn zurücktreten und das gibt dem Geistlichen Muth, den Kampf mit dem Teufel zu wagen, dem schon von den schlichten Worten des Pfaffen die Haare versengt werden (1797) und der fürchtet, er müßte mit allen Teufeln die Hölle verlassen, wenn der Pfaffe darin wäre. Es ist dieses ein großartiger Spott auf die Disputirsucht des späteren Mittelalters, daß selbst der Teufel ihr nicht gewach

*) Dies wurde auch in anderer Weise dialogisch ausgesprochen, wie folgende Stelle aus derselben Karlsruher Hf. v. N. in Quart Bl. 139 angibt. Hos versus dicit angelus.

Cum prece devota famulantum colligo vota,
et quae sunt lota, praesto sum scribere tota.
Hos versus dicit diabolus.

Dictio neglecta vel syllaba murmure tecta
per me collecta patet ipsa litera secta;

et vox et votum, tonus et sonus et nota, totum
per me colligitur et ab alto judice scitur.

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sen sey. Aber der Geistliche pocht nun auf seine Schulweisheit (1812) und Lucifer befiehlt dem Satan, ihn gehen zu lassen, denn er mache ihm zu heiß. Voll Verdruß läßt Satan den Geistlichen gehen und dieser verflucht und verbannt den Satan in ein wildes Bruch und bedeutet ihm, man müsse größere Kraft anwenden, um einen Pfaffen in die Hölle zu bringen. Satan fühlt die Gewalt des Erorcismus und jammert, daß ihn auch der Geistliche aus einer besessenen Frau getrieben und er nun schändlich in ein Bruch fahren müsse. Das geschieht dir recht, sagt Lucifer, hättest du den Pfaffen in Ruhe gelassen; und damit überläßt er den Satan, dessen Klugheit zu Schanden geworden (1904) dem Bannfluche des Geistlichen.

Hat die Austreibung Satans Bezug auf die Stelle bei Matth. 12, 43, wie ich glaube, so ist das, was bei Matthäus weiter steht, diesem Stücke beizudenken, um den Ernst dieser Komik zu verstehen. Denn der ausgetriebene Teufel, der eine Zeit lang an öden Stätten herum irrt, kommt mit noch ärgeren Genossen wieder zurück, und der Geistliche, der über ihn einmal gesiegt hat, ist nicht sicher, daß er zum zweitenmale nicht vom Teufel überwältigt werde. Wohl fühlt der Teufel die Macht der göttlichen Heilsmittel auch aus den Händen eines sündhaften Geistlichen, aber dieser wird deßhalb nicht gerettet, wenn er auch einmal den Prozeß gegen den Teufel gewonnen, denn gegen Gott vermag die Schulweisheit nichts. Dieser Auftritt mit dem Geistlichen ist nämlich ein Rechtsstreit, worin er seinen eigenen Fürsprech gegen den Lucifer spielt. Ein Seitenstück zu dem processus Belial, worin der Teufel den Streit gegen Gott verliert, und eine Vorbedeutung des jüngsten Gerichtes, denn der Geistliche droht dem Lucifer, daß Jesus noch einmal kommen und der Teufel seine Nebermacht fühlen werde (1908 flg.) *).

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*) Im Belial wird die ganze biblische Geschichte als ein Prozeß des Teufels gegen Christus vor dem König Salomon verhandelt. Der Teufel

Der Geistliche bannt den Satan, wie Christus den Lucifer gebunden, und doch ist der Geistliche ein sündhafter Mensch. Christus hat den Aposteln Gewalt über die bösen Geister gegeben (Matth. 10, 1), und doch sind alle Menschen sündhaft und bös, und selbst der Gerechte fällt des Tages siebenmal. Es ist mithin keine Inconsequenz, wenn der Geistliche als Teufelsbanner auftritt, und kein Zeitverstoß, daß er unmittelbar der Erlösung aus der Vorhölle angereihet wird, wie dies im religiösen Schauspiel häufig vorkommt (Altt. Schausp. 15. 16).

Die Drohung des Geistlichen mit dem jüngsten Tage bewegt den Lucifer nicht sonderlich, denn das Ende der Welt ist noch fern und bis dahin lassen sich noch viele Seelen zur Hölle bringen. Diese Stelle hat den Zweck, die Menschen vor falscher Sicherheit zu warnen, denn die Klage Lucifers, die darauf folgt, ist erschütternd. Er hat keine Ruhe (1933 vgl. Matth. 12, 43), ein Zustand, der allein schon zur Verzweiflung bringt. Dagegen ist den frommen Menschen Ruhe des Herzens versprochen (Matth. 11, 29, Hebr. 3, 18. 4, 1) und für die Todten wird gebetet: requiem aeternam dona eis domine. Dem Teufel hilft keine. Buße zur Erlösung, selbst nicht die schrecklichste Qual, die er dafür ausstehen möchte (1933, 36 flg.), er ist ewig von der Seligkeit ausgeschlossen, die der Mensch erreichen kann (2007, 1948). Darum seigert sich sein Haß und sein Neid gegen die Menschen, und er befiehlt seinen Teufeln, so viele zur Hölle zu bringen als

macht vom Sündenfall her seine Rechtsansprüche an die Menschheit geltend, und Moses sammt den Propheten stehen als Advokaten dem Gottmenschen Christus bei. Der Rechtsstreit hat aber seinem Wesen nach eine sehr beschränkte Dramatik, und daß diese Form vorzüglich im sechzehnten Jahrhundert in das Schauspiel Eingang fand, war Verderbniß durch Einseitigkeit. Nur dadurch, daß Jakob von Ancharano, der Verfasser des Belials, mit dem jüngsten Gerichte schließt, nähert er sich wieder der Vollendung, die das alte Schauspiel erstrebt.

nur möglich. Weil ihm aber der Pfaffe gesagt hat, daß Jesus noch einmal kommen werde, so will er mit seinen Teufeln in die Hölle sich zurückziehen und sie fest verwahren. Dahin tragen ihn seine Teufel zurück, denn er ist vor Kummer krank, aber statt mit Erbarmen geschicht es mit Hohn und so schließt das Teufelspiel auch im teuflischen Charakter, mit steter Furcht vor dem Ende, denn Enoch und Elias leben noch zum Kampfe mit dem Antichrist.

Nun besteigt der Schlußredner das von Lucifer verlassene Faß und ermahnt die Zuschauer zu einem frommen Leben und stimmt das Osterlied an: Christus ist erstanden.

Einige Bemerkungen will ich hier nachholen, die ich oben wegließ, um den Zusammenhang nicht zu unterbrechen. Zuerst die Gegenstellung der Hölle als Ort zum Himmel. Der Himmel ist das Haus Gottes, die Wohnung der Frommen, wozu Christus dem Petrus die Schlüssel gegeben, die Hölle aber ein Stall für die Teufel, die darum Höllenhunde heißen, ein Gefängniß mit starken Eisengittern, wie es auf alten Bildern erscheint, das mit Riegeln oder Grendeln verschlossen ist. Darum werden in den alten Schauspielen die Höllenriegel so oft angeführt (553 Altt. Schausp. 115, 116). Sodann das himmlische Gastmal und der Fraß der Teufel. Das himmlische Gastmal (Matth. 22, 1 flg. 26, 29) wird in den Schriften des Mittelalters oft für die Freude der Seligkeit überhaupt genommen (epulae coelestes, himelischiu wirtschaft)*), und da es in der Bibel heißt, der Teufel gehe um wie ein brüllender Löwe, suchend wen er verschlinge, welches Bild auch in das Offertorium der Seelenmesse aufgenommen wurde: so lag die Gegenstellung eines höllischen Fraßes ziemlich nahe, worauf in diesem Schauspiele mehrmals hingewiesen wird. Die Verdammten werden nämlich in der Höllenküche gebraten

*) Eine Beschreibung steht in meiner Quellensammlung der badischen Landesgeschichte 1, 143.

und von den Teufeln gefreffen (461, 1107, 1309, 1329 flg.) Diese Vorstellung vom Hafen der Hölle (olla Vulcani) war im Mittelalter sehr verbreitet, es genügt die Nachweisung, daß dieses Schauspiel damit zusammen hängt.

E. Einfluß des französischen Schauspiels.

Das Teufelspiel (la déablerie) war bei den Franzosen früher ausgebildet als bei den Teutschen und das folgende Stück trägt unzweifelhafte Spuren an sich, daß es auf die französischen Teufelspiele Rücksicht genommen. Neben den biblischen Teufelnamen Lucifer, Satan, Belial, Beelzebub kommen die teutschen Puck, Funkeldune, Krummnase vor, außerdem der antike Astrot, Astarot, der im Buch Belial Astraoth heißt (eine Erinnerung an Astarte) und die französischen Tuteville und Noytor, im Alsfelder Spiele Natyr, welcher legte bei den Franzosen gewöhnlich Noyron heißt, mit der Doppelbedeutung schwarz und Nero. Diese Menge benannter Teufel ist mehr dem französischen Schauspiel eigen als dem teutschen und nach den französischen Namen ist man genöthigt, zunächst einen französischen Einfluß anzunehmen, denn die biblischen und antiken Teufelnamen waren allen christlichen Völkern gleichmäßig bekannt.

Die Franzosen erfanden Namen, welche den Charakter bestimmter Personen ihres Schauspiels bezeichnen sollten, z. B. für Räuber Tout-li-faut, Soul-d'ouvrer, Courte-oreille, Sotetrongne; (Jubinal mystères 2, XI.) für Boten Légier, Grate mauvaiz, Trotemenu (Jubinal 2, 33, 69, 93); für Soldaten Pinceguerre (Jubinal 2, 289) u. dgl. In ähnlicher Art sind die teutschen Teufelnamen Funkeldune, Lepel und Krummnase gebildet, sowie anderer Personen z. B. Lykketappe.

Was in folgendem Stücke vom Seth erzählt wird (337 flg.), er habe seinem sterbenden Vater Adam das Lebensöl des Paradieses bringen sollen, aber vom Engel einen Zweig vom Baum der Erkenntniß erhalten, ist mir in einem andern alt=

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